Wahrscheinlich ist Achtung Baby die (noch) bessere Platte. Aber bei mir ist Joshua Tree auch die Nummer Eins, die Scheibe, die ich auf die Insel mitnehmen würde. Ich mochte U2 vorher schon, aber mit diesen Monstersongs allein auf der A-Seite hatten sie mich auf ewig. Ich hab auch wenig andere Texte so inbrünstig mitgesungen wie etwa I still haven’t found what I’m looking for… passte natürlich grade für uns 68er, 69er Jahrgänge perfekt ins adoleszente Feeling rein.
Eine schöne Anekdote, die ich hoffentlich nicht bereits erzählt hab:
Viele haben ja so ihre Probleme mit U2 oder grade mit Bono, lästern ab oder sind genervt, das Pathos, der Glaube, das Gutmenschentum.
Die Rolling Stone-Autorin Birgit Fuß hat für das Magazin die meisten Berichte/Interviews mit der Band geführt. In der Regel wurde Birgit auch von der Band offen angefordert, wenn mal wieder ein Q&A zwengs der neuen Platte fällig war. Man kannte sich eben und schätzte sich.
Nun erlebte Birgit vor ein paar Jahren eine sehr schwere Zeit, weil die Liebe ihres Lebens gestorben war (dazu gibt’s auch ein sehr lesenswertes Buch von ihr - aber das ist jetzt ein anderes Thema). Genau zu dieser hochdepressiven Phase war es mal wieder soweit: Neue Platte, Bono schickt ne Mail zum RS, bitte Birgit, niemand anderes. (Superstars dieser Kategorie besuchen nicht, sie werden besucht. Und können sich das auch leisten. Damals zumindest noch.)
Jedenfalls dachte Birgit Fuß durchaus daran, abzusagen, wobei das bedeutet hätte, dass der RS für die neue Platte kein Interview bekommt. Schon ne größere Sache bei der Zielgruppe der Leser. Schließlich raffte sie sich auf und flog doch.
Angekommen, fühlte sie sich jedoch völlig neben der Spur. Leer und schwach.
Und hier das Bemerkenswerte:
Bono kriegt das beim Treffen mit. Fragt nach. Bono, der Superstar. Birgit entschließt sich zur Ehrlichkeit und sagt ihm, ihre große Liebe sei vor kurzem gestorben.
Der Rest des Treffens war eine Therapiestunde, in der Bono offensichtlich alles versuchte, Birgit ein guter Zuhörer zu sein und ihr über diese Momente zu helfen.
Klar, man kannte sich, aber halt rein geschäftsmäßig, du Journalist, ich Popstar.
Birgit Fuß erzählt(e) das alles selbst, das ist kein Fake. Und sie sagt, es können die Leute lästern, wie sie wollen, Bono sei einfach, scheiß aufs Pathos, ein richtig guter Mensch, kein Superstar-Narziss, und sie werde ihn nach diesem Treffen immer verteidigen und sei ihm ewig dankbar, wie er damals reagiert hat.
Ich finde diese Geschichte (nicht nur, weil ich Birgit Fuß als Autorin/Kritikerin schätze) einfach sehr ergreifend, und wer jetzt denkt, so ein Verhalten sei doch trotz Superstar-Dasein völlig normal und das Mindeste sowieso, muss ich sagen: Eher nicht, leider. (Sage nicht ich, sondern wiederum Birgit, die in ihrer Zeit als Musikkritikern eine dreistellige Zahl an Stars getroffen hat.)