Der KICKER und Alisha Lehmann - eine Medienkritik (aber nicht nur)

@Gratschifter: Danke, dass Du Deine Gedanken nochmal für mich zusammengefasst hast.

Zeig mir doch bitte einmal, an welcher Stelle der Artikel die „Welle” „Sex sells” reitet. Ich würde gerne entsprechende Textstellen sehen.

Aber wahrscheinlich meinst Du, dass der Artikel allein schon durch seine Themenwahl die „Welle“ „Sex sells“ reitet, unabhängig von seinem Inhalt. Warum siehst Du das so? Begründe das doch bitte mal. Die Behauptung allein überzeugt mich nicht.

Ich behaupte, wenn der gleiche Artikel erschienen wäre, nur dass es darin um Beachvolleyball gegangen und Alisha Lehmann ein Mann gewesen wäre und der Artikel die Frage gestellt hätte, ob die Nationalmannschaft für das große Turnier auf die Nominierung von Mark, den Social-Media-Star mit Millionen Followern, verzichten kann, während Männer-Beach um Popularität kämpft und als Zuschauersport eine breitere Verankerung in der Bevölkerung sucht, hättest Du die Thematisierung dieses Problems für einen völlig normalen Vorgang gehalten und der Artikel nicht weiter Deine Aufmerksamkeit erregt.

Solange der einzige Grund, warum dieser Artikel auf der „Sex sells“-„Welle“ reitet, darin besteht, dass es sich bei Alisha Lehmann um eine Frau und nicht um einen Mann handelt, überzeugt mich das nicht. Das hieße nämlich, dass man bestimmte reale Probleme, wie in diesem Fall die Güterabwägung zwischen zwei konfligierenden Zielen – der zu steigernden Aufmerksamkeit auf der einen Seite und der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit auf der anderen Seite –, wenn es um die Nominierung der Akteure geht, gar nicht thematisieren kann, wenn es sich dabei um Frauen handelt, ohne dass bereits diese Thematisierung das Reiten der „Welle“ „Sex sells“ bedeutet – und das fände ich nicht nur hochgradig unbefriedigend, sondern auch als Regel wenig überzeugend (wenn Frau, dann „Sex sells“).

Aber vielleicht ist das ja nicht der einzige Grund, sondern der Text enthält problematische Textstellen oder ist aus anderen Gründen ein „Sex sells“-Wellenreiter. In diesem Fall würde ich mich über die entsprechenden Textstellen bzw. eine Begründung dafür freuen.

Wenn ich mich da mal einmischen darf. Ich teile, wie ich im Laufe der Diskussion auch gesagt habe, nicht die Empörung von @Gratschifter in dem Maße, finde aber den Kicker-Artikel schon kritikwürdig. Weil er, wie @Gratschifter zurecht moniert, den eigenen Anspruch seriöser Fachlichkeit nicht einlöst. Indem er sich nämlich weit überwiegend den boulevardesken Aspekten der Personalie widmet und nur ganz am Rande den sportlichen. Damit stellt er sich in eine ungute Tradition der Berichterstattung über Frauenfußball, wie man gestern abend im linearen TV (und jetzt in der ARD-Mediathek) sehen konnte bzw. kann. „Mädchen können kein Fußball spielen“ sammelt u.a. Dokumente beschämender Respektlosigkeit gegenüber Fußball spielenden Frauen. In den Kommentaren zu den kurzen Bewegtbildsequenzen wimmelt es nur so von albernen Anzüglichkeiten. Damit kontrastieren auf erstaunliche Weise die Hartnäckigkeit und das Durchsetzungsvermögen der um wirklich jeden Preis Fußball spielen wollenden Frauen.

So gesehen kommt es auch nicht darauf an, ob ein analog gelagerter Fall eines männlichen Cracks die gleichen Reaktionen hervorriefe. Die Fokussierung auf den weiblichen Körper und die sexuellen Konnotationen sind das Ärgernis. Für mich in diesem Fall dadurch abgemildert, dass Alisha Lehmanns clevere Selbstvermarktung von solcherart Kommentierung eher noch profitieren dürfte. Insofern ist ihre mediale Behandlung nicht das prägnanteste Beispiel für den grundsätzlich keineswegs endgültig überwundenen Missstand (wovon die Kommentare unter dem Artikel Zeugnis ablegen).

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Wo findet das in dem Artikel denn in einem Maße, das über das hinausgeht, was für das Verständnis des Artikels notwendig ist, statt? Zeig mir das doch bitte mal. Ich finde in dem Artikel nur einen Absatz, der auf Lehmanns Äußeres eingeht, und der hat mir, der ich die Dame vorher gar nicht kannte, sehr geholfen – um nicht zu sagen: er war notwendig, um das Problem, das der Text verhandelt, in seiner ganzen Fülle zu verstehen.

