Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 3)

Ich hab die prinzipiell gleiche Ausbildung, mehr nicht. Philosophie ist mein Steckenpferd und meine Leidenschaft. Und ich weiß, was, nun ja, relevante Philosophen über ihn denken oder zumindest im Subtext über ihn schreiben, weil ich Fachmagazine und -Literatur lese. Da kriegt man das schon mit.

Übrigens ist das gar nicht so despektierlich gemeint wie mein Post vielleicht rüberkam. Natürlich ist das ein intelligenter Bursche, und natürlich kann der was. Aber nur weil er, wie erwähnt, als Philosoph fungiert, hat er zum Beispiel kein bisschen mehr Expertise als Leute wie du und ich, wenn es um politische Äußerungen geht. Warum sollte er auch?
Und das ist der Punkt:
Andere Philosophen äußern sich auch zu gesellschaftlichen Themen, das darf jeder. Etwa Markus Gabriel. Allerdings, wenn der das macht, drückt er in der Regel klar aus, dass er von einer philosophischen Warte aus spricht oder schreibt. Ganz abgesehen davon, dass (und das wäre halt dann mein positives Gegen-Beispiel) Gabriel hauptberuflich als Philosoph fungiert, in dem Bereich forscht, arbeitet und relevante Denkgebäude entwirft, die wiederum im Fachbereich auch Echo finden. All das ist bei Precht nicht der Fall. Aber beide befinden sich in ihrem Wirken an der Schnittstelle zwischen populärem und fachspezifischem Bereich. Nach meinem Dafürhalten der eine etwas seriöser, der andere etwas oberflächlicher, sanft umschrieben.

Ich bin mir natürlich sicher, dass manch anderer das anders sehen mag.

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Ok. War mir nicht bewusst, dass du vom Fach bist!
So ist deine Kritik wenigstens fundiert und nicht einfach nachgeplappert

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Vom Fach, das klingt jetzt so abgehoben… :wink:
Ich plädiere da gern auch für etwas Bescheidenheit. Philosophieren kann ja schließlich jeder, und viele tun es auch. Okay, wenn man ein Studium durchläuft, hat man einen gewissen theoretischen Unterbau. Aber einlesen kann man sich da genau wie in anderen Bereichen auch. Überleg mal, wie wir hier expressiv über unsere Fußballer reden, urteilen und richten, und ich glaube, die meisten hier sind bezüglich Fußball auch nicht grad vom Fach. Was uns nicht hindert, unseren Senf beizusteuern, nicht wahr?

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Natürlich. Ohne Frage

Aber wenn wir ehrlich sind, ist das doch bei fast allen Themen so. Diese Leute die sich in den Medien tummeln und nicht mehr als Halbwissen haben gibts zu fast allem.

Die meisten Menschen wissen nicht was Philosophie ist. Sie wussten es aber noch nie. Vor 10 Jahren war Günter Jauch wahrscheinlich der größte deutsche Philosoph.

Für mich ist das ok.

Ich habe lange dafür gekämpft, dass ich Kant so ein wenig verstehen konnte. Aber es hat mich eben brennend interessiert (und ich hatte Hilfe). Ich habe Glück, dass ich da Menschen kenne die mich zum Thema Philosophie da ein wenig herangeführt haben. Echte Philosophwn eben.

Ich habe eher ein Problem mit denjenigen die meinen sie wüssten eh alles, weil sie Lanz schauen (als Beispiel). Aber das ist ein gesellschaftliches Problem. Das haben wir glaube ich ein wenig selbst verbockt.

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Wem sagst Du das.
Im Alltagsleben bin ich praktisch zu nichts zu gebrauchen… :smile:

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Sehr wichtiger und bisher fehlender Aspekt in der Debatte. Aber um sinngemäß mit @Alex zu sprechen: Precht produziert ein Konsumprodukt, das stark nachgefragt wird. Aus ökonomischer Sicht völlig okay.
Durch eine dialektische Brille geschaut, könnte man hinzufügen: Der Precht schafft seine Nachfrage. Die Nachfrage schafft ihren Precht. Und wenn auf den Bundes-Jauch der Philosophen-Precht folgt, ist das eher folgerichtig und geschieht uns in der Schafherde vermutlich ganz recht: „Wer wird Millionär?“ ist halt eine zentrale Daseinsfrage im Kapitalismus.
1700+ Folgen können nicht irren.

