Vielleicht als letztes Wort von mir zu diesem Thema noch ein paar grundsätzliche Überlegungen zum Thema Migration im deutschen Kontext:
Das Menschenrecht auf Asyl ist für mich nicht verhandelbar. Wer in seinem Land politisch verfolgt wird, muss die Möglichkeit haben, aus diesem Land zu fliehen und in einem anderen Land Schutz zu finden. Die moralische Verpflichtung, Schutzsuchenden Asyl zu gewähren, gilt selbstverständlich auch für Deutschland. Jeder politische Vorschlag, der das Asylrecht in Deutschland faktisch oder tatsächlich abschaffen will, ist moralisch falsch und widerspricht meinen Grundüberzeugungen von einer gerechten Ordnung der Welt.
Was die Zuwanderung nach Deutschland generell betrifft, so bin ich für eine deutliche Ausweitung und Vereinfachung der gewollten Zuwanderung. Es sind grundsätzliche ökonomische und politische (und auch persönliche) Überlegungen, die mich zu diesem Schluss kommen lassen.
In den kommenden Jahren wird die Welle der geburtenstarken Jahrgänge (“Baby-Boomer”), die in Rente gehen, ihren Höhepunkt erreichen. Diesem Abfluss von Menschen aus dem deutschen Arbeitsmarkt und gleichzeitig Zufluss von Menschen in das deutsche Rentensystem am oberen Ende der Altersskala steht nicht in gleichem Maße ein Zufluss neuer Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt am unteren Ende der Altersskala gegenüber. Ökonomisch ist für mich klar, dass wir nur mit einer deutlichen Ausweitung der Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt die Finanzierung des Rentensystems auf einem Niveau halten können, bei dem die Rentner einen beitragsgerechten Auszahlungsbetrag erhalten, ohne dass die nachwachsenden Generationen von heute und morgen in einem ungerechtfertigt hohen Maße mit Zahlungsverpflichtungen für die Rentenleistungen der Alten belastet werden.
Auch die Generierung weiteren Wirtschaftswachstums wird durch eine Ausweitung bzw. wenigstens Stabilisierung des Arbeitskräftepotentials deutlich erleichtert. In einer Welt des Null- oder gar Negativwachstums werden sich die politischen Verteilungskämpfe, die schon heute, in Zeiten des Wachstums, heftig und kontrovers sind, noch einmal erheblich verschärfen. Die politische Stabilität in Deutschland wird darunter leiden; extreme Kräfte von rechts und links, die entweder “die Ausländer” oder “die Kapitalisten” als Feindbild und Ursache allen Übels (in völliger Unkenntnis elementarer ökonomischer Zusammenhänge) ausmachen, werden davon profitieren und, sollten sie an die Macht kommen, Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich schaden. Ich halte es daher auch aus Gründen der politischen Stabilität für wichtig, dass Deutschland in den nächsten Jahren eine signifikante Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt erfährt.
Aber auch aus persönlichen Gründen verbinde ich mit dem Thema Zuwanderung nach Deutschland grundsätzlich positive Emotionen. Ich hatte das Glück, in meinem Leben, geprägt durch viele Reisen, vor allem aber durch jahrelange und zum Teil intensive Interaktion mit Menschen aus aller Herren Länder im universitären Kontext, fast nur positive Erfahrungen mit Nicht-Deutschen gemacht zu haben. “Ausländer” ist für mich keine relevante Kategorie, die Nationalität eines Menschen kaum mehr als ein örtliches Herkunftsmerkmal und eine Zeichenkette in einem Ausweis. Ich kann mich daher auch aus persönlichen Gründen weder mit der Idee einer Abschottung Deutschlands gegen Menschen von außen noch mit der Idee einer Remigration der hier lebenden Ausländer anfreunden. Ich halte beides für absurd und dumm. Politische Entscheidungen, die das Gemeinwohl Deutschlands fördern sollen, an der Leitunterscheidung “Ausländer”/”Deutscher” festzumachen, von der dann alles Weitere abgeleitet wird, halte ich für einen grundfalschen Ansatz.
