Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 1)

So selbstverständlich ist das nicht. „Der Westen“ oder „Wertewesten“ ist kein monolithisches System. Ein Beispiel:

'Der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón hatte schon seit längerem gegen Pinochet wegen Völkermord, Staatsterrorismus und Folter ermittelt, da auch spanische Staatsbürger unter den Opfern der Militärdiktatur waren. Während Pinochets Aufenthalt in London stellte Spanien daher ein Auslieferungsbegehren, aufgrund dessen Pinochet am 16. Oktober von der britischen Polizei in London festgenommen wurde.

Die Verhaftung löste in Chile Unruhen aus. Das Land war tief gespalten in Pinochet-Gegner und -Anhänger. Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tagle forderte die Auslieferung Pinochets, um ihn vor ein chilenisches Gericht zu bringen.

Auch die Schweiz hatte ein Auslieferungsgesuch gestellt. Das spanische Gesuch hatte Vorrang. Hätte Spanien es zurückgezogen, wäre Pinochet wegen des Verschwindens des Schweizers Alexei Jaccard eventuell an die Schweiz ausgeliefert worden. Alexei Jaccard war – mutmaßlich auf Bitte Pinochets – in Argentinien festgenommen worden und seitdem dort „verschwunden“.’ (Wikipedia)

Dass Pinochet letztlich nie verurteilt wurde, liegt zu großen Teilen an seinem damals schon schlechten Gesundheitszustand und an der chilenischen Justiz. Das wird keine fortschrittliche chilenische Regierung einfach mal dem Westen anlasten. Chilenische Regimegegner fanden in westlichen Ländern wie der Bundesrepublik Asyl. Es gibt also hinreichend Gründe für eine differenzierte Betrachtung.

Der Schandfleck „Colonia Dignidad“ ist seit langem bekannt, naheliegenderweise nicht nur ein deutscher, sondern auch ein chilenischer. Keine deutsche Regierung wird aber hierzu eine relativierende Position mehr einnehmen. Was jetzt über die Rolle des BND herauskommt, ist abstoßend, wenn auch wenig überraschend.

Im vergangenen Jahr schrieb ich hierzu im Zuge der Debatte über das Pokalfinale RBL - SCF:

Vor 50 Jahren vertrat die CSU Positionen, die in vielem denen der AfD ähnelten und die mir persönlich damals genauso wenig behagten wie heute. Im Gegensatz zu Koryphäen wie dem lieben Franz oder später Uli - um nur die bekanntesten zu nennen -, die sich nicht scheuten, öffentlich ihre Präferenz für Strauß & Co. zu bekennen.

Und das soll jetzt aktuellen Bundesregierungen welcher Couleur auch immer bzw. dem Westen insgesamt angelastet werden? Das mag glauben, wer will.

Was dies nun wiederum mit Lula da Silva und seiner Position zu Putin und der Ukraine zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.

EDIT: Was allerdings schon befremdlich wirkt in diesem Zusammenhang, ist der aktuelle Streit darüber, wer der legitime Erbe von Strauß sei. Mindestens seit einem Jahr ist bekannt, dass Hubert Aiwanger hier Ansprüche anmeldet.

Möglicherweise sind ihm dessen damalige Sympathien für faschistische Regimes nicht bekannt; man möchte ihm ja nichts unterstellen.