Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 3)

Korrekt @ChrisCullen .

Ich hab hier satirisch überspitzt und nicht historisch differenziert formuliert.
Mir ging es mit dieser unsachlichen Pointierung darum, die moralische Fragwürdigkeit und Doppelzüngigkeit zu hinterfragen, die die Vertreter der Freiheit damals wie auch heute an den Tag legen. Ich reagiere einfach allergisch, wenn den Westen automatisch gleichgesetzt wird mit Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit…

Du hast mit deinen Anmerkungen zu Roosevelt und seinen Motiven vollkommen recht. Richtig ist aber auch, dass sowohl Churchill als auch Roosevelt seit Jahren über die Massaker Nazi-Deutschlands im Osten informiert waren.
Erst als Amerikaner starben in Pearl Harbour, hat sich die Stimmung in god‘s own country gewendet - das beschreibst Du ganz richtig.

Wer weiß, was die Bayern-Fans 2099 über den Ukraine-Krieg in den zwanziger Jahren bloggen werden? Vielleicht werden sie fragen, wieso der Westen nicht schon viel früher…
Hinterher is‘ der Historiker immer schlauer. Das unterscheidet ihn vom Politiker.

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Ich entschuldige mich. :pray::pray:
Das ist der Fluch des Später-Dazugestoßenen.
Aber erst rückwirkend die 6000 Threads von Politics Teil 1 und 2 nachlesen zu müssen, bevor man watt schreiben kann: is echt ne Hammer-Challenge für Neu-Mitglieder von MSR :crazy_face::wink::see_no_evil:

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Ja was denn nun? Man erzählt uns doch aktuell immer wenn Putin mit der Ukraine fertig ist wird weiter nach Berlin marschiert?!

Zurück zum eigentlichen: eine Wehrpflicht ist nichts schlimmes. Wie gesagt… kein Wehrpflichtiger wird nach Afghanistan geschickt und ballert dort Taliban über den Haufen

Dafür musst Du Dich nicht entschuldigen. Ich wollte lediglich mein Selbstzitat legitimieren.

Geschenkt @jep - Immer willkommen von dir!
Ich wollte eigentlich damit wieder ein bisschen Schmunzeln in die Tonlage bringen - bei allem Ernst der Themen schätze ich es sehr, wenn wir den Humor nicht ganz verlieren. :stuck_out_tongue_winking_eye::wink:
Und den höflichen Respekt vorm anderen.

So, und jetzt muss ich mir erstmal deine Quellen einverleiben…

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Aus der MDR-Doku geht hervor: es ging auch um Geld, die UdSSR war fast pleite. Gorbatschow stand intern mächtig unter Druck. Ohne finanzielle Hilfe vom Westen wäre er womöglich abgesetzt worden, und die Verträge wären nicht zustande gekommen. Thatcher schoss ja auch noch mächtig quer zuletzt. Das war keine Situation, um Forderungen für hypothetische Konstellationen zu stellen (wenn der Warschauer Pakt mal nicht mehr bestehen sollte).

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Beides großartig - sowohl dein Zitat des GRÜNEN Gerald Häfner - fehlte mir noch, entspricht aber meinen Erinnerungen.

Als auch die detaillierte Rückschau des mdr lässt diese Erinnerungen noch mal hochkommen - Gänsehaut.

Ich war damals übrigens genauso ein naiver Pazifist wie heute: habe als studentischer Journalist für ein blockfreies und neutrales Deutschland gefightet - natürlich vergebens.
Aber Don Quichotte war schon immer mein Lieblings-Don Giovanni! :stuck_out_tongue_winking_eye:

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Das Thema Geld zog sich auch durch die 90er Jahre weiter hindurch, als man Jelzin damit beschwichtigte und so die Ausweitung der NATO nach Osten durchsetzte.
Allerdings muss man auch dazusagen, dass sämtliche Länder, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in die NATO aufgenommen wurden, geradezu flehend um Aufnahme baten, weil man wusste, dass es keine Garantie für ein nicht-expansives Russland geben würde. Und das Vorgehen der Russen in Tschetschenien in den 90ern zeigte sehr gut, dass man auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Russland nicht unbedingt setzen konnte. Deshalb waren ja alle so scharf darauf, sich über die NATO-Mitgliedschaft für den Fall abzusichern, dass Russland wieder seine expansive Ader entdeckt.
edit: nur die Ukraine waren die Angeschmierten, weil sie ihr größtes Faustpfand, nämlich den Bestand an Atomwaffen aus Sowjetbesitz aufgaben für Garantien, die sich nachträglich als nichtig erwiesen. Hier war tatsächlich der Wunsch des Westens, sämtliche Atomwaffen aus Sowjetbesitz in russischer Hand zu sehen und die Ukrainer haben sich darauf verlassen, dass man sie trotzdem beschützen wird.

