Ja, wobei es schon seeeehr viele Fälle gibt, in denen das Geschlecht nicht einfach ignoriert werden kann. Partnerschaftsgewalt bspw. oder häusliche Gewalt. Hier sind es vor allem die klassisch patriarchalen und damit auch geschlechtsbezogenen Ursachen.
Gleichzeitig muss man bei allen Statistiken des BKA immer vorsichtig sei. Sie sind das Beste, was wir haben, aber sie bilden nicht immer zwingend die Realität oder die Wahrheit ab. Bzw. muss man dann einfach auch in die Details schauen. Für Pauschalaussagen eignen sich diese Statistiken selten.
Mit dieser Interpretation wäre ich vorsichtig. Sicher werden bei manchen Tätern im Kontext von Gewalt in der Partnerschaft oder häuslicher Gewalt auch archaische Vorstellungen von der Frau als einem zu unterwerfenden oder zu beherrschenden Objekt, über das man verfügen kann und das sich zu fügen hat, eine Rolle spielen.
Da aber bei Gewalt gegen Kinder Frauen in einigen Deliktfeldern fast ebenso häufig Täter sind wie Männer und da Frauen zudem bei Formen psychischer Gewalt gegen andere deutlich stärker vertreten sind als bei körperlicher Gewalt, liegt für die Differenz in der relativen Häufigkeit von Männern und Frauen unter den Tätern bei Gewalttaten auch eine Erklärung nahe, die auf die unterschiedliche körperliche Stärke von Täter und Opfer abstellt.
Als 50-kg-Frau kann ich meinem 80-kg-Partner nicht so leicht (schwere) körperliche Gewalt antun, wenn ich ausraste, aber umgekehrt ist das schon sehr viel einfacher.
Sprich doch einfach mal mit Leuten aus Frauenhäusern, statt irgendwelche Zahlen hin und her zu schieben, Alex. Das würde dir eine andere Perspektive eröffnen und vielleicht würdest du dann auch aufhören, die Folgen patriarchaler Strukturen zu verharmlosen.
Teil des Problems sind Leute, die immer wieder nach anderen Ursachen suchen als nach der von männlichen Verhaltensweisen, die sich über Jahrhunderte etabliert haben.
Und an der Stelle kann ich nur nochmal wiederholen: Was das BKA in Statistiken aufnimmt, entspricht keiner Faktenlage. Insbesondere bei psychischer Gewalt solltest Du dich unbedingt nochmal schlau machen, wer wen wie oft anzeigt und welche Strukturen dahinterstehen.
Dazu passend aus der Frauenhaus-Statistik 2023 (passend auch zu der Özdemir Aussage die hier schon heiß diskutiert wurde.)
Die zehn häufigsten Herkunftsländer der Frauen mit Migrationserfahrung waren in 2023 Syrien, Afghanistan, Türkei, Ukraine, Irak, Marokko, Russland, Polen, Kosovo, Iran und Serbien. Aus diesen Ländern kam etwas mehr als die Hälfte der Frauen mit eigener Migrationsgeschichte (59 %, Tabelle 16).
/EDIT
Und ja! Männer und ihr Weltbild SIND auch heute noch ein Problem!!
Das BKA kann nur erfassen, was ihnen gemeldet wird. Der Elefant im Raum, über den bei Zueigenmachung der Deutungshoheit über Statistiken nicht gesprochen wird: Graubereich, Verdächtigung, Dunkelziffer.
Gerade bei Gewalt gegen Frauen wird so vieles gar nicht erst erfasst, dass ich die Zahlen als Diskussionsgrundlage nicht ernst nehmen kann.
Nehmen wir doch ein vergleichbar vermeintlich harmloses Beispiel: Den Rubiales-Übergriff haben alle weltweit gesehen. Und trotzdem griffen patriarchale Strukturen. Deckung des Täters, Machtausübung, Druck auf das Opfer. Am Ende wurde er verurteilt. Ein Erfolg. Aber auch eine Enttäuschung, denn der Schaden, den er davonträgt ist gering. Die Strafe zahlt er aus der Tasche.
