Standardsituationen

THEMEN: KIMMICH - STANDARDSITUATIONEN

Mich würde interessieren, was Ihr über die Ausführung der Standards beim FC Bayern München denkt.

Schon längere Zeit wundere bzw. ärgere ich mich darüber, dass Kimmich bei uns soviele (in manchen Spielen sogar fast ALLE) Eckstöße sowohl von links als auch von rechts schießt.
Gibt es dafür irgendeinen objektiven Grund?

Was m.W. noch kaum diskutiert worden ist, ist der damit einhergehende enorme Zeitverlust, der unser Angriffsspiel immer wieder verlangsamt.

Schon oft habe ich mir die Haare gerauft, wenn wir einen schnellen Angriff spielen und dann z.B. ein Torschuss von Lewandowski oder anderen zur Ecke abgefälscht wird.

Dann sieht man immer wieder Kimmich, der z.B. kurz hinter der Mittellinie an der rechten Außenlinie steht, im Trab-Tempo zur linken Eckfahne joggen. Wenn er sich dann den Ball zurechtlegt oder dessen Position womöglich noch einmal mit den Händen korrigiert, dann 5 Sekunden lang einen oder beide Arme senkrecht in die Luft hält und danach erst Anlauf nimmt, dann vergehen zwischen Eckball-Pfiff und Ausführung insgesamt manchmal unglaubliche 30-40 Sekunden oder länger.

Unser Angriff wird dadurch unzumutbar lange verzögert.
Wenn Kimmich auf solche Art das Tempo rausnimmt, ist bis zur Ausführung des Eckballs auch noch der letzte gegnerische Spieler, der vielleicht schon in unserer Spielhälfte stand, zurück in den eigenen Strafraum geeilt, und die Verteidigung hat alle Zeit der Welt, um sich in Ruhe zu positionieren usw.

WENN Kimmich ein solch überragender Eckballschütze wäre, dass jede 2. oder 3. Ecke von ihm zu einer guten Torchance führt, dann wäre das ja vielleicht in Kauf zu nehmen.
Da dies jedoch eindeutig nicht der Fall ist, halte ich die offenbar interne oder von Nagelsmann vorgegebene Absprache, dass Kimmich fast alle Eckstöße schießt, für kontraproduktiv.

Gibt es eigentlich irgendwelche halbwegs objektiven Bewertungskriterien oder Statistiken darüber, wie die Qualität von Kimmichs Eckbällen im Vergleich zu anderen FCB-Eckballschützen sowie zu Eckballschützen anderen BL- oder europäischen Mannschaften einzuschätzen ist?

Mein Eindruck ist jedenfalls, dass Kimmichs Eckbälle oftmals höchstens von durchschnittlicher Qualität sind. Und wenn das der Fall ist, kann es sich ein Spitzenteam wie unseres einfach nicht leisten, immer wieder unseren Angriffsschwung dermaßen auszubremsen.

Wenn Ihr Euch vorstellt, dass wir in einem Spiel vielleicht 10-15 Eckbälle haben, wieviele MINUTEN unserem Spiel dann insgesamt dadurch verlorengehen, dass 22 Spieler jeweils 30-40 Sekunden in der Gegend herumstehen und abwarten müssen, bis Kimmichs Ecke endlich in den Strafraum segelt…

Hunzu kommt noch, dass er den ganzen langen (und m.E. überflüssigen) Weg z.B. von rechts in Höhe der Mittellinie bis zur linken Eckfahne hinterher ja auch wieder zurücklaufen muss, um in wieder in der ihm zugedachten Position im mittleren bzw. halbrechten (defensiven) Mittelfeld anzukommen, was sich als fatal erweisen kann, falls sein Eckball in einen sofortigen Tempo-Gegenstoß mündet und er dann hinten fehlt.

Vermutlich wird sich bei seinem Eckball dann ein anderer unserer Spieler nach hinten orientieren und seinen Platz einnehmen, aber das bringt dann ja noch mehr Durcheinander in unser Stellungsspiel, und ich Frage mich: WOZU der ganze Aufwand?

Kimmich verlangsamt dadurch unsere Angriffe nicht nur beträchtlich, sondern das ganze geht auch unnötig auf Kosten seiner Kondition. Diese „Körner“ sollte er sich doch lieber für das Spiel aufheben.