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@jep You name it!
Mir war das damals schon klar … ich war 1990 für ein knappes Jahr in der Sowjetunion und in sich grade ablösenden Baltikum.
Bis auf die Ideologie-hörigen KPdSU-Senioren war eigentlich jedem dort klar, dass die SU sich zu Tode gerüstet hatte und wegen Insolvenz politisch völlig erpressbar war. Das gilt übrigens auch für seinen Nachfolger Jelzin, der Bush Senior die Kreide quasi aus der Hand fraß.

Kleine Anekdote am Rande:
Was mich (ich war 19 und noch ziemlich jung…) damals in meiner Sowjetunion-Zeit völlig überrascht (und auch überfordert) hat:
Unser aller geliebter Gorbi war im eigenen Land eine Witzfigur. Nicht übertrieben: er hatte 1989 und 90 so gut wie keine innenpolitische Unterstützung mehr. Die Opposition machte sich lustig über ihn. Und die Hardliner warfen ihm die Zerstörung des Imperiums vor. In den abtrünnigen Republiken wurde Gorbatschow für nahezu jedes Defizit verantwortlich gemacht, das die
KPdSU in 60 Jahren Autokratie produziert hatte.
Und er wurde im eigenen Land etwa mit demselben Ernst betrachtet, wie wir Europäer zu Trump oder Bush Junior stehen: unmöglich, dass so einer zum Präsidenten gewählt wird!!

Mit derselben satirischen Häme wurde Gorbi im eigenen Land bedacht. Nur im Westen wurde er gefeiert.

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Dieser ominöse Herr Kowalczuk bezeichnete Nymoens Veröffentlichung ja bereits als „Schandbuch“. Wohl mit leicht rheinländischem Singsang und fuchtelndem Zeigefinger…

Der ist weder ominös noch Rheinländer, sondern war 1989 Aktivist in der DDR.

Allerdings hält er - und das magst Du ihm vielleicht ankreiden - Sahra Wagenknecht für eine Stalinistin par excellence.

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Witziger Vergleich, der natürlich auch seine schiefen Seiten hat. Das Volk hat ihn ja nicht gewählt, sondern er wurde ihm vorgesetzt wie Breschnew, Andropow und Konsorten. Im Vergleich zu denen fiel er in vieler Hinsicht aus dem gewohnten Rahmen, was nicht automatisch seiner Beliebtheit zuträglich war. Ob es ihm daheim gedankt wurde oder nicht: er hat sich große Verdienste erworben.

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Wir sollten noch ergänzen: das Geld des Westens war wohl auch das Hauptmotiv der Ostblock-Staaten für das Flehen um NATO-Aufnahme.

Das wurde damals von der politischen Linken gern verlacht als „die wollen doch alle nur Bananen und die D-Mark“. Wenn ich das höre, entsichere ich meinen…
Wo immer Bananen im Regal sind (und diese auch immer gleich aussehen :stuck_out_tongue_winking_eye:), kann niemand verstehen, wie’s ist, wenn da im Regal gar nix ist. Nicht keine Bananen, sondern leere Regale.
Und Du deine Zwei-Raum-Wohnung renovieren möchtest und nur über Beziehungen oder niemals an die nötige Farbe dafür kommst, dann entscheidest Du dich auch irgendwann für die D-Mark.
Spätestens, wenn Du Kinder versorgen musst …

Ich pflege heute immer noch regelmäßig und ausgiebig zu wüten, wenn wir West-Menschen über die psychologische Gemengelage derjenigen urteilen, die Jahrzehnte jenseits der Mauer gelebt haben.
Wir wissen GAR NIX darüber, wie es war, in Polen, Rumänien, Litauen oder eben der Sowjetunion zu leben.
Und wenn man keine Ahnung davon hat: lieber und gelegentlich mal die Klappe halten.
(das richtet sich gegen niemand hier im Forum - ich lass nur ein bisschen über 30 Jahre angestauten Dampf ab… im Ernst: unseren Austausch empfinde ich als sehr kompetent, Fakten- und lehrreich!! Alle Daumen hoch!)

