Da hab ich ja wieder was ausgelöst…
Vielleicht sollte ich noch was dazu sagen.
Zu Juliane Liebert:
Ich hab schon viele Texte von ihr gelesen, und ich schätze sie außerordentlich, auch wenn ich keineswegs immer ihrer Meinung bin. Aber die Frau kann schreiben und hat Humor.
Deswegen hatte ich keine Bedenken, Auszüge aus ihrem Text zu teilen (auch wenn ich nicht wusste, was @jep angesprochen hat mit dem Zitieren - sorry dafür, ich werd’s in Zukunft beachten!).
Ich muss zugeben, dass ich mir der von euch angeprangerten Stelle natürlich bewusst war. Ich habe sogar damit gerechnet, dass @Gratschifter direkt darauf anspringen wird
, weil wir uns ja schon mal über unsere Studiengänge unterhalten haben.
Zugeben muss ich fürderhin, dass ich ob der betreffenden Stelle selbst loslachen musste - klar ist das geschmacksfrei und politisch unkorrekt, aber ich kenne meine Juliane Liebert, und was hier meines Erachtens untergeht, ist der ironische Boden, auf dem sie diese Stilblüte gedeihen lässt. Schließlich setzt sie als Konterpart ja nicht zufällig den Philosophieprofessor ein, wo es auch ein derbes „hat die Arschkarte“ getan hätte.
Insofern geht es hier trotz des Kontextes Debbie Harry nicht auf Kosten der Dame, sondern auf Kosten der, eben: Philosophieprofessoren.
Ich bin zwar kein Professor, aber wie gesagt, ich habe mit genügend Philosophen zu tun, um die Vermutung wagen zu können, dass jene mit diesem Scherz aus dem Munde einer provokativen, jungen Kulturjournalistin ganz bestimmt kein gesteigertes Problem hätten. Mir selbst, wie erwähnt, kam ein Lacher aus, auch wenn @Gratschifter auf den Satz prompt einging:
Ich hatte schon mal erwähnt, dass bei Komplimenten/Scherzen etc., ob gelungen oder zweifelhaft, zuallererst der Adressat/Betroffene entscheidet, wie’s ankommt - und in dem Fall geht der Scherz klar auf Kosten der scheiße aussehenden Professoren oder den Kreaturen, die dieses Fach studiert haben. Und ich entscheide für mich persönlich, dass ich gerne über mich selbst lache.
Der ernsthaftere Background der Sache ist mir natürlich auch klar. Aber ich wäre da nicht so vorschnell im Urteil und würde vor allem nicht alles über einen Kamm scheren. Was Debby Harry betrifft, schildert Juliane Liebert in dem Artikel auch die Zeit, in der du als Frau gar keine andere Erfahrungswelt hattest, denn als Sexobjekt angesehen zu werden. Und die spezifische Leistung Harrys bestand nicht zuletzt darin, sich nie so verhalten zu haben, was umso klarer wird, wenn man sich den Bandnamen vornimmt (der wieder ironisch gepolstert ist) oder sich die Texte mal genauer ansieht. Und auch der Graffiti-Gag aus der Berliner Bar-Toilette drückt das aus.
Macht das alles gut? Nein, aber ich würde das vermeintliche Dilemma Objekt/Subjekt gern etwas erweitern. Es geht nämlich schon auch um die Rolle des Sex an sich in der Gesellschaft. Dass diese eminent ist, war in den späten Siebzigern so und ist heute nicht anders. Wird nie anders sein. Und warum auch? Schließlich verdanken wir ihr alle unser Dasein. Die Rolle des Ästhetischen/Erotischen dabei muss jeder für sich selbst definieren, aber es zu ignorieren, halte ich für keine sehr praktikable Lösung.
Oder praktischer, auf unser Beispiel bezogen:
Wäre ich mit Wangenknochen einer Debbie Harry gesegnet, wäre mit Sicherheit auch mein Leben anders verlaufen.
Nichts anderes kleidet der Scherz sowohl von Juliane Liebert als auch der freche @Gratschifter -Kommentar in meine Richtung in Worte, und ich finde das vollkommen in Ordnung.
Das Aussehen spielt nunmal eine wesentliche Rolle grade in Berufen, die im sichtbar öffentlichen Raum ablaufen. Damit zu spielen, ist in einem kapitalistischen System - gibt es heute noch andere? - das Logischste der Welt, und auch wenn @Women7 vollkommen Recht hat, dass Frauen genau wie Männer darauf achten sollten, wie sie das tun, kann man etwa nicht ernsthaft Debbie Harry, Kim Wilde und Sam Fox in den gleichen Topf werfen, was den Umgang mit ihrem Körper betrifft.
Ich als Mann möchte mir sogar schlicht gar kein Recht zubilligen, über die eine oder andere ein Urteil zu fällen in diesem Tun oder Lassen, in einer zutiefst patriarchalischen Welt zumal. Ich kann Deinen Ansatz verstehen, @Women7, aber wenn Du darauf wartest, dass Sexappeal eine geringere oder keine Rolle mehr in diesem Business spielt, könnte es sein, dass Du länger warten musst als das Patriarchat existiert.
Bis dahin plädiere ich dafür, grade Frauen nicht aus dem Zeitkontext zu reißen und über einen Kamm zu scheren. Grade zu so frühen Jahren wie bei Debbie Harry ist es eine enorme Sache, eben nicht die Rolle als Objekt zu akzeptieren, gleichwohl man die Umwelt (sprich die Männer) schwer ändern wird. Trotzdem definiert man sich schon noch zuallererst selbst, erst dann kommt der Blick von außen.
Mein persönliches großes Vorbild für eine selbstbestimmte, starke Frau, die zutiefst ironisch mit diesem Thema spielt, ist seit Urzeiten die große Diana Rigg. Und zwar insbesondere in ihrer ikonischen Rolle in der Serie (dt. Titel) Mit Schirm, Charme und Melone.
Und wie war noch gleich ihr Rollenname…?
Emma Peel.
M. Appeal.
Man-Appeal…
Und ich kann jeden Mann verstehen, wenn er diese Frau Klasse findet, wie sie in der Serie mit übergriffigen Männern umgeht (verbal wie physisch). Und @Women7, findest Du nicht auch, dass man in diesem Zusammenhang auch ein Kompliment über ihre äußere Erscheinung machen darf/kann, ohne sie damit zu objektivieren? Es wäre doch traurig, wenn nicht, solange es charmant und geschmackvoll geschieht (und natürlich gilt dasselbe immer auch für Männer. Meine Frau hat mich oft genug damit aufgezogen, dass ich vom Phänotyp definitiv eher in Richtung Philosophieprofessor gehe denn in Richtung Antonio Banderas - letzteres würde sie dann doch bevorzugen. Wir haben sehr viel Spaß mit solchen Flachsereien.)