Schade. Trotz vieler wichtiger Kommentare und Anmerkungen von diversen Usern hier im Diskussionsforum haben wir uns letztlich immer noch nicht auf ein paar „belastbare“ und „griffige“ Kriterien dafür geeinigt, was genau nun einen guten oder schlechten Eckball(schützen) ausmacht.
Was den Effet des Eckstoßes betrifft, so nennen Hibbs und Mehmet68 gute Argumente dafür, dass (abgesehen von der Möglichkeit, den Ball scharf auf den kurzen Pfosten zu schießen, wo in dann ein eigener Mitspieler mit dem Kopf verlängert) eine „Auswärtsdrehung“ am chancenreichtsen sei, weil dann ein in den Strafraum reinlaufender Stürmer den Ball mit voller Wucht aufs Tor köpfen kann.
Andererseits sagt Faenger, dass für ihn als Torhüter die „einwärtsdrehenden“ Eckstöße am unangenehmsten gewesen sind.
Ergänzen möchte ich, dass, wenn der Torwart ihm nicht zuvorkommt, unser Stürmer dem Ball dann mit einer nur minimalen Berührung ins Tor abfälschen kann.
Vermutlich ist auch hier wieder die Variabilität am besten: also, den Eckball mal mit Einwärts- und dann wieder mit Auswärtsdreh zu schießen, ohne dass der Torhüter das voraussehen kann.
Zu dem von MartinW u.a. angesprochenen Punkt, dass der „Zeitverlust“ vor Kimmichs Eckballausführung doch kein Nachteil sein muss: es kommt auf die Spielsituation, den Spielstand und die Spielminute an.
Natürlich sehe ich ein, dass die „gemächliche“, ritualisierte und fast schon „meditative“ Eckstoßausführung à la Kimmich sinnvoll ist und eine blitzschnelle Ausführung geradezu selbstschädigend wäre:
#) wenn wir z.B. gegen Leipzig (BL) oder Real Madrid (CL) in der 80. Minute 2:0 führen,
#) wenn es gerade einen hochfrequenten Schlagabtausch gab und man außer Puste und müde in den Beinen ist,
#) aus „spielstrategischen“ Gründen, wenn man Ruhe ins Spiel bringen und sich neu sortieren will,
#) um Kräfte zu schonen und Verletzungen zu minimieren, weil man schon nach 40 Minuten 4:0 gegen Stuttgart führt und am Dienstag in der CL gegen ManCity spielen wird.
Generell jedoch verstehe ich den „Oberplan“ des FCB-Spiels spätestens seit Guardiola (und bei Flick und Nagelsmann vom Prinzip her ähnlich, aber nicht ganz so extrem) so, dass unsere Mannschaft bei hohen eigenen Ballbesitz-Zeiten (und auch sofort nach Ballverlust in Form aggressiven Gegenpressings) immerzu in Bewegung sein und die Gegner mit hochfrequentem Kombinations-Fußball und schnellen Ballstafetten ununterbrochen vor immer neue Herausforderungen stellen soll, bis das andere Team so etwa ab der 70. Spielminute nicht nur körperlich völlig platt, sondern v.a. in der geistigen Antizipationsfähigkeit dermaßen ausgelaugt ist, dass es einen Konzentrations- und Stellungsfehler nach dem anderen begeht.
Das schließt natürlich auch ein, dass wir zwischendurch manchmal (z.B. nach einer Balleroberung in der eigenen Abwehr) blitzschnell und vertikal steil in die Spitze spielen.
Wichtig ist bei all dem nur, dass wir dem Gegner ständig eine hohe Konzentrationsfähigkeit abfordern und er unsere Spielzüge nur schwer antizipieren kann. Eine hochdynamische Spielidee also, die den Gegner gar nicht erst Luft holen lässt und ja oft auch aufgeht.
Und in DIESEM Kontext war ich der Meinung, dass die langen Spielunterbrechungen durch Kimmichs Eckstöße (weil er erst 40 Meter zur Eckfahne joggen muss und die Ausführung dann auch noch „zelebriert“ wie ein Feldherr) kontraproduktiv seien, weil sie den Schwung rausnehmen.
Natürlich ist mir auch klar, dass unsere Jungs keine Roboter sind und ihnen nach 10 Minuten schnellen Kombinationsspiels mit häufigen Positionswechseln eine kleine „schöpferische Ruhepause“ auch mal guttut, um sich zu sammeln und konditionell wieder aufzuladen.
Auch hier gilt wieder, was ich in meinem letzten Beitrag schrieb: große Mannschaften zeichnen sich durch Variabilität aus; also durch einen für den Gegner möglichst unberechenbaren Wechsel zwischen hochbeweglichem Powerfußball, zwischendurch eingestreuten „gemächlichen“ Spielphasen mit eher langsamem Ballgeschiebe, und dann urplötzlich wieder einer explosiven Beschleunigung des Tempos usw. Ähnlich übrigens wie beim Handball.
Und das gilt m.E. eben auch für Eckbälle!
Trotzdem (und da das Thema heute sogar auf der „Haupt-Plattform“ noch einmal aufgegriffen wurde), will ich meine Ausgangsfrage noch ein letzte Mal wiederholen, da sie trotz einiger interessanter Hinweise von Euch immer noch nicht „griffig“ beantwortet ist:
WAS MACHT FÜR EUCH EINEN GUTEN ECKBALL(SCHÜTZEN) AUS?
UND WAS UNTERSCHEIDET IHN VON EINEM SCHLECHTEN ECKBALL(SCHÜTZEN)?