Na, ein bisschen hat das schon mit heute und dem Thema Ukraine/Russland/Putin zu tun.

Kleiner Exkurs über:
Wieso schmeißen die Russen den Putin nicht einfach raus?
Ich frag einfach mal: wie konnte es passieren, dass die wählenden Amis Trump noch einmal 49,7 % der Stimmen gegeben haben. Meine Hauptantwort ist MAGA - make America great again. Damit kriegt Trump das Lebensgefühl von knapp der Hälfte der Wählenden - ein Drittel der Amis wählt gar nicht erst. (Den meisten Trump-Supportern ist leider nicht klar, dass mit dem „Great again“ nicht sie selbst gemeint sind - aber das geht den AfD-Wählern ähnlich…)

Und genau das lässt die überwiegende Mehrheit der Russen hinter Putin stehen.
Make Russia great again.
Man muss sich da wirklich reinfühlen, um das verstehen zu können:
70 Jahre lang Opfer und Verzicht, weil es ums große Ideal ging - das kommunistische Paradies, das immer genau hinter der nächsten Kurve beginnt (nur nicht heute!)
Russland war 1917 ein reines Agrar-Entwicklungsland, 35 Lenin-und Stalin-Jahre später hatte die Große Rote Armee den Faschismus besiegt, besaß Atomwaffen und flog ins All. Der Preis dafür waren 40 Millionen Industrialisierungs-Tote, aber: für den Russen zählte allein: Mütterchen Russland ist kein Bastard in der Welt mehr. Endlich sind wir Russen auch mal wer! Und: wir sind die Guten. Schließlich befreien wir die Entrechteten und Unterdrückten in Russland und der ganzen Welt.

Das Erwachen in den 80ern, als klar wurde, dass das wirtschaftliche Fiasko nicht mehr abzuwenden ist, war brutal für den einzelnen, unter anderem auch seelisch. Dass der Klassenfeind America den Kalten Krieg nicht mit Atombomben, sondern Aktien gewonnen
hatte, ist für die Mehrheit der Russen schlicht unerträglich gewesen.

Dann kamen die 90er unter Jelzin - 10 Jahre lang wurde es für den überwiegenden Teil der Bevölkerung noch schlechter. Das heißt: Verlust der Weltmacht, Verlust der sozialen Vorteile des KPDSU-Regimes, Ausplünderung der industriellen Hinterlassenschaft durch ein paar Oligarchen und noch weniger im Geldbeutel / in den Regalen. (Wie oft habe ich gehört: „okay, unter Breschnjew war vieles nicht okay: keine Freiheit, Korruption - aber: es gab immer genug zu essen! Jeder hatte Arbeit! wir waren im Weltraum! Wir waren Medaillensieger bei Olympia! Und wir waren die Guten. Heute haben wir gar nichts mehr.“
Und damit hatten die Russen in der Regel auch individuell Recht!

So, und dann kommt vor einem Vierteljahrhundert ein junger KGB-Offizier an die Macht und suggeriert Dir, dass er „Russia great again“ macht.

Noch verwunderlich, wenn das auf fruchtbaren Boden fällt?

(Nebenfrage: wie kommt es, dass in Deutschland -seiner Geschichte, Entwicklung und aller Bildung zum Trotz- ein Viertel bis Drittel der Menschen eine stumpfe, rechts-populistische Rassistenpartei wählen:
„Germany First“ oder mit anderen Worten:
„Make Germany great again“)

Das zog psycho-politisch 1919 nach dem „Diktatfrieden von Versailles“ - Deutschland zu alter Größe zurückführen. Und das zieht 100 Jahre später immer noch - weltweit.
In Deutschland.
In Amerika.
Und in Russland.

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Und damit hatter Recht:
Sarah IST eine Stalinistin par excellence.

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Ich kann mir auch nicht vorstellen, jemals an einem Krieg teilzunehmen oder auch nur eine Schusswaffe oder Ähnliches in die Hand zu nehmen. Ich würde definitiv nach Exil suchen, wenn sich sowas anbahnt. Mir bedeutet unser Leben hier viel. Aber nicht so viel, dass ich versuchen würde, andere Menschen zu töten und mein ganzes Leben dafür wegzuwerfen (im besten Fall). Und ich fühle mich einer Nation auch zu nichts verpflichtet.

