Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 2)

Durchaus interessantes Interview, danke für den Link.

Man neigt - ok, ICH neige - dazu bei solchen Diskussionen ab und an von Hölzchen auf Stöckchen zu kommen. Diese gesamte Einwanderungsproblematik hat ja so viele verschiedene Ursachen, das man gar nicht hinterher kommt. Es ist jahrzehntelang versäumt worden, sich einzugestehen, dass wir ein Einwanderungsland sind. Nein, die Ausländer sollten kurz hier malochen und dann - husch husch - wieder weg. Der Begriff „Gastarbeiter“ sagt das ja sehr deutlich. Und dann blieben die einfach. Sie konnten die Sprache nicht so gut, arbeiten meist im Niedrig Lohn Sektor, klar, dass die gemeinsam in Viertel zogen, wo es günstige Wohnungen gab. Bei Italienern und Spaniern war das nicht schlimm, mit den Türken, naja, das mochte man meist nicht so gern.

So blieben die unter sich und heute wundert man sich, dass die in großen Gruppen ganze Viertel eingenommen haben - DIT is mein Berlin, wa!

Und heute kommen die halt wieder - nur andere. Heute sind es Ukrainer, Syrer und andere, die meist nicht nur wegen der wirtschaftlichen Lage kommen - aber auch - sondern vorm Krieg flüchten.

Und wir sind darauf überhaupt nicht vorbereitet. Weder politisch, gesellschaftlich noch strukturell. Die eine Hälfte feiert sich für Humanität und ignoriert die Probleme, die andere Hälfte wetzt die Messer und interessiert sich bei Straftaten nur für die Täter, nicht für die Opfer - Wer war es? - Ein blonder Deutscher. - Mist!

Und dann haben wir leider viel zu viele Politiker, die es, ja die es einfach nicht können.
Wir hatten Kanzler, die auch nicht nur gestrahlt haben. Willy (Der Herr badet gern Lau), Kohl (Birne) oder Schröder (Genosse der Bosse). Aber in entscheidenden Momenten haben die den wehenden Mantel der Gechichte :wink: ergriffen. Brand bei der Ostpolitik, Kohl bei der Wende, Schröder mit der Agenda 2010.

Und heute: heute sind wir führungslos. Und der eine, der es könnte, der wird sturmreif geschossen von Springer und diesen ganzen gescheiterten Existenzen, die ich schon einmal genannt habe. Bei X habe ich gelesen: „Sie haben Angst vor Habeck. Weil er Recht hat.“

by the way: habeck hat schon 2019 VW vor ihrer Strategie gewarnt.
Robert Habeck kritisiert Elektro-Strategie von Volkswagen - DER SPIEGEL

Wie er schon 2021 Waffen in die Ukraine liefern wollte.
Habeck (Grüne) zu Waffenlieferungen an Ukraine - „Die Ukraine fühlt sich sicherheitspolitisch alleingelassen“ (deutschlandfunk.de)

Und - wie gesagt von Hölzchen auf Stöckchen - jetzt bin ich von den Gastarbeitern zu Habeck und VW gekommen.

Es passiert zu viel auf einmal…

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Interessant dann die Reaktionen im Lichte der heutigen Stellungnahmen:
"Der Konflikt sei nicht mit Waffen zu lösen, sagte etwa die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack Zimmermann. Auch der ehemalige Generalstabsoffizier und CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter und die Linke Außenpolitikerin Sevim Dağdelen kritisierten Habecks Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine. "
Da hat sich bis heute einiges gedreht.

