Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 2)

das würd er sich wünschen aber er wird keine mehrheit bekommen

Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: es mag diverse nachvollziehbare Gründe für Menschen geben, die AfD zu wählen. Ob man diese Sichtweisen dann teilt oder nicht: geschenkt. Für sich genommen sind sie mehrheitlich legitim. An der Stelle könnte die Diskussion im Prinzip beendet sein, wenn es um einen normalen politischen Gegner ginge.

Bei der AfD handelt es sich aber nun einmal um eine der offenen Gesellschaft feindlich gegenüber stehende Partei mit entsprechend extremistischen Führungsleuten und Spin Doctors. Dass sie nicht verboten ist, widerlegt dieses Urteil nicht, denn aus guten Gründen sind die Hürden für ein Verbot sehr hoch. Noch nicht mit einem solchen belegt worden zu sein, adelt sie demzufolge im Umkehrschluss nicht im geringsten. Und dass sie Wahlerfolge erzielt, weil Menschen an ihrer politischen Grundausrichtung keinen Anstoß nehmen und sich andererseits von ihr die Durchsetzung bestimmter Ziele versprechen, ändert ebenfalls nichts an der grundsätzlichen Einschätzung. Alle faschistischen Parteien konnten, soweit sie erfolgreich waren, bei ihren Wählern von einer Mischung genereller Übereinstimmung und aktueller politischer Wünsche profitieren. Diese haben für solche Parteien rein instrumentellen Charakter: welche aktuellen gesellschaftlichen Konfliktfelder sie bespielen, folgt weit überwiegend dem Kriterium der Kampagnenwirksamkeit. Gauland hat es ja ganz unverblümt gesagt: die vielen Migranten nach 2015 waren ein Geschenk für die AfD. Der flexible Kurs zu Corona belegt diese utilitaristische Ausrichtung ebenfalls: anfangs, angesichts der vielen Toten in Italien, wurde die angebliche Untätigkeit der Bundesregierung angeprangert. Später erwies es sich als opportun, die Gefährlichkeit des Virus und die Sinnhaftigkeit sämtlicher Maßnahmen massiv in Frage zu stellen.

Aus diesen Gründen lenken die im Prinzip durchaus nicht uninteressanten Fragen nach den Motiven der Wähler den Blick in die falsche, weil nebensächliche Richtung. Dass diese selbst das anders sehen, liegt ja auf der Hand: die einen erwarten aufrichtig etwas für sich Positives von der Partei, die anderen wissen um den gravierenden Haken bei der Sache und wollen sich, mindestens vor sich selbst, rechtfertigen. Es gibt - die Großdemonstrationen im Winter haben es gezeigt - andererseits zum Glück auch ein politisch sehr heterogenes Spektrum entschiedener Gegner, die sich keineswegs nur aus dem linksliberalen Bürgertum rekrutieren. Wie auch die offene Gesellschaft natürlich kein Lieblingsprojekt dieser politischen Subkultur, sondern ein Grundanliegen großer Teile der Gesellschaft weit über politische Lagergrenzen hinaus ist.

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Bin gespannt ob du Recht behalten wirst.

ÖVP und SPÖ könnten mit 92 von 183 Sitzen weiterhin regieren. Sich stattdessen für eine Koalition unter Führung der FPÖ zu entscheiden, das kann sich die ÖVP, die nun die Option hat, wie bisher den Kanzler zu stellen, kaum leisten. Aber sie stellt bereits gemeinsam mit der FPÖ drei Landesregierungen. Mal sehen, welche Angebote diese macht.

Wie in anderen europäischen Ländern haben auch in Österreich die Rechtsextremen nicht den Rucksack des Holocausts zu schleppen. Im Fall Österreichs natürlich eine grandiose Verdrängungsleistung. Kein Wunder, dass auch die AfD sich davon befreit zu sehen wünscht und dafür alles Mögliche versucht. Wie es scheint, mit einigem Erfolg.

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Na ja. Die Wähler sind ihnen ja zur FPÖ davon gelaufen.
Man wird sehen. Es wäre natürlich alles besser als Juniorpartner mit der FPÖ.
Die Angst im Nacken, dass eine SPÖ Koalition ihnen weiter die Wähler zur FPÖ verscheucht sitzt natürlich tief.

Da hast Du natürlich recht. Einerseits. Juniorpartner in einer Koalition zu sein, ist allerdings auch kein sicheres Erfolgsrezept, frag nach bei der SPD. Vielleicht geht Kickl ja pfleglicher mit ihnen um als Merkel mit den Sozialdemokraten. Seine radikalen Pläne werden wohl auch einige Widerhaken für eine bürgerliche Partei bereit halten.

Der Kickl wird doch alles versprechen damit er Kanzler wird. Da sehe ich die Gefahr.
ich bin ja kein Hellseher. Natürlich würde ich mir wünschen, dass die ÖVP mit der SPÖ die Regierung bildet. Nicht, dass man da große Würfe erwarten könnte, wenn der Filz sich wieder trifft.

Aber einen Kickl kann sich nun wirklich niemand wünschen. Das könnte katastrophale Folgen haben für das Land. Das ist als ob ein Höcke kurz vor der Kanzlerschaft stehen würde. Ideologisch geben die sich nicht so viel.