Aber zu allem fähig…:wink:

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Es gibt halt einen Argwohn aus Teilen der reinrassigen Philosophenzucht gegenüber Jemandem, der die Zuhörer nicht gänzlich mit akademischen Fachtermini zukleistert. Sondern sich um allgemeine Verständlichkeit bemüht.
Da nimmt der Elfenbeinturm-Adel dann übel… :face_with_monocle:

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Ok. verstanden. Precht ist also quasi Straßenphilosoph ( während meinetwegen Habermas ein richtiger Hochschulphilosoph ist).
Da scheint es ja irgendwie Futterneid zu geben.:thinking:

Unbestritten mag Precht seinen Aufstieg zu einem nicht unerheblichen Teil seinem Alter, Aussehen und Ausdruck verdanken. Zu was er letztlich stilisiert und medial gemacht wird, sagt natürlich einiges über den Zustand einer nationalen Debattenkultur und unseren Zeitgeist aus.
Ich schließe mich @ChrisCullen und @Gratschifter an, dass man ihm nicht verübeln sollte, seinen Sinn und Zweck abseits der akademischen Philosophie gefunden zu haben und nun halt den Kaffeefilter der Nation gibt.

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Nein, der nimmt übel, dass (sich) jemand als Philosoph bezeichnet, der keinerlei Beitrag dazu leistet. Prechts Philosophie ist: Precht.

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Das ist das eigentliche „Problem“.

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Das ist aber auch kein neues Phänomen. Es ist so alt wie die Medienlandschaft in Nachkriegsdeutschland.

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So ist es. Daher im folgenden ein paar schmunzelnde Betrachtungen zu unserer Debattenkultur.

Naja. Es geht in der ganzen Debatte doch wirklich nur um ein (wie ich inzwischen finde, recht unwichtiges) Detail:
Wieviel originär eigene Philosophie steckt in Richard David Precht?
Wir hamm zwei Fraktionen: Die einen betrachten seinen denkerischen Beitrag zur modernen Philosophie eher skeptisch, ums mal höflich zu formulieren. Nicht jeder, der über Philosophen schreibt, ist auch einer. Die anderen hingegen empfinden diesen Standpunkt als pikierte (und neidische) Infragestellung all der Erfolge und Errungenschaften, auch Leistungen Prechts. Und so drehen wir uns munter im Kreise, weil wir nach wie vor (voller Elan, vermuteter Absicht und diebischer Freude) gezielt haarscharf aneinander vorbei diskutieren. Macht übrigens nen Heidenspass Leute :clap::heart_hands::wink::stuck_out_tongue_winking_eye:!

Unser Diskurs läuft ungefähr so ab:
„Watt immer über ihn gesagt wird: Rosa Pullis stehen ihm gar nicht - auch wenn er das von sich immer behaupten würde.“
„Aber rot steht ihm hervorragend. Außerdem kann er blau und grün tragen.“
„Nein, rosa steht ihm gar nicht.“
„Habt ihr schon bedacht, dass er der einzige Mann unter 30 war, der beige Cordhosen tragen konnte??“
„Was ich schon immer sagen wollte: Rosa und Precht - sowas von :see_no_evil:.“
„Eine Generation von Deutschen verdankt Precht den Zugang zu Lila und Gelb. Und seine Studien zu Mauve haben wirklich vielen die Augen geöffnet.“
„Nein, dem Kaiser stehn keine rosa Kleider.“
„Männo. Du bist doof.“
„Und Du dööfer.“

Ich halt’s in dieser Frage ein bisschen mit dem anderen Kaiser Franz:
„Schaun mer amoi.“ Time will show.
Oder mit @MiaSanFCB :

Die wahre historische Bedeutung des Herrn Precht in den Annalen für deutsche und internationale Philosophie werden einst die Historiker beurteilen. Ob sein Name dann nur eine Fußnote oder die leuchtende Überschrift des 21. Jhdts. sein wird : Dazu jibbet hier und heute ein Forum und zwei Meinungen. Un datt blivt och ahl su.

