Mein Go-To Experte Maurice Höfgen hat sich mal genauer mit dem Thema der Steuersenkungen für Unternehmen beschäftigt.
(…)
Steuersenkungen sorgen dafür, dass vom Gewinn der Unternehmen weniger an den Staat geht – und mehr bei den Unternehmen verbleibt. Die Unternehmen brauchen mehr Liquidität, heißt es häufig. Aber ist das wirklich nötig? Die neueste Studie von der Wirtschaftskanzlei Freshfields zeigt: Deutsche Firmen horten derzeit 769 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Das entspricht 19 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: 2003 waren es noch zehn Prozent, 2010 circa 15 Prozent. Während Corona ging es zwischenzeitlich sogar auf ein Rekordstand von 20,7 Prozent. Davon wird nur ein Bruchteil der Milliarden in bar gehalten, rund 530 Milliarden liegen auf Girokonten, weitere 230 Milliarden auf Tages- oder Festgeldkonten. Was zeigt: Offensichtlich fehlt es den Unternehmen nicht an Geld (oder in BWL-Deutsch: Liquidität), um zu investieren.
(…)
Die letzte große Unternehmenssteuersenkung ist in Deutschland lange her. 2001 senkte die rot-grüne Bundesregierung den Körperschaftsteuersatz auf einheitlich 25 Prozent. Außerdem wurden Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen steuerfrei gestellt (ein großes Privileg, das so weitgehend bis heute besteht). Nur sieben Jahre später, 2008, senkte die damalige Große Koalition den Körperschaftsteuersatz noch mal von 25 auf 15 Prozent. Minus zehn Prozentpunkte bei der Steuer – davon würden die Wirtschaftsverbände heute nur träumen und dagegen wirken die Vorhaben aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag wie ein laues Lüftchen.
Allein: Einen Anstieg der privaten Investitionen haben die Reformen damals nicht gebracht. Ein Blick auf die Grafik zeigt: ein Effekt ist statistisch nicht zu erkennen. Nach der Reform 2001 sanken die Investitionen sogar. Und nach 2008 ging es nur seitwärts. Obwohl der nominale Steuersatz für Unternehmensgewinne innerhalb von zehn Jahren von über 50 auf knapp unter 30 Prozent sank, gab es keinen Investitionsboom. Heute aber soll das mit degressiven Abschreibung und kosmetischen Steuersatzsenkungen klappen? Wer das glaubt, erwartet am Sonntag auch den Osterhasen!
Die Frage stellt sich: Wo landeten denn die ganzen zusätzlichen Gewinne, die nicht als Steuer an den Staat gegangen sind? Die wurden ausgeschüttet an die Eigentümer (bei börsennotierten Unternehmen als Dividende), zum Rückkauf von Aktien genutzt – oder eben auf die hohe Kante gelegt. Dazu aber schweigen die Lobbyverbände. Und auch in Talkshows wird das nicht diskutiert. Dabei sollte man diese Grafik dort dringend mal an die Wand schmeißen!
Was wirklich helfen würde, um aus der Krise zu kommen: Ein Konjunkturpaket, dass die Nachfrage befeuert, die Auftragsbücher der Unternehmen füllt und die Energiekosten senkt. Ein Konjunkturpaket sucht man im Koalitionsvertrag aber vergebens. Anders als im Wahlkampf versprochen, konnte sich Schwarz-Rot nicht auf echte Steuersenkungen beim Einkauf von Lebensmitteln oder bei der Einkommensteuer einigen.
Und Du willst mir/uns weismachen, Du habest weniger Ahnung von Ökonomie als …?
Was Du hier immer wieder an Quellen auffährst, qualifizierte Artikel von Kundigeren als uns Kurvianten anbietest und wie breit dein Fundus an Informationen im www ist - da kuckt Bremen s @Gratschifter zumeist fassungslos und manchmal bisschen neidisch.
Im Ernst: Dein „habe deutlich weniger Ahnung von Wirtschaft“ - Statement ist hiermit offiziell ad absurdum geführt und wird fortan aus deinem Wortschatz gestrichen. End of Fishing for Compliments.
(Ich wäre froh über deinen Einzugsbereich an hilfreichen Informationsquellen… und lerne gern und viel durch meine „Mit-Kurvianten“… da brauch‘n mer noch ein fescheres Wording für: „Co-Curver“ vielleicht? Funzt noch nicht so richtich…)
Und zur Auswirkung von Unternehmenssteuer-Senkungen auf das Investitionsvolumen der Deutschen Wirtschaft braucht’s mMn nicht mehr als diese Grafik:
Seit 1990 marginal rückläufig, insgesamt ist keinerlei Zusammenhang zwischen Steuerpolitik und Reinvestitionen der Steuerersparnisse zu erkennen.
Da braucht’s nimmer viele Worte.
Also ich finde die Betrachtung in dem Artikel greift ein wenig zu kurz. Die Bruttoanlageinvestitionen beziehen sich, wie der Name sagt ja eindeutig auf die Investitionen in Anlagevermögen (heißt in Maschinen, Fahrzeuge, Bauten und etc.).
Nach meinem Empfinden hat sich Deutschland in den letzten Jahren noch mehr in eine Dienstleistungsgesellschaft gewandelt, die (tendenziell) weniger Produktionsmittel als Humankapital braucht. Investitionen ins Humankapital (sprich Löhne) werden aber explizit nicht in die Darstellung mit aufgenommen.