Wie wäre dieser Fall wohl in Deutschland ausgegangen? Ich möchte das gar nicht zu Ende denken bei all den Fällen, die hierzulande gar nicht erst die Beachtung finden, die sie verdient haben. Bei all den Fällen, die hierzulande trotz sehr guter Beweislage nicht geahndet wurden. Ich war bereits häufiger mal im Austausch mit Menschen, die bspw. in Frauenhäusern arbeiten oder dort anderweitig Erfahrungen sammelten. Wie groß die Dunkelziffer ist, bei psychischer und physischer Gewalt, ist nur abschätzbar. Aber sie ist definitiv gewaltig.
Natürlich ist eine Vergewaltigung schwer nachzuweisen. Zum Schutz von Frauen wird aber auch nur wenig getan. Und was dann passiert, wenn sich Frauen an die Öffentlichkeit trauen, hat man im Fall Boateng eindrücklich gesehen (ja, hier geht es nicht um Vergewaltigung, Aber die Mechanismen sind gleich). Viele trauen sich gar nicht erst, Fälle zur Anzeige zu bringen. Und da kommen die Zahlen des BKA eindeutig an ihre Grenzen.
Ich empfehle zu dieser Thematik die Kurzserie (4 Folgen) „Douglas is cancelled“ in der Arte-Mediathek. Diese Rezension habe ich erst im Nachhinein, nämlich als ich jetzt den Hinweis geben wollte, gelesen; sie bringt die Dramaturgie auf den Punkt: zwei Folgen lang denkt man nichts (oder nicht allzu viel) Böses. In Folge 3 wird eine vermeintliche Nebenfigur zu etwas ganz anderem.
Sorry, Paywall übersehen.
Hier das Resümee:
„Douglas is Cancelled begeht, bei aller Überzeichnung und allem satirischen Biss, weder den Fehler, die öffentliche Demontage von Menschen als reines Comedymaterial zu verwursten, noch ist es so unsubtil, jede Kritik am Verhalten öffentlicher Figuren als woke Hexenjagd zu karikieren. Es ist, trotz einiger logischer Löcher in der Story, eine oft sehr komische, manchmal bewusst unangenehme, aber durchgehend komplexe Betrachtung von Verhaltensweisen, Schwächen und Fehlleistungen samt ihrer gravierenden Folgen.“
Du hast absolut Recht. Ich war zuerst irritiert, zumal es in meinem Post ja explizit darum ging, nicht mehr vor allem die Herkunft der Täter zu thematisieren. Dann lese ich tatsächlich, dass ich da ein „deutsche“ eingefügt hatte. Da hat mir wohl die tieferliegende Psyche einen Streich gespielt. @justin und ich argumentieren ja prinzipiell dafür, dass die inländischen Täter auffällig weniger thematisiert werden und somit ein unangemessenes Ungleichgewicht entsteht, das dem Thema nicht ausreichend gerecht wird. Mea culpa!
Dass meine genannte Statistik grade darauf abzielt, die Herkunft nicht zu benennen, woraus sich die schier unfassbare Aussage ergibt, dass pro Tag eine Frau durch die Hand eines Mannes stirbt, macht meinen Fehler umso offensichtlicher: denn ohne das Wort „deutsche“ stimmt sie ja, zumindest soweit Lillian Moschen das in der Kulturzeit so sagte. Und genau so wollte ich das auch darstellen.
Jessas, da wüsste ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich weiß ja nicht, wie das bei Dir so läuft, aber ich lese sehr, sehr viel (mehr Print) und schaue auch reichlich Doku-Stoff (gern im linearen Fernsehen) zum Thema. Was ich aber nicht mache, ist, in der Folge alle Statistiken, Zahlen, Daten in einem Ordner abzuheften, um ihn im Falle des Falles (wie einer Nachfrage von @Alex) zitieren zu können. Meine Lust, das Gelesene oder Gehörte nochmals zu recherchieren, um nicht als Typ dazustehen, der einfach nur irgendetwas behauptet, tendiert gegen Null. Mir reicht das Stimmungsbild während der Erst-Sichtung vollkommen, das will ich nicht noch zehnmal hervorkramen.
Aber soviel kann ich sagen:
Wenn ich von patriarchalen Zuständen spreche, können wir die komplette Palette besprechen:
Verdienst, Zeitmanagement, Care-Arbeit, Führungs-Quoten, medizinische Versorgung etc. etc. etc.