Übrigens bekenne ich mich schuldig, die Diskussion losgetreten zu haben, indem ich mich in meinen ersten Formulierungen um und zu Precht ein bisschen (despektierlich) gehen ließ: Er fiel mir halt sofort ein, als ich einen (sprachlichen, nicht inhaltlichen) Antagonisten zu Adorno/Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ suchte.
Das war aus zweierlei Gründen naheliegend:
Zum einen brauchte ich einen möglichst drastischen Kontrast zur Denk- und Sprachgewalt der Frankfurter Schule. Da jibbet keen Bessren als Richard David.
Zum anderen (da möchte ich @ChrisCullen ein bisschen pingelig widersprechen) ragt Precht aus der Masse der TV-Talk-Stars der Nachkriegsgeschichte schon heraus wie ein (nicht Elfenbein-, sondern) Leuchtturm: Er ist halt der bislang einzige (zunächst selbst-, dann mit zunehmendem Erfolg immer mehr fremdernannte) „Philosoph“ im Nachkriegs Planschbecken der Dauer-Plauderer und -Schreiberlinge.

Und ich muss leider gestehen, dass ich mit zunehmender Dauer unseres Disputs eine wirklich spitzbübische Freude am Verhohnepiepeln von Mister Precht entdecke. Datt muss der Bergische Genosse mir gönnen, außerdem auch abkönnen. Wer sein Geld im Rampenlicht der Unterhaltungsindustrie verdient, wird unweigerlich auch Zielscheibe von Satire und Spott. Ob dem auf meiner Seite Neid und Nich-gönne-könne zugrunde liegen, mögen andere (also ihr) beurteilen.

Meine abschließende Meinung: Dem Herren Precht steht farblich so ziemlich das meiste…

Außer rosa!

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Du hast etwas humorvoll Verbindendes, @Gratschifter:wink: Das schätze ich sehr.

Ich möchte trotzdem nochmal insistieren, weil ich dem guten Richard (gerne auch rosa gekleidet) rein gar nichts neide. Mir ging’s auch nicht um eine Scheindebatte.
Mein Problem mit ihm, ist weder wie er etwas sagt noch dass er es sagt, sondern was er sagt.

Auch die Verständlichkeit ist gar kein Problem. Ich hab selbst eher ein Problem mit Philosophen, die sich der klaren Sprache gern verschließen, und bevorzuge demgemäß Nietzsche oder Schopenhauer gegenüber Heidegger oder Sloterdijk (um mal wieder eine aktuelle Figur zu nennen).

Unabhängig von diskutablen Inhalten jedoch bleibe ich gern in der richtigen Kategorie. Da geht’s nur um Einordnung, nicht im Sinne einer Wertung, schon gar nicht bezüglich Leistung oder Verdienst. (Daher auch keine Neid-Debatte nötig.)
Also:
Adorno, Foucault, Habermas usw. sind Philosophen. Historische Figuren in ihrem Fach mit prägendem Einfluss.
Wenn sich Precht im Fernsehen oder schriftlich zu gesellschaftlichen Fragen äußert, tut er das nicht als Philosoph, sondern als engagierter Bürger wie du und ich. Legitim? Aber ja. In Rosa? Sehr gern. Kritikwürdig? Unbedingt. In der Sache, sprich: inhaltlich. Schließlich hat, entgegen dem hier erweckten Anschein, niemand ihm abgesprochen, sich zu äußern - es wurde nicht die Farbe des Kleides kritisiert, sondern die Funktion.
Wie @Faenger schon auf den Punkt gebracht hat:

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Sorry @cheffe .
Ich schätze schon, dass ich Dich verstanden hatte - das tu ich mbMn eigentlich immer.

Hab lediglich versucht, mit ein bisschen Humor auf den Umstand hinzuweisen, dass wir uns rhetorisch im Kreis drehen.

Precht ist kein Philosoph.
Aber er tut viel Gutes.
Aber er ist kein Philosoph.
Aber er schreibt interessante Bücher.
Aber es ist kein Philosoph.
Aber er macht Philosophie für viele verständlicher.
Aber er ist kein Philosoph.
Behalt doch dein sch… Hammer!

Offenbar ist datt mit dem Humor missglückt. Und datt mit dem Hinweis aufs rhetorische Hamsterrad wohl auch :see_no_evil:.
Is halt nich jedem gegeben - @Gratschifter - setzen!

Na denn - ich lehne mich zurück und genieß noch ein paar Runden im Laufrad. Und mische gerne weiter mit - Bewegung soll ja bekanntlich jung halten… :+1:

(@Lukenwolf1970 wird uns übrigens demnächst verschieben in den neu geschaffenen Precht-Thread…)

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Nein gar nicht…! Im Gegenteil, deswegen hab ich ja Deine humorvolle Verbindlichkeit gelobt und geliked. Und auch was das Aneinander-vorbei-Reden betrifft, hattest Du Recht. Deswegen hab ich ja nochmal versucht, zu präzisieren.

