Paris Saint-Germain- und Ligue 1


1. Um andere Menschen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden will, muss man Religion nicht überwinden, das geht auch so.

2. Wenn Du unter „überwinden“ in Bezug auf Deutschland zum Beispiel verstehst, dass der Staat gezielte Anstrengungen unternehmen soll, um den Stellenwert der Religion in der Gesellschaft zurückzudrängen, beispielsweise indem er damit beginnt, sich etwa wie in Frankreich eine strenge verfassungsrechtliche Laizität zu verordnen, sämtliche finanziellen und nicht-finanziellen Leistungen an die Kirchen einzustellen, den Religionsunterricht aus staatlichen Schulen zu verbannen und so weiter, dann würdest Du nur ein weiteres gesellschaftliches Konfliktfeld eröffnen und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt nur noch einen weiteren Riss zufügen, indem Du den Kampf um Anerkennung und Vertretung in unserer Gesellschaft nur noch einer weiteren Gruppe - den Gläubigen und den Anhängern der Kirche -, der bis dato vollkommen unauffällig und politisch geordnet war, plötzlich mit einer existenziellen Bedeutung aufladen würdest („wir gegen die, und unser Niederlage ist unser Untergang“). Ich glaube an Konfliktlinien, manifesten und latenten, ist unsere Gesellschaft schon gegenwärtig nicht arm, auf eine weitere können wir gut verzichten.

Ich hielte daher so eine Form der aktiven „Überwindung“ der Religion schon allein aus politischen Gründen nicht für klug (in Deutschland, gegenwärtig).

@jep: Dein Argument hat zwei Teile. Ob uns die Abschaffung von Religion (wie auch immer das gehen soll und was auch immer das bedeutet) eo ipso zu besseren Menschen machen würde, halte ich auch für höchst fraglich, mal ganz abgesehen von den praktischen Konsequenzen für das gesellschaftliche Leben auf dem Weg dorthin (siehe oben).

Aber dem Argument im ersten Teil Deiner Nachricht, dass uns eine Verankerung in der Religion zu moralischen oder wenigstens moralischeren Menschen macht bzw. dass unsere Fähigkeit zu moralischem Handeln, das Richtige von dem Falschen und das Gute von dem Bösen zu unterscheiden, notwendig von Religion abhängt, wäre ich sehr zögerlich zuzustimmen. Weder glaube ich, dass uns z. B. tiefer christlicher Glauben gegen die Fähigkeit, Böses zu tun, moralisch imprägniert, noch glaube ich, dass unsere Fähigkeit zu moralischem Handeln vom Grad unserer individuellen oder gesellschaftlichen Religiosität abhängt. Es gibt viele Theorien, die die Quelle unserer moralischen Kompetenz als Menschen mit anderen Dingen als Religion erklären können, zum Beispiel mit humanistischen Überzeugungen, moralischer Intuition oder auch der Vernunft (Kant).

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Darin stimme ich Dir zu. In ähnlicher Weise äußerte ich mich auch in dem von Dir zitierten sowie einem weiteren Beitrag. Letzten Endes habe ich nur Beispiele angeführt von Gesellschaftsformen, die mit großen Idealen angetreten und inzwischen (bzw. in Wahrheit von Anfang an) moralisch verkommen waren; auch Sophie Scholl war übrigens zunächst begeistert von den Gemeinschaftserlebnissen, die jungen Menschen in den 30er Jahren geboten wurden. Es waren Christen, die sich eben nicht hatten moralisch korrumpieren lassen. Das rechtfertigt immerhin, finde ich, mein Plädoyer dafür, Religion nicht leichter Hand als unsinnig, überflüssig oder gar gefährlich abzutun. Sie war für diejenigen, die sich mutig gegen unterdrückerische Systeme stellten, nicht ein zufälliges Attribut, sondern zentrale Kraftquelle. Das heißt selbstverständlich nicht, dass jemand nicht auch anderswoher solche Kräfte schöpfen kann. Kein vernünftiger Mensch wird das bestreiten. Das aber entwertet die Religion doch nicht. Dies gilt allerdings nur für die Formen, die nicht von Fanatismus geprägt sind, wie Islamismus und christlicher Fundamentalismus, die die Schattenseite ihrer zugrunde liegenden Religion darstellen.