Aus meiner Sicht leben wir in einer Welt, die sich an Männern orientiert, und wir sind von Gleichberechtigung viele Meilen entfernt.
Dass die Strukturen, die sich in einer solchen Welt festigen, dafür sorgen, dass Frauen weniger gehört werden, unfair behandelt werden, bedroht, ausgenutzt und misshandelt werden, ist schon rein logisch die Folge. Ich tue mir daher schwer, Deine Frage konkret zu beantworten.
Aber weil es so ein bekanntes Musterbeispiel gibt, das viele meiner Punkte abdeckt und mich zu solchen Behauptungen wie oben bringt, nenne ich es: Harvey Weinstein.
Quelle: Das dazugehörige Buch von Megan Twohey und Jodi Kantor, She Said.
Ich habe noch weitere feministische Bücher im Regal, aber vielleicht genügt das erstmal. Das gleiche gilt übrigens auch für das Thema Mansplaining, da hätte ich auch noch was in petto.
Dieses Beispiel zeigt meines Erachtens die Problematik, wenn man nur auf schlichte Zahlen schaut. Es ist doch völlig logisch, dass die Mütter hier auffälliger sind, schließlich sind sie es ja, die den Job erledigen und den Kontakt haben. Ich kann aus Deinen Ausführungen nicht lesen, ob das entsprechend relativiert wird - es ist aber letztlich egal, weil ich kein Interesse habe, nur Statistiken hin- und herzuschieben und Zahlen-Analyse zu betreiben.
Ich kann nachvollziehen, dass Du daran Interesse hast, weil Du ein gründlicher Analytiker bist. Aber wie gesagt, meine Überzeugung bleibt auch trotz manch unterschiedlich interpretierbaren Statistiken die, dass in unserer Gesellschaft Misogynie ein ernsthaftes Problem ist, so ernsthaft, dass ich kaum glauben kann, dass man dafür Statistiken noch und nöcher braucht, die man dann aber wieder im Kreis drehen kann, bis schlussendlich eine Relativierung möglich wäre und wieder keiner glaubt, dass auch wir in Deutschland ein echtes Problem damit haben.
Das ist für mich ein solches Muster. So klingt es, als müssten wir uns auf die Schulter klopfen, weil unsere Gesellschaft derart emanzipiert und progressiv ist, dass Frauen ihnen angetane Gewalt auch melden können/dürfen/wollen.
Ja servus!
Ganz im Gegenteil: Wir müssten uns schämen, weil es früher sogar noch leichter und selbstverständlicher war, Gewalt auszuüben - tatsächliche Gewalt, die seit Jahrhunderten gegen Frauen ausgeübt wird. Die ist das Problem, nicht die Sichtbarkeit, die (immerhin) heutzutage ab und zu existiert.
Und zuletzt:
Dass wir uns in einem weltweiten Backlash befinden, der (unter anderem) Frauenrechte sukzessive ins vorige Jahrhundert zurückführt oder abbaut, haben wir in diesem Thread schon ausführlich thematisiert. Für mich ist es unzweifelhaft, dass unter solchen Entwicklungen auch die Gewalt gegen Frauen wieder zunimmt. Und ich bin sicher, dass es dafür sehr bald auch aussagekräftige Statistiken gibt. Falls die Trumpisten weltweit nicht dafür sorgen, dass die entsprechende Forschung unter den Tisch fällt. Soll ja vorkommen.