Ich fände es sehr nett, wenn Du mir die „Fokussierung“ „auf den weiblichen Körper“ und „sexuelle Konnotationen“, die Du im Übermaß beobachtest, mal zeigen würdest.

Hmm. Das kann ich nicht im Ansatz nachvollziehen. Beziehungsweise: Was verstehst Du unter „boulevardesk“? Zeig mir doch bitte mal zwei oder drei Stellen, die nach Deinem Verständnis „boulevardesk“ sind.

Ich finde schon das Begreifen des Artikels in den Gegenüberstellung von „boulevardesk“ und „sportlich“ falsch, wobei ein Artikel nur dann seriös ist, wenn seine Inhalte überwiegend in die Kategorie „sportlich“ fallen.

Ich halte das für falsch. Ist ein Artikel über Fußball nur dann ein seriöser Artikel, wenn er Aspekte wie Social-Media-Follower und Popularität möglichst wenig und Statistiken wie gespielte Minuten, Assists und Tore möglichst eingehend thematisiert bzw. in seiner Argumentation verwendet?

Das hielte ich für einen völlig schrägen Anspruch, der überhaupt keinen Sinn ergäbe. Das hätte z. B. zur Folge, dass ein Artikel, der sich kritisch mit Cristiano Ronaldos oder Lionel Messis Werbeeinkünften, die sie mit ihren Social-Media-Posts verdienen, auseinandersetzt, per se „boulevardesk“ wäre und den Anspruch „seriöser Fachlichkeit“ a priori nicht erfüllen könnte. Schließlich tauchten darin ja nur „boulevardeske“ Aspekte wie Social-Media-Follower und gegebenenfalls eine Bemerkung zu Cristiano Ronaldos six pack auf, aber keine oder kaum „sportliche“ Aspekte wie geschossene Tore und Assists.

Meinst Du nicht, dass sich die Frage, ob ein Artikel den Anspruch „seriöser Fachlichkeit“ einlöst, nicht daran entscheidet, ob er sich mit Social-Media-Followern, dem Aussehen eines Menschen oder Zahlen von geschossenen Toren und gegebenen Assists auseinandersetzt, sondern ob er ein nachvollziehbares Problem identifiziert und dies sachlich, differenziert und möglichst faktengestützt, gegebenfalls angereichert um die Meinung von Experten, erörtert.

Der Kicker-Artikel erfüllt für mich diese Anforderungen gut.

Aber ich freue mich schon zu lernen, warum Du ihn für „boulevardesk“ hältst.

Es lohnt sich nicht, über einzelne Passagen zu streiten. Nach nochmaliger Lektüre des Artikels mache ich die Kritik nicht an dieser oder jener Formulierung fest. Insgesamt geht es eben um die Bedeutung ihrer Social-Media-Aktivitäten (bei denen ihre Optik ein zentraler Aspekt ist) für die Frage, ob sie nominiert wird oder nicht. Die kann man in der Tat so stellen. Zu ihrer sportlichen Funktion im Team erfährt man praktisch nichts. Wenn man es etwa vergleicht mit Überlegungen, wie ein Zusammenspiel von Wirtz und Musiala beim FC Bayern hätte aussehen können; das wurde nicht nur hier breit erörtert. Es wäre aber für eine fachliche Beurteilung, ob die Schweizer Nati sie braucht, nicht eben uninteressant. Dass sie eine schlechte Note für ihre Leistung im Spiel gegen das DFB-Team bekam, ist da etwas dünn - zumindest für ein Fachorgan wie den Kicker.

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In dem Artikel lernen wir über Alisha Lehmann mit sportlichem Bezug Folgendes:

  • Sie ist 26 Jahre alt, Stürmerin und spielt für Juventus.
  • Sie ist für ihren Verein in der vergangenen Saison 14 Mal aufgelaufen, davon fünfmal in der Startelf, und schoss zwei Tore.
  • Sie fehlte in diesem Jahr teilweise Aufgebot von Nationaltrainerin Pia Sundhage, die mit 35 Spielerinnen in die EM-Vorbereitung gestartet ist.
  • Eine Positionskonkurrentin für die Schweizer Nationalmannschaft ist mit einem Kreuzbandriss ausgeschieden.
  • Beim 0:6 gegen Deutschland hatte sie einen „erschreckend schwachen Auftritt mit unzähligen leichten Ballverlusten“ und bekam die Kicker-Note 5,5.
  • Sie investiert in den Sport genauso viel wie alle anderen, hat einen enormen Ehrgeiz und ihre Priorität liegt auf dem Fußball.

Ich finde,
a) dass das objektiv nicht wenig ist und
b) dass es für die Zwecke des Artikels vollkommen ausreicht. Ich jedenfalls, der ich die Frau gar nicht kannte, brauchte keine weiteren Informationen über Lehmanns sportlichen Wert, um die Problematik des Artikels nachzuvollziehen und mir eine eigene Meinung bilden zu können. Die vorgenannten Informationen legen mir nahe, dass Lehmanns sportlicher Wert für die Schweizer Frauennationalmannschaft nicht allzu hoch ist, aber wahrscheinlich auch nicht so gering, dass sie für das Team gar nicht in Frage kommt oder, wenn sie spielte, eine kritische Schwachstelle bedeuten würde.