Ich finde auch, man muss keinen Gegensatz sehen zwischen Religion auf der einen Seite und Humanismus, Aufklärung und Wissenschaft auf der anderen. Schon im frühen 20. Jahrhundert haben führende Wissenschaftler bemerkt, dass ihre Erkenntnisse eine Annäherung an Religion mit sich bringen. Diese wiederum liefert jener die Voraussetzungen. Hierzu ein zentraler Absatz des im Folgenden verlinkten, sehr lesenswerten Aufsatzes:

‚Es zeigt sich hier, dass der Anspruch der Naturwissenschaft, uns Ursache und Wesen der Religion erklären und damit das Religiöse „mit Vernunft“ einholen zu wollen, nicht gerechtfertigt ist. Zumal auch das wissenschaftliche Forschen ohne Voraussetzungen nicht auskommt, ja, gar nicht erst beginnen kann, wobei sich die Axiome und Prämissen ihrer Hypothesen häufig selbst nicht wissenschaftlich beweisen lassen. Das System bringt nicht zugleich seine Rechtfertigung mit. Diese liegt ihm außerhalb, ein Umstand, den für die Gesellschaft und ihre politische Konstitution Enst-Wolfgang Böckenförde in dem oft zitierten Satz zum Ausdruck gebracht hat: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Und dass diese Voraussetzungen in religiösen Glaubensvorstellungen liegen, manifestiert in entsprechenden religiösen Begrifflichkeiten und Symbolen, das zeigte schon Emil Durkheim, indem er den instrumentell-funktionalistischen Wert der Religion für das soziale System betonte. Und so fußt letztlich auch das Denken des Wissenschaftlers auf einem Glauben, der seinem wissenschaftlichen System äußerlich bleibt.‘

Manifestationen menschlicher Vernunft - Von Josef Bordat

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Religion kann sicherlich für einige Menschen eine wichtige Stütze und Orientierung darstellen - einerseits.

Andererseits haben eben auch Katholiken zum höheren Ruhm Gottes Inquisition und Kreuzzüge ins Leben gerufen und Millionen von Ureinwohnern in Afrika, Asien und Amerika niedergemetzelt, Frauen als Hexen stigmatisiert und verbrannt…

Insofern ist Religion, wie jede totalitär interpretierbare Ideologie - ein zweischneidiges Schwert.

Ich persönlich bin der fundamentalen Überzeugung, dass menschliche oder ethische Grundwerte ohne jeden religiösen Kontext problemlos vermittelbar sind.

Dagegen besteht bei jeder Religion die Gefahr, fundamentalistisch / totalitär interpretiert zu werden.

Jede:r soll das nach Gusto für sich entscheiden; mir persönlich sind belegbare Falten lieber, als Überlieferungen aus AT, NT, Scharia etc.

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@jep : Danke für den Link zum Artikel, finde ich auch lesenswert. Ich greife mal ein paar Gedanken auf, die mir zu insbesondere obigem Abschnitt einfallen (vorausbemerkt sei, wie ich schon sagte, dass ich Physik bzw. Mathematik studiert habe und vielleicht deshalb eine etwas andere Sichtweise habe).

  • Naturwissenschaft will nicht Ursache und Wesen der Religion erklären. Naturwissenschaft wie Physik beschreibt Phänomene, die in der Natur vorkommen, mit Gesetzen (z. B. Newton bei der Planetenbewegung). Sie erklärt nicht, woher diese Gesetze kommen, aber sie stellt fest, dass die Natur offensichtlich diesen Gesetzen unterliegt.

  • das naturwissenschaftliche Forschen unterliegt in der Tat einer Prämisse, nämlich mit Verstand und Rationalität, durch Experiment und mithilfe von Mathematik, mit reproduzierbaren Experimenten die gleichen Ergebnisse erzeugen zu können und damit die vermuteten Gesetzmäßigkeiten zu bestätigen. Nehmen wir Einsteins spezielle Relativitätstheorie her: zwei Axiome werden formuliert, die die Basis sind (Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und die Gültigkeit der Gesetze der Physik in allen Inertialsystemen). Bisher haben alle Experimente diese Axiome bestätigt (im Rahmen der Gültigkeit der Theorie). Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass irgendwann jemand dies erweitert oder gar verwirft mit einem neuen, besseren Ansatz: aber das macht Naturwissenschaft aus: es ist keine feste, ewige Überzeugung, sondern ständiger Zweifel.