In der Tat, so ist es. Ich kann lebenspraktische Erfahrung beisteuern. Meine vor 19 Jahren verstorbene Frau und ich hatten zwei „geistig behinderte“ Kleinkinder angenommen (heute sind sie Anfang 30, topfit und gut drauf, zu beiden habe ich eine liebevolle Beziehung). Beide waren aber damals gesundheitlich schwer angeschlagen; der Junge mit dem Down-Syndrom war ein Herzchen. Das Mädchen hatte eine schwere Alkoholembryopathie und war von ihren Eltern, beide harte Alkoholiker, monatelang vernachlässigt worden; dass sie an einer Lungenentzündung litt und schon deshalb keine Nahrung zu sich nahm, war ihnen gar nicht aufgefallen. Als sie zu uns kam mit 10 Monaten, war sie in einem in jeder Hinsicht beklagenswerten Zustand. Besonders bedenklich war, dass sie keine Mahlzeit bei sich behielt. Man erklärte uns, dass das Fruchtwasser, in dem sie gelebt hatte, praktisch reiner Alkohol gewesen war; permanente Übelkeit als Folge war nicht erstaunlich. Vielleicht kann man sich vorstellen, was der daraus entstehende Druck mit einem Familienleben machte: der Arzt monierte - bei vollem Verständnis für die Problematik - das inakzeptable Untergewicht. Die Heilpädagogin regte an, die Nahrungsaufnahme spielerischer zu gestalten; aber nicht gelegentlich mal, sondern Tag für Tag, bei jeder Mahlzeit. Dass meine Frau gelegentlich am Rande eines Nervenzusammenbruchs war und dabei nicht immer nach besten pädagogischen Grundsätzen agierte, lässt sich leicht denken. Nachts, wenn ich mich um die gesundheitlichen Probleme des schwer herzkrank zur Welt gekommenen Jungen kümmerte, gab das Mädchen keine Ruhe und beeinträchtigte unseren Nachtschlaf empfindlich. Tagsüber war meine Frau zuständig, ich hatte einen Fulltime-Job und sagte manchmal, nur halb im Spaß, dass ich mich dabei erholen würde.
Der springende Punkt: wenn ich sah, dass meine Frau überfordert war, übernahm ich die Betreuung des Mädchens bei den Mahlzeiten. Anfangs lief es etwas besser, denn ich war zunächst entspannter. Aber das war nur ein kurzfristiger Effekt, bald war ich genauso am Ende mit meinem Latein. Inzwischen hatte meine Frau sich so weit regeneriert, dass sie wieder übernehmen konnte. Die sie selbst ja auch beschäftigende Frage des situativen pädagogischen Versagens hatte sie am Hals, nicht ich. Umso wichtiger war es, dass ich immer wieder, soweit mir möglich, auch die Auseinandersetzung mit den Verhaltensauffälligkeiten des Mädchens übernahm. Dieser Versuch der fairen Lastenverteilung dürfte aber, alles in allem, nicht unbedingt der Normalfall sein. Dass die Frauen da in den (Kriminal-)Statistiken relativ schlecht abschneiden, liegt auf der Hand.
Danke für diesen Beitrag, der mich sehr bewegt hat. Ich freue mich, dass es beiden Kindern heute gut geht und das ist ein Verdienst eurer tollen Arbeit.
Und ja, Carearbeit hat den Namen Arbeit verdient. Es ist unbezahlte Arbeit, die emotional unglaublich belastend ist. Ich bin froh, dass viele Frauen in der Öffentlichkeit heute darüber aufklären. Das ist ein Ballast, der von vielen Männern nicht als solcher wahrgenommen wird. Er resultiert aus alten Rollenbildern, die sich auch bis heute in vielen Haushalten vorfinden lassen. Und das gar nicht mal nur bei älteren Menschen, sondern durchaus auch bei jüngeren.
Gleichberechtigung bedeutet letztlich auch die Gleichverteilung dieses Ballasts.
Aussagefähig ist die Gegenüberstellung mit der Zahl an Opfern rechtsextremer Taten. Vermutlich sind die Dimensionen in Deutschland entsprechend. Solche Zahlen haben allerdings bekanntlich nur eine relativ geringe Bedeutung für das subjektive Bedrohungsgefühl der Menschen. Anderenfalls würden die von Flugangst Gepeinigten entspannt den Flieger besteigen und stattdessen vor jeder Autofahrt ein flaues Gefühl in der Magengegend verspüren.
@justin@cheffe und @jep
Kleine Anregung:
Erst einmal möchte ich vorschicken, dass ich euch in diesem Forum als sehr empathische Menschen kennengelernt habe.