Ist es außerdem wegen des „Einwärts-Effets“ nicht tendenziell eher besser, wenn ein Rechtsfuß die Ecken von links und ein Linksfuß die Ecken von recht schießt?

Ich frage mich schon länger, was eigentlich der Grund für diese zeitraubende Bevorzugung von Kimmich als Eckballschütze ist. Ist es sein Ego bzw. Narzissmus, der ihn glauben lässt, er dürfe keine Verantwortung delegieren, und die anderen Mitspieler könnten es nicht so gut wie er?

Und wie kommt das bei den Mitspielern an? Muss sich z.B. ein zum Zeitpunkt des Schiedsrichter-Pfiffs vielleicht 10 Meter vor der linken Eckfahne stehender Sané nicht degradiert fühlen, wenn er von der Eckfahne wegtraben und erst abwarten muss, bis endlich „der Boss“ (= Kimmich) angejoggt kommt?

Ist es in Zeiten des heutigen Tempofussballs nicht besser, wenn einfach der am nächsten zur betreffenden Eckfahne stehende Spieler (bzw. z.B. der „Linksaußen“ Sané) sofort den Eckball schießt, so dass zwischen Eckballpfiff und Ausführung vielleicht nur 10 Sekunden vergehen, BEVOR sich die gegnerische Abwehr formiert hat und somit der Spielfluss nicht unnötig unterbrochen wird?

Hat nicht Pep Guardiola auch deshalb bevorzugt kurze Ecken schießen lassen, damit unser Angriffsschwung nicht versiegt und der Gegner gar nicht erst zur Ruhe kommt?

Ist hier auf MSR eigentlich schon einmal die Qualität und Effizienz aller unserer Standards untersucht worden, bzw. gibt es Datenbanken dafür? Es gibt ja Mannschaften, die ein Drittel oder Viertel aller ihrer Tore im Zusammenhang mit Standards erzielen (gehören z.B. Atletico Madrid oder Union Berlin nicht dazu?). Beim FCB finde ich nämlich nicht nur die Eckbälle, sondern auch die Freistöße und Einwürfe insgesamt noch „ausbaufähig“. Haben wir eigentlich einen Standard-Trainer? Ich glaube, nicht.

Ich kann mich erinnern, immer mal wieder Teams gesehen zu haben, in denen ein paar besonders geeignete Spieler (groß, lange Arme usw.) in Sonderschichten extra dahingehend trainiert worden sind, dass ihre langen Einwürfe von der Seitenlinie aus fast wie mit dem Fuß geschossene Flanken in den Strafraum segeln. Würde sowas unserem Angriffsspiel nicht auch gut tun?

Wenn wir im weiteren Verlauf der CL z.B. auf europäische Spitzenteams stoßen, gegen die wir spielerisch bzw. kombinatorisch nicht so leicht zu Torchancen kommen wie gegen die schwächeren Bundesliga-Teams, wäre es da nicht ein unschätzbarer Vorteil (für den sich Sondertrainings lohnen würden), wenn wir durch Eck- und Freistöße sowie lange, „flankenähnliche“ Einwürfe pro Spiel zu 2-3 Großchancen kommen würden?

Gibt es Statistiken darüber, wieviel (oder besser: wie wenig) Prozent der Kimmich-Flanken zu klaren Torchancen führen?

Zum Schluß noch eine Verständnisfrage: schon seit Jahren wundere ich mich darüber, dass Eckballschützen (Kimmich z.B. tut das praktisch jedes Mal, fast so vorhersehbar wie Neuers „Reklamierarm“…) vor dem Anlauf zum Eckball immer diese seltsame Zeremonie inszenieren (wodurch wieder 5 weitere Sekunden bis zur Ausführung verlorengehen), wie ein Feldherr einen oder manchmal sogar beide Arme senkrecht in die Höhe zu halten.

Warum tun sie das? Soll darin irgendeine kryptische Botschaft für die eigenen Stürmer verborgen sein wie z.B. „Achtung, ich schieße den Ball in Kopfhöhe“?
Oder aber: „Ein Arm hoch = der Ball geht auf den kurzen Pfosten“ und „Zwei Arme hoch = der Ball geht auf den langen Posten“???

Wenn ja, fände ich das ziemlich albern, denn es werden doch nur selten Eckbälle in Fußhöhe in den Strafraum geschossen, weil die Gefahr zu groß ist, dass sie nicht durchkommen.