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Der Unterschied zu Deutschland: die ÖVP sagt offen, dass die größten Gemeinsamkeiten mit der FPÖ bestehen. Das würden in Thüringen vielleicht ein paar CDU-Abgeordnete mit Blick auf die AfD so sagen, Mario Voigt aber schon mal nicht.

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dann müsste die övp aber auch die komplette führung tauschen. es wurde gestern mehrmals explizit erwähnt das es unter nehammer keine koalition mit parteichef herbert kickl geben wird. dass die fpö den mann austauscht der ihnen ihr bestes wahlergebniss in der geschichte der fpö geliefert hat ist undenkbar.

Daher stellt sich die Frage: bleibt Nehammer Vorsitzender?

Wichtiger Punkt - gilt für alle Parteien - als Seniorpartner bekommt man mehr Posten als der Juniorpartner.

wurde zu mindestens gestern mehrmals betont. was mein problem an der ganzen sache ist: wenn man jetzt die FPÖ mit ihrem ergebnis kategorisch ignoriert und sich auch kein koalitionspartner findet … dann holen sie sich das nächste mal die absolute

Warum denn das, um Himmels Willen. Die AfD argumentiert ja genau so. Ich dachte immer wir sprechen von „mündigen Wählenden“, nicht von bockigen Kleinkindern.

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sorry ich versteh nicht ganz was du meinst?

Deine Befürchtung ist nicht völlig von der Hand zu weisen, aber ich denke, @auracher56 meint, dass die Befürchtung nicht dazu führen darf, dass man die FPÖ regieren lässt, nur weil man vielleicht damit noch einen Teil der Wähler enttäuscht/verprellt, die sich ohnehin von sehr fragwürdigen emotionalen Verfassungen leiten lassen.

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Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Keine Partei hat das Recht auf Koalitionspartner. Und es ist auch keineswegs undemokratisch, wenn Parteien eine Koalition mit einer Partei ausschließen, deren Weltbild und Programm sie ablehnen. Und selbst wenn die AFD 49% der Wählerstimmen hätte, hätte sie kein „Recht“ dazu, eine Regierung anzuführen, sofern eine Koalition 51% erreicht.
Falls sich nun genügend Empörte finden sollten, die bei der nächsten Wahl auf „Rache“ sinnen und das vermeintliche Opfer belohnen würden, muss man das akzeptieren. Sollte dies aber lediglich auf Rachegelüsten basieren, nicht auf politischen Inhalten, so stelle ich diese „Mündigkeit“ dann schon infrage. Soweit meine unmaßgebliche Meinung.

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Das gilt natürlich in diesem Fall auch für die FPÖ. Sorry.

ich habe inhaltlich nicht genau verstanden was du meinst deswegen meine nachfrage - wird ja wohl erlaubt sein nachzufragen?

ich geh mit dir mit was den teil anbelangt „recht auf koalitionspartner“ etc.

ich kann aber auch die jenigen nachvollziehen die jetzt sagen augen zu und durch und lasst sie mal gegen die wand fahren als sie holen sich bei der nächsten wahl die absolute weil 30% wählerstimmen konsequent ignoriert wurde und dann ist man ihnen mit all ihrer wut und fragwürdigen fantasien komplett ausgeliefert.

Sorry Petershaw, war nicht so gemeint. Jede Nachfrage ist erlaubt. Mit dieser Sorge gehe ich mit. Den Grund solcher Wahlentscheidungen nachzuvollziehen fällt mir allerdings schwer. Ich werde nie verstehen, wie man eine Partei nur deshalb wählen kann, weil sie verspricht, EIN für mich wichtiges Thema anzugehen, aber alle anderen Parteiziele dabei ausblendet. Einfach alle Risiken ignorierend, vor denen gewarnt wird. Selbst wenn ich Demokratie für obsolet halte, weil die aktuellen Machthaber meine Interessen bedienen, wer sagt denn, dass dies auch fürderhin so sein wird.

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Bundespräsident Alexander von der Bellen hat das sehr schön formuliert, ohne eine Partei ausdrücklich zu erwähnen: es sei wie Hochsprung, man müsse 50 % zusammenbekommen, um die Latte zu überqueren. Und - österreichische Besonderheit.- den Bundespräsidenten mit ins Boot holen.

Und ich kann wiederum diese Überlegung verstehen, die mich aber auch ein bisschen an „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“ erinnert.

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Ein sehr guter Kommentar zum Desaster bei der Wahl des Thüringer Landtagspräsidenten. Schon im Frühjahr war ausdrücklich auf diese und andere Schwächen in der Landesverfassung hingewiesen worden. Man hätte die Einfallstore für die AfD noch rechtzeitig schließen können, hat aber darauf verzichtet, um ihr nicht in die Karten zu spielen. Jetzt ist es wegen der Sperrminorität der AfD zu spät für Änderungen der Landesverfassung. Aber man sollte nun im Bund und den anderen Bundesländern daraus lernen. Ein Dank geht an Höcke, der zur Klarstellung maßgeblich beigetragen hat, indem er als Wolf im Wolfspelz auftrat und jeden Anschein von Harmlosigkeit vermied.

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