  • Moralische Werte können durchaus jenseits von Religion existieren.

  • Das Denken des Naturwissenschaftlers ist immer ein kritisches, ein hinterfragendes. Etwas, was einem Glauben („Überzeugung dessen, was man nicht sieht“) nahezu diametral gegenübersteht. Jemand, der glaubt, braucht keine Nachweise durch Experimente oder Beweise. Es reicht der Glaube an sich.

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Lieber @jep, ich fürchte, wir drohen aneinander vorbeizureden.

Ich würde niemals abstreiten, dass Menschen wie Sophie Scholl oder anderen Widerständlern gegen oppressive Autorität ihre Verankerung im Glauben Kraft und Orientierung verliehen hat.

Aber ich bestreite, dass Religion notwendig für die Ausbildung einer moralischen Kompetenz des Menschen ist.

Stellen wir uns einen Urzustand vor, in dem der Mensch als Baby auf die Welt kommend keinerlei Verständnis von Moral hat, keine Vorstellung von richtig und falsch, von gut und böse.

Braucht es in dieser Welt nun Religion, damit dieser Mensch während seines Auf- und Heranwachsens zu einem kompetenten moralischen Agenten werden kann, der ein voll entwickeltes Verständnis für richtig und falsch und gut und böse hat?

Ich sage ganz klar nein. Es gibt zahlreiche Ansätze, die die moralische Entwicklung des Individuums auf einem ganz praktischen Niveau als durch Erziehung und Sozialisation erworbene Internalisierung von prosozialen Verhaltensnormen erklären, die auf der frühmenschlichen Uererfahrung der Notwendigkeit von Kooperation zum gemeinsamen Überleben beruhen und schon in Tieren als Protomoral zu beobachten sind. Es gibt auch soziologische Theorien, die das Entstehen von Religion zeitlich dem Entstehen identifizierbarer Moral nachlagern und mit dem damit gewonnenen Gewinn an Verbindlichkeit moralischer Normen durch eine übernatürliche - und im Zweifel strafende - Macht erklären.

Weil ich mir sicher bin, dass Dich das sehr interessieren wird, möchte ich Dir in diesem Kontext folgende zwei working papers von Kurt Bayertz von meiner Alma Mater, der Uni Münster empfehlen: Die Ursprünge moralischer Normativität und Moralisches Handeln und Rationalität.

Dies alles unbeschadet dessen, dass es selbstverständlich auch Beispiele gibt für bekannte sehr religiöse Wissenschaftler, sogar Naturwissenschaftler, zum Beispiel Werner Heisenberg.

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Bestätige. :wink: Und habe auch nichts anderes behauptet. EDIT: Ich habe nur die (nicht sehr originelle) Beobachtung erwähnt, dass Gesellschaften, die die Religion konsequent an den Rand gedrängt bzw. versucht haben, sie zu beseitigen, keine gute Entwicklung genommen haben. Und dass an der Wende zum Besseren Menschen dezidiert christlichen Glaubens maßgeblich beteiligt waren. Eine Beweisführung für irgendetwas konnte und sollte das nicht sein.

Abgesehen davon finde ich Putins Gekuschel mit der orthodoxen Kirche genauso unappetitlich wie die Hasenfüßigkeit Pius’ XII. hinsichtlich einer möglichen (aber eben kaum erfolgten) Unterstützung verfolgter Juden in seinem Einflussbereich, nur um das Konkordat mit den Nazis nicht zu gefährden. Noch schlimmer waren nur die „Deutschen Christen“, unter welchem Label große Teile der evangelischen Kirche sich bei Hitler aufs Peinlichste einschleimten. Zum Glück aber gab es auch die Bekennende Kirche mit Martin Niemöller als ihrem bekanntesten Vertreter.

Zu dem Übrigen: das „ist ein weites Feld“(Fontane). Deine Leseempfehlungen greife ich gerne auf.