Ohne jetzt zu tief in die Daten abtauchen zu wollen, ist mir die bloße Betrachtung der Anlageinvestitionen aber etwas zu „einfach“ und reicht besonders jetzt nicht aus um zu bewerten, ob die Steuersenkungen nicht doch helfen könnten.
Also wenn 500 Mrd für Infrastrukturausgaben nicht mehr als Konjunkturpaket gelten, dann weiß ich auch nicht mehr. Scheint mir kein besonders guter Experte zu sein…
Also 500 Mrd schuldenfinanzierte Infrastrukturausgaben ist das Paradebeispiel eines Konjunkturpaketes. Natürlich befeuert das die volkswirtschaftliche Nachfrage ( die besteht ja nunmal aus staatlicher und privater Nachfrage)
Jetzt könnte man statt Investitionsanreizen (Körperschaftssteuersenkung) auch die Einkommensteuer senken um noch mehr (private) Nachfrage zu generieren. Allerdings ist dabei bei weitem nicht sichergestellt, dass der Betrag um den entlastet wird auch vollständig in den Konsum geht. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten landet solche Steuerersparnis gerne auch mal auf den Sparkonten. In einer Rezession kauft sich kein normaler Haushalt ein neues Auto, selbst wenn man 3000€ weniger Steuern zahlt.
Sowohl bei Körperschaftsteuer- as auch Einkommensteuersenkung, wird ein Teil eben nicht zu Investitionen bzw. Nachfrage führen, sondern verpuffen.
Genau deswegen ist das Standardprogramm eines Konkunkturpaketes die Staatsausgaben zu erhöhen, da dies eben zu 100% zu Nachfrage/Konsum führen wird.
Und ein „Experte“ der das größte Konjunkturprogramm in der Geschichte Deutschlands ignoriert, ist für mich kein Experte. Entweder er ignoriert das wissentlich oder er hat im 1. Semester VWL geschlafen.
Ich habe nicht VWL oder BWL studiert, aber in den letzten Jahren genügend Bücher, Texte und Essays von ausgewiesenen Ökonomen oder gar Unternehmern gelesen, um die allzu optimistischen Stimmen hier sanft zu hinterfragen.
Dabei geht es gar nicht darum, grundsätzliche Zweifel an der Innovationskraft zu säen, die ein kapitalistisches System entfesseln kann. Letzteres steht ja außer Frage. Aber wir befinden uns bezüglich Umverteilungen auch in einer riesigen Grauzone. Und wie ein wirtschaftlicher Aufschwung beschworen werden kann, ist nach allem, was ich so verschlungen habe, keineswegs so klar wie hier teilweise dargestellt. Da gibt es selbst in ökonomischen Fachkreisen sehr differenzierte Ansätze. Mir erscheint die laufende Debatte daher etwas, sorry, kleinteilig und gestrig.
Als Beispiel sei erwähnt, dass ich eigentlich keinen Ökonomen mehr kenne, der ernsthaft das Problem negiert, dass das, was @Alex in der Theorie ganz korrekt ausführt, in der Praxis so viele Schlupflöcher aufweist, dass es mittlerweile sehr vielen sehr reichen Unternehmern und Großkonzernen gelingt, das Geld aus dem Kreislauf rauszuziehen statt es reinzustecken. Zum Schaden der Allgemeinheit (und ärmerer Menschen sowieso), zum Nutzen einiger sehr weniger. Und es sind nicht nur Schlupflöcher, sondern sowohl fehlende als auch kontraproduktive Eingriffe des Staates (ja, beides), die dies begünstigen.
Den Wohnungsbau bekommt die Politik seit Jahren nicht in den Griff. Da verdienen sich Einzelne wie Konzerne teilweise dumm und dämlich, und dieses Geld landet definitiv nicht in einem Kreislauf, von dem alle profitieren.
Oder nehmen wir die Situation um eines der kostbarsten Güter der Zukunft - Wasser. Die Politik tut nichts, rein gar nichts, um den zukünftigen Dürren und sinkenden Reserven entgegenzuwirken. Dazu bräuchte es nämlich ein System von Forderungen und Anreizen, damit die große Industrie endlich anfängt, nachhaltig zu produzieren und zu arbeiten. Stattdessen hört der einzelne Bürger, dass er etwas weniger lang das Wasser beim Duschen oder Zähneputzen laufen lassen soll. Der Verdacht, dass speziell konservative oder marktliberale Parteien ihre Vorgaben und Steuergeschenke an einer gutverdienenden Klientel ausrichten, ist wirklich kein Populismus, sondern die nackte Wahrheit. Und dass sie dabei ein höchst kurzfristiges Denken an den Tag legen, das solche Klima-bedingten extremen Gefahrenpotentiale quasi ignoriert, zeigt meines Erachtens vor allem, dass wir Wachstum völlig neu denken müssen, vielleicht sogar das ganze System.
Und wie gesagt:
Ich lese viele Stimmen aus dem Bereich der Wissenschaft, die dies ähnlich sehen. Der alte Standard von wegen, Linke kapieren nicht, dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, damit man es ausgeben kann, ist wirklich etwas unterkomplex.
Ich möchte nochmal auf meinen obigen Post zurückkommen bezüglich eines progressiven Narrativs, das man den herrschenden rechtspopulistischen bis autoritären Dynamiken entgegensetzen kann.
Danke an speziell @Lukenwolf1970 und @Faenger für ihre schönen Beiträge. Ich selbst habe mir natürlich auch Gedanken gemacht.
