Das stimmt in dieser Schlichtheit nicht. Ich kann das deswegen sagen, weil ich etwa in der Corona-Krise sehr viele Maßnahmen - was die Art betrifft, nicht die Maßnahmen an sich - sehr kritisch gesehen hab. Ich habe auch die Künstleraktion unterstützt. Dass man für eine dezidierte Meinung auch mal Gegenwind bekommt, gehört dazu. Offensichtlich war die Angst der Leute vor dem Virus - immerhin eine so noch nicht dagewesene Situation - so stark, dass Sicherheit Vorrang bekam. Zu Lasten von Künstlern, Kinos, Konzerten, Jugendlichen usw.
Was der Gesellschaft Kultur wert ist, hat sich in dieser Ausnahmesituation jedenfalls deutlich gezeigt. Damit muss ich allerdings leben, das hat mit einem „Kartell“ nichts zu tun.
Genauso die Frage mit den Waffenlieferungen. Niemand wird „exkommuniziert“. Es gibt zuhauf Stimmen, und die werden gehört, die die Lieferungen kritisch sehen, und genauso hört man die, die schneller und mehr liefern wollen. Übrigens sogar über interne Parteigrenzen hinweg. Eine lebendigere Debatte hab ich in meinem politischen Leben selten mitbekommen. Dass man sich schließlich nach langem Zögern entschlossen hat, sukzessive mehr zu tun, um die Ukraine zu unterstützen, und das auch über Parteigrenzen hinweg, hat schlicht damit zu tun, dass es selten eine so eindeutige Variante eines Angriffskrieges gegeben hat. Und trotzdem gibt es noch immer sehr laute und auffällige Stimmen, die sich aus welchen Gründen auch immer gegen Waffenlieferungen aussprechen. Und das ist auch in Ordnung so. Aber zu behaupten, es gäbe eine wie auch immer geartete „Eintracht“ unter allen Parteien außer der AFD, ist schlicht eine Verschwörungstheorie, die nicht zur Realität passt - ein einfaches Beispiel: wir haben sogar zwei Parteien in einer Regierungskoalition, die in völliger NICHT-Eintracht in zwei verschiedene Richtungen ziehen: Die Grünen und die FDP.
Wie anders sollte es denn gehen? Die Leute wollen eine Alternative zu den Grünen. Das wird die Union ganz sicher nicht mit der Linie a la Wüst. „Dann wählen die Leute das Original“ kommt übrigens auch nur von Leuten, die die Union sowieso nie wählen würden.
Es ist auch gar keine Anbiederung, sondern die Rückkehr zum Markenkern. Die heißen CHRIST-Demokraten for fucks sake!
Aber mal angenommen es stimmt, dass die Menschen „das Original“ wählen. Warum funktioniert das nicht genauso, wenn die Union grüne Politik betreibt? Dann wählen die Leute ja gleich die Grünen.
Der klassische Fall der falschen Alternative, eines gängigen rhetorischen Tricks. Du unterstellst, die Union müsse sich zwischen den Positionen der Grünen und der AfD entscheiden. Aber das ist ja Unsinn. Beide liegen so weit auseinander, da wird irgendwo dazwischen vielleicht auch noch Platz für die CDU sein, eigene Positionen zu finden. Alles andere wäre ja ein Armutszeugnis. Du willst doch wohl nicht ernsthaft behaupten, ihr sog. Markenkern werde von der AfD besetzt. Dies ist übrigens eine bekannte Rede aus deren Lager: sie verfolge lediglich die früher von der CDU betriebene, heute sträflich vernachlässigte Politik. Really? Politiker vom Kaliber Wolfgang Schäuble wären entsetzt über solche Zuschreibungen, Norbert Blüm würde sich im Grabe umdrehen. Nur zwei Beispiele für viele andere. So sehr kannst Du die Union gar nicht hassen, dass Du ihr eine derartige enge Verwandtschaft mit voller Überzeugung andichten möchtest.
Vernünftige Darstellung, auch wenn alles längst bekannt ist bzw. sein sollte. Chile hätte man auch noch anführen können (1974, ein Jahr nach dem Sturz der Allende-Regierung und der Machtübernahme der von Pinochet angeführten Militärjunta, dank kräftiger Mithilfe der CIA, habe ich an einer dagegen gerichteten bundesweiten Demo mit zehntausenden Teilnehmern in Frankfurt teilgenommen). Und es hätte, wenn die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nach dem Abzug des amerikanischen Militärs zur Sprache kommt, auch ein Wort darüber verloren werden dürfen, dass sie bereits vor NineEleven dort eine Schreckensherrschaft ausübten, die zwischenzeitlich zumindest eingedämmt werden konnte. Aber dies nur am Rande.
