Sexismus, Rassismus, Antisemitismus vs. Meinungsfreiheit

Dank Dir für Deine offene und ehrliche Antwort.

Vielleicht verstehe Dein Problem ein wenig.
Meine Antwort hast Du selbst miterlebt. Im Trikot-Thread ging es in jeder Form und Art um die Äußerlichkeiten unserer neuen Trikots. Dabei wurden auch auf Äußerlichkeiten bezogene Scherze über Spieler gemacht (Goretzka Dackelblick, Urbig Germanys Next Schwiegersohn). Das störte niemanden.
Ich hatte auf Insta auch die Werbe-Fotos der Bayern-Frauen fürs neue Trikot gesehen. Und hab mich dazu hinreißen lassen, dieselbe Verbindung zwischen Äußerlichkeit und dem Trikot herzustellen (im Sinne von „eine Frau wie … kann nix entstellen“).
Daraufhin hat @Olympiastadion (zu Recht) darauf hingewiesen, dass dies in der langen Tradition sexistischer Objektifizierung steht und als solche verstanden werden kann.
Konsequenz: Wenn es falsch verstanden werden kann, war ich nicht achtsam genug.

Meinst Du, es ist mir leichtgefallen anzuerkennen, dass es da in meinem Post ebenso das Potential für Sexismus und Oberflächlichkeit gibt? Weiß Gott nicht - ich habe als Papa zwei Töchter auf ihrem Weg in ein selbstbewusstes Leben als Frau begleitet und tue es noch. „Kann Spuren von Sexismus enthalten“, ist einer der schmerzhaftesten Vorwürfe, mit denen man mir wirklich (!) zu schaffen machen kann.

Was ich meiner Geschichte beschreiben will, ist folgendes: Nach vielen tausend Jahren Patriarchat erarbeiten wir Männer uns mühsam einen neuen Umgang von Männern und Frauen, der im Ideal gleichberechtigt, respektvoll und frei sein soll von Repression, Sexismus und Gewalt.
Da sind wir erst ganz am Anfang - rein zeitlich gesehen, hatte das Patriarchat ein paar Tausend Jahre Zeit, unsere Verhaltens- DNA zu prägen. Der Feminismus arbeitet erst seit ein paar Jahrzehnten in die Gegenrichtung.
Und ich mache da Fehler - wohl kaum ein Mann spaziert ausemanzipiert und fertig erleuchtet über unseren Planeten. Das führt zu ungewohnter Reibung, gewohnte Muster im Umgang funktionieren nicht mehr, vieles muss neu gedacht, neu geübt werden.

Will sagen:
Ich bin Musiker, Klavierspieler.
Klavier üben (für Nicht-Genies) ist Sisyphos-Arbeit. Ich übe zwei Stunden an sechs Takten, am Ende happich sie richtig gut drauf. Um am nächsten Tag festzustellen, das der verkackte Stein wieder ganz unten an Berg liegt. Ohne Fehler entsteht kein Lernen, keine Entwicklung, kein Prozess.
Wer sich hinsetzt und das Klavier einfach beherrschen will, ohne an Fehlern zu arbeiten (und glaub mir: das ist überwiegend ein sehr mühsamer, kleinteiliger und nur selten wirklich befriedigender Vorgang) - der bleibt stehen, entwickelt sich sogar rückwärts.

Ähnlich sehe ich das mit meiner Entwicklung als Mann in einer gleichberechtigten Welt für Frauen und Männer. (Von der wir noch Lichtjahre entfernt sind - aber nicht mehr ganz so viele Lichtjahre wie 1850…)

Ich hatte gestern den Post einer jungen Frau gelesen, die beschrieb, wie ihr Leben sich im Alter von elf Jahren mit dem ersten Tag ihrer Pubertät veränderte, weil sie ab sofort in der Öffentlichkeit zum Sexobjekt wurde. Leider finde ich den Text nicht mehr, aber mit vielen Beispielen eines 11 bis 14 jährigen Mädchens illustrierte sie, wie es sich anfühlt, Gegenstand von männlichen Sexfantasien der Erwachsenen zu sein. Ihr Fazit: Ich wäre gern in einer Welt groß geworden, in der ich meine sich entwickelnde Sexualität und Körperlichkeit selber in Ruhe hätte entdecken dürfen. Statt dessen wurde ich magersüchtig, weil ich in den Augen der Welt verschwinden wollte.

Es ist nicht die Aufgabe dieser Frau, etwas an dieser Welt zu ändern, sondern deine und meine.
Wir sollten es mehr mit Fragen und Zuhören versuchen. Und mit Einfühlungsvermögen.

@jep s Beispiel verdeutlicht das Ganze: Du kannst nicht wissen, was die Frau gegenüber mit Deinem (gut gemeinten) „Du siehst aber sexy aus“ verbindet: Im hoch wahrscheinlichen Fall eine Reihe übergriffiger Anmachsprüche aus ihrer Jugend, wenn nicht Schlimmeres.
Und „gut gemeint“ ist tatsächlich nichts als eine verlegene Ausrede, wenn die Frau nicht drauf anspringt. Von da ist’s meist nicht mehr weit zum „Stell Dich nicht so an“ oder „Hab Dich doch nicht so“.

Ich glaube, der Vergleich funktioniert nicht, auch wenn ich zu verstehen glaube, was Du ausdrücken willst. Korrekt wäre er mbMn folgendermaßen:

Nehmen wir mal an ich backe dir einen Kuchen um dir eine Freude zu machen.
Du bist zuckerkrank und laktoseintolerant, und den letzten 15 Leuten, die mit einem Kuchen kamen, war das scheissegal - „soll sich halt nicht so anstellen, das Weichei!“
Dir platzt der Kragen, weil jedes Fass irgendwann einen Tropfen zuviel bekommt.
Bei wem liegt dann die Schuld?
Richtig: Bei den 15 Arschlöchern vor mir, denen es scheissegal war, wie s Dir mit dem Kuchen ergeht.

Ausweg: ich frage dich beim nächsten Mal, womit ich Dir eine Freude bereiten kann.
Und lerne, wie ich einen zuckerfreien, veganen Kuchen backe, der geil schmeckt. Und das Eis zwischen uns schmelzen lässt….

So oder so ähnlich könnte es gehen…

2 „Gefällt mir“