Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 3)

Dank auch Dir für deine lesenswerte Einlassung, lieber @Mitschnacker - gerade den Bericht von Hans Thie habe ich genossen. Ich bin voll und ganz seiner (und deiner?) Meinung in dem Punkt.
Sein Fazit:
„Seid willkommen, Verdammte dieser Erde. Diese Losung kann, wenn sie vereinend wirken soll, nur bedeuten: starkes Asylrecht plus regulierte Einwanderung. Mit einer sektiererischen No-Border-Position landet DIE LINKE in selbstverschuldeter Isolation. Dieser akademische Verbal-Internationalismus eines sofortigen und unbegrenzten Immigrationsrechts wird die Rechten stärken. Wacht auf, Ihr LINKEN dieses Landes.“
Besser hätt ich’s auch nicht auf den Punkt bringen können.

Der Artikel des Linken-Politikers Thie bezieht sich auf eine Strömung in der LINKEN von 2018. Wie stark diese No-Border-Fraktion heute noch ist, kann ich nicht von innen beurteilen. Aber im aktuellen Programm der Linken findet sich kein Wort mehr davon.

Die Linken sind -wie vor dreißig Jahren noch die Grünen- eine pluralistische Partei, in der verschiedene, auch widersprüchliche Positionen offen diskutiert und verhandelt werden. Das ist der Preis der Demokratie. Das Gegenstück dazu sind der Fraktionszwang der Altparteien oder die 97% der SED vor der Wende.
Zu meinem Verständnis einer pluralistischen Parteidebatte gehört auch, dass ich es ertragen muss, wenn ein Jan Aken sich und seiner Partei mit einer denkbar ungeschickten Äußerung selbst ins Knie schießt.

Ich will an Akens Äußerung nix relativieren: Das ist blöd, unsensibel und taktisch dämlich, was er da von sich gegeben hat. Selbst wenn ich teilweise nachvollziehen kann, was ihn in diesem Interview wohl umgetrieben hat: Er ist mit Ines Schwerdtner gemeinsam Parteivorsitzender - und müsste wissen, dass seine persönliche Meinung immer sofort gleichgesetzt werden wird mit einer Grundsatzposition der gesamten Partei.
Zu sagen, dass die Kommunen noch mehr Belastungen verkraften sollen, ist strategisch dämlich und den verantwortlichen Menschen vor Ort ggü. dreist. Auch wenn die einzelnen Aussagen im Kontext des Interviews mit der Funke-Mediengruppe anders und verständlicher klingen - das ist ein gefundenes Fressen für die BILD-Zeitung.
Im Original des Interviews steht auch:
„Andere Kommunen haben ihre Schwierigkeiten. Aber das liegt nicht daran, dass zu viele Flüchtlinge kommen. Unsere Städte und Gemeinden werden kaputtgespart.“ Aber das zitiert später niemand.

Es war ebenso unsensibel von ihm, das Thema Klimawandel zu benutzen, um (richtigerweise) darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Verödung großer Flächen weltweit viele Millionen Menschen vor Hunger auf der Flucht sind.
Daraus macht Springer: „Die LINKE will jährlich eine Million Klimaflüchtlinge aufnehmen - die Kommunen müssen das schaffen!“

So mache ich Jan Aken dafür verantwortlich, beide Themen (Asylrecht und Klimawandel) in einem Abwasch diskreditiert zu haben. Das war dämlich und verantwortungslos. Er macht damit Monate an politischer Überzeugungsarbeit zunichte - wie ich finde leichtfertig.

Aber er vertritt selbst mit diesem (ursprünglich gut gemeinten) Griff ins Klo keine No-Boarder-Position.
Die Partei tut dies ebensowenig.

Bist du der Meinung, dass es zwischen der Asylpolitik von CDU/CSU und jener der AfD keine oder nur marginale Unterschiede gibt?

Dass man alle Positionen ablehnen kann, keine Frage. Aber es gibt doch schon wichtige Unterschiede.

