Als der Politik-Thread hier eingerichtet wurde, hatten wir ja bereits viele Debatten hinter uns, und die teils ausufernden Meinungsverschiedenheiten (etwa zum Fall Mazraoui) bewogen uns dazu, einen eigenen Thread zu schaffen, um die reinen Fußball-Themen nicht damit vollzustopfen. Ich glaube, dass das sinnvoll war, zweifelt kaum einer an.
Mittlerweile allerdings habe ich das Gefühl, dass hier nicht mehr der Meinungsaustausch im Vordergrund steht. Und schon gar keine sachliche Debatte. Vielmehr erinnert mich vieles an Talkshows von Illner bis Maischberger, da steht auch schon vorher fest, dass es keinerlei echten Austausch gibt, sondern marktschreierische Selbstdarstellungen und die üblichen Schuldzuweisungen an den politischen Gegner.
Ich will mich jetzt gar nicht groß dazu äußern, wer das zu verantworten hat oder wie es dazu kam. Offensichtlich kennen wir uns und die dazugehörigen politischen Haltungen mittlerweile auch zu gut, so dass wir dazu übergegangen sind, zwengs Stärkung der eigenen Autorität, zunehmend vermeintliche Experten oder Koryphäen aus irgendwelchen Medien zu zitieren - was aber nur dazu führt, dass die jeweiligen Medien abermals gegeneinander in Stellung gebracht werden. Und so weiter.
Deswegen würde ich ganz gerne mal einen anderen Ansatz probieren. Ich selbst habe mich ja bereits hinreichend einer gewissen Nähe zu einer bestimmten Partei bekannt, und genauso deutlich wurde „Leuten wie mir“ hier schon unterstellt, keinerlei Toleranz für andere Meinungen aufzubringen, entgegen dem, was linke „Gutmenschen“ wie ich (?) gerne propagieren.
Ich werde also versuchen, einmal deutlich sowohl eine(n) Politiker(in) eines anderen Lagers explizit zu loben - und zwar ehrlich gemeint, nicht ironisch, und nicht vergiftet.
Ebenso werde ich mir ein Thema suchen, wo ich, auch wenn es mich hart ankommt, Verständnis für eine Haltung äußere, die für gewöhnlich ein politischer Gegner teilt.
Die Idee ist, dass sich hier einige anschließen und dasselbe tun wie ich. Die mögliche Erkenntnis wäre, dass doch innerhalb des demokratischen Spektrums genug Stellen vorhanden sind, an denen Brücken gebaut werden können - anstatt die radikalen Kräfte dabei zu unterstützen, die Gesellschaft zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen.
Es geht mir nicht darum, hier eine weichgespülte Veranstaltung aufzuziehen: wenn ich (in Bayern wohnend) momentan das politische Klima betrachte, könnte ich schreien, weil ich gefühlt 85% der bayerischen Wähler das Gehirn durchpusten möchte. Aber wie gesagt: in diesem Thread weiterhin die üblichen politischen Hahnenkämpfe (natürlich auch unter meiner fleißigen eigenen Beteiligung) auszufechten, empfinde ich als zunehmend redundant und somit sinnlos.
ALSO:
mein heutiges Lob für den politischen Gegner geht an zwei Politiker, die ich nicht wählen würde, denen ich aber zubilligen würde, sowohl über Expertise als auch eine ehrliche, nicht korrumpierte Meinung zu vertreten. Dabei geht es mir nicht unbedingt darum, exakt die gleichen Haltungen wie die beiden zu vertreten, aber ich respektiere sie und halte sie für ehrliche, motivierte Menschen, die ganz einfach das Beste für die Menschen tun wollen, und ich finde bei beiden immer wieder Ansatzpunkte, wo ich sagen würde: da hat er Recht.
Es handelt sich um Norbert Röttgen von der CDU und Kevin Kühnert von der SPD.
Und mein heutiges Verständnis für eine thematische Haltung betrifft die Kernkraft. Ich selbst bin aus vielerlei Gründen ein Kernkraft-Gegner (und mir geht es jetzt nicht um etwaige komplexe Detailfragen, sondern um eine grundsätzliche Einstellung dazu), aber ich kann hier viele Argumente entdecken, die ich anerkenne, wenn jemand die friedliche Nutzung der Kernkraft für unerlässlich hält.
Ich bin gespannt, ob sich jemand diesem Spiel anschließen möchte.