Von daher wundere ich mich etwas, dass in keinem eurer Beiträge, wo ihr euch auf das Thema Gewalt gegen Kinder bezieht, ein Einwand derart käme, dass egal wie belastend die Situation sein mag bzw. wie einseitig und oft auch ungerecht verteilt die Last der Kinderbetreuung sein mag etc. es einfach unentschuldbar ist, wenn Eltern Gewalt (egal ob physisch oder psychisch) gegenüber ihren Kindern anwenden. Selbst wenn die Kinder noch so anstrengend sind, gibt es keine Rechtfertigung dafür auch nicht irgendwelche überholten Gesellschaftsbilder.
Noch einmal: ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand von euch Gewalt gegen Kinder relativieren würde, aber so ein kleiner Einschub hätte mMn euren ansonsten durchgehend gelungenen Posts gut getan. @jep: höchsten Respekt für eure Ausdauer. Ich kann das höchstens im kleinen Rahmen beurteilen, denn wir hatten ein Schreikind zuhause, das in den ersten Monaten pro Tag teilweise mehr als 8 Stunden schrie und weniger als die Hälfte von durchschnittlichen Babys schlief. Da stößt man an seine Grenzen und wenn man sich da nicht gegenseitig unterstützt, geht es wirklich an die Substanz. Ich hatte gottseidank in den ersten Wochen Elternzeit. Im Nachhinein witzigerweise musste ich meine Frau nur einmal zurückhalten, dass sie nicht handgreiflich wird, und das war, als eine Bekannte, die den Segen hatte ein Kind zu haben, das gefühlt 26 von 24 Stunden pro Tag schlief, meinte uns Tipps geben zu müssen und die Nase zu rümpfen, als sie hörte, dass wir wieder mal in der Nacht mit dem Auto ausrückten, was wir teilweise wirklich machten, weil das Kind dann wenigstens durch die Bewegung einschlief. Wäre Gewalt gegen besserwisserische andere Eltern oder Familienmitglieder in so einem Fall strafbar?
Im Anschluss an diesen kleinen Exkurs würde ich gerne wieder ernsthaft an das Thema anknüpfen und meinen Ärger darüber bekunden, dass in diesem Bereich unser Staat - analog zum Schutz von Frauen - einfach desolat aufgestellt ist bzw. evtl. sogar überdacht werden sollte, wie man das Grundgesetz anders auslegt, vor allem Artikel 6 Absatz 2 Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
In einem Land, in dem ich für jeden Kleinkram eine offizielle Bestätigung brauche und in dem ich für kleinste förmliche Fehler bestraft werden kann, wartet unser lieber Staat oft bis es zu spät ist, bevor man etwas gegenüber Eltern, die selber Lichtjahre davon entfernt sind, ein geordnetes Leben zu führen, unternimmt, wenn ihre Kinder vor die Hunde gehen.
Ich habe einen Freund beim Jugendamt und wenn der mir erzählt, welche Hürden es bzgl. eines Eingreifens gibt, dann kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Kurz zusammengefasst: wenn es nicht vorher schon eine Einlieferung ins Krankenhaus gab, wird man nur wenig ausrichten.
Aber auch hier hört man - analog zum Thema Gewalt gegen Frauen - von der Politik nur sehr wenig.
Lieber @willythegreat, danke für Dein Feedback! Du sprichst da eine Selbstverständlichkeit an, die zumindest aus meiner persönlichen Sicht in diesem Rahmen, in dem die Gesprächsteilnehmer einander ganz gut einschätzen können, nicht nach einem expliziten Statement verlangt. Ehrlich gesagt befürchte ich fast, mich auch noch nicht ausdrücklich von Gewalt gegen Frauen distanziert zu haben. Was nicht bedeutet, dass ich sie stillschweigend tolerieren würde.
Vor einigen Monaten hatten wir hier eine heftige Diskussion, in deren Verlauf Männer, soweit sie sexistisches Verhalten zeigen, mit unflätigen Attributen belegt wurden; keine Sorge: natürlich sehe ich da überhaupt keine Parallele zu Deiner Anmerkung. Ich will auf etwas anderes hinaus. Diese Debatte damals wurde von mir moderiert, und ich verwahrte mich gegen die darin verwendete Fäkalsprache. Daraufhin kam das Argument, wer diese Bezeichnung für sexistisches Verhalten ablehne, auf den treffe sie offenkundig ebenfalls zu.
