[Trainer] Thomas Tuchel (bis 30.06.2024) (Teil 1)

Aus irgendwelchen Gründen drängt sich mir, wenn ich an Kimmich denke, immer der Eindruck auf, dass er menschlich viel „unreifer“ ist, als es seinem kalendarischen Alter von mittlerweile immerhin schon 28 1/2 (!) Jahren entspricht. Ich meine, Spielerpersönlichkeiten wie z.B. Beckenbauer, Breitner, Netzer, Overath, Effenberg, Wouters („holding six“), Sammer, Alonso, Martinez, Robben und Lahm kamen mir mit 28 Jahren wesentlich erwachsener vor.

Dass hier eine Wahrnehmungsverzerrung des Beobachters vorliegt, weil Kimmich relativ klein und zierlich ist, glaube ich kaum, da ja z.B. Lahm von ähnlicher körperlicher Statur war, aber in dem Alter von seiner Persönlichkeit her viel mehr Verantwortung übernahm.

Paradoxerweise habe den jungen Kimmich von Anfang 20 damals als eher „weit für sein Alter“ empfunden, also erwachsener als seine Altersgenossen. Und im Alltagsleben außerhalb des Fußballs ist er heute ja Familienvater mit großer Verantwortung und mehreren Kindern.

Wenn meine zugegebenermaßen natürlich rein subjektive Einschätzung stimmt, dann wäre Kimmich also ab einem bestimmten Alter irgendwie „stehengeblieben“ und hätte sich fußballerisch bzw. als „Führungsspieler“ (also als Persönlichkeit auf dem Feld) in den letzten Jahren nicht mehr groß weiterentwickelt. Er wurde ja mit Anfang 20 von vielen - auch von Pep Guardiola - fast schon als Lichtgestalt gesehen, die sich in wenigen Jahren zu einem Weltstar entwickelt würde.

Wenn ich Kimmich sehe und reden höre, nehme ich ihn aber immer als vielleicht 23jähriges Talent wahr, dabei hat er schon zwei Drittel seiner Karriere hinter sich (bei Sané drängt sich ja auch ein ähnlicher Eindruck auf).

Hat man Kimmichs Potential als junger Spieler vielleicht überschätzt, und hat er womöglich bereits mit 25 Jahren sein persönliches Maximum erreicht, über das er nie wieder hinauskommen wird?

Hab nur ich diese seltsame Wahrnehmung eines „Entwicklungsstillstands“ bei Kimmich, oder teilen andere hier meinen Eindruck?

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Da bin ich bei dir.
Ich wollte auch nichts verklären oder schönreden. Speziell die Leistungen in der Endphase der letzten Saison haben mich erschrocken.
Ich suche nur nach Erklärungen. Und die finde ich am ehesten im Spiel-taktischen Bereich. Wo aber auch ich das größere Problem auf Sicht sehe, ist die von dir angesprochene Verbindung zur Mannschaft. Da scheinen mir größere Unruhen im Gange.
Und auch krass finde ich (hab ich aber auch angesprochen) die fast schon regelmäßige Verwirrung/Verschlechterung, nachdem Tuchel bei Rückständen das System oder Spieler gewechselt hat. Bei diesen Themen ist er ganz sicher in der Verlosung mit drin.

Aber es hilft ja nichts:
ein Supercup-Spiel vor Beginn der Saison ist einfach kein Zeitpunkt für Abgesänge und endgültige Urteile. Wir hoffen alle, er kriegt’s hin.

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meiner Meinung nach - und das gilt für einige Spieler - hat die volllommen aus der Art fallende 6-Titel-Saison (die durch mehr Glück als Verstand zustande kam) die Selbstwahrnehmung und auch die Erwartungshaltung grotesk verzerrt!

weder sind die Spieler wie Kimmich, Gortzka und Co. so gut wie sie sich selbst sehen - noch sind sie im Stande das zu leisten, was das Umfeld erwartet…

und Tuchel muss das nun als nächster ausbaden… :man_shrugging:t2:

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Ein verblüffender Bluff.
Hinko ist quasi der Bluffalo Bill von Sportbild…

Schweinsteiger auch. Und der hatte zuvor den Ruf, ein Hallodri zu sein.

Ich bin sogar überzeugt, dass es grundsätzlich nicht möglich ist. Denn es gibt da zwei im Fußball ganz wesentliche Faktoren, die sich einer Kontrolle weitgehend entziehen: (1) die Psyche der Spieler und (2) Kollege Zufall. Fieserweise spielen beide auch noch Ping-Pong …

Nehmen wir mal das Supercup-Spiel: die Mannschaft ist in den Köpfen definitiv noch verunsichert von der Rückrunde, hat wohl in der Vorbereitung einige Schritte hin zu mehr Sicherheit im Spiel gemacht, aber zur Rückkehr des früher mal unerschütterlichen Selbstvertrauens braucht es Erfolgserlebnisse gegen hochwertige Gegner. Also geht man hoffnungsvoll, aber nervös in das Spiel; dann lässt sich gleich mal Kimmich einen Ball abjagen - die Nervosität steigt; als nächstes schlägt RB einen Freistoß flach und kurz, den man offenbar hoch erwartet hat, der Ball flippert über drei Schienbeine zu Olmo, 0:1 …
Die Köpfe der Spieler sagen erstmal „Scheiße, geht das schon wieder los …“ - können sich aber so weit zusammenreißen, dass sie das Spiel übernehmen und trotz aller Schwächen sich beste Chancen erarbeiten. Beim Abschluss will es jeder besonders gut machen und vergeigt folgerichtig überhastet.
Dann kommt es, wie es kommen muss: wenn du so viele Chancen nicht nutzt, macht irgendwann der Gegner aus dem Nichts ein Tor. So geschehen mit Olmo, der sich irgendwo zwischen Geniestreich und unfassbarem Dusel zwischen zwei Abwehrspielern durchwuselt und kurz vor der Pause das 0:2 macht. Absoluter Tiefschlag für die angeknacksten Seelen der Bayern-Profis.
Nach der Pause rappeln sie sich nochmal hoch und kommen zu weiteren Torchancen - bis Mazraoui die Hand nicht mehr schnell genug wegziehen kann und (absichtlich?) angeköpft wird … bäm, 0:3, Messe gelesen. Selbstvertrauen im Team auf unter Null gefallen.

Jetzt nehmen wir mal einen hypothetisch anderen Verlauf, der nur wenige Zentimeter neben dem Geschehen liegt, wie es war: bei dem RB-Freistoß prallt der Ball von einem Leiziger Schienbein nicht zu Olmo, sondern vor die Füße von Ulreich, der entspannt den Ball aufnimmt, weiter geht’s.
Gnabry, ohne den Druck des Rückstandes, macht seine erste Chance zum 1:0 rein; wenig später erhöht Tel auf 2:0, weil er den Ball nicht richtig trifft und dieser am Torwart vorbei ins Tor kullert … usw.

Bei dem fiktiven zweiten Verlauf (der durch die Bandbreite des Zufalls im Spiel definitiv möglich gewesen wäre) wächst das Vertrauen in die eigene Stärke bei Bayern minütlich und ich halte jede Wette, dass RB mit einer Packung nach Hause gefahren wäre - Premierentreffer von Kane inklusive.

Da kannst du noch so viele Fantastilliarden in Spieler stecken, die mentale Komponente und der Zufall (inkl. Schiri-Entscheidungen) werden immer präsent bleiben. Und um aus der Phase herauszukommen, die der FC Bayern seit längerem hat, bräuchte es mal das eine oder andere Schlüsselerlebnis, am besten ein Siegesserie, und dazu natürlich über einen längeren Zeitraum eingespielte Abläufe und Automatismen.

Insofern, so sehr ich eure detaillierten Analysen schätze - die erklären wunderbar im Rückblick, was in spielentscheidenden Szenen falsch oder richtig gelaufen ist, oder welche Spieler gerade welche Stärken oder Schwächen haben.
Aber die Dynamik, die im angesprochenen Ping-Pong zwischen Psyche und Zufall möglich ist, macht Prognosen so schwierig bis unmöglich.