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Tschernjenko hieß der letzte Konsorte vor Gorbi. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Für uns im Westen macht das keinen Unterschied - richtig.
Aber um Russland psychologisch zu verstehen, finde ich das allemal wichtig.

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Ich finde diese wieder aufkeimende Wehrpflichtsdebatte ehrlich gesagt suspekt.
Wir haben weder das Personal noch die Ausrüstung um eine so große Menge neuer Soldaten überhaupt auszubilden und auszurüsten.

Wir werden dank der NATO selbst mit dem Wegfall der USA nie mit Russland direkt kämpfen - selbst Putin würde keinen Krieg mit anderen Atommächten anfangen.

Warum also der Bedarf an so vielen neuen Soldaten, die durch eine Wehrpflicht kommen würden?

Neben überkochenden und reaktionären Gemütern vermute ich da die deutsche Rüstungsindustrie, die nach dem Ausscheiden der USA Blut geleckt hat.
Daher auch die Anfeindungen vieler Grüner mit den Linken.

Und die CDU sowieso…

Und die CSU will jetzt natürlich auf das bessere Pferd setzen - da die Autoindustrie auf dem absteigenden Ast sitzt.

Aber Pistorius hat da wohl bessere Karten.

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Als gewichtiges Argument für eine Wehrpflicht wird immer wieder genannt, dass die Wehrpflicht hilft, um mehr Nachwuchs für eine Karriere bei der Bundeswehr über den Grundwehrdienst hinaus zu finden. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in den Jahrzehnten, in denen es die Wehrpflicht gab, ein nicht zu verachtender Prozentsatz an Wehrpflichtigen den Weg einer Verpflichtung für weitere Jahre wählte bis hin zur Karriere als Berufssoldat. Aktuell hat die Bundeswehr scheinbar große Probleme, die gewünschte Zahl an Soldaten zu erreichen und kommt bei ihren Bestrebungen kaum weiter. Es gelingt scheinbar auch nicht, den Beruf so attraktiv zu machen, dass genug Menschen das in Erwägung ziehen. Von daher ist die Hoffnung, dass jemand, wenn er erst mal dabei ist, davon überzeugt werden könnte, länger dabei zu bleiben.
Mir selbst wäre das nie in den Sinn gekommen, aber in meiner Grundausbildungseinheit waren tatsächlich einige dabei, denen das Soldatenleben so zusagte, dass sie sich daraufhin für mehrere Jahre verpflichteten.
Eine ähnliche Argumentation hört man im Übrigen auch im Pflege-Sektor. Auch hier wurden einige spätere Beschäftigte erst durch ihren Zivildienst in diese Richtung „geschoben“.
Zur Diskussion bzgl. der Notwendigkeit von Soldaten im Atomwaffenzeitalter hätte ich noch ein paar Gedanken:
Warum hat man nicht schon in den 60er Jahren während des Kalten Krieges alle konventionellen Streitkräfte aufgelöst? Die Konstellation war doch ähnlich. Hätte eine Seite die andere angegriffen, wären Atomwaffen eingesetzt worden, die wiederum einen konventionellen Krieg obsolet gemacht hätten. So klingt zumindest die aktuelle Logik, die hier teilweise vertreten wird.
Wenn jemand Atomwaffen hat, heißt das aber für mich nicht automatisch, dass er diese auch einsetzt. Der Einsatz ist mit sehr großen Risiken verbunden und deshalb die Hemmschwelle gottseidank auch ziemlich hoch. Wieso sind wohl noch keine russischen Atomwaffen in der Ukraine zum Einsatz gekommen? Ich denke nicht, dass Putin einen Atomangriff der NATO als Vergeltung befürchtet, sondern andere Gründe dafür sprechen, z.B. der Verlust von Verbündeten angesichts dieses Tabubruchs. Und deswegen besteht für mich nachwievor die realistische Möglichkeit für Szenarien, in denen Bundeswehrsoldaten in einem konventionellen Krieg ohne Atomwaffen für die Sicherheit Deutschlands oder eines anderen NATO-Partners kämpfen müssen.
Jeder, der nicht dafür kämpfen möchte, hat im Übrigen mein vollstes Verständnis. Ich würde es auch nicht machen.
Aber genau deswegen müssen wir alles dafür tun, dass wir genug Menschen in unserem Land finden, die dafür bereit wären und wenn das nur über den Weg einer Wehrpflicht geht, dann würde ich diese Option nicht ausschließen wollen. Wehrpflicht muss ja nicht heißen, dass alle eingezogen werden. Hierfür fehlen tatsächlich die Kapazitäten. Diese ließen sich aber bestimmt so hochfahren, dass man alle 2 Monate deutschlandweit ein paar Tausend junge Männer und Frauen einziehen könnte, von denen dann hoffentlich genug Geschmack am Dienst an der Waffe finden und sich weiter verpflichten, so dass eine deutlich größere Anzahl an kampffähigen und kampfbereiten Soldaten und Reservisten zur Verfügung steht.