Beispiele

Infragestellung des Individualrechts auf Asyl

Pushbacks (keine pauschale Abweisung ohne Verfahrenszugang bei CDU/CSU)

Asylverfahren nur noch außerhalb Deutschlands/der EU (AfD)

Existenzminimum wird vom CDU/CSU nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

Das Non-Refoulement-Gebot und vieles mehr.

Ich bin der Meinung, dass eine Gleichsetzung der Positionen das Verständnis für Rechtsstaatlichkeit untergräbt und einer differenzierten Debatte schadet. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht unabsichtlich am Grab der Demokratie mitschaufeln.

Getrennt in den Farben vereint in der Sache. Wobei ich ja kein Anhänger einer Partei bin.

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Dank Dir für die sachlichen und hilfreichen Anmerkungen @ChrisCullen - so macht Kurve Spaß!
Jawoll, da galoppiere ich bisweilen auf Kosten der Sachlichkeit übers Ziel hinaus.
Ich nenne die drei in einem Atemzug, weil jedeR in der jeweiligen Partei Gallionsfigur des Rechtsrucks in unserer Gesellschaft ist.
Das vereint sie, nicht das Identische ihrer Parteipositionen.
Diese mit meiner flapsigen Formulierung gleichzusetzen, ist nicht nur der differenzierten Debatte abträglich. Es macht den wichtigen und richtigen Inhalt auch leichter angreifbar für die echten Grabschaufler.

„Getrennt in den Farben vereint in der Sache.“
Herrlich…
„Wobei ich ja kein Anhänger einer Partei bin.“
Ich wähle auch nur das in meinen Augen kleinste Übel. Sooft ich wählen kann…

Ich bin noch eine Antwort schuldig…

Nun:
Da stellt sich zuerst mal die Frage, wer mit „wir“ gemeint wäre.
Ich klammere mal meine ganz persönliche Vision eines humanistischen Asylrechts weitgehend aus - da wäre noch ein weiter Weg zu gehen, bis das in jeder erdenklichen Hinsicht möglich sein könnte, gesellschaftlich, politisch etc., und zwar nicht nur in unserem Land (einer meiner Grund-Ansätze ist, dass man diesen ganzen Komplex nur zufriedenstellend behandeln kann, wenn man es europa-, wenn nicht weltweit durchdenkt).

Gehen wir der Einfachheit halber mal vom Jetzt-Zustand aus. Und ignorieren wir kurz, was uns alle in diese Lage gebracht hat.
Ich denke, momentan ergibt sich strategisch eine interessante Lücke. Nachdem man verschärft und verschärft hat, jetzt gar eine konservative Regierung am Start ist, die sich unter anderem dem stärkeren Abschieben verschrieben hat, die AfD aber trotzdem so stark ist wie nie zuvor, macht es aus meiner Sicht für die progressiveren Parteien keinen Sinn mehr, einem vermeintlichen Mehrheitswillen hinterherzuhecheln. Im Gegenteil:
Selten war es einfacher, aus der Opposition heraus das Profil des Humanismus zu schärfen und dem kalten Management entgegenzuhalten.
Generell bin ich kein Fan von Politik, die ständig nach Umfragen schielt. Es ist an der Zeit, dass Politik wieder entschlossen Standpunkte vertritt, auch wenn diese vermeintlich grade keine Mehrheiten versammeln. Dann muss man die Bevölkerung eben überzeugen: das bedeutet, nimmermüde ehrliche Wahrheiten aussprechen, komplexe Sachlagen nicht vereinfachen, sondern ganz im Gegenteil die Menschen auffordern, sie anzunehmen und zu durchdenken. Im Klartext, ich plädiere dafür, die Leute intellektuell eher zu überfordern als das Gegenteil. Letzteres ist leider üblich geworden. Ich halte das für eine strategische Sackgasse, denn die Welt wird nicht einfacher, sondern komplizierter. Wir müssen endlich anfangen, dem gerecht zu werden, die Politik ebenso wie die Bevölkerung.