Und ich denke, das weiß auch Tuchel, und das ist das, was er mit „ratlos sein“ meint …

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Und da schließe ich mich an. Ich hab mir das Spiel nicht gegönnt sondern zuerst nur die Zusammenfassung angesehen. Wie von dir beschrieben, Zufall oder Pech, egal. Die Psyche hat in der zweiten Halbzeit den Spielern einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Da wechselt Du den neuen 9er ein und vier Minuten später ist das Spiel durch.

Ich freu mich auf Freitag und gehe von einem Spielverlauf wie an Spieltag 1 der Vorsaison aus. War ja auch ein Auswärtsspiel …

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:face_with_spiral_eyes:
„Interessanter“ … „Rucksack“ (!), der sich hier nun, nach dem „ersten Saison-Pflichtspiel“ (!?), … „(teil-weise) öffnet“ - wurde ein solcher bei TTs „(zeitlich fragwürdiger) Berufung“ noch gekonnt/…„-wollt“ … „igno…ver…-staut“…!? :confused:

:roll_eyes:

Ich freue mich auch auf das Spiel und gehe von einem Sieg des FC Bayern München aus.

:sunglasses:

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Tuchels Art über die Mannschaft zu reden und seine offensichtliche Genervtheit passt mir auch gerade nicht. Er wirkt plötzlich sehr unsouverän Meine Hoffnung: er hat das Gespür,dass die Mannschaft jetzt mehr Peitsche braucht. Zucker gab es von Flick und Nagelsmann genug. Nach dem Motto: Chancen erspielen reicht jetzt nicht mehr.ich verlange jetzt wirklich volle Konzentration . Gnabry und Sane empfinde ich deutlich verbessert unter ihm, sind für mich " Peitschen" Spieler. Sorge macht mir Kimmich habe das Gefühl den demontiert er gerade komplett. Ist von meinem Eindruck her ein " Zucker" Spieler da er sich selbst schon genug peitscht

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Wir sind ja noch nicht ganz rum, aber…
DAS ist mein persönlicher KOMMENTAR DES JAHRES.
(Deswegen hab ich ihn auch nochmal reinkopiert.) :grinning:

Selten bis nie so eine tolle Zusammenfassung des unergründlichen Phänomens Fußball gelesen!
Oder, wie Alex Ferguson sagte: Football, bloody hell…

Danke dafür!

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Für meinen Geschmack wird die Mannschaft schon viel zu lange medial mit solchen Aussagen „verschont“. Es geht schon viel zu lange so und im Grunde hatten sie ja nach der Nagelsmann Entlassung schon „keine Ausreden“ mehr und es waren „die Spieler gefordert“ wie es zum Teil ja sogar aus der Mannschaft zu hören war. Geliefert haben sie bisher wenig, wieviel Schutzschild soll man denn noch über die Spieler halten damit sie wenigstens mal wieder die Grundtugenden an den Tag legen.

Darüberhinaus sind mir solche authentischen Aussagen nach dem Spiel 100 mal lieber als die üblichen leeren Phrasen, da weiß man wenigstens wirklich wie man dran ist.

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Da ist einiges dran.
Das 0:2 habe ich auch eher als Duselding gesehen.
Gab ja umgekehrt auch letzte Saison das 2:0 im Heimspiel gegen Barca, dass auch ganz anders hätte ausgehen können.

Es ist eine ungemeine Qualitaet von Tuchel, in seinen Antworten nie Konjunktive zu bemuehen. Er laesst keine Ausreden zu. Das mag auf einige Unsouveraen wirken - fuer mich ist es gefestigt und erfrischend.

Dieses ‚es war so knapp‘, ‚haette anders laufen koennen‘ hat mit Analyse nichts zu tun und ist nur eine Art von Bandage fuer’s Selbstbewusstsein. Im Extremfall kommen dann Antwortschemata wie bei Marko Reus raus, ueber die wir uns hier zurecht aufregen/lustig machen. Kapitaen ist er ja auch nicht mehr.

Wenn es nur die Psyche ist, dann ist Resilienz eben eine weitere wichtige Fussballereigenschaft wie Kopfballstaerke oder Zweikampfverhalten. Wir machen das nun zum expliziten Kriterium bei Transfers (ueberfaellig) und Tuchel auch in der Aufstellung.

