…Nun kommt der einfache Teil:
Du musst nur noch ein Land finden, wo es eine (laut wahl-kompass) derart merkwürdige Partei gibt und dich dort einbürgern lassen
.
Scherz beiseite:
Kürzlich hatte ich im Freundeskreis ein Gespräch, in dem wir uns fragten, wie individuelle Wahlentscheidungen zustande kommen.
Interessanterweise kam zumindest bei uns das Thema eigener Geldbeutel praktisch nicht vor.
Ich vermute nicht, dass das repräsentativ war. Generell ist natürlich verständlich, dass man zuallererst darauf schaut, welche Politik sich für einen selbst wie auswirkt. Ich gestehe jedoch, dass ich in meiner langen Wahl-Karriere, also knapp 40 Jahre, noch nie eine Wahl mit dem Fokus auf den eigenen Geldbeutel getroffen habe. Natürlich weiß ich genug über Politik, um es in etwa abschätzen zu können, was welche Parteilinie wirtschaftlich für meine Gesellschaftsschicht zu bedeuten hat, aber explizit nachgerechnet habe ich noch nie.
Gut möglich, dass man sich so eine Haltung gewissermaßen wortwörtlich leisten können muss - doch muss ich auch feststellen, dass ich auf die Begründung eigener Geldbeutel recht empfindlich reagieren kann; und zwar umso eher, je mehr jemand verdient. Ganz klar, wenn ich an der Armutsgrenze entlang schabe, habe ich allen Grund, das als wichtigsten Faktor zu sehen. Mit zunehmendem Verdienst und abnehmenden Sorgen scheint mir das jedoch arg reduziert, ein wenig egoistisch natürlich auch. Ich würde es schon auch als Aufgabe eines Bürgers in einer Demokratie sehen, den Blick über die eigenen Erlebnis-Horizonte hinaus zu weiten; ansonsten würde jede politische Meinung sich kaum von Lobby-Arbeit unterscheiden.
Was die obige Frage nach Steuern und dem Verhältnis von ARM und REICH betrifft, neige ich mittlerweile auch zu radikalen Denkweisen, muss ich sagen. Ich bin auch der Meinung, dass der Kapitalismus sich diesbezüglich in nicht nur eine Sackgasse manövriert hat. Jedenfalls scheint mir die nicht mal abgeschlossene Entwicklung nicht mehr mit einer funktionierenden Demokratie kompatibel zu sein. Die Schere ist zu groß, viel zu groß. Und die Konzentration von Macht und Geld auf eine prozentual im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung immer kleinere Gruppe nur noch pathologisch und destruktiv, was den unerlässlichen Zusammenhalt betrifft.
Ich bin immer wieder sehr erstaunt, dass es hinsichtlich der Modelle zur Besteuerung so wenig neue Entwicklung gibt. Ist nicht grade mein Fachgebiet, aber mir kommen da hin und wieder lustige Ideen. Zum Beispiel denke ich, dass es meinetwegen sogar Milliardäre geben darf, aber ab, sagen wir, 10 Millionen wäre bei mir jeder verpflichtet, einen Teil seines Vermögens direkt ans Gemeinwohl abzuführen. Nicht als Steuer an den Staat, sondern etwa:
- das jährliche Budget für ein Museum
- ein Jahr lang die Ausstattung von Tafeln
- Budgetierung von Tierkliniken, etc.etc.
sowas in der Art. Wenn man so will, Philantropismus in einer verordneten Variante.
Würde das nicht dafür sorgen, dass der Neidfaktor sinkt? Und gleichzeitig müsste man die Gier nicht künstlich begrenzen, und damit auch nicht die kreative Energie, die dadurch zweifellos entfacht werden kann. Nur würden die Gemeinwohl-Verpflichtungen mit jedem Cent, den man verdient, immer weiter steigen.
Nimmt man den Umweg über den Staat respektive Steuern, bleibt das immer ein wenig abstrakt. Und man ist davon abhängig, wie die jeweilige Regierung beabsichtigt, die Steuergelder zu verteilen. Dabei ist doch eigentlich seit Alfred Müller-Armack zumindest in der Theorie klar, was wir Menschen in der sozialen Marktwirtschaft anstellen, sobald wir die Existenz-Grundlagen gesichert haben:
Dann kümmern wir uns um das, was uns Menschen eigentlich ausmacht - persönliche Reifung, Kunst, Kultur.
Mir gefiele einfach der Gedanke, dass die Allgemeinheit davon profitiert, dass der Einzelne gerne dem Geld nachgeiert (denn machen wir uns diesbezüglich nichts vor: kein Wirtschaftssystem der Welt baut auf einem treffenderen Menschenbild als der Kapitalismus. Deswegen ist er ja auch nicht totzukriegen, egal welche Perversionen er hervorbringt).
Nun ja.
Sind nur Ideen, sicher unausgegoren und nicht ins Detail durchdacht. Aber wie gesagt, ich wundere mich schon, dass nicht längst flexiblere und kreativere Modelle existieren, wie man Geld verteilt, verdient und umschichtet, um den gesellschaftlichen Frieden zu erhalten und gleichzeitig als Menschheit zu wachsen. Das wäre mal ein Wachstum, das ich - im Gegensatz zur üblichen Verwendung des Begriffs - uneingeschränkt unterstützen könnte.