An dieser Stelle war ich nicht bereit einzulenken, und verwies darauf, wie leicht solches Jakobinertum doch falle, da hier ja nicht womöglich die eigene Vorbildlichkeit einer kritischen Prüfung unterzogen werden könne. Damit wollte ich natürlich niemandem etwas unterstellen, sondern lediglich darauf hinweisen - und da ist der Anknüpfungspunkt zu unserem Thema -, dass es viel leichter ist, entschiedene Positionen zu postulieren, als nach ihnen zu handeln.
Ich finde aber auch, dass man in einer Diskussion sich nicht immer und ständig von etwas distanzieren muss.
Und noch schlimmer finde ich es wenn andere dann von einer stillschweigenden Tolerierung ausgehen
@willythegreat Auch wenn ich mich eher @jep s leiser Anmerkung anschließe, dass nicht alle Positionen, die ich nicht explizit erwähne, automatisch von mir gutgeheißen werden, will ich aus persönlicher Erfahrung auch mal für die Arbeit der Jugendämter sprechen.
Als ich mich von meiner Frau trennte und den gemeinsamen Haushalt mit unseren beiden Töchtern (damals 1 und 2 Jahre alt) verließ, kam es zu einem heftigen Rosenkrieg, in dem die Kinder immer wieder als Druckmittel benutzt wurden. Es war zunächst unmöglich, auch nur ein nicht eskalierendes Gespräch zu führen.
Ich habe damals (weil mir schlicht nix anderes einfiel) beim Jugendamt um Unterstützung gebeten. In der Folge bekamen wir niederschwellig Hilfe in Form von Round-Table-Gesprächen mit einer Sozialarbeiterin und einem Psychologen - zuerst 14tägig, dann bald monatlich. Wir konnten dort die Basics, den organisatorischen Rahmen unserer gemeinsamen Kindererziehung erarbeiten. Und das funktionierte auch (damals für mich quälend langsam, aus heutiger Sicht in erfolgreichen kleinen Schritten hervorragend). In den ersten Monaten kam eine Pädagogin zweimal wöchentlich in den Haushalt der Mutter, um unterstützende Beratung zu geben. Obwohl meine Ex-Frau das nur widerwillig zuließ: hinterher gab sie zu, „dass es nicht geschadet“ habe… ein Riesen Lob aus ihrem Munde!
Am Ende nach ca. einem Jahr waren wir so weit, eine gemeinsame Erziehungsberatung bei der Ev. Kirche zu beginnen (tolle Leute!), die uns über zwei Jahre durch jede nur erdenkliche Krise begleitete und dazu führte, dass unsere Töchter heute beide stolz auf ihre beiden Eltern sind und zu beiden eine innige und lebendige Beziehung führen. Wir feierten die relevanten Feste gemeinsam, teilten uns die Erziehung ca 2:3, waren beide aktiver Teil der Ausbildung. Später zog die ältere Tochter für sechs Jahre zu mir und wurde dabei von ihrer Mutter unterstützt (was ihr sauschwer fiel!).
Ohne die Hilfe des Jugendamtes wäre das alles vorm Gericht gelandet. Wir wären im heftigen Streit geschieden worden, statt drei Jahre später einvernehmlich. Und alles weitere mag ich mir im Detail nicht auszumalen.
Es wird sehr oft über das Jugendamt gesprochen als einer intervenierenden Institution. Die viele Beratungs- und Unterstützungsarbeit, die dort geleistet wird, fällt dann zu leicht unter den Tisch.
Ich schließe mich an, Gewalt sollte nie eine Lösung sein und auch nie eine Rechtfertigung. Aber so wie wir vor einigen Wochen darüber diskutierten, wo die Ursachen bei Migration liegen könnten, muss man das hier auch tun. Und eine Ursache sind eben patriarchale Strukturen und die Belastung, die Frauen bspw. durch Care Arbeit erfahren. Kommen dann noch andere Umstände wie im sozialen Bereich dazu oder Armut oder whatever dazu, gibt es einen gewissen Nährboden.
Ich möchte noch ein Thema, das ich gestern angesprochen habe, wieder aufbringen, weil ich dazu gerade diesen guten Artikel meiner Kollegin gelesen habe: