Ja, was den Prozess angeht, magst Du ja recht haben. Vielleicht braucht es dritte, unbeteiligte Parteien als Vermittler, um Verhandlungen zwischen zwei Feinden herbeizuführen.
Was mich nur irritiert, ist, wie nonchalant Du in Deinen letzten Posts sozusagen implizit als gegeben voraussetzt, dass Israel jetzt mit der Hamas verhandeln sollte, ja überhaupt kann.
Leg 72 mal beiseite. Das war ein anderes Ereignis in einer anderen Zeit unter anderem Umständen. Hältst Du es in diesem Konflikt zwischen Israel und der Hamas heute aus Sicht Israels für möglich und vernünftig, mit der Hamas zu verhandeln? Würdest Du das als israelischer Regierungschef tun? Und angenommen, es wäre möglich und es käme zu einem Verhandlungsergebnis, hättest Du Vertrauen, dass sich die Hamas daran halten würde? Hast Du Vertrauen in die Hamas?
Ich lebe ja auch in meinen Wunschwelten, aber manchmal versuche ich mich da herauszureißen und auf die Welt zu gucken, wie sie ist. Und wenn Du das machst, dann kannst Du doch im Leben nicht glauben, dass man mit der Hamas, so wie sie heute ist, in Bezug auf Israel über irgendwas verhandeln kann, oder? (Es sei vielleicht denn, Teil des Verhandlungsergebnisses wäre die explizite Auslöschung Israels und Vernichtung aller Juden.)
Vernichtungsfantasien gibt es auch in Netanjahus rechtsradikaler Regierung.
Ein Minister sprach von „menschlichen Tieren“, ein anderer will am liebsten eine Atombombe auf Gaza abwerfen.
Menschen mit ästhetischem Geschmack halten zu beiden Parteien einen gleich großen Abstand.
Verhandelt werden muss allerdings so oder so. Die Frage ist, ob ein paar zigtausend Tote früher oder später.
Da darf man gespannt sein, ob der FCB das auf allen internationalen Kanälen featured. Bezeichnend, dass bei dem iMiasanmia-Tweet die Kommentarfunktion gleich abgeschaltet wurde… nicht die Kunden verärgern!
Lebe seit fast 20 Jahren in London, aber noch nie so ein Verkehrschaos an nem Wochenende erlebt hier als heute…
Wenn man sich die Photos so ansieht merkt man dass das vom „Phänotyp“ her keineswegs nur Leute mit Muslimen Background sind sondern auch viele die man auf ersten Blick als Europäisch-stämmig (man muss bei sowas heuzutage ja so vorsichtig sein wies nur geht und weiß kaum mehr wie sich ausdrücken soll) scheinen.
Hier wurden letzten Monat auch israelische Flaggen gehisst speziell auf offiziellen Gebäuden.
Keine Ahnung obs sowas auch in D gab. Was es in D aber wohl kaum gab: Dass sich öffentlich beschwert wurde in Medien ob dieser fragwürdigen Parteiergreifung in einem Konflikt wo auf/von beiden Seiten es sowohl ne Menge Täter als auch Opfer gibt. Würde sich in D wohl kaum jemand trauen sowas öffentlich zu kritisieren…
Ich verstehe jeden, ob Muslim oder nicht, der für Frieden demonstriert und will, dass das Töten endet. Und weltweit sind das sehr, sehr viele Menschen, offenbar waren heute in London auch Juden unter den Demonstranten.
Was nur heißen kann, dass es offenbar Kritiker der israelischen Regierung gibt aus dem eigenen Lager.
Was ich mir nun wünschen würde:
Dass man auch aus dem Lager der Palästinenser(-Sympathisanten) Kritisches zur Hamas hört - der „Regierung“, die man sich vor Urzeiten selbst gewählt hat.
Und:
Dass man die Kritik richtig adressiert sowie ausgewogen äußert.
Wenn man also einen Waffenstillstand fordert, muss man das ebenso an die Hamas wie an Israel richten - es fliegen nach wie vor Raketen aus Gaza auf Israel.
Und wenn man einen Völkermord sieht, dann muss der Vorwurf in der Hauptsache an die Hamas gehen, die ihre Kommandobasen in Schulen oder unter Krankenhäuser bauen, was nun schon wiederholt gesagt wurde, aber anscheinend noch nicht zu all den Demonstranten durchgedrungen ist. Und das bedeutet: die Hamas hat den Terrorakt im vollen Bewusstsein der folgenden israelischen Reaktion begangen, was konsequenterweise das Leid des eigenen Volkes als strategische Waffe miteinschließt.
Mal ehrlich, wer da noch den Bösewicht eindeutig auf der Seite Israels verortet oder akzeptiert, dass auf den Demos flächendeckend das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird, hat sich meines Erachtens als glaubwürdiger Friedensstifter (oder -forderer) disqualifiziert.
Ich denke viel klarer als ich es gemacht habe, dass BEIDE Seiten als hochproblematisch sehe, geht kaum mehr.
Und das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen war SICHER nicht die Hauptmotivation der meisten dieser Hunderttausende auf den Straßen Londons heute…
Ich wohne hier im Council/Stadtteil Tower Hamlets (grob von Tower Bridge bis Canary Wharf) mit dem höchsten Anteil (fast 50%) an Muslimen in ganz UK und habe die Thematik Israel/Palestina schon mit ner Menge an Leuten mit muslimen Background besprochen - keiner davon (das wird nicht verwundern) ist Fan von Israel und vorallem davon was sie seit Jahrzehnten im Gazastreifen und im allgemeinen mit den Palestinensern auch im eigenen Gebiet/Land treiben.