Und wenn sich das Armhochstrecken auf den kurzen oder langen Pfosten bezieht, wäre diese Botschaft doch auch von gringem Wert, da die gegnerischen Abwehrspieler dadurch ja genau dieselbe Information erhalten.
Es wäre doch geradezu dämlich, dem Torhüter vorher anzukündigen, wohin die Ecke zielen wird…

M.a.W.: Als dynamischer Mittelfeldspieler und „Motor“ unseres Spiels schätze ich Kimmich SEHR.
Aber diese oben beschriebene, m.E. viel zu zeitaufwendige „Zelebrierung“ seiner (im Endeffekt dann auch noch ziemlich mittelmäßig geschossenen) Eckstöße, für die er oft erst 40 Meter hin und nach Ausführung wieder 40 Meter zurück laufen muss, halte ich für nicht optimal.
Mein Wunsch wäre, dass sich bis zu den CL-K.O.-Runden hieran (und auch ganz generell an der Effizienz unserer Standards) noch etwas ändern wird.

Wie seht Ihr das?

Viele Grüße und Daumendrücken für das Spiel gleich in Berlin!

Mondrianus

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Ich finde Ecken allgemein eine traurige Sache und habe eine Theorie:
Wenn ich früher Ecken geschossen hab, nahm ich immer 5 Meter Anlauf. Die Profis haben eine bessere Technik und zweifelsohne mehr Muckis im Beinchen, aber die 1.5 Meter Anlauf ab den Werbebanden sind schon etwas wenig. Bei Freistössen nehmen sie ja auch im freien Feld > 3 Meter Anlauf.
Ggf. sollte Bayern Volksbankbanden installieren die sich mit der Aufschrift „wir machen den Weg frei“ öffnen lassen (natürlich nur bei eigenen Ecken). Würde eine gute Flasche Wein wetten, dass die Ecken schlagartig besser kämen

@Handzeichen: alle Handzeichen bedeuten „ich lauf jetzt los um Auszuführen, fangt an euch in der Mitte zu bewegen“

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Kurz gesagt… Kimmichs Ecken sind Sau schlecht! Kein Plan wieso er die schon so ewig ausführen darf. Hab ich jetzt gar nicht im Kopf… wer hat die Ecken in Kimmichs Abwesenheit ausgeführt?

Thomas Müller hat eine ausgeführt…

Traurige Müllerecken hab ich auch vor dem geistigen Auge. Im Hinblick auf Sanes Freistosskünste (und mickrigen Kopfball) würde ich ihn schliessen lassen. Würde aber mal die steile These aufstellen, dass Nagelsmann etwas mehr Trainingsecken wie wir alle gesehen hat und nicht auf Standarderfolge verzichtet, nur um Joshi den Bauch zu pinseln. Bleibt also meine Theorie mit dem beschissenen Anlauf seit Abschaffung der Laufbahnen in den reinen Fussballstadien bzw der Einführung der beknackten Werbemauern

Edit: die Ecken im Olympiastadion kommen zumindest in die heisse Zone und nicht nur auf Kniehöhe an den Fünfer, ich fühle mich in meiner Theorie bestätigt :slight_smile:

Tor nach Standard von Kimmich.

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Man muss nur mal meckern :sweat_smile:
Aber ernsthaft… seine Ecken sind trotzdem Müll

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Es gibt eine heisse Zone in die man Flanken muss. Der Rest ist Stellungsspiel, Cleverness und Kopfballstärke. Aber wer ist bei Bayern erwähnenswert kopfballstark? Goretzka und Süle…? Das ist halt der Preis den man zahlen muss wenn man eine spielstarke Truppe haben will

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Um noch mal meine Frage aufzugreifen:

GIBT es denn eigentlich irgendwelche halbwegs belastbaren Bewertungskriterien für die Qualität bzw. Effizienz von Eckbällen, wie z.B. Datenbanken, denen man entnehmen kann, welches die besten Eckballschützen sind usw.??

Oder vereinsbezogene Tabellen, wonach bei dem einen Club z.B. im Durchschnitt jede 5. Ecke zu einem Schuß oder Kopfball aufs Tor führt und jede 10. Ecke ein Tor nach sich zieht - und bei einem anderen Team nur jede 8. bzw. 20. Ecke?