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[quote=„cheffe, post:2910, topic:6324“]
Im Alltagsleben bin ich praktisch zu nichts zu gebrauchen… :smile:

Per Definitionist ein „ Philosoph (wie lateinisch philosophusvon griechisch φιλόσοφος philósophos „Freund der Weisheit; Gelehrter“) oder sinngemäß Denker ist ein Mensch, der danach strebt, Antworten auf grundlegende (Sinn-)Fragen über die Welt, über den Menschen und dessen Verhältnis zu seiner Umwelt zu finden. Ferner wird damit jemand mit praktischer Lebensklugheit bezeichnet, ebenso Vertreter der wissenschaftlichen (bzw. akademischen) Philosophie.“

Praktische Lebensklugheit, aber im Alltag zu nichts zu gebrauchen ?! :wink::rofl:

Scheinbar fühlen sich manche hier an der (Philosphen-) Ehre gepackt, weil einer wie Precht nicht ihre Standards erfüllt. Ich verstehe schon, was ihr meint. Aber ist es nicht abstrus, jemandem, der nun mal promovierter Philosoph ist, abzusprechen, dass er sich selbst so oder von anderen als eben solcher auch bezeichnet wird ? Hätte „Germanist“ irgendwas geändert? Was liegt zwischen Hochschulphilosoph und Dampfplauderer ?

Dieser etwas elitäre Dünkel, welchen ich nicht nur zwischen den Zeilen vernehme, ist doch genau das was vom wirklichen Leben so entfernt. Ich finde es bereichernd, dass es kluge Köpfe wie Precht gibt, die Einfluss auf unsere Debattenkultur haben, egal ob ich mal seiner Meinung bin oder nicht.
Und ja, die Augen essen mit und die Ohren mögen das Timbre, also habt euch mal nicht so und lasst mir den Richard in Frieden !:face_with_raised_eyebrow::wink:

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Dein Wunsch sei mir Befehl.

Und des…

… hatte ich mich bereits zuvor explizit schuldig bekannt Euer Ehren!

Also Schluss jetzt mit Prechts Verhöhnung.
(Oder wir eröffnen hierzu einen Extra-Thread „Kabarett, Satire und andere Unverschämtheiten“)

Datt is wie mit dem Unterschied von Rosa und Rot - Nuancen.

Jau, hast recht. @cheffe ist studierter Philosoph, Richard David as well.

Helmut Kohl war promovierter Historiker zum Thema „Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945“. Uns Hel :kiss: mut sprach gern von GeCHichte.

Seine Ziehtochter Angela war promovierte Physikerin - Thema „Untersuchung des Mechanismus von Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch und Berechnung ihrer Geschwindigkeitskonstanten auf der Grundlage quantenchemischer und statistischer Methoden - Magna cum laude! Tjaja, Respekt, Respekt, Angie!

Wir machen aber jetzt keine Diskussion auf, ob Angie in einer Reihe mit Einstein und Heisenberg zu nennen ist. Und Helmut ist vielleicht eine Person von historischer Größe, zumindest ebensolcher Bedeutung - aber als Historiker isser weniger aufgefallen, der Oggersheimer Saumagen.

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Wenigstens verstand der Einheitskanzler was von Möbeln. :upside_down_face:

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Mensch Mensch. Da kommen Erinnerungen hoch!

Wir sind ja mehr oder minder ein Jahrgang:
Kohl hat meine gesamte Jugend und junge Erwachsenenzeit geprägt (ein Schelm, wer da von intellektuellem Trauma spricht).
Die meisten haben inzwischen vergessen, dass der Dicke bis zur Wende (die ihm völlig unversehens in den pfälzischen Schoß plumpste) eher als Witzfigur aufgenommen (und nach Kräften satirisch bearbeitet) wurde. Der Machtmensch Kohl, der jede innerparteiliche Säuberung überlebte und gestärkt aus ihr hervorging - das wurde manchen erst Im Laufe der Jahre bewusst.
Na, und das Dreamteam Genschmän-Kohl nahm dann 1989 dankend Platz am Tisch der Geschichte bei den großen Kerlen (vermutlich nicht, ohne vorher die Sitzgelegenheiten auf ihre mediale Tauglichkeit geprüft zu haben… herrliches Dokument der GeCHichte. Thx @Mitschnacker )