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Noch heute eine Ironie des Schicksals, dass die Kanzlerschaft von Habeck 2021 möglicherweise durch die Grünen selbst verhindert wurde, indem sie zuließen, dass Baerbock ihr Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur bekam. Das hat die Partei mMn einige Prozent gekostet.
Ich bin sicherlich nicht immer inhaltlich auf einer Wellenlänge mit Habeck, aber als einer der wenigen in der aktuellen Politiklandschaft verkörpert er mMn etwas Staatsmännisches und hätte das Talent, über Grenzen hinweg zu vereinen, eben auch weil er - was mMn auf Führungsebene eines gesellschaftlich so unterschiedlichen Landes wie Deutschland unabdingbar ist - bereit ist Kompromisse einzugehen und nicht so sehr Ideologe ist wie manch andere Person im Politikbusiness. (Scholz ist zwar auch kein Ideologe, aber mMn aber auch politisch eher talentfrei, zumindest in Sachen Führungsqualitäten).
Habeck hat es mMn schon begriffen, dass man als Partei, die knapp 15% bei der Wahl holte, zwar ein wichtiger Teil der Regierung ist, aber eben nicht so regieren sollte, wie man 51% der Stimmen geholte hätte. Bei manch anderen Mandatsträgern in unserer aktuellen Regierung (quer durch alle drei Parteien, am stärksten bei der FDP) habe ich manchmal nicht das Gefühl, dass sie den Artikel 56 („Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“) ganz oben auf ihrer Agenda stehen haben, sondern eher nach dem Prinzip handeln: „wer weiß, wie lange wir an der Regierung sind, das muss jetzt durchgezogen werden“.

Wie war es eigentlich in den Jahren von 1998 bis 2005, als die Grünen ja schon einmal in Regierungsgewalt waren bezüglich Gegenwind in der Bevölkerung und den Medien (damals ja noch eher Fernsehen, Radio und Printmedien und weniger online?) Ich muss gestehen, dass ich mich damals noch nicht so für Politik interessiert habe und bitte deswegen um Nachhilfe. Was mir noch im Gedächtnis geblieben ist, ist der Farbbeutelwurf auf Joschka Fischer durch einen Grünen-Anhänger im Zuge des Kosovo-Konflikts.

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Es gab von Anfang an ordentlich Gegenwind. Wenn ich mich recht entsinne, wegen handwerklicher Fehler und/oder übertriebener Eile bei der Einführung der 430-Euro-Jobs. Dann grätschte der Parteivorsitzende und Finanzminister Lafontaine mit seinem Komplettausstieg heftig in die Anfangseuphorie. 9/11 brachte dann maximalen Stress: Vertrauensfrage wegen des Afghanistan-Einsatzes und die Weigerung von Schröder und Fischer, sich am Irakkrieg zu beteiligen, was Oppositionsführerin Merkel ganz übel fand. Und klar: natürlich auch der Einsatz im Kosovo. Auch damals war viel los.

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Man kann’s eigentlich auch aus heutiger Sicht mehr kaum glauben aber Du hast total Recht!

Schon erstaunlich wo sie sonst eigentlich immer als die Vernunft der Nation unterwegs war…

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Wenn man sich allerdings erstmal das hier durchliest wie der Stand im Sep 2002 war (noch bevor UN Inspekteure Monate später erst im Irak waren) dann stellt sich das Ganze doch wieder deutlich anders da. Es ging da noch komplett um das Vorgehen in der UN, keineswegs schon wirklich um eine dt. Beteiligung im Irak Krieg.

Und Merkels Rede im Bundestag…

…ergibt doch wieder mehr Sinn zu DIESEM Zeitpunkt als das blanke Veto des ja später als großer Putin (Irak und Russland ja historisch große Verbündete) Versteher entlarvten Schröders …

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Ich hab jetzt nicht die Zeit und die Nerven, mir die von Dir verlinkten Dokumente zu Gemüte zu führen. Aber ich kann mich gut entsinnen, dass sich später die angeblichen Beweise für Vorbereitungen des Irak auf eine Atombewaffnung als falsch herausstellten. Zweifel gab es von Anfang an, Fischer gab ihnen gegenüber Pentagon-Chef Rumsfeld Ausdruck: „I’m not convinced.“

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Schröder hat sich mit seinem Nein zur Beteiligng am Irakkrieg seinen Platz in der Ruhmeshalle der deutschen Geschichte gesichert.
Egal was er danach noch veranstaltet hat.

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Der zeitliche Ablauf ist hier schon alles entscheidend - Merkels Rede im Sep 2022, die UN Inspektionen im Rest des Jahres und Fischers „I’m not convinced“ im Feb 2003.

Während man im Sommer 2002 mit der Schröder Position international isoliert war blieb am Ende außer UK kein Support für den Irakkrieg der US übrig…

Es stellt sich also schon nur im Nachhinein alles so besonders rosig für Schröder und negativ für Merkel da…

Genau, der größte Putin Freund in ganz Deutschland.