Vermutlich ist die Qualität von Eckbällen schwer zu bewerten, da der Eckballschütze ja auf die Qualität seiner Stürmer (oder auf die Kopfball-Qualität von bei Eckbällen mit nach vorne kommenden großen Mittelfeld- und Abwehrspielern wie Süle oder früher Martinez) angewiesen ist.

Was nützt es einem exzellenten Eckballschützen, wenn seine Mitspieler die tollen Ecken nicht verwerten bzw. manche davon zu klein sind, um viele Kopfballduelle zu gewinnen?

Umgekehrt können überragende Stürmer sicher auch aus mittelmäßig geschossenen Eckbällen viel machen.

Auch ist das Zeitkriterium entscheidend. Rechnet man einem Eckballschützen nur dann einen Pluspunkt an, wenn seine Flanke direkt mit nur einem einzigen Kontakt (z.B. Kopfball) zu einem Tor verwertet wird? Oder auch dann, wenn, sagen wir mal, innerhalb von 10 Sekunden nach Ausführung des Eckballs ein „zweiter oder dritter Ball“ bzw. Abpraller zum Tor führt?

Ein mögliches Kriterium könnte ja sein, ob der Eckball innerhalb von 10 Sekunden nach seiner Ausführung zu einem hohen „Expected Goal“-Wert führt.

Deshalb noch mal meine Ausgangsfrage: GIBT es Datenbanken bzw. Analysen, in denen die Qualität von Eckballschützen (oder die Qualität von Eckbällen einer Mannschaft) bewertet wird?

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Bei WhoScored fand ich leider nichts, obwohl sie das zumindest auf Vereinseben ausgeben, leider nicht bis auf Spieler hinunter.

Etwas älter, aber eine wissenschaftlichere Annäherung an das Thema mit Daten aus der Türkei: https://www.researchgate.net/publication/307553842_Quantitative_Analysis_of_Goals_Scored_from_Set_Pieces_Turkey_Super_League_Application

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Danke, Jan!

Das ist aber ein Artikel auf hohem wissenschaftlichem Abstraktionsniveau und schwer in deutscher Sprache auf den Punkt zu bringen, zumal nur das Abstract Englisch ist, der ausführliche Artikel aber Türkisch. Vielleicht kann einer der Türkisch sprechenden Blogger hier uns ja sagen, ob in dem längeren Text ein paar meiner Fragen beantwortet werden?

Immerhin zeigt Dein Beispiel, Jan, DASS man sich schon sportwissenschaftlich mit dem Thema beschäftigt hat (alles andere hätte mich in einer Zeit, wo unser Fußball stark verwissenschaftlicht worden ist, auch sehr gewundert). Lieber wäre mir allerdings eine „kernigere“ datenbasierte Analyse, auf der man z.B. die Qualität von Kimmichs Eckbällen vergleichen kann mit den von anderen Spielern.

Aber aus den von mir genannten Gründen ist das vermutlich methodisch schwierig.

Was es aber doch sicher geben dürfte, sind Statistiken darüber, wieviel Prozent unserer Tore in der letzten Saison (oder auch in der Hinrunde 2021/22) aus Standardsituationen hervorgegangen sind, und wieviel davon aus Eckbällen, aus (direkten und indirekten) Freistößen und aus Einwürfen.

Und das Ganze dann im Vergleich mit anderen BL- oder CL-Mannschaften.

Ganz konkret interessiert mich z.B., wieviel Prozent von Kimmichs Eckbällen zu Toren bzw. zu Schüssen/Kopfbällen aufs Tor geführt haben - im Vergleich zu anderen regelmäßigen Eckballschützen.

Kennt jemand solche Statistiken?

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20/21 hat der FCB 37 Ecken pro Tor gebraucht

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Danke, MiaSanFCB!

37 Ecken pro Tor finde ich aber doch ziemlich ernüchternd, also wenig effizient.
Oder was meint Ihr?

Und weiß man auch, wieviele der Ecken in dem besagten Zeitraum von Kimmich geschossen worden sind?

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Er hatte eine faire Chance… :see_no_evil:

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Lieber Mondrianus,

Zunächst einmal danke für deine ausführliche und wohlformulierte Nachricht, in der du viele Fragen stellst. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich einmal einige deiner Fragen aufgreifen und kurz summarisch zu beantworten versuchen. Bitte verzeih mir eventuelle Doppelungen, einige deiner Fragen doppeln sich auch. :wink:

Siehst du einen objektiven Grund, warum er das nicht tun sollte?