Dabei würde ich ganz explizit mit dem arbeiten, was uns der werte Altkanzler Schmidt gerne als pathologisch verkaufen wollte: Visionen.
Wir brauchen Narrative, gute Geschichten, positive Ansätze, was wir alles zu gewinnen haben - wenn wir uns ums Klima kümmern, wenn die Gesellschaften diverser und bunter werden, wenn ein Land wie Deutschland als Vorreiter einer betont progressiven Agenda gelten würde. Dies im größtmöglichen Gegensatz zu dem ewig gestrigen make irgendwas so great wie’s eh nie war-Bullshit.

Ist denn bisher niemandem aufgefallen, dass all die Protagonisten, die sich dem rechts-populistischen Weg zurück in die Vergangenheit verschrieben haben und nebenher Spaß am Durchlöchern sämtlicher gesellschaftlicher Fortschritte (und der Demokratie, nebenbei bemerkt) finden, nicht gerade natürliche Sympathieträger sind? Die sehen komisch aus, die sind meist alt, die hören üble Musik, die haben keinen Humor. Es läuft alles nur über Kampf, Stark sein, Feindbilder.
Dem positive Erzählungen gegenüberzustellen, sollte nicht so schwer sein. Aber wir müssen aufhören, über Verzicht zu quatschen, über Bedrohungen, über Probleme, die uns angeblich überfordern. Mit solchen Versatzstücken, auch wenn die im Kleinteiligen natürlich Substanz haben, liefert man den Radikalen nur Auflagefläche.

Ist Deine Frage soweit fürs Erste zumindest ansatzweise beantwortet…? Gerne Nachfragen. :wink:

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Voll und ganz und mehr!

Keine. Punkt. :wink:
Hinzuzufügen zu diesen weisen Betrachtungen der Gratschifter nichts hat.:thinking::ghost:

Aber ich schulde Dir weiterhin meinen Beitrag zu Visionen.
Kommt.

(Verflixt, und ich dachte, jetz‘ hätt ich den Gratkopp endlich zum Schweigen gebracht… :stuck_out_tongue_winking_eye:)

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Der englische Fußballverband schließt Transfrauen aus allen Verbandsteams aus.
Es gibt nicht nur Trumps Weg des Rollbäck.
J.K.Rowling macht s auch nicht schlechter.

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Das Thema Migration/Zuwanderung stellt für die deutsche Politik in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar:

  1. Die jährlich 100.000-fache Zuwanderung nach Deutschland stellt das Land vor reale Probleme: Der durchschnittliche Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund in deutschen Schulklassen liegt bei knapp 50 Prozent, in einigen Ballungszentren im Westen bei 70 Prozent, vereinzelt sogar darüber. Die deutsche Bevölkerung ist in den letzten Jahren um mehr als zwei Millionen Menschen gewachsen, die Aufnahmekapazität der Infrastruktur stößt vielerorts an ihre Grenzen (Wohnungsmangel etc.).

  2. Gleichzeitig haben die AfD und mit ihr noch weiter rechts stehende, verschwörungstheoretische Kreise, die von einem „großen Bevölkerungsaustausch“ und dem „kulturellen Niedergang“ Deutschlands durch „muslimische Massenimmigration“ etc. sprechen, das Thema politisch für sich monopolisiert. Jede Migrationspolitik einer anderen Partei oder Parteienkonstellation, die den objektiven Problemen durch Migration in Deutschland auch nur ansatzweise restriktiv zu begegnen versucht, zahlt damit automatisch auf das Konto der AfD ein…

  3. … ohne allerdings mit einer „harten“ Migrationspolitik der AfD auch politisch das Wasser abgraben zu können, denn wenn das Migrationsthema seine politische Sprengkraft verliert, wird sich die AfD einfach ein neues Thema suchen, mit dem sie an dessen Stelle ebenso effektiv politisch agitieren und bei Wahlen mobilisieren kann.

