Dank auch Dir für deine lesenswerte Einlassung, lieber @Mitschnacker - gerade den Bericht von Hans Thie habe ich genossen. Ich bin voll und ganz seiner (und deiner?) Meinung in dem Punkt.
Sein Fazit:
„Seid willkommen, Verdammte dieser Erde. Diese Losung kann, wenn sie vereinend wirken soll, nur bedeuten: starkes Asylrecht plus regulierte Einwanderung. Mit einer sektiererischen No-Border-Position landet DIE LINKE in selbstverschuldeter Isolation. Dieser akademische Verbal-Internationalismus eines sofortigen und unbegrenzten Immigrationsrechts wird die Rechten stärken. Wacht auf, Ihr LINKEN dieses Landes.“
Besser hätt ich’s auch nicht auf den Punkt bringen können.
Der Artikel des Linken-Politikers Thie bezieht sich auf eine Strömung in der LINKEN von 2018. Wie stark diese No-Border-Fraktion heute noch ist, kann ich nicht von innen beurteilen. Aber im aktuellen Programm der Linken findet sich kein Wort mehr davon.
Die Linken sind -wie vor dreißig Jahren noch die Grünen- eine pluralistische Partei, in der verschiedene, auch widersprüchliche Positionen offen diskutiert und verhandelt werden. Das ist der Preis der Demokratie. Das Gegenstück dazu sind der Fraktionszwang der Altparteien oder die 97% der SED vor der Wende.
Zu meinem Verständnis einer pluralistischen Parteidebatte gehört auch, dass ich es ertragen muss, wenn ein Jan Aken sich und seiner Partei mit einer denkbar ungeschickten Äußerung selbst ins Knie schießt.
Ich will an Akens Äußerung nix relativieren: Das ist blöd, unsensibel und taktisch dämlich, was er da von sich gegeben hat. Selbst wenn ich teilweise nachvollziehen kann, was ihn in diesem Interview wohl umgetrieben hat: Er ist mit Ines Schwerdtner gemeinsam Parteivorsitzender - und müsste wissen, dass seine persönliche Meinung immer sofort gleichgesetzt werden wird mit einer Grundsatzposition der gesamten Partei.
Zu sagen, dass die Kommunen noch mehr Belastungen verkraften sollen, ist strategisch dämlich und den verantwortlichen Menschen vor Ort ggü. dreist. Auch wenn die einzelnen Aussagen im Kontext des Interviews mit der Funke-Mediengruppe anders und verständlicher klingen - das ist ein gefundenes Fressen für die BILD-Zeitung.
Im Original des Interviews steht auch:
„Andere Kommunen haben ihre Schwierigkeiten. Aber das liegt nicht daran, dass zu viele Flüchtlinge kommen. Unsere Städte und Gemeinden werden kaputtgespart.“ Aber das zitiert später niemand.
Es war ebenso unsensibel von ihm, das Thema Klimawandel zu benutzen, um (richtigerweise) darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Verödung großer Flächen weltweit viele Millionen Menschen vor Hunger auf der Flucht sind.
Daraus macht Springer: „Die LINKE will jährlich eine Million Klimaflüchtlinge aufnehmen - die Kommunen müssen das schaffen!“
So mache ich Jan Aken dafür verantwortlich, beide Themen (Asylrecht und Klimawandel) in einem Abwasch diskreditiert zu haben. Das war dämlich und verantwortungslos. Er macht damit Monate an politischer Überzeugungsarbeit zunichte - wie ich finde leichtfertig.
Aber er vertritt selbst mit diesem (ursprünglich gut gemeinten) Griff ins Klo keine No-Boarder-Position.
Die Partei tut dies ebensowenig.