By the way, ich vermisse einen Post, den ich gestern von @jep gelesen habe, der diese Thematik schonmal angegangen ist. Auf die Schnelle finde ich ihn aber nicht mehr, hast Du ihn gelöscht, @jep? Wäre schade, ich hätte nochmal Bezug darauf genommen.
Jedenfalls:
Mein Narrativ wäre, mit einem einzigen Wort: Europa.
Mein Wunsch wäre, dass alle überzeugten Europäer, Transatlantiker, Politiker der erweiterten Mitte anfangen, offensiv und aggressiv Gegen-Erzählungen zur nationalistischen Agenda zu verbreiten, zu pflegen, zu fordern. Und ja, das bedeutet auch ein klares Bekenntnis zu Brüssel, zur EU, zur zunehmenden Verlagerung von Gesetzes-Macht aus den nationalen Parlamenten.
Die Weltlage war diesbezüglich noch nie so dringlich, aber auch noch nie so günstig, um sich den anderen Blöcken als lohnende Alternative zu präsentieren. Und dabei komme ich auch wieder auf die Werte zurück, die @Lukenwolf1970 angesprochen hat, nämlich den Werten der Aufklärung, des Dialogs. Alle wesentlichen Probleme der Jetzt-Zeit lassen sich sowieso nur zusammen lösen. Dabei hat grade eine relativ neue Partei wie VOLT eines zumindest schonmal begriffen: dies bedeutet keineswegs, dass kulturelle Spezifika und Besonderheiten verschwinden. Aber es ist unerlässlich, dass wir endlich anfangen, voneinander zu lernen. Warum nicht das Beste aus Schweden, Portugal, Deutschland, Estland etc. zusammendenken und sich fragen, wo können wir eventuell ähnlich gut sein?
Diesen Punkt finde ich auch wichtig und würde ihn gern hinzufügen.
Wir müssen kommunikativ viel, viel, viel größer, mutiger, kompetitiver denken und handeln. Die neuen Medien sind nunmal da, die verschwinden nicht mehr, und die großen Player einzuhegen oder zu demokratischen Standards zu bringen, ist wohl kaum mehr möglich. Aber wir können die Debatten wieder stärker im analogen Raum verankern und fördern. Dazu scheint es mir unerlässlich, auch wieder stärker mit den Bürgern in Kontakt zu treten, durch viel stärkere Beteiligung und in Teilen auch direkter Demokratie. Wer teilnimmt, tut sich sicher schwerer, sich ausgeschlossen zu fühlen, nicht wahr? Wer direkt mit den „Eliten“ sprechen kann, neigt weniger dazu, die vermeintliche Abgehobenheit zu beschimpfen.
Europa ist das größte und erfolgreichste Friedensprojekt der Neuzeit, und als solches müssen wir es auch bejubeln. Das Rumgenöle sollten wir ganz bewusst den Radikalen überlassen - sollen die sich an mittelalterlichen Standards berauschen und Minimum die dreiviertelte Menschheit dabei ausschließen. Wir begeistern uns für positive Dinge, von denen jeder etwas hat und zu denen jeder etwas beisteuert.
Das Symbol der Zukunft ist nicht die Mauer. Es ist die Brücke. So wie wir viel mehr Brücken zwischen den europäischen Ländern brauchen. So wie die Probleme und Sorgen im Heute uns alle betreffen, uns alle verbinden.
Ich hab nicht alles aus seinem Artikel kopiert - mein Fehler - und hab auch so einen unvollständigen Text falsch verteidigt.
(hier zeigt sich mein fehlendes Know How - und die Tatsache, dass ich vlt unterwegs nicht schreiben sollte)
Hier ist auch noch der Text davor und danach, der etwas mehr Kontext gibt.
Die letzte große Unternehmenssteuersenkung ist in Deutschland lange her. 2001 senkte die rot-grüne Bundesregierung den Körperschaftsteuersatz auf einheitlich 25 Prozent. Außerdem wurden Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen steuerfrei gestellt (ein großes Privileg, das so weitgehend bis heute besteht). Nur sieben Jahre später, 2008, senkte die damalige Große Koalition den Körperschaftsteuersatz noch mal von 25 auf 15 Prozent. Minus zehn Prozentpunkte bei der Steuer – davon würden die Wirtschaftsverbände heute nur träumen und dagegen wirken die Vorhaben aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag wie ein laues Lüftchen
Allein: Einen Anstieg der privaten Investitionen haben die Reformen damals nicht gebracht. Ein Blick auf die Grafik zeigt: ein Effekt ist statistisch nicht zu erkennen. Nach der Reform 2001 sanken die Investitionen sogar. Und nach 2008 ging es nur seitwärts. Obwohl der nominale Steuersatz für Unternehmensgewinne innerhalb von zehn Jahren von über 50 auf knapp unter 30 Prozent sank, gab es keinen Investitionsboom. Heute aber soll das mit degressiven Abschreibung und kosmetischen Steuersatzsenkungen klappen? Wer das glaubt, erwartet am Sonntag auch den Osterhasen!
Die Frage stellt sich: Wo landeten denn die ganzen zusätzlichen Gewinne, die nicht als Steuer an den Staat gegangen sind? Die wurden ausgeschüttet an die Eigentümer (bei börsennotierten Unternehmen als Dividende), zum Rückkauf von Aktien genutzt – oder eben auf die hohe Kante gelegt. Dazu aber schweigen die Lobbyverbände. Und auch in Talkshows wird das nicht diskutiert. Dabei sollte man diese Grafik dort dringend mal an die Wand schmeißen!