  4. Getrieben von der Angst vor der AfD lassen sich die etablierten Parteien, allen voran die CDU, zu symbolisch möglichst starken, praktisch aber wenig sinnvollen Maßnahmen verleiten, wie z. B. der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte (kann man machen, ist aber wenig christlich und quantitativ völlig unbedeutend) oder weitreichenden Kontrollen an den deutschen Außengrenzen durch die Polizei (deren Ressourcen an anderer Stelle vermutlich besser eingesetzt wären). So wird die etablierte Politik zum tragischen Getriebenen einer Partei, die sie mit ihren vom Ziel einer wirksamen Bekämpfung dieser Partei inspirierten Lösungsvorschlägen nicht besiegen kann, sondern nur noch weiter stärkt, wobei die Lösungsvorschläge teilweise auch noch unchristlich und wenig sinnvoll sind.

  5. Getrieben von der Abscheu vor der AfD lassen sich andere etablierte Parteien, allen voran die Basisgrünen und die Linke, zu einer Migrationspolitik hinreißen, die sich weniger an der objektiven Problemlage orientiert (wie auch immer diese aussehen mag), sondern von der Maxime geprägt ist, etwas zu vertreten, was möglichst weit von den Vorschlägen der AfD entfernt ist. Dass auch dies kein sinnvoller Ansatz ist, um zu vernünftigen politischen Entscheidungen zu kommen – im Übrigen egal bei welchem Thema – liegt auf der Hand.

  6. Unabhängig davon ist Fluchtmigration ein Thema, bei dessen Reflexion jeder halbwegs empathische und nicht völlig zynische und egoistische Mensch schwere moralische Gewissensbisse entwickeln muss: Die Zielländer von Fluchtmigration können und wollen in der Regel nicht jeden Flüchtling aufnehmen, der an ihre Grenzen kommt. Die Flüchtlinge aber wollen aufgenommen werden. Beides gleichzeitig geht nicht, und ein Mittelweg als Kompromiss ist auch nicht möglich. Wie auch immer dieser Konflikt verläuft und ausgeht, er führt fast zwangsläufig zu Szenen und Endzuständen, die von Gewalt, Ablehnung, Zurückweisung, Elend, Schmerz, Enttäuschung und Härte geprägt sind. Mit der Entscheidung zwischen Aufnahme und Zurückweisung entscheiden sich buchstäblich ganze Lebenswege, manchmal sogar die Frage von Leben und Tod. Das ist für jeden mitfühlenden Menschen schwer verdaulich und auch das macht Migration und Zuwanderung für die Politik, die vor diesem Hintergrund entscheiden muss, zusätzlich zu all den praktischen und politischen Aspekten, die ich unter Punkt 1. bis 5. genannt habe, zu einem enorm herausfordernden Thema.

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Klasse Betrachtung @Alex !
Zustimmung auf voller Linie. (Hervorragende Erklärung etwa für das Aken-Interview, aus dem die BILD die Forderung der LINKEN, „jährlich soll Deutschland 1 Million Klima-Flüchtlinge aufnehmen!“, strickte)
Vor allem Punkt 5: Hauptsache, mein Standpunkt ist der AFD diametral entgegengesetzt. Uuups!

Time to make a Change…

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Die Afd wird jetzt (endlich) deutschlandweit als rechtsextremistisch vom Verfassungsschutz eingestuft.
Und das nachdem Spahn und Linnemann die Afd verteidigt und den medialen Umgang mit ihr kritisiert haben.

Natürlich setzt die Afd mal wieder auf ihre Opferrolle und möchte das anfechten.

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Ich bin mir nicht sicher, was Scholz genau meint mit dem Überstürzen, vor dem er mit Blick auf ein Verbotsverfahren warnt. Ich habe eine derartige übertriebene Eile seitens der im Zweifelsfall zuständigen Verfassungsorgane -Bundestag, -rat, -regierung - bisher nicht beobachten können. So wirkt die Mahnung auf mich eher wie eine verklausulierte generelle Absage. Klar dürfte sein: ein AfD-Verbot wird diese Sichtweisen nicht eliminieren. Es werden sich neue Strukturen aufbauen auch dann, wenn Nachfolgeorganisationen verboten werden. Die bestehenden Strukturen zu zerschlagen bedeutet aber einen Zeitgewinn, um unsere Demokratie krisenfester zu machen. Das gegenwärtige Dilemma der demokratischen Parteien hat @Alex ja sehr schön herausgearbeitet. Da könnte ein AfD-Verbot schon eine Art Befreiungsschlag sein.

