Stichwort innerstädtisches Wohnen und Preisobergrenzen. Hier ist das, was ein marktwirtschaftlich denkender Beobachter dazu sagen könnte:
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Wohnen in der Innenstadt ist kein Grundrecht.
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Wohngelegenheiten (= Wohnungen und Wohnhäuser) sind ein normales Gut: Es herrscht Rivalität im Konsum und Ausschließbarkeit vom Konsum.
Aus 1 und 2 folgt, dass es keinen unbedingten Grund gibt, dass der Staat als Preisregulator oder als Anbieter in den (innerstädtischen) Wohnungsmarkt eingreifen muss.
Wenn es keinen unbedingten Grund gibt, dass der Staat in einen Markt eingreift, gibt es einen unbedingten Grund, dass er, sollte er dennoch eingreifen wollen:
a) seinen Eingriff gut begründet; und
b) nur gut begründete Eingriffe vornimmt.
Nicht genügend günstiger Wohnraum in der Innenstadt ist ein politisches Problem mehr denn rechtliches oder ökonomisches. Aus politischer Sicht gibt es nicht genügend günstigen Wohnraum in der Innenstadt. Gleichwohl ist die Ursache für die hohen Preise ökonomisch zu erklären: Eine sehr hohe Nachfrage trifft auf ein sehr begrenztes Angebot. Der logische Effekt: hohe Preise.
Eine Abhilfe durch ein Eingreifen des Staates wäre theoretischen möglich durch:
Erstens: Eine Preisobergrenze für Mieten und/oder den Kaufpreis für Wohnungen und Häuser.
→ Probleme/Einwände unter anderem:
Eine solche Preisobergrenze schafft keine neuen Wohnungen, erhöht aber gleichzeitig die Nachfrage weiter, weil nun auch Personen als Nachfrager auftreten, die zu dem vorherigen, höheren Preis nicht hätten mieten/kaufen können => ein gleichbleibendes Angebot trifft auf eine noch höhere Nachfrage, das Knappheitsproblem besteht weiter und verschärft sich sogar noch. Dabei wird die Verteilung nach Preis ersetzt durch eine Verteilung nach anderen, nicht marktwirtschaftlichen Kriterien wie zum Beispiel der Geschwindigkeit bei der Bewerbung, der Willkür des Vermieters, guten Beziehungen zum Vermieter, Losglück und ähnlichen weiteren.
Ist das ein Fortschritt?
Mögliche Konsequenzen dargestellt an einem analogen Extrembeispiel: Die ersten Coronaimpfungen: Preis hart gedeckelt (Null), immense Nachfrage, sehr knappes Angebot, Zuteilung per Warteschlange.
=> Gewinner waren die, die es sich leisten konnten, den ganzen Tag am Rechner zu sitzen und im Browser auf “reload” zu klicken, um in den richtigen Millisekunden einen Termin zu buchen, bevor das neue Angebot auch schon wieder weg war, oder die, die Vitamin B hatten und jemanden kannten, der jemanden kannte, der ihnen einen Impftermin am regulären Prozess vorbei organisieren konnte.
Der Verzicht auf den Preis als Koordinierungsinstrument von Angebot und Nachfrage ist bei lebenswichtigen Impfungen angemessen, aber auch ein Fortschritt für den Wohnungsmarkt? Ist die Vergabe von Wohngelegenheiten über Vitamin B, Vermieterwillkür, Losglück oder Warteschlangen wirklich die bessere Alternative?
Außerdem: Eine Preisobergrenze ist ein Anreiz für die Anbieter, die Instandhaltung ihrer angebotenen Wohnungen zu reduzieren, um trotz verringerter Einnahmemöglichkeiten noch einen Gewinn machen zu können.
=> Verfall des Wohnungsbestandes, keine Modernisierungsinvestitionen etc.
Außerdem im Neubau: Wegen geringerer Profitchance reduziert sich der Anreiz für Anbieter, zusätzliche neue Wohngelegenheiten zu bauen bzw. wenn doch, dann von geringerer Qualität, um trotz verringerter Einnahmemöglichkeiten noch einen Gewinn machen zu können.
=> weniger und/oder qualitativ schlechtere neue Wohnungen.
Zwischenfazit: Eine Preisobergrenze im Bestand ersetzt die Zuteilung nach Preis durch andere Kriterien, ohne dass es dabei einen erkennbaren Gerechtigkeitsgewinn gibt. Außerdem verringert sie den Anreiz für private Bauherren zum Neubau und setzt einen negativen Anreiz, Investitionen in den Bestand zu reduzieren.
Zweitens:
Lösungsidee: Der Staat tritt nicht lediglich als Preisregulator auf, sondern gleich selbst als Anbieter!
Rationale: Der Staat muss nicht auf Profit achten, er kann erschwingliche Wohnungen bauen und die Instandhaltung/Modernisierung oberhalb der erzielten Miete leisten.
→ Probleme/Einwände: die oben genannten plus unter anderem:
Wenn der Staat Wohngelegenheiten baut und vermietet, deren (günstige) Mieten die Bau- und Instandhaltungskosten nicht wieder einspielen (was sie an einem freien Markt tun müssen), zahlt letztlich der Steuerzahler die Differenz zwischen den staatlich vergünstigten Mieten und den höheren, kostendeckenden Mieten, denn die Kosten für Bau und Instandhaltung eines Gebäudes verringern sich ja nicht oder verschwinden gar, nur weil der Staat statt eines Privaten der Bauherr ist, und fallen dementsprechend immer an und müssen immer geleistet werden. Zudem kommt es zu einem Wohlfahrtstransfer vom Steuerzahler zum vergünstigten Mieter. Was bedeutet das?