Was wirklich helfen würde, um aus der Krise zu kommen: Ein Konjunkturpaket, dass die Nachfrage befeuert, die Auftragsbücher der Unternehmen füllt und die Energiekosten senkt. Ein Konjunkturpaket sucht man im Koalitionsvertrag aber vergebens. Anders als im Wahlkampf versprochen, konnte sich Schwarz-Rot nicht auf echte Steuersenkungen beim Einkauf von Lebensmitteln oder bei der Einkommensteuer einigen.
Ein Blick zu den Nachbarn aus Frankreich und den USA verrät außerdem: Mehr öffentliche Schulden und Investitionen lösen auch private Investitionen aus. Schon 2023 lagen die privaten Investitionen in Frankreich 16 Prozent und in den USA 22 Prozent über dem Vorkrisenniveau von 2019. Inflationsbereinigt wohlgemerkt. Währenddessen lag Deutschland nur knapp über dem Niveau von 2019. Der Unterschied? Frankreich und die USA haben die Wirtschaft mit deutlich höheren öffentlichen Schulden wieder angekurbelt, Deutschland hat sich zu früh wieder an die Schuldenbremse geklammert.
Von den geplanten Ausnahmen der Schuldenbremse und den Investitionen aus dem Sondervermögen kann man sich also mehr Wachstum erhoffen als von den halbgaren Unternehmenssteuersenkungen. Von “Booster” sollte man aber bei der homöopathischen Dosierung in keinem Fall sprechen.
Hier auch fett der Teil der dir vlt etwas mehr Kontext gibt.
Das ist ein wirklich sehr schönes Bild, wie ich finde. Und ehrlich gesagt denke ich, dass viele Menschen in Europa deutlich weiter und tatsächliche Brückengänger sind als manche EU-Politiker. Und genauso wie ich mir mehr Brücken innerhalb Europas wünschen würde, so wünschte ich auch genauso mehr Brücken zu allen anderen Staaten - ohne Ausnahme. Zu Russland, China, Nordkorea, welchem Land auch immer. Ich habe schon einmal das aus meiner Sicht wirklich wunderbare Zitat von Jo Cox angeführt, ich tue es aber gerne hier noch einmal: „We are far more united and have far more in common with each other than things which divides us.“ Dies zu verstehen, zu erkennen und praktisch umzusetzen, ist für mich der Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben. Ohne Hass, ohne Ausgrenzung, in gegenseitiger Toleranz. Diejenigen, die meinen, Hass und Intoleranz pflegen zu müssen, bedauere ich sehr.
Ok, dann ergibt das mehr Sinn. Allerdings finde ich die Aussagen trotzdem deutlich verkürzt, insbesondere bspw. der Vergleich zu USA und Frankreich. Zwar haben die USA und Frankreich tatsächlich höhere Staatsausgaben, dafür haben beide Länder eben auch die Unternehmensbesteuerung in den letzten Jahren gesenkt.
Welchen Anteil an der Investitionssteigerung in den USA/Frankreich der höhere Staatskonsum ausmacht und welchen Anteil ein geringerer Steuersatz, lässt sich kaum sagen. Aber zu behaupten es liegt ausschließlich am Staatskonsum ist halt fragwürdig.
Die Behauptung war, dass die USA und FR in dem Zeitraum deutlich mehr Schulden für Investitionen gemacht haben und so die Wirtschaft angekurbelt haben während sich Dtl in der Ampel an die Schuldenbremse gehalten haben und das Wirtschaftswachstum daher stagnierte.
Eine Reduzierung der Körperschaftsteuer ALLEIN reicht nicht aus um eine Kehrtwende hinzulegen - und das hat die USA unter Biden ja auch nicht (nur) gemacht. Es waren u.A. breit angelegte Investitionen in Infrastruktur, Sozialpolitik und Klima sowie Anreize für Forschung und Herstellung von Halbleitern.
Laut Maurice braucht es eine erhöhte Nachfrage - also durch eine finanzielle Entlastung bis zur Mittelschicht (also bspw durch Senkung der Mwst., Erhöhung des Mindestlohns, und Verringerung der Einkommensteuer bei geringen und mittleren Einkommen) Und finanzielle Anreize bei Investitionen der Unternehmen (bspw in klimafreundliche Produktion und Effizienz).
Die Verringerung der Körperschaftsteuer ohne Verpflichtungen der Unternehmen hat wenig positive Wirkungen, wie Maurice in seinem Artikel erklärt und beschrieben hat.
Wenn sie doch bloß eine kleine Aufgabe wäre. Ich halte sie eher für herkulisch. Nichtsdestotrotz möchte ich versuchen, meinen Beitrag zu leisten - auch wenn ich fürchte, dass er wenig originär sein wird. Schließlich habt ihr drei @faenger@cheffe@Lukenwolf1970 schon ausgezeichnet vorgelegt, die Weide möglicher Topics ist bereits gehörig abgegrast. Verzeiht mir daher, wenn in meinem Dream Dopplereffekte auftreten…
Genau betrachtet, stellt @cheffe zwei Fragen. Die eine ist offensichtlich: Wie soll die Vision beschaffen sein, die das „progressive Lager“ dem rechten Populismus entgegensetzt? Welche Themen und Ideen haben Aussicht, dem Zuwachs der Rechten das Wasser abzugraben?
Die darunter liegende Frage ist etwas problematischer: Wieso holen die (extremen) Rechten mit ihrem Mix aus Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und reaktionärem Wertekanon mehr Menschen ab als die so called linken Themen?
Mein Unbehagen, die zweite Frage zu beantworten, ist gleichzeitig der Grund für mein Zögern, mich der ersten Frage zu widmen.
