Ich bin natürlich schon längst durch, das Album läuft seit dem WoEnde in Endlosschleife. Die A-Seite führt mit etwa 60/40%, aber das wird sich noch angleichen…
Zuerst mal muss ich sagen, dass ich etwas anderes erwartet hatte. Nachdem die Bad Seeds wieder mit am Start sind, hätte ich geglaubt, dass sich das auch, nun ja, kompositorisch auswirken könnte, was Cave und Ellis da so basteln.
Nun: das ist nicht der Fall. Rein von den Songs her, finde ich, fügt sich die Neue wunderbar den letzten Werken hinzu. Meint: Streicher, Chöre, getragenes Tempo…
Was sich geändert hat, ohne dass ich das mit einzelnen Textstellen dezidiert belegen könnte, ist am ehesten die Stimmungslage. Irgendwie habe ich den Eindruck, Nick ist ganz bei sich, fast könnte man zufrieden sagen. Jedenfalls nicht unglücklich oder sowas. Aufgeräumt vielleicht?
(Wer sich näher mit seinem Leben und den Schicksalsschlägen der letzten Jahre auskennt oder beschäftigt hat, weiß, dass man das nicht als selbstverständlich wahrnehmen kann. Ebenso wie seine Veränderung, was den Zugang zum Publikum betrifft. Diese Hinwendung, diese Lust am produktiven Austausch, das ist immer noch etwas, worüber ich staune, da ich Nick Cave von Anfang an intensiv begleitet habe - um all das zu erfassen, was sich da getan hat, verweise ich immer wieder gern auf die Redhandfiles.)
Ich gehöre wahrscheinlich zu den wenigen, die den ganz frühen wie den späten Cave gleichermaßen lieben, von daher mache ich sowieso jede musikalische Entwicklung von ihm mit. Aber jedenfalls:
Auch die neue Scheibe beginnt wieder mit diesen engelsgleichen Klängen, die einen sofort an Gospel denken lassen und mich immer wieder in den momentanen Zustand versetzen, dass ich mir denke:
Okay, eine andere Musik brauchst und willst du nie mehr hören, bis ans Lebensende.
Das ist einfach so unfassbar schön und mitreißend, und man muss sich nicht wundern, dass Konzerte Caves mittlerweile fast Messen gleichen. Kollektives Glücksgefühl. Aber tiefsinnig.
Einzelne Songs hervorzuheben, würde ich gern lassen. WILD GOD ist ein Gesamtkunstwerk, wie alle jüngsten Platten von Nick Cave.
Gut, den letzten Song, eine Ode an seine von uns gegangene Ex Anita Lane, hat nochmal besonderes Schmacht-Potential, besonders natürlich, wenn, wie in meinem Fall, auch Anita Lane eine bewunderte Künstlerin war.
By the way, mit einem Augenzwinkern denke ich da schon immer, dass es viel über einen Menschen aussagen kann, mit wem er verbandelt ist/war. Beim Blick auf Nick Cave gestehe ich ohne Zögern, dass ich ein ganz kleines bisschen neidvoll auf seine (Ex-)Beziehungen schaue: Anita Lane, Polly Jean Harvey, Suzie Bick… Das ist schon, nun, ich weiß nicht, wie ich es sagen kann, das sind schon Wahnsinnsfrauen, bewundernswerte Charaktere, starke Persönlichkeiten.
Wenn man jedenfalls schaut, wie lange Nick Caves Karriere schon dauert, wie lange er schon auf höchstem Niveau musiziert, welch extreme Spanne er musikalisch abdeckt - ich kann nur jedem empfehlen, ihn zu entdecken, falls nicht längst geschehen.