Ich glaube, du schätzt insgesamt sowohl die Bedeutung als auch die Kontextfaktoren der praktischen Ausführung von Eckbällen nicht ganz realistisch ein.

Kimmich - oder bei Ecken gemächlich agierende Spieler im allgemeinen - verzögert durch sein Verhalten das Spiel nicht, denn Eckbälle sind grundsätzlich kein Element des Fußballs, mit dem das Spiel schnell gemacht wird bzw. bei dem eine besonders schnelle Ausführung einen signifikanten Vorteil im Spiel für die ausführende Mannschaft begründen würde. Durch eine langsame Ausführung von Eckbällen werden keine (Gegen-)Angriffe verzögert, weil die gegenwärtig dominante Form der Ausführung von Ecken ohnehin vorsieht, dass zuvor eine umfangreiche Organisation beider Mannschaften im Zielstrafraum stattfindet. Daher kommt es auf 10 oder 20 Sekunden zusätzlicher Verzögerung auch nicht an. Eine Zack-Zack-Ausführung von Ecken hingegen, bei der es auf einzelne Sekunden bei der Geschwindigkeit der Ausführung ankäme und die bereits wenige Sekunden nach dem Zuspruch der Ecke durch den Schiedsrichter stattfände, würde eine grundsätzliche Abkehr von der heutzutage dominanten Interpretation der Ecke und ihrer Ausführung bedeuten und somit das grundsätzliche Verständnis davon, wie die Ecke gegenwärtig verstanden und genutzt wird, vollständig auf den Kopf stellen. Würde man deine Ausführungen nicht deskriptiv, sondern normativ verstehen, würdest du nichts anderes als eine grundsätzliche Reinterpretation des Spielelements „Eckstoß“ im modernen Fußball fordern.

Ganz praktisch kann ich übrigens nicht erkennen, inwiefern eine Ecke, so wie du sie dir vorstellst, vorteilhafter sein sollte. Kaum pfeift der Schiedsrichter zur Ecke, schon läuft der sich am nächsten zur betreffenden Eckfahne befindliche Spieler so schnell wie möglich dorthin und führt sie umgehend aus, noch bevor sowohl die Spieler der eigenen Mannschaft als auch die des Gegners ansatzweise Gelegenheit dazu hatten, sich auf die neue Spielsituation einzustellen. Was soll dadurch gewonnen werden? Wo soll der Ball hingeschlagen werden? Wie soll er weiterverarbeitet werden? Wie möchte man so besser, effektiver oder effizienter zum Torabschluss kommen als mit einer herkömmlichen Ecke? Wenn ich mir die Szene vor meinem geistigen Auge vorstelle und ablaufen lasse, die 19 Feldspieler mit Ausnahme des Eckenschützen noch breit auf dem Spielfeld verteilt, kaum eine Anspielstation in der Nähe der Eckfahne, kaum eine Möglichkeit, die Ecke direkt in den Strafraum zu treten aus Mangel an Zielen, kaum eine Möglichkeit, aus dem noch vorherrschenden relativen Chaos einen geordneten, konstruktiven Angriff auf das gegnerische Tor aufzubauen, dann frage ich mich - und in Fortsetzung dich - worin genau du den Vorteil einer gänzlich anderen Eckenausführung in Richtung einer, bei der Geschwindigkeit einen Unterschied macht, liegen sollte?

Die Qualität einer Ecke hängt von vielen Faktoren ab, aber Geschwindigkeit bei der Ausführung gehört sicherlich nicht dazu.

Ich glaube, du überschätzt die Wichtigkeit der technischen Qualität eines ausgeführten Eckstoßes und damit auch Kimmichs vermeintlich unzureichende Befähigung zur Ausführung einer guten Ecke. Die Qualität einer Ecke setzt sich aus vielen Faktoren zusammen, von der der eigentliche Eckstoß nur einer ist. Andere wären z. B. die Strafraumbesetzung, die Besetzung des Rückraums, das allgemeine Wissen um einen gemeinsamen Plan der Eckenausführung (kurz? Lang? Erster Pfosten? Zweiter? Kopfballverlängerung auf Lewandowski? usw.) und die Fähigkeit jedes einzelnen Spielers, den gemeinsamen Plan präzise in die Tat umzusetzen und dergleichen mehr. Ob Kimmich dabei den Eckstoß 50 cm kürzer oder weiter schlägt, ob der Ball 10 km/h schneller oder langsamer fliegt oder ein paar Zentimeter höher oder tiefer, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, aber auf jeden Fall nicht die dominante, die du ihr zuschreibst.