Ich fürchte, eine mögliche Antwort auf Frage 2 (why the f… läuft ein Viertel der Deutschen hinter dem Rattenfänger her?) ist vielleicht, dass tendenziell altruistische, aufklärerische, rationale, gemeinschaftsorientierte und die Schöpfung erhaltende Themen nur eine Minderheit überhaupt interessieren. Ich will’s mal deutlicher sagen: Egoismus schlägt Altruismus. Fundamentalismus schlägt Aufklärung. Simple Ideologie schlägt Ratio. Volkskörper schlägt europäische/globale Gemeinschaft. Und vor allem: der religiöse Glaube an end- und grenzenloses Wachstum schlägt jeden langfristigen Ansatz von Nachhaltigkeit.
(Zur Verdeutlichung zitiere ich @Alex, der weiß Gott kein Apologet rechten Gedankenguts ist:
Ich bin leider inzwischen (sehr) skeptisch, ob die philanthropischen Werte des Humanismus noch mehrheitsfähig sind. Die Liste der Ahnen des Humanismus ist endlos: Cicero über Erasmus von Rotterdam, die Aufklärer Voltaire, Rousseau bis hin zum 19. Jhdt. Humboldt, Hegel, Marx und in der Folge Erich Fromm, um nur viel zu wenige zu nennen.
Ist es ein Zufall, dass schon die antiken Römer den Begriff „humanitas“ im Sinne von Menschlichkeit benutzten?
„Als „menschlich“ (humanus) bezeichnete man in der lateinischen Umgangssprache eine milde, mitfühlende Person, wobei die Bedeutungen „liebenswürdig“, „freundlich“, „wohlwollend“ und „hilfsbereit“ mitschwingen konnten.(…)
Kein anderer römischer Autor hat auf diesen Begriff so großes Gewicht gelegt wie Cicero. Auch für ihn war der Aspekt der menschenfreundlichen Gesinnung wichtig, den er als Kenner der griechischen Literatur im griechischen Begriff philanthrōpía (Philanthropie) vorfand.“
(aus Wiki zitiert)
Wenn ich diese Werte in der politischen Diskussion einbringe, werde ich als naiver, sentimentaler Idiot belächelt - und das ist nur die harmlose Variante der Herabwürdigung.
Dem Humanismus wird entgegengehalten, weltfremd, realitätsfern, idealistisch-unrealisierbar, romantisierend, schwächlich, verweichlicht zu sein.
Gegen eine altruistische Lebensweise sprechen indes Darwins survival of the fittest, Hobbes’ homo homini lupus und Adam Smith‘ unsichtbare Hand des Marktes, die auf dem Profitstreben des Einzelnen beruht.
Es ist dem Neoliberalismus seit Pinochet, Thatcher & Co. gelungen, in den Köpfen zu verankern: Staat/gemeinschaftlich=schlecht, Privat/Individuell=gut.
In der Folge ist ein völliger Überdruss ggü. allem Gemeinschaftlichen entstanden, der Staat wird als Übel gesehen, das es möglichst weit zu demontieren gilt. In der Ökonomie werden alle Regularien abgebaut, es wird privatisiert auf Deubel komm raus - alle Macht den Märkten, Feuer frei fürs Finanzkapital (zumindest, bis wieder mal alles crasht - dann wird wieder nach dem Staat geschrien und an Rettungsschirmen rumfinanziert). Bundesbahn - weg mit dem Schiet. Bundespost - weg mit dem Schiet. Gesetzliche Krankenkassen - abschaffen. Tarifhoheit der Gewerkschaften - lächerlich, betriebliche Tarifverträge erledigen das schon. Kommunale Wasserversorgung, Stromversorgung - bloß komplett zerdeppern, auf dass nie wieder Kommunen Geld verdienen könnten.
Und wenn dann irgendwann ein derart heftiger Innovationsstau in allen Bereichen gemeinschaftlicher Verantwortung aufgelaufen ist, dann leihen wir uns wieder 570 Mrd. per Sondervermögen. Zurückzahlen werden wir‘s eh niemals.
Vom Gemeinschaftssinn der Gründerväter und Mütter unserer modernen Demokratien ist nicht mehr viel übrig, oder?
Die Antwort auf Frage 2 (was macht die MAGA-Ideologie so anziehend?) wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gegeben: Wenn‘s mir schlecht geht, dann suche ich mir einen Schuldigen. Da das nicht allzu kompliziert sein sollte, nehme ich halt den, der anders ist als ich. Juden, Frauen, Schwule, Zigeuner, Moslems, Ausländer, Migranten, Arme, Neger, Flüchtlinge, Intellektuelle, linke Zecken, Fremde - irgendwatt find‘ sich da immer. Und wenn der Andersartige Schuld ist an meiner Lage, dann nix wie weg mit dem Schuldigen! (In diesem Kontext erlaube ich mir den Verzicht auf geschlechtsneutrale Formulierungen…)
Und kein Genozid, kein Massaker, kein Femizid, kein Pogrom, keine Hexenjagd, keine Inquisition hätte je funktioniert ohne die stille Zustimmung der schweigenden Mehrheit.
Was macht MAGA (als Synonym für den populären Erfolg rechtspopulistischer Ideologie) so erfolgreich?
