Eine sehr interessante Diskussion. Es gibt einen Aspekt, auf den ich kurz gerne näher eingehen würde: Darf man die Frage: „Ich finde es besser, wenn wieder mehr weiße Nationalspieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen“, im Rahmen einer Umfrage stellen, oder repliziert und verfestigt bereits allein das Stellen dieser Frage rassistische Gedankenmuster in der Bevölkerung, weshalb es prinzipiell zu unterlassen ist?
Ich möchte einen Gedanken von @wohlfarth aufgreifen, der meiner Meinung nach die richtige Frage gestellt hat: Wie viele derjenigen hier im Forum, die die Frage nach den weißen Nationalspielern aus den genannten Gründen für gefährlich halten, würden die Frage danach, ob sie es besser fänden, wenn wieder mehr bayerische Spieler in der Mannschaft des FC Bayern spielten, ebenfalls für gefährlich halten?
Ich behaupte einmal - und bitte widersprecht mir, wenn ich mich irre -, dass die meisten von uns diese Frage nicht nur für vollkommen unproblematisch halten, sondern sogar fröhlich mit „ja!“ beantworten würden.
Wer jetzt entgeget, dass ja wohl beide Fragen hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Tragweite nicht miteinander vergleichbar seien, bei dem einen gehe es doch bloß um eine harmlose emotionale Affiliation mit einem Fußballverein und bei dem anderen um echten Rassismus, dem möchte ich entgegnen, dass beide Fragen strukturell identisch sind und dieselben Denkmuster bedienen. Beide Fragen stellen eine implizit wertaufgeladene Differenz zwischen zwei Gruppen her, den „Insidern“ und den „Outsidern“, den „Besseren“ und den „Schlechteren“, und bedienen damit in identischer Weise das Prinzip dichotomer Einteilung von Menschen in Gruppen. Dass in dem zweiten Fall paradigmatisch das weiß/nicht-weiß durch das bayerisch/nicht-bayerisch und die Nationalmannschaft durch den FC Bayern ersetzt werden, ändert an der zugrundeliegenden strukturellen Identität der Frage und der damit verbundenen hierarchisierenden Zweiteilung der Welt nichts.
Daher meine Frage an all jene, die allein schon das Stellen der Frage nach mehr weißen Spielern für die Nationalmannschaft für gefährlich halten: Haltet Ihr die Frage nach mehr bayerischen Spielern für den FC Bayern oder mehr Dortmunder Jungs für den BVB auch für gefährlich? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum, und wenn schon das Stellen der Frage gefährlich ist, sollten dann nicht unter der Annahme, dass die positive Bestärkung eines Denkmusters grundsätzlich gefährlicher ist als das Stellen einer Frage, die dieses Denkmuster nur indirekt hervorruft, a fortiori die Vereine das Nähren einer Präferenz unter ihren Fans für Spieler aus der eigenen Region oder dem eigenen Nachwuchs zur Steigerung der Identifikation mit dem Verein unterlassen, weil die ständige Reifizierung dieser gruppenbezogenen Denkmuster dieselben gedanklichen Strukturen verfestigt, die auch rassistischem Denken zugrunde liegen, und zwar deutlich stärker noch als das Stellen einer Frage? Müsste nicht sogar, etwas polemisch zugespitzt, das Fantum an sich und der professionelle Zuschauersport als sein stärkster Promotor unterbunden werden, weil er durch seinen massiven Beitrag zum gruppenbezogenen, hierarchischen Denken von „wir (Guten)“ gegen „die anderen (Schlechten)“ in der Gesellschaft massiv zur Förderung rassistischer Denkstrukturen beiträgt?