Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 3)

Danke für das Feedback @Faenger.

Ich stehe in fast allem hinter dir:

Ich möchte nur einwenden - der Pazifismus der LINKEN ist nicht einseitig. Nicht naiv. Und weiß Gott nicht simpel.

Letztlich stellt sich die Frage in der Geschichte immer wieder: wie gehen wir mit Despoten, Diktatoren, Kriegsverbrechern und Aggressoren um?

Das klarste Beispiel ist seit 1944: wie lange hätten Hitlers Schergen noch weiter gemordet, wenn die Alliierten nicht in Europa und Deutschland mit Gewalt jeden Quadratmeter erobert hätten?
Aber so einfach ist die Geschichte nicht:
Die USA haben damals ihre Augen erst nach Europa gerichtet, als der Gröfaz auch ihnen noch den Krieg erklärte - 1941
Vorher war denen das Schicksal der Juden und Russen weitgehend egal. Es gab jede Menge Berichte über die KZs und den Massenmord in der Sowjetunion - Jahre (!!!) vor der Normandie.
Und den Hauptanteil an der Zerschlagung des Faschismus hatte jahrelang die Rote Armee völlig allein zu bewältigen. Und damals war die Sowjetunion eher noch ein Entwicklungsland - mit einem ebenfalls massenmordenden Diktator an der Spitze.

Beispiele hierfür gibt’s viele, viel zu viele.
Die USA haben jahrelang Hussein gegen den Iran aufgebaut. Erst als er nicht mehr mitspielen wollte, gab‘s auf die Mütze.
Danach haben sie Bin Laden in Afghanistan aufgebaut. Wie das ausging, weiß jedes Kind.

Was ich mir vorstelle:
Eine Radikal gestärkte EU und OSZE, die eine eigene Verteidigungsstruktur anstelle der NATO aufbaut. Die NATO ist der verlängerte Schwanz des Pentagon - wenn Trump (oder wer auch immer da sitzt) wedelt, dann hüpfen auf der Hardthöhe die Tassen.
Eine reformierte UN, die nicht von 5 Staaten im Weltsicherheitsrat quasi-diktatorisch beherrscht wird.
Ein Deutschland, das mit drastischen Sanktionen (die keine Rücksicht auf die Rüstungsindustrie nehmen) und ALL seiner wirtschaftlichen und diplomatischen Macht die russische Invasion in der Ukraine sofort beendet.
Aber Gevatter Struck mit seiner Hindukusch-Peitsche: warum nicht in Ruanda während des Völkermordes? Warum nicht in der Westsahara - da findet seit Jahrzehnten ein Genozid abseits der Kameras statt? Warum ziehen wir in den Krieg, wenn Russland geopolitisch aggressiv ist - und wenn woanders abgeschlachtet wird, kräht im Reichstag (sic!) kein Hahn danach.

Ich möchte ganz leise anmerken, dass wir unsere Wiedervereinigung 1990 den 4+2 - Verträgen verdanken. Kernforderung der Sowjetunion unter Gorbatschow für die Freigabe der Blockstaaten (und der DDR) war: die befreiten Länder bleiben blockfrei! Neutral! Also Status Schweiz - gewissermaßen ein neutraler Sicherheitsgürtel zwischen NATO und SU.
Was für eine historische Chance. Was für eine Vision. Der Westen hat diese Zusagen sofort gebrochen. Immer weiter und weiter: 99 Polen - bis an die russische Grenze. 2002 Baltikum. Und dann Ukraine und Georgien.
Die russischen Regierungen (v.a. Der Alkoholiker Jelzin) haben bis 2008 keinerlei Einwände gegen die NATO-Osterweiterung erhoben - inkl. Putin, der nach einem Jahrzehnt Annäherung an die NATO nach 2007 plötzlich erklärte, dass auf die Aufnahme Georgiens oder der Ukraine mit „sofortiger Eskalation“ reagiert werden würde. Seitdem verkauft Putin‘s Russland die Osterweiterung der NATO als quasi-kriegerischen Akt des Westens, als Bedrohung seiner Grenzen und als Bruch der Zusagen von 1990.
Aber meine ganz leise Frage: wenn Blockfreiheit von der Oder übers Baltikum bis in die Ukraine die Vision war - wie sieht die Welt heute aus?

„Weder der Afghanistankrieg noch der Irakkrieg noch die weiteren zahlreichen Völkerrechtsbrüche durch NATO-Mitglieder haben Europa sicherer gemacht. Wir haben dann eine Chance auf eine friedlichere Zukunft in Europa, wenn wir aus Fehlern lernen und uns rückbesinnen auf die Prinzipien der Entspannungspolitik. Kein Kalter Krieg 2.0, sondern eine OSZE 2.0, das ist unsere Vision eines friedlichen Europas.“ schreiben die LINKEN in ihrem Wahlprogramm.
„Deutschland ist ein Land, von dem zwei furchtbare Weltkriege ausgingen und das für immer dem Antimilitarismus verpflichtet ist. Die Außenpolitik der vergangenen Jahrzehnte war weit davon entfernt, diesem Anspruch gerecht zu werden. Mit der „Zeitenwende“-Aufrüstung und dem Ziel der „Kriegstüchtigkeit“ werden Kriege erleichtert.“

Lasst mal darüber im Detail diskutieren, wie ein kriegsfreies Europa zu schaffen wäre. Putin muss raus aus der Ukraine, is klar. Das gibt genauso viel Applaus wie: jeder will Frieden. Aber im Detail: wie?

Bin gespannt auf eure Meinungen.

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