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Man könnte zahllose Gegenbeispiele (negativ wie positiv) anführen:

  • der Evangelikalismus in den USA, der Trump erst so richtig ermöglicht hat,

  • ein Mahatma Gandhi war auf Ausgleich zwischen den Religionen bedacht in einem säkularen Staat bedacht,

  • Frankreich mit dem Laizismus,

  • „bestes Beispiel“: die Türkei unter Atatürk und heute im Direktvergleich…

Ich habe ja oben geschrieben: ich halte wenig davon, Religion zu verbieten. Die entscheidende Frage für mich ist: wie gehen wir als Gesellschaft damit um. Bleibt es Privatsache - alles gut für mich. Nur sollte Religion niemals ein Wertemaßstab für menschliches Miteinander sein (finde ich).

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Nur zur Klarstellung: ich habe auch nicht gesagt, dass dies für alle Gesellschaften gelte. Es war kein Axiom. :wink: Deine Beispiele treffen zu, widerlegen allerdings auch nicht das, was ich ausdrücken wollte.

Einverstanden.

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Ironischerweise befinden wir uns damit wieder nah am Beginn unseres Gesprächs…
Der Verlauf der Debatte zeigt uns allerdings, dass selbst unter kulturell ähnlichen Prägungen (wovon ich bei all den Usern von MSR einfach mal ausgehe) entschieden unterschiedliche Ansätze herrschen und es uns nicht mal gelingt Einigkeit herzustellen bei den Fragen, die die Aktion in Frankreich und Mazraouis Reaktion ausgelöst hatten. Da sich unter uns keine religiösen Fanatiker befinden, zeigt das zumindest die Problematik eines weiter gefassten Ansatzes, ganz egal, wie man persönlich zur Religion steht.
Ich selbst käme in einer idealisierten Variante gut mit einer Gesellschaft ohne Religion klar, in der das zivilisierte Zusammenleben schlicht auf dem kategorischen Imperativ beruht. Letzten Endes lassen sich die meisten Ansätze von für möglichst alle geltende (sprich: universale) Werte ohnehin auf Kant’sche Prinzipien zurückführen (Lesestoff dazu: Boehm, Omri: Radikaler Universalismus).
Mir fällt zu den Anmerkungen von @Lukenwolf1970 immer der etwas böse Witz ein, wonach sich zwei Freunde treffen und der eine sagt: „Ich werde für dich beten.“ - Darauf erwidert der andere: „Gut. Dann werde ich für uns beide denken.“ Ich als Atheist muss da natürlich schmunzeln, kann aber trotzdem hervorragende Gespräche mit spirituellen oder religiösen Freunden führen, und da kommt dann eben wieder die Toleranz ins Spiel. Die vermeintlich positive Rolle der Religion, die @jep berechtigt anmerkt, wenn es darum geht, ein besserer Mensch zu werden, steht ebenso außer Frage wie die genannten Gegenbeispiele . Ich muss allerdings sagen, mir ist in der Geschichte noch kein wildgewordener Philosoph oder Naturwissenschaftler begegnet, der droht, andere zu massakrieren, wenn sie seine Erkenntnisse nicht teilen. Das fehlende spalterische Potenzial der Wissenschaft erklärt sich natürlich durch den Zweifel als Grundhaltung, was es meines Erachtens auch unwahrscheinlicher macht, dass ich andere Lebensweisen derart ablehne, wie wir es Mazraoui mittlerweile unterstellen (und eine Unterstellung bleibt es natürlich nach wie vor - bei hinreichendem Verdacht.)

Nichtsdestoweniger ist es natürlich unrealistisch, dass sich übermorgen die Religionen abschaffen und alle nur noch Kant abfeiern. Offensichtlich liegt es in unserer Natur, zu hinterfragen, woher wir kommen, wohin wir gehen und warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts. Ein enger Freund von mir, Akademiker übrigens, sagte mal auf die Frage nach dem Sinn des Lebens (und kurzer Denkpause): „D’Hauptsach is, Bayern wird Meister.“
Dem konnte ich mich vollumfänglich anschließen. :wink:

Vielleicht können wir an diesem Punkt wieder eine konkrete Volte machen und an unserem Ausgangspunkt anknüpfen, der sich ja fragte, wie jetzt umgehen mit Mazraouis Haltung, oder gar nicht umgehen? Nach all euren Anmerkungen bin ich umso mehr davon überzeugt, dass ein Gespräch Sinn macht. Und zwar auf Augenhöhe, völlig ohne die Attitüde einer Strafandrohung oder didaktischen Motiven, sondern im Sinne einer mannschaftlichen Geschlossenheit. Es wird ja grade von Kaderplanern gern davon gesprochen, dass man neben den rein sportlichen Motiven auch auf die Mentalität eines Spielers achtet - und das ganze Feld, auf dem wir uns hier austobten, gehört für mich im weiteren Sinne schon dazu. Jeder von uns, der Fußball-Kabinen kennt, weiß, dass es für die sportliche Performance eine Rolle spielt, wie man als Team miteinander umgeht. Mazraouis (öffentlich gemachte) Haltung würde etwa für etwaige homosexuelle Mitspieler mit Sicherheit relevant sein - würde er hingegen davon wissen, wäre es wiederum für ihn wohl relevant. Auf diese Problematik und sensible Statik einer Mannschaft kann man achten und darüber sprechen, finde ich. Und unabhängig von sportlichen Fragen: angesichts einer Radikalisierung in vielen Teilen der Gesellschaft weltweit sollte man es sogar.

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EDIT:
Vielleicht noch eine kurze Anmerkung dazu: ich halte es auch für eine Auffälligkeit, dass grade im Bereich der theoretischen Physik spirituelles, wenn nicht religiöses Denken häufiger im Raum schwebt. Eine Beobachtung, die mich angesichts meiner (bescheidenen) Kenntnisse zur Quantenmechanik gar nicht so überrascht. Vielleicht können unsere Physiker @Lukenwolf1970 und @gerhard dazu was beisteuern…?

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Ich hab definitiv ein paar Falten, und ich fürchte, die sind alle belegbar.
Sofern du natürlich Fakten meinst, bin ich da ganz bei dir… :wink:

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Fühle mich jetzt spontan angesprochen :wink:

Zum einen: theoretische Physik ist nicht automatisch Quantenphysik, es gibt auch die theoretische Physik im Bereich der klassischen Mechanik zum Beispiel, aber ich denke, ich verstehe, was du meinst.

Die Quantenmechanik rüttelt an den Grundfesten des „gesunden Menschenverstandes“, ebenso wie die Relativitätstheorie. In unserer makroskopischen Welt gibt es keine Quantensprünge - um im Fußballerbild zu bleiben: der Ball springt nicht einfach 20 Meter nach vorne, sondern verfolgt eine Fluglinie („Gott“ sei Dank, ich würde sonst kein Fußballspiel mehr gerne ansehen :grin:). Und um zum Kern zurückzukommen: das hat sehr viel mit der Frage des Determinismus zu tun. Es gab bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts viele Physiker (und Philosophen), die dachten, wenn man alle Parameter kennt, dann ist die Entwicklung der Welt vorbestimmt. Die Quantenphysik hat mit diesem Denken gründlich aufgeräumt. Selbst Einstein hat ja noch gedacht „Gott (der Alte) würfelt nicht.“ Im mikroskopischen Maßstab ist es aber scheinbar so.

EDIT: Als Nachtrag: all das ist auch ein Grund, weshalb ich Physik persönlich so spannend finde - eine Grundlagenwissenschaft für viele Ingenieurswissenschaften, andererseits tatsächlich eine Naturwissenschaft, die erkenntnistheoretische Grundlagen hinterfragt. Und auch an dieser Stelle mein ausdrücklicher Dank an alle in dieser Diskussion - dass dies in einem Fußballforum passiert, ist nicht selbstverständlich.