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Hey @Faenger,

Wenn ich mal in die Politik gehe, darfst Du meine Reden schreiben!

Wollte das nur schon mal sagen, falls Du noch was anderes mit Deinem Leben vorhast :slightly_smiling_face:. Du bist mein Scharnagl (Vorsicht, Insider-Joke)!

Die aufkeimende Debatte um die Wehrpflicht erlebe ich auch eher mit Verwunderung. Aber weniger, weil ich eine Wehrpflicht kategorisch ablehne (da würde ich mir die Expertise nicht zutrauen, inwieweit das umzusetzen ist), sondern weil alles, was ich über Sicherheitspolitik weiß, dafür spricht, dass Kriege heutzutage nicht mehr über Manpower geführt oder gar gewonnen werden. Daher scheint mir die technische Ausstattung wesentlich relevanter, genügend Menschen zur Bundeswehr zu bringen, sollte auch ohne Wehrpflicht möglich sein.
Und sicher sollte man aufpassen, sich von der Rüstungsindustrie nicht Sachen aufschwatzen zu lassen, die einer Kriegsführung von vorgestern dienlich wären und lediglich Auftragsbücher von Konzernen füllen würden. Man würde sich wünschen, dass weniger Lobbyisten und mehr Experten im Umfeld der Regierungen unterwegs sind.

Ich fühle mich meiner Nation auch nicht auf die Art verpflichtet, dass ich mich in jeden Konflikt schicken lassen würde. Aber:
Ich lebe in einem Land, das man als freiheitlich-liberal bezeichnen darf. Sollte eine Situation derart sein, dass just diese Freiheit bedroht wäre, würde ich mich dementsprechend moralisch schon in einer Pflicht sehen, diese Freiheit zu verteidigen und nicht andere meinen Kampf austragen zu lassen. Und schon gar nicht würde meine pazifistische Ader ausreichen, um mich vorauseilend in ein Schicksal zu fügen. Ich wüsste auch gar nicht, wohin ich mich heutzutage noch verzupfen könnte, um „in Frieden“ zu leben. Manchmal reicht es nicht, seine Werte nur verbal oder im Rahmen der Diplomatie zu verfechten.
Es geht mir nicht um nationalistischen Heldenmut oder Ähnliches. Und keiner kann sagen, was er im Falle des Falles wirklich täte. Aber mir imponieren viele Ukrainer genau deswegen, weil sie sich unter großen Opfern für ein Leben einsetzen, das sie eben dem russischen Joch vorziehen. Und wie schon oft gesagt wurde, diesen Kampf führen sie in der Tat stellvertretend auch für andere. Mindestens mal für andere Staaten des ehemaligen Ostblocks.

Ich finde Pazifismus als solchen zunächst mal eine honorige Haltung und würde mir nicht anmaßen, das abzuwerten. Allerdings finde ich schon, dass es Pazifismus auf einem höheren wie auch etwas billigeren intellektuellen Niveau gibt. Und bis heute ist mir kein Argument untergekommen, wie ein pazifistischer Ukrainer reagieren soll, der angegriffen wird - in dem Bewusstsein, dass Unterwerfung bedeuten würde, dass der Aggressor weiterwüten darf und kann.
Und: den nötigen Kampf auszufechten bedeutet natürlich nicht, dass man sich nicht jeden Gedanken machen darf, wie Kriege zu verhindern oder zu stoppen sind. Nur: das passiert ja auch. Sämtliche Militärstrategen in allen Ländern durchdenken diese Fragen seit Jahren, im historischen wie aktuellen Kontext. Dass Politiker wie die Wagenknecht immer suggerieren, dass niemand an diplomatischen Lösungen arbeitet, ist schlicht nicht wahr.

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