Oder fürchten die Mahner(innen) bereits einen gewalttätigen Aufstand der Parteigänger? Mit der möglichen Folge, dass ein solcher, selbst wenn er zunächst niedergeschlagen wird, im weiteren Verlauf zu einer nationalen Heldentat umgedeutet werden könnte (siehe USA)?

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Spannend finde ich, wie einhellig nun alle aufatmen:
Jetzt, wo der VS endlich rausgefunden hat, dass die AfD rechtsextremistisch ist - ja, jetzt können wir natürlich endlich offen sagen, dass wir’s schon immer jesacht haben. Söder, der alte Brandschatzer, lässt jetzt als Antifa-Vorzeige-Kämpfer auf der Brandmauer seinen „finalen Weckruf“ erschallen.
„Gesichert rechtsextrem“ ist die AfD nicht erst, seitdem die Schlapphüte datt in Kölle auch begriffen ham. Schlimmer noch: Erst wenn‘s der VS absichert, erheben wir unsere Stimme?
Jetzt wird für ein paar Tage gemeinsam Front gegen Rassismus und Rechtsextremismus gemacht. Und dann ziehen wir uns wieder in die Ausschüsse zurück und tüfteln neue Einschnitte ins Asylrecht aus.

Aber zu @jep s Frage und Olafs wie üblich eindeutig-nixdeutiger Aussage: Verbot oder nicht Verbot?

Ich bin entgegengesetzter Meinung.
Ich würde jedeN einzelneN AfD-PolitikerIn bei verfassungswidrigen Äußerungen wegen Volksverhetzung, Anstiftung zum Verfassungsbruch (und allem juristisch sonst möglichen) juristisch und politisch verfolgen und verklagen.
Die Einstufung als »gesichert« rechtsextrem senkt die Hürden für eine Beobachtung der Partei mit sogenannten nachrichtendienstlichen Mitteln. Möglich wird damit die Observation von Treffen, das Abhören von Telefonen und das Anwerben von Informanten.“ (Spiegel)

Aber ein generelles AFD-Verbot schafft vor allem eines: Märtyrer-Mythen wie Hitler in Landsberg.
Außerdem bezweifle ich, dass 25% der Wähler:innen bei einem Verbot zustimmend nicken werden, bloß weil der VS datt jesacht hat. Lügen-Presse, Zecken-Justiz, das jüdisch-freimaurerische Weltkapital - die werden im AFD-Narrativ dann verantwortlich sein für das Ende national gesinnter Freiheitsliebe.

Wir kriegen den Rassismus mit Verboten weder aus den Köppen noch aus den Wahlkabinen.

Bildung, Überzeugung, humanistische Propaganda. Weiter und immer wieder. Bekämpfung von sozialen Missständen und Neidursachen durch einen entschiedenen Paradigmenwechsel: den AFD-Programm-Hauptpunkten müssen wir die Grundsätze von Demokratie, Grundgesetz und Menschenrechten entgegenstellen.
Ich finde das nicht allzu schwer, wenn wir das Wahlprogramm der Blauen durchscrollen

  • Migranten, Moslems und Ausländer raus,
  • Bürgergeld: kürzen und Betrug bekämpfen,
  • Wiedereinstieg in die Kohle- und Atomkraft,
  • Klimawandel ist eine Lüge: raus aus dem Pariser Abkommen,
  • zurück zur Verbrennungswirtschaft,
  • Bargeld ins Grundgesetz,
  • Spitzensteuersatz abschaffen,
  • weg mit Euro und EU, wieder geschlossene Grenzen,
  • aber: liberalere Waffengesetze (sic!)
  • die Außenpolitik ist zu schwurbselig, datt lohnt keine Betrachtung…

Gegenmittel? Wie bei jedem Virus:
Antivirale Stärkung des Immunsystems.
Bildung, Überzeugung, humanistische Propaganda. Weiter und immer wieder.
Aufklärerische Impfung sozusagen.