Et is bequem. Mer muss sich nimmer so anstrengen. „Mit nem klaren Feindbild hat der Tach Struktur.“ (Volker Pispers)
Den ganzen Bullshit der Aufklärung kann man inne Tonne treten - eh alles FakeNews. Das muss weder immanent logisch noch rational richtig sein - im Gegenteil! Das Verlockende am neuen Rechtspopulismus ist: Schei… auf das ganze Gutmensch-Getue! Schei… auf Vernunft, Wissenschaft Differenziertheit und erst recht auf persönliche Integrität. Je plumper und platter, desto sexy. 25 % deutscher Wähler können sich nicht irren - wie Millionen Fliegen glauben sie, Schei… würde schmecken. Hitlers Abschaffung der Demokratie startete mit 31%. MuskTrump s MAGA mit 48%. Eine Mehrheit brauchen die nicht mehr, wenn sie erst im Amt sind: Notstandsverordnungen und Präsidialdekrete erledigen den Rest.
Nichts davon ist neu. Alles davon ist traurig. Aber noch lange kein Grund, kein Apfelbäumchen zu pflanzen.
Also zurück zu @cheffe s Frage 1: что делать? (Was sollen wir tun?!)
(Ich weiß, Lenin-Anspielungen sind längst nicht mehr State of the Art. Aber den konnte ich mir einfach nicht verkneifen…)
Hier schließe ich nun auf @cheffe s erste Frage an: I wish I had a dream
Maurice sieht den Schlüssel zur Belebung der deutschen Wirtschaft auf der Nachfrageseite. Die Nachtragsseite ist definitiv wichtig, und mit einem Sondervermögen von 500 Mrd. Euro für Infrastrukturinvestitionen und nach oben offenen Verteidigungsausgaben auf Pump wird der Nachfrageschwäche Deutschlands, die Maurice angesprochen hat, frontal begegnet. Weil diese Ausgaben zu 100 Prozent schuldenfinanziert sind, kann der Nachfrageeffekt noch größer ausfallen, als wenn das Geld vorher durch Steuern eingesammelt würde.
Langfristig mindestens genauso wichtig wie die Nachfrageseite, wahrscheinlich aber noch wichtiger, ist die Angebotsseite. Auf diese geht Maurice in seinem Artikel mit Ausnahme seines Hinweises auf zu senkende Energiekosten nicht ein (nicht tragisch, steht nicht im Fokus des Artikels).
Wenn 1.000 Leute auf einen McDonald’s zustürmen und einen Burger wollen, in dem Restaurant aber nur zwei Küchenkräfte mit einer manuellen Registrierkasse und einem veralteten Bulettengrill arbeiten, dann ist zwar mit der Nachfrage alles spitze, aber die Wirtschaft kommt trotzdem nicht in Schwung.
Auf der Angebotsseite hat Deutschland einige mehr oder weniger fundamentale Probleme, die das deutsche Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren auch bei bester Nachfrage stark dämpfen werden:
eine alternde Bevölkerung, zurückgehendes Arbeitskräftepotential
ein im internationalen Vergleich relativ großer Industriesektor mit Stärken in Bereichen, die entweder zunehmend überholt sind oder in denen andere Länder dramatisch aufholen (Maschinenbau, klassische Automobilindustrie, Stichwort China)
im internationalen Vergleich hohe Energiekosten
im internationalen Vergleich byzantinische Bürokratie mit langen Planungs- und Genehmigungszeiten und umfangreichen Auflagen für Unternehmen
im internationalen Vergleich hohe Arbeitskosten
Ich weiß, dass gerade die letzten drei Punkte totale Allgemeinplätze sind, und es tut mir auch fast in den Fingern weh, sowas hier zu schreiben. Aber sei es auch allgemein, so bleibt es doch richtig. Wenn sich die Bemühungen der neuen Bundesregierung, der deutschen Wirtschaft wieder Leben einzuhauchen, darauf beschränken, mit einem Konjunkturprogramm die Nachfrage anzuheizen, wird das nur ein Zwischenhoch sein, solange das Geld fließt.
Robert Habeck hat in der letzten Legislaturperiode beim Ausbau der Erneuerbaren Energien viel Bürokratie abgebaut, Prozesse beschleunigt, Verfahren vereinfacht. Nach allem, was ich lese und höre, soll Deutschland besonders im Bereich der Medizin- und Pharmaforschung sehr gute Zukunftschancen haben. Ein Feld, auf dem Deutschland ausnahmsweise einmal nicht abgehängt oder durch restriktive Regulierung grundsätzlich nicht konkurrenzfähig ist. Wenn es der neuen Bundesregierung gelingt, die Erfolge von Robert Habeck beim Bürokratieabbau im Bereich der erneuerbaren Energien auf andere Bereiche zu übertragen und insbesondere den Pharma- und Medizinsektor nicht durch zu viel neue Regulierung zu behindern, dann sehe ich für die wirtschaftlichen Perspektiven Deutschlands trotz der negativen fundamentalen Vorzeichen (altersmäßige Bevölkerungsstruktur, industrielle Obsoleszenz, auf Dauer hohe Energiekosten) nicht komplett schwarz.
P.S. Die Höhe des Anteils der Bruttoanlageinvestitionen am BIP ist für sich genommen kein Indikator für den Erfolg einer Ökonomie. Dass der Wert für Deutschland bei 20 Prozent liegt, ist nicht per se gut oder schlecht. 20 Prozent können zu wenig, aber auch zu viel sein. Es kann auch genau das richtige Niveau sein, die ideale Höhe hängt von der Struktur der Ökonomie ab. Wie @Tobizzel schon richtig sagte, ist eine Ökonomie, die zunehmend von Dienstleistungen (dem tertiären Sektor) geprägt ist, tendenziell weniger kapitalintensiv als eine Ökonomie, die von Industrie und verarbeitendem Gewerbe (dem sekundären Sektor) geprägt ist, ohne dass sie deshalb weniger produktiv sein muss. Meist ist sogar das Gegenteil der Fall. Volkswirtschaften mit einem relativ großen tertiären Sektor und einem eher kleinen sekundären Sektor sind tendenziell produktiver als Volkswirtschaften, bei denen das Verhältnis umgekehrt ist.