Und nun? Was sagt uns das über Putin, seinen Überfall auf die Ukraine und über dessen Legitimation? Nichts Konkretes, würde ich sagen. Denn diese Dinge kann man ja nicht gegeneinander aufrechnen. Wollte man es aber doch, so müsste man der auch nur ansatzweisen Vollständigkeit halber mindestens auch Tschetschenien, Georgien und Syrien erwähnen. Vielleicht auch den Hitler-Stalin-Pakt. Aber wie gesagt: heute müssen wir schauen, wie wir uns zum aktuellen Krieg direkt in unserer Nachbarschaft stellen, auch (wenngleich nicht in erster Linie) um unserer eigenen Sicherheit willen. Da kann man ja schlecht sagen: ach, irgendwie schon okay, wenn man Vietnam (zum Beispiel) bedenkt. Und was den von Dir kritisierten Superlativ betrifft: das müsstest Du mit @cheffe klären.
Übrigens strange, wie Du den zu unserer DNA gehörenden Begriff des Rekordmeisters hier verwendest - um nicht zu sagen: missbrauchst. Ob die USA auch immer so viel Dusel haben wie wir zuletzt wieder am 27. Mai?
Ich denke auch, dass hier der Kern des Problems liegt: Wir als Gesellschaft verlernen gerade die Kultur von Pluralität und demokratischem Mit- und Nebeneinander. Es gibt zu den meisten Themen EDIT: je nach Zugehörigkeit zu einem Milieu oder einer Blase, danke @jep - nur noch „eine richtige Meinung“. Wer diese nicht teilt, ist - je nach Zugehörigkeit zu einer Blase - entweder links-woke, oder ein Nazi.
Beispiel Migration: „Wir schaffen das“ ist „voll super“! „Fördern und fordern“ ist in der gleichen Frage für Viele schon rechts. Etikett dran, canceln, Diskussion beendet.
Es wäre mMn Aufgabe der CDU / CSU, die eher konservativ eingestellten Menschen, die nicht verfassungs- oder demokratiefeindlich eingestellt sind, abzuholen. Das leistet sie aber seit Merkel und ihrem Rutsch in die politische Mitte nicht mehr.
Natürlich sind das paradiesische Zustände für die AfD, die absolut nichts tun muss, um zu reüssieren. Mir wird bei dem Gedanken an eine künftig mögliche Regierungspartei, die im Kern unser politisches System ablehnt, sehr mulmig. Gab es ja schon einmal…
Insgesamt aber ist eine Politik, die für das ganze Land im Wesentlichen ein Programm für „Berlin Mitte“ durchziehen will, für Viele nicht akzeptabel. Das macht aus diesen Skeptikern noch lange keine verfassungsfeindlichen Nazis. Man muss aber diese Diskussion aushalten können und wollen.
Daher mein Appell, wieder mehr Diversität und Pluralität zuzulassen und nicht nur aus der eigenen Blase heraus zu denken und zu argumentieren. Gegenüber den Extremen, wie Nazis und Querdenkern, kann man sich ja dennoch abgrenzen - ist kein Widerspruch.
Dein ganzer Post ist in Ton und Inhalt absolut akzeptabel. Ausnahme: Obige Aussage habe ich zwar schon tausendmal gehört, sie stimmt aber einfach nicht. Schon rein logisch: wenn es zwei solche Blasen gibt, die nicht miteinander kommunizieren, gibt es schon mal zwei richtige Meinungen.
Deinen eigentlich angenehm unparteiischen Ansatz verlässt Du übrigens - vielleicht versehentlich -, wenn Du zum Thema Migration nur Meinungen von Befürwortern paraphrasierst. EDIT: Wie der gegensätzliche Ansatz aussieht, habe ich in der Auseinandersetzung mit meiner Freundin erlebt, die binnen kurzem von einer Gegnerin zur Befürworterin der AfD wurde (ich berichtete kürzlich). Es ging um die Migration. Weil unsere Diskussionen sich im Kreis drehten, kaufte ich, um neue Aspekte zu gewinnen, das gerade erschienene Buch „Klartext zur Integration. Gegen falsche Toleranz und Panikmache“ von Ahmad Mansour und las es sofort. Mit großem Gewinn. Als ich es ihr gab, las ich ihr Passagen vor, die genau solche Punkte benannten, die sie ebenfalls kritisiert hatte. Zu einer Diskussion darüber kam es nie, denn sie erkundigte sich bei Gewährsleuten und sagte mir, es sei von der Lektüre abzuraten, da seine Positionen (er ist dezidierter Gegner des politischen Islams) zu weich seien.
Wie auch immer: es finden, anders als von Dir behauptet, zu allen strittigen Themen unendlich viele Debatten statt. Die können punktuell auch mal nerven, sind aber nötig und sinnvoll. Dass es nur eine Meinung gebe, hat mit maximaler Energie als erster Sarrazin behauptet. In den Buchhandlungen lag sein Buch stapelweise im Eingangsbereich, er füllte mit Vorträgen und Podiumsdiskussionen große Hallen. Und beschwerte sich ausdauernd: „Es gibt nur eine richtige Meinung. Man lässt mich nicht zu Wort kommen.“ Da mussten einem doch die Tränen kommen.
