Danke für Deinen gelungenen Kommentar @artemis_owl. Zwei kurze Gedanken dazu:
…vor allem weil er, wenn er das so gesagt hat, sich und seine Arbeit statt abzuwiegeln lieber extra kritisch hinterfragen sollte. Falls (ein großes falls, siehe Frage im nächsten Paragraph), also falls tatsächlich ein nennenswerter Teil der Minderleistung des Teams in dieser Saison auf die personelle Komposition des Kaders zurückzuführen ist, indem er aus Persönlichkeiten zusammengesetzt ist, die auf der persönlichen Ebene nicht gut miteinander harmonieren und daher als Team nicht vernünftig funktionieren, ja wer ist denn dann zu einem ganz wesentlichen Teil für diese Kaderzusammenstellung verantwortlich? Ein guter Sportvorstand, ein Sportvorstand, der Vertrauen in sich und seine Arbeit inspirieren und sich intern ein Standing als zuverlässiger, aufrechter, integerer Mann bei seinen Untergebenen inklusive der Spieler erarbeiten möchte, würde selbst dann, wenn er für die kritischen Personalien im Kader nichts könnte, bezüglich der Verantwortung immer auch sich selbst mit ins Boot nehmen und vielleicht sogar die alleinige Verantwortung auf sich nehmen. Ich habe Salihamidžićs öffentliche Auftritte und Interviews in letzter Zeit nicht intensiv verfolgt, aber wenn er das üblicherweise nicht gemacht hat, hat er meines Erachtens einen wesentlichen Teil seines Jobs als der höchste sportlich Verantwortliche bei den Bayern verfehlt.
Was mich in diesem Kontext mal interessieren würde, vielleicht weiß das einer von Euch aus eigener Erfahrung oder durch Berichte aus erster Hand: Ist es tatsächlich so, dass Differenzen auf der persönlichen Ebene zwischen Teammitgliedern in einem Mannschaftssport dazu führen können, dass man auf der professionellen Ebene als Team nicht mehr vernünftig funktioniert, also spürbar weniger Leistung erbringt als auf Basis der Fähigkeiten der einzelnen Spieler eigentlich möglich?
Na ja, ganz so eindeutig, wie Dein Vergleich suggeriert, liegt der Sachverhalt bei den Bayern dann vielleicht doch nicht.
Erstens ist im Unterschied zu Deinen Schülern Nagelsmann ein erwachsener Mann und trägt daher schon allein qua Alter sehr viel mehr Verantwortlichkeit für die Dinge, die er sagt und tut als Deine Schüler; und zweitens ist Nagelsmann im Gegensatz zu Deinen Schülern auch institutionell qua Rollenprofil als Cheftrainer in einer ganz anderen, viel einflussreicheren Position, Vorschläge einzubringen, auf die gehört wird, als Schüler gegenüber einem Lehrer. Das Wort Nagelsmanns wird bei der Zusammenstellung des Kaders bei den Bayern immer - und mit Recht - ein ganz anderes Gewicht haben bzw. gehabt haben als das der Schüler bei der Gestaltung ihres Unterrichts.
Zweitens bin ich immer noch nicht davon überzeugt, dass man einen effektiven Offensiv-Fußball mit vielen Toren nicht auch ohne zentralen Neuner aufziehen kann. Es gibt spätestens seit Guardiola den praktischen Beweis, den proof of concept, dass man auch ohne Fokalstürmer in der ersten Linie erfolgreich spielen und dabei viele Tore erzielen kann. Ich halte es für hochgradig wahrscheinlich, dass Salihamidžić und Nagelsmann zusammen genau so ein Spiel bei den Bayern auch etablieren wollten und die Bayern daher bewusst keinen Neuner gekauft haben (sondern übrigens stattdessen einen off-centre forward in Mané, der ja auch nicht zufällig bei den Bayern gelandet ist).
Das heißt, die auf Basis einer gemeinsamen, geteilten Überzeugung von Salihamidžic und Nagelsmann in wechselseitiger Übereinstimmung getroffene und von Salihamidžić verantwortlich abgezeichnete Entscheidung, ohne Neuner in die neue Saison zu gehen, ist selbstverständlich nicht alleine Salihamidžić anzulasten.
Vor diesem Hintergrund kurios finde ich Deinen Gedanken, Salihamidžic hätte einen Neuner eigenmächtig kaufen und Nagelsmann zur Not quasi dazu zwingen sollen, diesen - und damit logischerweise auch ein auf einen zentralen Neuner aufbauendes Spielsystem - einzusetzen. Ich glaube, Du würdest in Wirklichkeit keinen Verein wollen, in dem der Sportvorstand einen Spieler kauft, den der Trainer nicht möchte, und ihn zwingt, diesen Spieler und ein damit verbundenes Spielsystem potentiell auch gegen den Willen des Trainers einzusetzen. Mal ganz unabhängig von dem Ergebnis (der dabei entstehende Fußball könnte ja theoretisch sogar spektakulär funktionieren) ist das eine Form der Gestaltung von Entscheidungsprozessen und Allokation von Verantwortlichkeiten, die ich mir jedenfalls in meinem Fußballverein nicht wünschen würde, wenn ich einen hätte. Du etwa?
Danke für Deinen Kommentar, habe ich gerne gelesen.