Im Allgemeinen gibt es ein Optimum für den Anteil der Investitionen am BIP, das ein maximales Konsumniveau in jeder Periode ermöglicht. Ist die Investitionsquote höher, so ist die mögliche Ersparnis durch geringere Ersatzinvestitionen, die zur Erhaltung des Kapitalstocks notwendig sind, größer als der durch die Verringerung des Kapitalstocks verursachte Produktionsverlust. Ist die Investitionsquote niedriger, so ist der durch eine Erhöhung des Kapitalstocks erzielbare Produktionszuwachs größer als die durch den zusätzlichen Kapitalstock verursachte Erhöhung der Aufwendungen für seinen Erhalt. In beiden Fällen kann der Anteil des BIP, der für den Konsum zur Verfügung steht, c. p. erhöht werden; im ersten Fall durch eine Verringerung des Kapitalstocks, im zweiten durch eine Erhöhung.
Lange Rede, kurzer Sinn: Eine Erhöhung des Anteils der Bruttoanlageinvestitionen am BIP ist nicht per se vorteilhaft, und die Tatsache, dass diese Quote in Deutschland laut Deiner Graphik in den letzten 30 Jahren nicht bedeutend über den Wert von 20 Prozent hinaus geschehen ist, ist nicht per se ein Hinweis auf eine wirtschaftliche „Underperformance“ oder ein Fehlverhalten von Unternehmen, die auf Steuersenkungen nicht so reagiert haben, wie sie es hätten tun sollen. Vielleicht liegt Deutschland mit 20 Prozent Bruttoanlageinvestitionen am BIP sogar im optimalen Bereich und es ist volkswirtschaftlich zu begrüßen, dass der Wert nicht höher ist.
Anhängsel zur Frage „warum die Linken immer verlieren“ (die Kehrseite der Frage, weshalb das Rechtspopulistische Lager soviel Zulauf erfährt)
Der Sprecher Martin Oetting ist Lichtjahre davon entfernt, ein Parteigänger der LINKEN zu sein. Als ehemaliger Marketing-Fachmann ist er eher der linken Propaganda unverdächtig. Seinen Ansatz finde ich seit 35 Jahren schon völlig richtig: Wenn sich alle fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft zu einem Bündnis zusammen schlössen, DANN ließe sich vielleicht was ändern.
Werter @gratschifter: ich versuche einfach mal, meine sehr persönlichen Gedanken zu deinen beiden lesenswerten Beiträgen in relativ kurzer Form zu formulieren.
Was sonst als humanistische Werte sollte man Ideologien wie MAGA oder der Afd entgegensetzen? Gewalt ist für mich keine Lösung, ehrliche Überzeugung muss es sein, denke ich. Und (wie schon geschrieben) menschliche Bildung in vielen Bereichen kann helfen. Ich sehe die Situation nicht so pessimistisch wie du (vielleicht scheint es mir auch nur pessimistisch), aber wir haben in Deutschland (wie ich finde) eine funktionierende Gewerkschaftsstruktur, die deutsche Bahn (über deren Verlässlichkeit man lange streiten kann ), befindet sich nach wie vor im Staatsbesitz, gesetzliche Krankenkassen gibt es en masse hier - und man schaue mal auf die USA, was da „medical healthcare“ bedeutet. So wirklich alles schlecht läuft es nicht in unserem Lande, denke ich.
Natürlich ist das starke Wahlergebnis der AfD bei der letzten Bundestagswahl beunruhigend, aber einige mögliche Ursachen hast du ja selbst genannt: Egoismus steht teils z. B. vor Gemeinwohl, und Enttäuschung über die eigene (auch finanzielle) Situation spielt auch eine gewichtige Rolle, denke ich. Den Kapitalismus dafür aber teils als Hauptursache zu brandmarken, scheint mir definitiv zu kurz gegriffen. Eine sozialistische Marktwirtschaft a la DDR, die wirtschaftlich massive Probleme hatte, kann ja auch nicht die Lösung sein.
Es ist - so denke ich - wie immer ein Abwägen von Ideen und Interessen (mehr Staat, weniger Staat), das ist Politik. Darüber konstruktiv zu streiten, ist wichtig. Aber - um den Bogen zum Humanismus zu bekommen: im Kern sind wir alle Menschen. Unsere Verfassung / unser Grundgesetz ist sehr, sehr viel wert und basiert auf humanistischen Werten. Und ich hoffe sehr, das bewährt sich auch in Zukunft. Und wenn du humanistische Werte in eine Diskussion einbringst, wäre ich der Letzte, der dich als naiv oder sentimental bezeichnen würde. Ganz im Gegenteil.
Das haben ja die Geoßkonzerne/Milliardäre/Profitlobbyisten erkannt:
Divide and conquer
Naturschützer gegen Klimaaktivisten
Mittelstand gegen Geringverdiener gegen Mindestlöhner gegen Arbeitslose gegen Asylanten/Immigranten
Arme gegen Bioesser gegen Vegetarier gegen Veganer
Dorf gegen Stadt
Umgekehrt ist der Wahlkampf personenbezogen.