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Das wird in einer Regierung unter Beteiligung der CDU/CSU (oder FDP) aber nicht passieren.

Welches Land hat es bisher erfolgreich und langfristig geschafft rechte Parteien zu „entzaubern“?
Dazu müssten Politik und Medien an einem Strang ziehen und Skandale auch ernst genommen und nicht wie bei Trump als Alltag angesehen werden.
Stattdessen kommt stehts zuerst von konservativer Seite die „zähneknirschende“ Zusammenarbeit und/oder hoffähig-Machung worauf sie zur Übernahme der Inhalte/Taktiken übergehen um die Wählerschaft zurückzugewinnen bis schließlich die Rechte Partei bzw der rechte „Führer“ mächtiger ist.
Hätte man schon früher den Ernst der Lage erkannt, dann hätte man sich die Radikalisierung der Wähler erspart und die Hürden wären deutlich kleiner.

Zuerst war die Afd zu klein und jetzt ist sie zu mächtig - ich sage, dass das nur faule und taktische Ausreden sind.
Es handelt sich um menschenverachtende Verfassungsfeinde und sollten auch als solche behandelt werden.
Dafür stehen uns in der wehrhaften Demokratie schließlich auch entsprechende Mittel und Wege zur Verfügung.

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Ich bin bei @Cosray8d.

Nichts gegen @Gratschifter’s Ansatz, aber: es ist eben ein strategischer Move.
Und bis in der Realität das Immunsystem gestärkt ist (sollte es je passieren), haben die Radikalen bereits den einen oder mehrere Füße in der Tür.
Den Opfermythos leben die doch längst, daran lässt sich nichts mehr ändern. Sind sie verfassungsfeindlich? Aber natürlich. Wollen sie die Demokratie in ihrer liberalen Form abschaffen? Of course. Also bitte: wenn wir diese Partei nicht verbieten wollen/können, kann man die wehrhafte Demokratie auch gleich ihren Feinden zum Fraß vorwerfen. Dann brauche ich auch keine Paragraphen und Gesetze dafür.

Es ist so traurig, aber Realität:
Manche Leute kapieren wirklich erst, welch Gesindel das ist, wenn man sie entsprechend sanktioniert. Und wenn das passiert ist, kann man sie zumindest nicht mehr wählen. @Cosray8d hat völlig Recht: ein Teil der Radikalisierung passiert, weil man diese unsäglichen Aussagen und Verhaltensweisen nicht schon viel früher in die Schranken gewiesen hat.

Übrigens, wenn Leute wie Spahn oder Linnemann gegen ein Verbotsverfahren sind mit ähnlichen (strategischen) Argumenten, dann ist das pure Heuchelei. Die wollen nur nicht, dass ihnen ein möglicher Koalitionspartner, mit dem sie ihre Form der Politik besser durchbringen könnten, von der Stange geht. Und wenn’s keine AfD mehr gäbe, würde man die faktische Radikalität auch als CDU/CSU-Rechtsaußen nicht mehr so gut verbergen können.

Und zuletzt:

@jep hat immer Recht. :slightly_smiling_face:

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Korrekt. Und der @cheffe auch.

Case closed.

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Völlig richtig. Ich stimme euch beiden eigentlich zu @Cosray8d und @cheffe .
Bei der Einschätzung der Christdemokratischen / -sozialen Motive sind wir völlig d’accord:

Weder das eine noch das andere war meine taktische Ausrede. Ich glaube, dass mit einem Verbot(sversuch) der AfD null inhaltliche Fortschritte erzielt werden.
Wenn Du @cheffe das als strategischen Move verkaufst, um Zeit zu gewinnen für eine Stärkung des Immunsystems, ist das in meinen Augen die Bankrotterklärung der Politik der letzten 10 Jahre. Und gleichzeitig strecken wir argumentativ die Waffen vor der Rechten!