Kimmichs Fähigkeit, einen Eckball technisch hinreichend sauber auszuführen, ist in Bezug auf die Bedeutung dieser Ausführung meines Erachtens hoch genug. Warum er und nicht beispielsweise auch Sané, wenn er sich näher an der Eckfahne befände, jede Ecke tritt, hat meines Erachtens zwei naheliegende Gründe, die nichts mit „bossen“ oder so etwas zu tun haben: Erstens ist Kimmichs Eckstoßausführung für die Mitspieler eine bekannte Größe, bei dir sie dank tausendfacher Wiederholung ganz genau wissen, was gleich auf sie zukommt. Der Zugewinn an Vorhersagbarkeit und Möglichkeit für die Teamkollegen, sich auf den Eckstoß einzustellen, wenn ihn immer derselbe Spieler ausführt, ist meines Erachtens nicht zu unterschätzen. Und zweitens wird Kimmich bei einem Eckstoß in der Mitte nicht so dringend gebraucht wie seine Teamkollegen bzw. sein relativer Nutzen für sein Team in dieser Situation ist dann am größten, wenn er die Ecke tritt und sich nicht im Strafraum oder Rückraum positioniert und jemand anders sie tritt. Ich z. B. hätte bei einem Eckstoß lieber, dass Sané auf dem Feld und Kimmich an der Eckfahne steht als umgekehrt.

Ich glaube kaum, dass ein Spieler beim gemächlichen Joggen zur Eckfahne „Körner“ verbrennt. Eher im Gegenteil. Diese 30 bis 45 Sekunden bieten eine Möglichkeit für die Spieler, sich vom eigentlichen Spiel zu erholen (auch den joggenden).

Wichtiger dürfte wie gesagt wohl sein, das alle wissen, was als nächstes passiert und die Situation im Training vorher eingeübt haben.

Da stimme ich dir explizit zu. Gerade bei Einwürfen ist meiner Beobachtung nach im modernen Fußball noch viel, viel Luft nach oben (auch jenseits des FC Bayern). Allerdings sehe ich im Gegensatz zu dir diese Luft nicht etwa darin, dass die Spieler wie ein mittelalterliches Trébuchet den Ball möglichst tief in das Spielfeld hineinschleudern, sondern darin, dass sie einen definierten Ablauf für die nächsten zwei bis drei Kontakte nach einem Einwurf einstudieren, der sie den Einwurf möglichst effektiv in einen vielversprechenden Angriff ummünzen lässt, den sie im Spiel reproduzierbar abrufen können. Auch Fußballbeobachtungsgroßmeister Max vom Rasenfunk regt sich über die völlig unzureichende Wertschätzung von Einwürfen als taktisches Mittel zur Produktion von Torchancen in der Bundesliga in seiner Sendung immer wieder auf.

Auf viele andere Aspekte deiner Frage sind andere schon eingegangen, ich möchte da bereits gesagtes nicht noch einmal wiederholen. Außerdem kenne ich mich was die Verfügbarkeit von Statistiken beispielsweise angeht auch nur unzureichend aus, auch wenn ich es mir nur schwerlich vorstellen kann, dass solch detaillierte Statistiken bis hin zur Zuordnung bestimmter Spielelemente und -situationen zu einzelnen Personen, wie du sie gerne hättest, allgemeinen verfügbar sind, zumal kostenfrei außerhalb eines professionellen Settings. Spannend zu wissen wäre es vielfach nichtsdestotrotz, da stimme ich dir ausdrücklich zu. :wink:

Beste Grüße!

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Warum eigentlich nicht durchdenken? Dass man es immer so gemacht hat, muss ja kein Argument sein.
Ehrlich gesagt stört mich auch dieses unsägliche Brimborium bis endlich mal ein Eckstoß ausgeführt wird. Wenn dann noch der Schiri dreimal in den Strafraum läuft, um irgendwelche Leute zu ermahnen? Puh.

Pep hatte ja mal angeordnet soweit wie möglich keine Einwürfe zuzulassen, um den Ball ständig im Spiel zu halten. Um immer den Druck mit Ball auf den Gegner hochzuhalten, ihm keine Ruhephasen zuzugestehen, gerade auch als Mittel für eine so dominante Mannschaft.
Wäre vielleicht auch mal ein interessanter taktischer Ansatz, sowas auch bei Eckbällen durchzuspielen.