Nö. Denn eine der zwei Meinungen darf öffentlich ohne Bedenken geäußert werden. Für die andere wird man gecancelt, wird im besseren Fall nur beim Arbeitgeber angeschwärzt, im schlimmeren Fall von den Behörden verfolgt.
Da nützt auch das Beispiel Sarrazin nix, denn der ist gesellschaftlich auch verbrannt. Dass ein Millionär sich aber diverse Dinge rausnehmen kann, sollte klar sein. Spielt für die Gesammtgesellschaft aber keine Rolle.
Besonders perfide ist dann, dass diejenigen, die sich wirklich alles erlauben dürfen, auch noch behaupten, man würde versuchen das Sagbare zu verschieben. Dabei ist es andersrum.
In den 90ern war „Ausländer raus!“ so ungefähr die stumpfeste Parole, die man nur bei Glatzen und der NPD und co. verortet hat. Heute wäre das Pendant „Kriminelle Ausländer abschieben!“ wo man jemandem früher den Vogel gezeigt hätte, hätte er auch nur angedeutet, dass diese Aussage nicht okay sei.
Oder anders. „Refugees Welcome“ war mal ein Spruch, den man nur in AZs wie der Roten Flora hören durfte und auf Stickern lesen konnte. Ein Motto der linksradikalen Szene. Heute stellen sich die gewählten Politiker hin und erklären es zur Staatsräson. Und dann wollt ihr mir erzählen, es hätte keinen Linksruck gegeben?
Die Woken sind so selbstgerecht in ihrem ganzen Sein, es wird nicht einmal mehr erwägt, falsch zu liegen.
Ja, die Opferpose ist zur lieben Gewohnheit derjenigen geworden, die zwar sehr lautstark auf sich aufmerksam machen, aber gesamtgesellschaftlich immer noch eine Minderheit darstellen. Dass sie das ändern wollen, ist legitim. Über die Methoden kann man streiten. Wer sagt: „Wir werden sie jagen“, kann sich das Gejammer sparen. Das passt nicht zusammen.
Darin unterscheidest Du Dich glücklicherweise vorteilhaft von den Woken. Wie oft hast Du doch hier öffentlich erwogen, ob Du mit Deiner durchaus exponierten Meinung wirklich richtig liegst!
Weiß nicht, was die Opferpose mit den Repressalien und der Ächtung zu tun hat?
Ist nunmal Tatsache, dass es schwierig geworden ist, eine vom Mainstream abweichende Meinung zu vertreten.
Die ganzen Parteiausschlussverfahren dokumentieren das ziemlich gut.
Gauland, oder?
Im Kontext „diese Bundesregierung“.
Auch so ein Ding. Es wird immer so dargestellt, als hätte er zur Menschenjagd aufgerufen.
Völliger Blödsinn. Es war eine rein politische Kampfansage, nachdem die AfD drittstärkste Partei geworden ist.
Hab ich das getan? Für die politische Kontroverse im Bundestag waren das jedenfalls neue, deutlich aggressivere Töne als alles bis dahin auch nicht immer Zartbesaitete. Zusammen mit dem Dauergejaule eine ungenießbare Mixtur. Aber was will man anderes von einer Partei mit faschistoiden Zügen erwarten.
Gauland „Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen!“
Frank Castle-Fan: „halb so schlimm, der meint ja nicht Frau Merkel !“
Andere Zitate besorgter Bürger mit berechtigten Anliegen, die von woken Leuten übel gecancelt werden:
„Wenn jemand kommt, und den ganz großen Knüppel rausholt und das damit schafft, innerhalb von zwei Tagen zu beenden, bin ich sofort dabei.“ Beatrix von Storch, AfD
„Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen.“ Petr Bystron, AfD
Sarrazin ist übrigens erst mit Dummheit und Hetze Multimillionär geworden. Der Einbrecher, Drogendealer und Gewaltverbrecher Lutz Bachmann hat es mit „Kriminelle Ausländer raus!“ zu einem Häuschen auf Teneriffa geschafft, Ballweg und der kleine Nicki finanzieren ihr Leben über Spenden…
Hass und Hetze sind ein gutes Geschäft.
‚AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland hat nach dem guten Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl eine Kampfansage an die künftige Bundesregierung gemacht. „Wir werden Frau Merkel jagen“, sagte Gauland in Berlin. Die Partei wolle sich „unser Land und unser Volk zurückholen“.‘ Spiegel online
Insgesamt doch ein neuer, in meinen Ohren unangenehmer, weil unglaublich anmaßender Zungenschlag. Gehöre ich zum Land und dem Volk der AfD? Und wurde ich als deren Teil ihr geraubt?