Klar @Cosray8d : was muss die AfD noch anstellen, um ihre Verfassungswidrigkeit unter Beweis zu stellen? Nix natürlich.

Aber spielen wir das Verbot mal durch:
Meine Prognose: ein Verbotsverfahren wird eingeleitet, die nächste Dolchstoß-Legende kreiert, das Verfahren dauert Monate und Jahre, die AfD spart Marketing-Gelder, Publicity: läuft bei euch Blauen! Trump, Orban, Putin und LePen senden Solidaritätsadressen - Musk twittert gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit im Neuen Deutschland und Benedikt Kaiser reibt sich die Hände: Besser hätt kein rechter Stratege das planen können. Und sollte tatsächlich ein Verbot ergehen, klagt sich die AfD bis vors VerfassungsGericht. Das dauert Jahre…
Das wird alles nicht passieren? :see_no_evil:
Und selbst wenn uns Europa den Rücken stärkt (wer dort eigentlich?) - das Verbot wird eurer Meinung nach den Rechtsradikalen Spuk beheben?

Meine Einschätzung: was wir mit einem Jahrzehnt politischem Dornröschenschlaf verbockt haben, werden wir mit einem juristischen Federstrich nicht wegküssen.

Für mich geht’s um ein progressives Bündnis gegen Rechts ohne CDU/CSU und FDP (wo s sie denn noch gibt…)
Amerika macht’s vor auf den Straßen - da sind Hunderttausende gegen MAGA, DOGE, ICE & Oligarchy unterwegs.
Das brauchen wir, damit sich was ändert in den Köpfen - solange Fox News noch nicht die ARD übernommen hat…

Aber watt red ich eigentlich:

Akte AfD geschlossen.

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Ich trete mal bewusst ein wenig als „Advocatus Diaboli“ auf:

Die AfD hat in den neuen Bundesländern bei der letzten Bundestagswahl folgende Prozentpunkte bei den Zweitstimmen erreicht:

Sachsen: 37,3 Prozent
Sachsen-Anhalt: 37,1 Prozent
Thüringen: 38,6 Prozent
Mecklenburg-Vorpommern: 35 Prozent
Brandenburg: 32,5 Prozent

Deutschlandweit gab es insgesamt einen Zweitstimmenanteil von 20,8 Prozent. Man braucht - so denke ich - nicht unbedingt viel Phantasie, um zu erkennen, dass da schlicht auch einfach viel Frust über die „Nachwehen“ der Wiedervereinigung drinnen steckt, nicht selten auch verbunden mit Unzufriedenheit über die eigene persönliche wirtschaftliche Situation.

Die Quote der Menschen mit Migrationshintergund in den neuen Bundesländern beträgt durchgängig weniger als 10 Prozent, hier bei uns in NRW liegt sie z. B. bei über 28 Prozent. Dass es die AfD geschafft hat, dieses Thema so prominent zu platzieren und in gewisser Weise die anderen Parteien vor sich her zu treiben (und diese das dann teils auch noch aufgegriffen haben), ist aus meiner Sicht absolut bedauerlich. Es hat nur mit der Realität vieler Menschen in den neuen Bundesländern oft nichts gemeinsam. Da dienen Fremde dann als Blitzableiter.

Die stramm-rechten Vollpfosten, die einer NS-Ideologie anhängen, erachte ich auch in den neuen Ländern als recht gering. Viel größer ist die Zahl derjenigen, die sich persönlich abgehängt fühlen. Wenn man es schafft, diese mitzunehmen durch eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, wäre aus meiner Sicht sehr viel gewonnen. Und dann würde man auch der AfD eine Menge Wähler abgraben.

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Die AfD verkauft sich immer in der Opferrolle - da wird ein Verbotsverfahren an deren Taktik nichts ändern.
Musk und co werden auch so die AfD unterstützen und ihre Narative bedienen und verbreiten.