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Ich bin der Ansicht, dass Ecken vom Torwart weggezirkelt ungleich effektiver sind, da dann der potentielle Kopfball mit wesentlich mehr Druck aufs Tor gespielt werden kann. Also sollten Ecken von links auch mit links getreten werden. Könnte bei uns also Sane machen.

Ecken auf den Torwart können auch effektiv sein, wenn zb. jemand verlängert am kurzen Pfosten.

Unsere Ausführungen finde ich jedenfalls schwach und bemerkenswert uneffektiv. Der Hauptnachteil bei Kimmich als Schütze ist mE sein Fehlen im Mittelfeld bei Tempogegenstössen.

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Hui, ui, ui. Für dich scheint dieses Spiel doch mehr Schach zu sein als Fußball.

Wir spielen europäischen Fußball, nicht American Football. Und das ist auch gut so.
Dieses ewige zelebrieren einer Ecke mit dann oftmals einem fast beschämendem Ergebnis nervt mich genauso wie mondrianus.
Druck rausnehmen, Luft holen, das Spiel beruhigen, auch mal „Zeit von der Uhr nehmen“ (wie man heute so schön sagt) ist alles schön und gut. Aber jede Ecke von der ersten bis zur letzten Minute gleich lahmarschig auszuführen hat im modernen Fußball nichts verloren.

Sollte sie sein. Ich sehe nur nichts davon. Wenn Kimmichs Ecke nicht schon am Knie des ersten Abwehrspielers abprallt, dann köpft der sie locker raus oder der Torwart fängt sie ab. Oder die Krönung, am Sonntag erst gesehen, er schaufelt sie kreisligalike über alle hinweg ans entfernte Strafraumeck. Wenn da ein Spieler von uns stehen würde, okay. Aber da war weit und breit kein Mensch.
Kimmich könnte bessere Ecken schießen, da bin ich mir sicher. Warum er es nicht macht???
Dass die richtige Besetzung innen dazu gehört, ganz klar, ob die Besetzung gut ist, werden wir aber nicht rausfinden, solange die Bälle dermaßen erbärmlich reinfliegen

Unsere Eckbälle und Standards sind ein echtes Ärgernis. Wie man , ich muß schon fast sagen mutwillig, soviel Potenzial brach liegen lassen kann ist mir ein Rätsel.
Und um eine hier sehr beliebte Redewendung auch mal anzuwenden: „in engen Spielen wird uns das auf die Füße fallen“

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@wohlfarth: Versteh mich bitte nicht falsch, in meiner Eigenschaft als Zuschauer, der sich beim Anschauen eines Fußballspiels nach Möglichkeit vergnügen und gerne jeden Moment eines Spiels ästhetisch genießen möchte, finde ich die Ecke und wie sie im modernen Fußball geradezu zelebriert wird (das Wort passt wirklich gut) auch hinreichend unattraktiv und ermüdend (ebenso übrigens wie die unfassbar langen Verletzungsunterbrechungen, deren Quantität und Dauer aber meines Eindrucks nach in letzter Zeit glücklicherweise tendenziell abgenommen hat), aber in Hinblick auf bestmögliche Produktivität und Effektivität ist das nun einmal der bevorzugte Weg und sicherlich effektiver als eine völlig überhastete Ausführung so schnell wie möglich.

Und von einem zugegebenermaßen wirklich nicht besonders guten Eckenspiel der Bayern auf die Qualität ihrer getretenen Ecken grundsätzlich zu schließen, ist auch nicht valide. Ich gebe zu, ich habe die Qualität der Ecken der Bayern über die letzten Jahre nicht en detail studiert, aber wenn mich meine Wahrnehmung und meine Erinnerungsvermögen nicht komplett trügen, dann sind die Bayern bei Standards im Schnitt einer Saison nicht schlechter als die meisten anderen Mannschaften und oft sogar besser.

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Qualität vor Schnelligkeit, ganz klar. Da sindwir uns einig.
Wenn aber Qualität eh nicht vorhanden ist, dann brauche ich auch nicht stundenlang rumzelebrieren.

Unsere Standards sind schlechter als die der meisten anderen. Und wenn wir auch gleich schlecht sind, ist dass unser Anspruch?

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