Aber auch keiner davon unterstützt das was die Hamas treibt und Israel komplett von der Landkarte tilgen will denke ich auch keiner mit dem bisher gesprochen…
Ich bezog meinen Post gar nicht auf dich persönlich, sondern hab deinen Beitrag nur als Anlaß genommen, grundsätzliche Gedanken mitzuteilen. Und mit obigem Zitat hast du Recht.
Deine Schilderungen direkt aus London sind sehr informativ für mich, grade dein Eindruck der Gespräche mit Muslimen.
Ich hab hier ja früher schon klar gesagt, was ich von der israelischen Siedlungspolitik der letzten Jahre oder überhaupt der rechts-nationalen und religiösen Regierung Israels halte - gar nichts nämlich.
Was ich moniere, ist nicht eine Darstellung der Zusammenhänge oder eine Analyse der Historie dieses Konflikts, sondern nach wie vor der zeitliche und kausale Zusammenhang mit dem unfassbaren Terrorakt gegen jüdische Frauen, Kinder, Unschuldige.
Wie @Alex hier schon früher schrieb:
Kein Land der Welt würde sich nach einem solchen Terrorakt tatenlos zeigen, und ich vermute, von keinem Land würde man das erwarten. Dass sich jeder wünscht, die Reaktion würde ohne zivile Opfer vonstatten gehen, ist klar, aber ich frage mich einfach ganz praktisch, wie das eigentlich gehen soll, nachdem die Taktik der Hamas so ist, wie ich oben beschrieben hatte. Wozu ich aber deswegen nicht bereit bin: Israel als den Haupt- oder einzigen Schuldigen zu sehen, wenn es dazu kommt.
Man könnte das wohl als „whatsaboutism“ sehen und in den meisten anderen Aspekten sind wir eh nahe beieinander - aber wer war zB daran Schuld, dass im Irak es grob hundert Mal so viele zivile Opfer gab als an 9/11 in den USA. Immer noch exklusiv Bin Laden und Al Quaida?
Sind da nicht mal klar die USA (und verurteilt hat den Irakkrieg außer ihnen selber und Vasalle Blair/UK doch so gut wie jeder sonst) selber Hauptschuldiger?
Vom 20 jährigen Totaldebakel in Afghanistan gar nicht zu reden…
Und genau so was in die Richtung (hundert Mal mehr zivile Opfer als an 7/10 wären gerade mal so 5% der Bevölkerung im Gazastreifen, die Hälfte davon im Kindesalter) befürchtet denke ich nicht nur ich sondern eben auch die Hunderttausende in London heute und wohl zig wenn nicht hunderte von Millionen von Leuten egal welcher Religion sonstwo in der Welt.
Ne Reaktion muss sein, klar. Aber so weit im Rahmen und mit so wenig zivilen Opfern wie möglich. Das fürchte ich leider sehr schwer steht bei Israel aber genauso wenig wie damals bei den USA auch nur irgendwie im Fokus des Interesses…
Wer 2001 schon erlebt hat, für den wiederholen sich in der Tat gewisse Rituale.
Genau wie damals wird das Datum besonders herausgehoben: 9/11 damals und heute der „7. Oktober“. Das Datum wird isoliert auf ein Podest gestellt - und die jeweilige Vorgeschichte ausgeblendet.
Und die Opferzahl des militärischen Gegenschlags übersteigt wie selbstverständlich wieder die Zahl der am schicksalhaften Datum Getöteten um ein Vielfaches.
Die deutsche Politik-Elite beschwört damals die „uneingeschränkte Solidarität“, heute die „Staatsräson“ - übrigens ein obrigkeitsstaatlicher Begriff aus vordemokratischen Zeiten, der auf Machiavelli zurückgeht.
Am 16. März 1988 ließ Saddam Hussein die kurdische Stadt Halabja im Nordirak mit Giftgas bombardieren. Innerhalb weniger Stunden sterben 5.000 Menschen, Zehntausende werden verwundet.
Und das mit Kuweit Überfall lag ähnlich lange zurück und ja schon für den ersten Irakkrieg „gut“ den aber die Weltgemeinschaft deutlich angebrachter fand.
Aber klar - 300.000 irakische Opfer in der Zivilbevölkerung, kaum nennenswert wenn man alte Geschichten (an denen der Irakkrieg leider auch nix mehr ändern konnte und dass man statt Hussein als Diktator dann ISIS quasi geschaffen hat durch den Irakkrieg und weder im Land selber noch drumrum irgendwas besser wurde daran zweifelt auch so gut wie niemand) ausgraben kann und von „weapons of mass destruction“ fabulieren…
Hätte mich aber auch gewundert wenn du nicht die USA ebenso wie Israel (an kritische Worte irgendeiner Art gegenüber einem der beiden kann ich mich jedenfalls so absolut nicht erinnern und das wo kaum mal ne Stunde ohne Post hier vergeht, gerade auch zu solchen Themen) verbal verteidigst hättest als wären sie die größten Friedensstifter der Geschichte.
Sieht nur halt sonst so gut wie niemand so außerhalb der beiden Länder…