Ja, sie würden bei einem erfolgreichen Verbot sich neu organisieren und dann geht das Spiel von vorne los - aber das muss unsere Demokratie aushalten können.
Was sie nicht aushalten muss ist tatenlos zuzusehen, wie die AfD unser System ausnutzt um sie zu zerstören.
Die AfD bekommt wie jede Partei Geld vom Staat - also vom Steuerzahler.
Ich bin dafür, der AfD wo es nur geht, das Leben schwer zu machen und ihnen erst Recht nicht noch die Mittel zu geben, mit denen sie Radikalisierung und antidemokratische Ströme vorantreiben können.

Die USA hat tatenlos dabei zugesehen, wie ein einziger Milliardär nicht nur einmal sondern gleich zweimal zum Präsidenten gemacht wurde und den Status Quo auf den Kopf gestellt hat.
Eigentlich sollte Trump längst für seine Straftaten (auch außerhalb der Präsidentschaft) im Gefängnis sitzen.
Stattdessen hat man ewig mit Anklagen und Amtsenthebungsverfahren so lange gewartet, bis sie nichts mehr genutzt hätten bzw bei einem Trumpsieg null und nichtig gemacht werden konnten.
Jetzt hat er es, nach etwas mehr als 100 Tagen, geschafft die amerikanische Demokratie endgültig auszuhöhlen.
Die AfD wird, in Zusammenarbeitet mit Spahn und co bei einer Blau-Schwarzen Koalition, versuchen exakt dasselbe zu machen.

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@justin, der aufgrund seiner Herkunft wohl eine recht konkrete Vorstellung davon hat, scheint das deutlich anders einzuschätzen.

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Hessen18,4%
Bayern 14,6%
Bundesländer der zu kurz Gekommenen?

Ja - die AfD- Wahlergebnisse in den Ländern der ehemaligen DDR liegen beim doppelten bis dreifachen ggü. den meisten (s.o.) Landtagswahlen.
Sieht so aus, als ob die Vereinigungspolitik 30 Jahre lang richtich Schei… gebaut hätte.
Noch immer sind die Tariflöhne in Ost und West unterschiedlich. Wundert sich da wer, wenn die Bürger:innen dann irgendwann gegen wählen?

Ich möchts ja nicht sagen, aber wer predigt eigentlich ständig, dass die demokratische Stabilität in der Gesellschaft untrennbar mit der sozialen Frage verbunden ist?
Anders jesacht:

Das heißt zBsp: mehr sozialen Wohnungsbau. Staatliche Investitionen in Infrastruktur und Jobprogramme, verstärkt in Ostdeutschland. Kommunen finanziell stärken, um tragfähige Integrationsprogramme zu ermöglichen. Ein Grundeinkommen finanzieren und durchsetzen, das soziale Armut verringert.
Und so weiter und so viel.

Kleine Anmerkung zum Schluss:

Wie hoch war diese Quote 1932 unter den NS-Wähler:innen? Ich glaube nicht, dass überzeugte Ideologen je den Wahlerfolg rechter Parteien ausgemacht haben.

Das Geldargument hab ich die ganze Zeit schon im Kopp. Und es ist das stärkste, das ich weder entkräften kann noch möchte.
Der AfD den Geldhahn zudrehen - starkes Argument pro Verbot.

Und deiner Argumentation „Kuck übern Teich“ - abschreckendes Beispiel für jahrelange Uneinigkeit im Kampf gegen das Erstarken des Bösen (kleine Tolkien-Reminiszenz) - folge ich ebenfalls.

Bleibe zwar skeptisch, müsste mehr über den zu erwartenden Ablauf des Verbotsverfahrens wissen (ab wann fließt keine Kohle aus Bund und Ländern an die Blauen mehr? Welche Einschränkungen erfolgen während des Verfahrens? Welcher Zeithorizont ist unter Fachleuten realistisch bis zum Verbot?). Mein zweifelndes „Ja, aber“ (siehe mein o.a. Szenario für ein Scheitern der Strategie) bleibt zwar.

Aber Du hast mich rumgekriegt.

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