Fragt man 10 Trump-Wähler nach Inhalten, die sie beschäftigen kommt nach irgendwelchen rassistischen Sprüchen, Parolen oder Fakenews eher wenig.
Dabei sind die meisten Amerikaner gegen Privatversicherungen und Steuersenkungen für Superreiche etc. und die Erhöhung von Preisen bei Medizin oder generell durch Zölle.
Also eigentlich für linke Talkingpoints.
Aber die Medien/Propagandamaschine leistet ganze Arbeit und so sind Leute wie Bernie Sanders und AOC dann Kommunisten, Sozialisten und DEI-Hires - oder Teil des Systems, während ein Donald Trump eine noch nie dagewesene Anzahl an Milliardären im Kabinett hat.
Während also einem Konservativen/Autoritären/Neoliberalen vieles verziehen wird, schaut man bei Progressoven ganz genau hin und jede Mücke wird zu einem Elefanten gemacht.
Am Ende ist es aber vor allem das Geld und die Medien, die ausschlaggebend sind.
Und das ist heute deutlicher denn jeh.
Milliardäre kontrollieren fast alle Medien in den USA.
Der ÖRR ist spätestens seitdem die Tochter von Schäuble, Christine Strobl, Programmdirektorin bei ARD geworden ist, konservativ geworden.
Rechte Narative finden immer öfter den Weg in Talkshows und sogar Nachrichten.
Springer verbreitet schon immer neoliberale, rassistische und hetzerische „Nachrichten“ und ist der mächtigste Verlag in Deutschland.
Aber in den USA tut sich was.
Die Proteste nehmen langsam zu und die Beliebtheitswerte von Republikanern und Wallstreet Demokraten nehmen rapide ab.
Und auch in Deutschland nehmen die Umfragewerte von Linken deutlich zu.
Nur leider auch die der Afd und das stärker.
Sorry @jep, ich wollte Dich nicht nötigen.
Tatsächlich hast Du meine Worte ja in der Passage des Threads I have a dream eigentlich vorweggenommen - wie immer aber besser formuliert und schlüssiger erklärt. Ich schließe mich jedenfalls Deinen Ausführungen begeistert an und schäme ich im Nachhinein, das damals nicht schon entsprechend gewürdigt zu haben.
Vielleicht sollten wir den Optimismus als Pflicht verstehen:
Wenn ich mein persönliches Umfeld (und nicht zuletzt einige User hier im Forum) betrachte, scheint es doch sehr viele Menschen zu geben, denen diese Werte etwas bedeuten, die dafür eintreten und sich damit beschäftigen. Zugegeben, wir, die wir uns vermutlich als Humanisten verstehen, sitzen grade nicht in der Mehrzahl in Regierungssesseln. Doch statt das zu tun, was ich selbst oft genug tue, nämlich jammervoll ins Depressive abzurutschen und sich zu fragen, was zum Geier denn mit der Welt los ist, kann man sich auch pushen und sich vernetzen und mit ähnlicher Überzeugung wie die Anderen (im Sinne der Sartre’schen Hölle… ) all das preisen, was nach wie vor publiziert, verfochten und geteilt wird.
Als Beispiel seien, da @Lukenwolf1970 die Bildung erwähnt, nochmal zwei Bücher erwähnt, die ich bereits früher hier im Forum erwähnte (man kann sich ja nicht alles merken, und @Gratschifter ist immer noch Rookie hier ).
Diese beiden Werke sind in den letzten Jahren für mich sowas wie intellektuelle Leuchttürme geworden - Standardwerke, die (nicht nur) mir zeigen, dass es nach wie vor sehr, sehr viele gibt, die ähnlich gesinnt auf den Zustand der Welt blicken. Ich kann sie beide nur jedem ans Herz legen aufgrund der Aktualität und einer Bildung, die nicht nur den Verstand erreicht, sondern auch und grade das Herz.
Sarah Bakewell:
WIE MAN MENSCH WIRD
Auf den Spuren der Humanisten - Freies Denken, Neugierde und Glück
Omri Boehm:
RADIKALER UNIVERSALISMUS
Jenseits von Identität
Ich würde beide gerne in jeden Kanon aufnehmen, zur Schul-Lektüre machen, in sämtlichen Bibliotheken auslegen lassen.
Nach 80 Jahren haben sich die Vorzeichen umgekehrt. Die damaligen Verbündeten im Sieg gegen den Nationalsozialismus tun heute sehr viel dafür, in Europa die Rechtsextremen an die Macht zu bringen. Beim Lesen des Artikels wurde mir nochmal deutlich, wie viel in dieser Hinsicht in den letzten Monaten geschehen ist. Es kam mir vor wie ein Rückblick in eine vergangene Epoche, als ich an die Debatte um Musks Wahlaufruf für die AfD in der WamS dachte und daran, wie von mir geschätzte Autoren - bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar - nur den Kopf schütteln konnten über die aus ihrer Sicht stark übertriebene Aufregung und dramatisierte Folgewirkungen. Damals ging es noch um die Frage, ob wir es mit der Meinungsfreiheit ernst meinen, wenn wir Musks Vorgehen als übergriffig betrachten. Nun: über diese Dinge muss man nicht mehr diskutieren, die amerikanische Seite hat den europäischen Demokratien mit erfrischender, keine Missverständnisse zulassender Deutlichkeit den Kampf angesagt. Da ist der damalige Aufreger in der Tat nur noch eine Petitesse; allerdings eine, die im Rückblick ein Wetterleuchten war, das das dann folgende Gewitter zumindest erahnen ließ.