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Zusammengefasst kann man glaub ich beim Blick in die Geschichte sagen, dass es immer wieder gelang, Verbrechen an anderen Menschen mit irgendeiner „Wahrheit“ zu legitimieren. Ob es sich dabei um die Verdrehung von Religion, Naturwissenschaft oder irgendwelcher philosophischer Gedanken handelt, ist eigentlich nebensächlich.
Hitler stützte seine Verbrechen in erster Linie auf das Recht des Stärkeren und drehte hierfür irgendwelche Theorien von Darwin um (wie übrigens auch schon alle europäischen Großmächte während des Imperialismus), Mao und Stalin ließen Millionen von Mitbürgern verhungern, erschießen oder sich in Lagern zu Tode arbeiten, um damit Marx Ideen einer klassenlosen Gesellschaft Wirklichkeit werden zu lassen. Während der französischen Revolution schickte der von den Ideen der Aufklärung (also auch von Kant) maßgeblich geprägte Robespierre Zehntausende in den Tod, weil sie eine Gefahr für das „höchste Wesen“, also die Gerechtigkeit darstellten.
Die Geschichte ist voll solcher Beispiele und Widersprüche.
Am Beispiel Homosexualität kann man es auch noch einmal exemplarisch sehen. Die unmenschliche Behandlung in muslimischen Ländern kann man eindeutig auf den Einfluss des Islam zurückführen. Auch die katholische Kirche hat bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Homosexualität massiv bekämpft. Dennoch war die Phase, in der Homosexuelle in Deutschland am meisten um ihr Leben fürchten mussten, die Zeit des Nationalsozialismus, also die Zeit, in der der Einfluss der Kirche am geringsten war. Die Begründung, dass Homosexualität ein Verbrechen an der Volksgemeinschaft darstellt, da aus ihr keine Kinder (und somit künftige Soldaten) entstehen, ist doch eigentlich auch nicht überzeugender als das Zitieren von irgendwelchen Suren oder Stellen aus dem Alten Testament, oder?
Ergo: Wenn jemand eine Rechtfertigung für Verbrechen sucht, wird man sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Religion leicht fündig.

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Danke für deine Erklärungen! Ich hab mal ein Zitat eines Physikers gehört (ich weiß leider nicht mehr, von wem, vielleicht hab ich’s auch aus der Big Bang Theory:wink:), der bezogen auf Einsteins Zitat meinte: „Gott würfelt nicht nur, sondern er bescheißt sogar dabei.“

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Sorry für die verspätete Antwort, aber ich sehe du hast mittlerweile verstanden was ich meinte.

Danke Dir! Sehr aufmerksam von Dir.

Wenn Du gesehen hast, dass ich Dich richtig interpretiert habe, dann wirst Du auch gesehen haben, dass mich Deine Argumentation inhaltlich nicht überzeugt hat.

Wenn ich weiß, dass Du aktiver Fußballfan bist, fändest Du es dann fair, wenn ich nur schon allein daraus ableiten würde, dass Du damit wahrscheinlich auch gewalttätig und ein Prolet bist?

Oder würdest Du mich dann nicht mit mehr oder weniger freundlichen Worten darauf hinweisen, dass nur allein der Umstand, dass Du aktiver Fußballfan bist, nur sehr schwache Evidenz für Deine von mir angenommene Gewalttätigkeit ist und es Millionen und Abermillionen aktiver Fußballfans gibt, die zwar dem Sport nahezu 24/7 aufs Engste verbunden, aber keineswegs gewalttätig sind?

Aktiver Moslem = homophob finde ich ziemlich pinselstrichmäßig, Du nicht?

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Bin weit davon entfernt, ein Physiker zu sein, aber: Wer sich dafür derartige intellektuelle Schnittstellen interessiert, dem würde ich auf youtube den Kanal „Closer to Truth“ empfehlen, dort gibt es sehr viele interessante Interviews mit Kosmologen, Astrophysikern, Mathematikern, Theologen, Philosophen etc. zu den einschlägigen (kosmologischen, quanten- und/oder bewusstseinstheoretischen etc.) Themen, z.B. mit Penrose oder David Chalmers u.v.a.

https://www.youtube.com/@CloserToTruthTV

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Die Annahme, dass eine vermeintlich rationale Naturwissenschaft als Gegengift zur vermeintlich irrationalen Religion fungiert, ist auch nicht per se stimmig.
Bis 1945 gab es die universitär völlig anerkannten Wissenschaftszweige der Rassenkunde und der Eugenik.
Deswegen ist der Schlachtruf „Follow the science“ auch mit Vorsicht zu genießen.

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Doch.
Aber ich finde es auch zu einfach aus der Weigerung zum Tragen des Regenbogentrikots abzuleiten, dass jemand homophob ist. Und noch schlimmer aus dem Satz „Gott segne dich Bruder“ unter der Erklärung.

Fair enough. Kann ich nachvollziehen.

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