Gleichwohl gibt es faktische Grenzen der Aufnahmefähigkeit Deutschlands. Am offensichtlichsten werden diese Grenzen im Bereich der technischen und personellen Infrastruktur: In vielen Ballungszentren fehlt es schon heute an Wohnraum, vielerorts fehlen Kita-Plätze, in manchen Schulklassen liegt der Anteil der Kinder, die kaum oder nur schlecht Deutsch sprechen, bei über 90 Prozent. In jeder Talkshow zum Thema Migration sitzen Landräte und Bürgermeister verschiedenster Kommunen Deutschlands (parteiübergreifend, auch Grüne), die von einer massiven Überlastung ihrer lokalen Infrastruktur durch immer neue Gruppen ankommender Flüchtlinge sprechen. Auch die in diesem Forum zu Recht immer wieder beklagte Unterversorgung von Flüchtlingen mit Integrations-, Therapie- und Betreuungsangeboten sowie die generelle Unfähigkeit der Behörden, ihre Aufgaben im Bereich der Migration zeit- und sachgerecht zu erfüllen, sind nicht das Ergebnis mangelnden Willens, sondern von Überforderung.
Zudem gibt es gesellschaftliche Grenzen der Aufnahmefähigkeit. Ob es einem gefällt oder nicht, eine Mehrheit der Deutschen wünscht sich eine Begrenzung der Zuwanderung (womit vermutlich der afghanische Flüchtling im Flüchtlingsheim gemeint ist und nicht der promovierte Arzt aus Indien). Letztlich ist in einer Demokratie das Volk der Souverän und damit der Wille des Volkes der ultimative Maßstab dafür, was die Regierung als Vertreter des Volkes im Namen des Volkes für das Volk zu tun hat. Wenn das Volk konsistent weniger Fluchtmigration will, dann ist es die Pflicht derjenigen Mitglieder des Volkes, die stellvertretend für alle anderen die gemeinsame Sache der res publica organisieren, diesem Willen zu folgen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Anschläge wie die in Brokstedt, Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg, die im übrigen auch ein Ergebnis überforderter Infrastruktur sind, die meisten dieser Täter hätten schon gar nicht mehr in Deutschland sein sollen, tragen dazu bei, dass der Wunsch nach Begrenzung der Fluchtmigration in der Bevölkerung noch stärker wird.
Wie gesagt, ich bin für Zuwanderung nach Deutschland. Persönlich bin ich neugierig auf Menschen, als Gesellschaft kommen wir in politisch und wirtschaftlich schwierige Zeiten, wenn wir in den nächsten Jahren keine nennenswerte Zuwanderung nach Deutschland haben. Ich halte es aber für unredlich und auch politisch gefährlich, die offensichtlichen Probleme gerade im Kontext der Fluchtmigration nach Deutschland und ihrer Folgen zu ignorieren, kleinzureden oder von ihnen abzulenken.
Im Interesse unserer wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Stabilität sollten wir als Land unsere knappen infrastrukturellen und gesellschaftlichen Ressourcen (insbesondere den guten Willen der Bevölkerung) für eine Ausweitung der Migration einsetzen, die wir uns als Land selbst aussuchen, denn wir brauchen diese Migration dringend, und die Fluchtmigration mit ihren problematischen gesellschaftlichen Folgen (die Kalifat- und Pro-Hamas-Demos sowie muslimischen Antisemitismus habe ich noch gar nicht erwähnt) unter strikter Wahrung des Grundrechts auf Asyl so weit wie möglich reduzieren, während wir gleichzeitig die Flüchtlinge, die bereits hier sind, so gut wie möglich in die Gesellschaft integrieren, statt sie abzuschieben, es sei denn, es liegen gewichtige Gründe dafür vor, z. B. Straffälligkeit.
Der Fünf-Punkte-Plan von Herrn Merz war in der Sache ungeeignet, die Fluchtmigration nach Deutschland zu begrenzen, aber Merz hat mit seinem entschlossenen Auftreten einer gesellschaftlichen Grundstimmung Ausdruck verliehen, die inzwischen mehrheitlich migrationsskeptisch ist. Für die politische Zukunft Deutschlands kann ich nur hoffen, dass die nächste Bundesregierung, egal unter welchem Kanzler, mit Gerald Knaus im Schlepptau nach Brüssel fährt und sich mit dem verbliebenen politischen Gewicht, das Deutschland in Europa noch hat, für eine Reform des europäischen Asylrechts inklusive der Einleitung entsprechender Maßnahmen zur Begrenzung der Fluchtmigration nach Europa, unter strikter Wahrung des unveräußerlichen Rechts auf Asyl, einsetzt.
Denn wenn es zwischen heute und 2029 noch weitere vier oder fünf Aschaffenburgs oder Solingens gibt, dann sitzt irgendwann wirklich die AfD im Kanzleramt.
Und das kann doch keiner, der es gut mit Deutschland meint, ernsthaft wollen.