Drauf gesch…ssen…

PS: wie gerade schon angeführt: Außer UK+US hat die ganze Welt am Ende Nein gesagt. Das zu einem Zeitpunkt schon getan zu haben wo man mit der Position noch total isoliert war weil der eigentliche UN Prozess gerade erst gestartet und man eigentlich noch gar keine klare Meinung haben konnte (die lächerlichen „Beweise“ kamen erst viel später) ist alles aber sicher kein Ruhmesblatt…

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Der Anfang vom Ende für Tony Blairs politische Karriere.

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Ja, der größte Depp in der ganzen Irak Geschichte. Und das noch eher schmeichelnd ausgedrückt…

Bush selber war ja großer Gewinner - ohne 9/11 wäre der im Leben niemals wiedergewählt worden und der Irakkrieg hat ihm persönlich sicherlich auch nicht geschadet. Und viel mehr als ne Marionette der US Kriegstreiber Industrie war er wohl eh auch nicht. Traurig, aber wohl wahr…

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Mich hätte es einfach total überrascht wenn Merkel da wirklich so total neben der Spur gewesen wäre.

Aber wie so oft - kaum schaut man sich die Thematik und den Zeitablauf wirklich genau an ergibt sich prompt wieder viel eher das genau gegenteilige Bild zu Merkels Rede und Schröders Wahlkampf Move…

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Das kann man so oder so sehen. Mit einer frühzeitigen, sich später als richtig herausstellenden Einschätzung zunächst isoliert gewesen zu sein, ist nicht unbedingt ein Makel. Und immer nur hinterherzulaufen auch nicht zwangsläufig ein Indiz für politische Klugheit. Heute sind wir geneigt, alles, was die Republikaner vor Tea Party und Trump aufgefahren haben, in einem vergleichsweise milden Licht zu sehen. Damals wirkte Rumsfeld wie ein durchgeknallter Scharfmacher und Bush von quasireligiösen Obsessionen („Kampf gegen die Achse des Bösen“) beherrscht. Der Afghanistan-Einsatz, für den Schröder immerhin sehr viel in die Waagschale warf, ist uns übrigens ja auch ordentlich auf die Füße gefallen.

Ich gebe Merkel insgesamt betrachtet klar den Vorzug vor Schröder. Damals hat er aber einiges richtig gemacht und hat, indem er für seine Überzeugungen einstand auch gegen viel Widerstand (Agenda 2010), das zu Beginn seiner Kanzlerschaft entstandene Bild vom Brioni-Kanzler deutlich revidiert. Natürlich rechtfertigt das nicht seine Kumpanei mit Putin.

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Zwischen „Ruhmeshalle“ von eben und „Makel“ ist es ein sehr sehr weiter Feld.

Ich denke das war null große Voraussicht sondern ein schön populistischer Wahlkampf Move sich zu diesem Zeitpunkt so extrem international isoliert zu positionieren. Ohne Wahlkampf (und 2/3 Zustimmung in Umfragen) wäre das zu 99% nicht so gekommen zu dem Zeitpunkt von Schröder.

Er ist da glücklich „reingetappt“ sehr früh in die historisch richtige Position. Und bei Putin ist er falsch gelegen wie wohl niemand sonst in Resteuropa…

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„Ruhmeshalle“ war ja nicht von mir. Insofern kein Widerspruch.

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Wenn das von Dir gewesen wäre wäre ich wohl wirklich aus allen Wolken gefallen :joy:

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Richtig, diese schwer notwendigen Reformen waren so sogar wohl nur für einen SPDler umsetzbar - die CDU wäre dafür wohl zerrissen worden von der Wählerschaft so drastisch war da vieles. Aber wenn die SPD das macht gab’s wohl wirklich kein Drumrum.

Von daher ja, das ist sein eigentliches Vermächtnis von dem Deutschland und auch später Merkel gut profitieren konnte.

Seine eigene Partei dagegen hat er ziemlich traumatisiert hinterlassen - selbst 10 Jahre später war die Agenda 2010 für viele SPDler noch der Inbegriff des Bösen…

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Ich lese gerade: „Nur die Kürze des individuellen Lebens macht aus, dass gewisse Leute als Sieger in die Geschichte eingegangen sind: sie haben die Umwandlung ihres Sieges in eine Niederlage nicht mehr erlebt.“

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Egal aus welchen Gründen. Das Nein zum Krieg war richtig und alternativlos😉

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