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Ich denke auch nicht dass Tuchel so ratlos ist wie er nach dem Spiel gesagt hat. Er weiß genau, was anders laufen muss.

Aber er pickt sich halt keine Spieler raus und schimpft öffentlich oder redet wie Nagelsmann es gerne mal getan hat („wenn die Spieler halt nicht machen, was ich sage…“).

Bin da immer noch guter Dinge. Am Freitag in Bremen läuft’s anders und bis zum nächsten Topspiel sind’s ja noch paar Wochen.

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Ähh nein, nachweislich: Nein.

Das hat TT so ziemlich wörtlich gesagt („haben inhaltlich überhaupt nicht das gemacht, was wir uns vorgenommen haben“). Auch fände ich es sehr…seltsam, wenn er sich ratloser gibt als er ist. Interessante Strategie in der Öffentlichkeitsarbeit.

Dass wir jetzt hier beginnen, diese Reaktion auf die 0:3 Schlappe zur Stärke umzudeuten finde ich faszinierend.

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Ok, verstehe: seit Monaten eine Kombination aus Pech und mangelndem Selbstvertrauen. Der Serienmeister, der es scheinbar partout nicht mehr schafft, nicht Meister zu werden, wird zu Saisonanfang im Supercup durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen derart geschockt, dass er am Ende kein Bein mehr auf den Boden bekommt. Der Trainer muss praktisch machtlos zusehen. Vielleicht sollte Tuchel einfach mal ein Kerzlein in der Kirche anzünden.

Ich habe selbst weder eine richtige Erklärung, noch möchte ich hier gegen den Trainer hetzen. Fakt ist, wir haben uns alle mehr vom Trainerwechsel erhofft und bisher gab es keinen positiven Tuchel-Effekt. Alles kein Weltuntergang, aber es wäre jetzt in der neuen Saison wichtig zu sehen: da wächst was und die Ideen fangen an zu greifen. Bald wissen wir mehr…

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Woher nimmst Du diesen Optimismus, @918? Ich kann das nicht erkennen. Im Gegenteil. Die „Bruderschaft“ + Neuer genießen nach wie vor Protektion. Kimmich einfach mal auf RAV stellen, nur deshalb, damit er sich klar macht, dass der Trainer die Ansagen macht und nicht der heimliche Kapitän? Offenbar undenkbar … Auch Davies bekommt nicht die Ansage, die sich vor 20 Jahre ein Schweinsteiger noch alle vier Wochen anhören musste.

Es ist mir noch viel zu viel Wohlfühloase.

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was man auch dazusagen muss: ja im fußball reagiert oft der zufall und sieg und niederlage liegen durch eine kleine entscheidung knapp nebeneinander. das ändert aber nichts daran das der fcb 2023 grundsätzlich anders auftritt als zb 2015-2018 oder 2020. in diesen phasen hatte ich das gefühl wenn die bayern aufs gaspedal drücken dann fahren sie mit karacho mit dem ball ins tor und jeder(!) opfert sich bis auf das äußerste. heute sehe ich zu wie die bayern hilflos nach einem rückstand flanke um sinnlose flanke in den 16er schlagen und nichts passiert. ecke nach dem schema f und auch da passiert nichts. kein hinterlaufen, keine kongenialen pass staffeten bis ins tor. gefühlt hat man den bayern seit nagelsmann ein bisschen die zähne gezogen. ob es jetzt an einem immer schlechteren kader liegt oder anderen trainer kann ich nicht beantworten.

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Ok, verstehe: seit Monaten eine Kombination aus Pech und mangelndem Selbstvertrauen

Nein, du hast es nicht verstanden. Ich habe nur exemplarisch an dem Spiel erläutert, was Psyche und Zufall bewirken können.
Das soll null Komma null entschuldigen, was davor so gelaufen ist. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Team über positive Ergebnisse wieder in die Spur kommen kann. Nicht muss … es kann auch alles noch schlechter werden. Meine Aussage lautet nur: das kann man nicht seriös vorhersagen, weder so noch so.