Wenn (hypothetisch) @cheffe in der Münchner Innenstadt für 1.500 € pro Monat in einer staatlich gebauten und vermieteten Wohnung wohnt, deren kostendeckender Bau und Instandhaltung allerdings nicht für unter 2.500 € Miete pro Monat zu machen ist, und cheffe auch bereit gewesen wäre, diese 2.500 € pro Monat zu zahlen, dann zahlt letztlich der Steuerzahler die 1.000 € Differenz zwischen dem kostendeckenden Mietpreis von 2.500 € und dem staatlich ermöglichten Mietpreis von 1.500 € sowie gleichzeitig die Differenz zwischen cheffes Zahlungsbereitschaft und seinem tatsächlichen Mietzins, was bedeutet, dass er (der Steuerzahler) effektiv 1.000 € pro Monat aus seiner Tasche in cheffes Tasche transferiert, die dieser dann nicht für seine Wohnung auszugeben braucht (was er ja bereit gewesen wäre zu tun), sondern zum Beispiel für seinen nächsten Urlaub ausgeben kann.
Ist so eine Umverteilung vom Steuerzahler zum Vorteil von Leuten, die auch einen höheren Mietpreis bezahlt hätten, von den Proponenten einer Mietpreisobergrenze oder von staatlich bereitgestelltem Wohnraum unterhalb des Marktwertes gesellschaftlich wirklich erwünscht?
Ist die Finanzierung der Differenz von Mieteinnahmen und Bau- und Instandhaltungskosten, die durch die nicht kostendeckenden Mieten in staatlich gebauten Wohngelegenheiten anfallen, durch den Steuerzahler wirklich erwünscht?
Weitere Gedanken und Einwände:
A) Jeder Mensch kann nur einmal wohnen. Jeder Reiche, der in eine (teure) Mittelstadtlage zieht, macht woanders eine (günstigere) Wohnung frei. In der Gegend, aus der diese Person weggezogen ist, verringert sich ceteris paribus das Mietniveau. Wenn alle in die Innenstädte ziehen, werden Wohnungen woanders günstiger.
B) Wohnungsleerstand ist aus Sicht des Eigentümers mit einem Verzicht auf Einnahmen verbunden, ebenso ist es erschlossenes, aber unbebautes Bauland. Beides ist betriebswirtschaftlich also nur bedingt sinnvoll. Der Verwendung von Bauland als Spekulations- oder Wertaufbewahrungsobjekt sowie bewusst freigehaltenen Wohnungen kann aus pragmatischen Gründen meinetwegen trotzdem gesetzlich gerne Einhalt geboten werden.
C) Kann die Lösung des Wohnungsmangels in Innenstädten wirklich in staatlichen Eingriffen wie den oben diskutierten in den innerstädtischen Wohnungsmarkt liegen?
c1) Was ist mit der Ausweisung von zusätzlichem Bauland in Innenstadtgebieten?
c2) Was ist mit Ermöglichung von mehr Nachverdichtung im Innenstadtbereich?
c3) Was ist mit Deregulierung und Entschlackung von Baunormen, die das Bauen (und damit die Mieten/Kaufpreise) im Innenstadtbereich unheimlich in die Höhe treiben, aber nur einen marginalen Zugewinn an Qualität der betroffenen Wohngelegenheiten bewirken?
c4) Was ist - der große, nachhaltige Wurf - mit einer Fokussierung der Landes- und Regionalplanung in Deutschland auf die Ermöglichung lebenswerten und alltaglich effizienten Lebens außerhalb großer Städte, zum Beispiel mittels konsequenter Erschließung von Vorstädten und Städten im Speckgürtel großer Metropolen durch ÖPNV, der Ermöglichung von lebensfähigen Gewerbe- und Industrieansiedlungen außerhalb großer Städte usw.? Wenn es nur gelänge, den Lebensraum außerhalb der so übermäßig attraktiven Innenstädte einiger großer deutschen Städte marginal in ihrer Attraktivität zu erhöhen, würde dies wahrscheinlich schon einen spürbaren Beitrag zur Verringerung des Wohnungsdrucks in besagten Innenstädten leisten.
Fazit: Ein staatlicher Eingriff in den Wohnungsmarkt, etwa indem der Staat Preisgrenzen setzt oder gleich selbst als Bauherr und Vermieter auftritt, wirkt vielleicht wie eine magic bullet, die auf einen Streich alle möglichen Probleme im Kontext von innerstädtischem Wohnen auf einmal löst, aber in Wirklichkeit handelt es sich meines Erachtens eher um eine Symptombekämpfung, die bestehende fundamentale Probleme nicht nur nicht auflöst, sondern diesen sogar noch weitere hinzufügt, das Ganze von außen bunt anmalt und gut aussehen lässt, während das System von innen weiter munter vor sich hinrottet. Eine echte Lösung des Problems würde meines Erachtens bei einer Deregulierung des Baurechts, der Ausweisung von mehr Bauland im Innenstadtbereich plus Verdichtung und vor allem einer Neuausrichtung der Landes- und Regionalplanung Deutschlands hin zu mehr lebenswerten Raum außerhalb von Großstädten bedeuten.
Den Rest regelt der Markt. Effizienter. Und nicht weniger gerecht.