Über die Social-Media-Aktivität von Lehmann lernen wir hingegen kaum mehr. Wir lernen z. B. nicht, wie häufig Lehmann postet und wir sehen auch keine Beispielfotos aus ihren Social-Media-Accounts, etwa ein freizügiges Foto im Bikini (was übrigens für eine Boulevard-Berichterstattung zu erwarten wäre). Wir erfahren nur relativ allgemein, dass sie Fotos „mit Ball beim Training, [beim] Meisterjubel mit Juventus [und] oft Bikini-Bilder und Szenen mit stylishem Outfit“ postet und – von entscheidender Wichtigkeit für die in dem Artikel behandelte Frage – dass sie 16,7 Millionen Follower auf Instagram und 12 Millionen Follower auf TikTok hat. Wir lernen außerdem, dass Lehmann mit ihrer Social-Media-Aktivität mehr Geld verdient als durch ihren Hauptberuf als Fußballspielerin in einem ganzen Jahr, weil sie sehr gut darin ist, sich auf Social Media attraktiv zu vermarkten. Wir erfahren bei der Gelegenheit aber auch, dass ihre Social-Media-Aktivität keinen Einfluss auf ihre Leistung hat und dass sie in der Kabine insgesamt weniger mit dem Handy aktiv ist als viele ihrer Nationalmannschaftskolleginnen. Wir bekommen außerdem einige Einschätzungen von Experten zu lesen, die Lehmanns Social-Media-Aktivität bewerten.

Nichts davon ist sexistisch, objektifizierend, oder unseriös und es ist auch nicht so formuliert. Der ganze Text ist in einem völlig nüchternen Duktus gehalten, der Aussagesatz an Aussagesatz reiht und sich aufgeladener Sprache und subjektiver Bewertungen weitgehend enthält. An vielen Stellen werden Meinungen von Experten eingeflochten und das Problem aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Manche mögliche, für die Spielerin negative Schlussfolgerungen, dass sie sich z. B. mehr um ihre Social Media als um ihren Sport kümmern könnte, werden vom Autor sogar antizipiert und vorsorglich entschärft. Insgesamt liefert mir der Text eine ausgewogene und weitgehend sachliche Darstellung des Dilemmas, vor dem die Schweizer Frauennationalmannschaft bei der Entscheidung über die Spielanteile von Alisha Lehmann bei der EM steht.

Ich bin für Medienkritik immer zu haben, habe mich daran hier im Forum auch gelegentlich schon selbst versucht, es fällt mir in diesem Fall aber wirklich schwer, den Artikel als das sexistische, unseriöse, die Sex-Sells-Welle reitende Machwerk zu erkennen, als welches Ihr es beschreibt.

Ich bin kaum in der Thematik und vielleicht hätte ich jetzt auch nicht antworten sollen.

Wenn ich es richtig sehe, hat @Gratschifter nicht nur den Artikel, sondern alle Begleitumstände und auch die Bezüge in den sozialen Medien aufgeführt.

Ihr beide habt damit zwei verschiedene Perspektiven eingenommen.
Du gehst nur auf den Artikel ein und er auch auf seine Wirkung und in gewissen Teilen auf seine Intension.

Daher habt ihr aus meiner Sicht auch unterschiedliche Einschätzungen.

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Eine einheitliche Meinung dieser Ausrichtung gab es in der Diskussion nicht. Allerdings reizt, selbstverständlich nicht ganz von Dir unbeabsichtigt, zum Widerspruch die entschiedene Art, in der Du mal wieder mit Verve und unverkennbarem Vergnügen - das der Leser durchaus teilen kann - Deine Lieblingsrolle des Advocatus Diaboli einnimmst und den arg gescholtenen Kicker gegen womöglich ungerechte Anklagen in Schutz nimmst (wie einst, ein unvergessliches Highlight der Kurvendebatten auslösend, die „Welt am Sonntag“). :wink:

Wenn man liest, was Du alles gelernt hast aus diesem Stück, kann man sich wirklich fragen, ob die ganze Kritik nicht vollkommen an der Sache vorbeigeht. Vielleicht macht dieser von keinerlei Vorkenntnissen über die Person ungetrübte, fast kindlich staunende Blick den Unterschied. Obwohl mitnichten der ausgesuchten Kennerschaft verdächtig, sind beispielsweise mir die dort aufgeführten Fakten weitestgehend bekannt gewesen, wenn auch nicht in jedem Detail. Daher hätte mich, wenn ich mich aus freiem Entschluss (und nicht von @Gratschifter und seiner Themensetzung veranlasst) der Causa Lehmann zugewandt hätte, die Frage stark interessiert: wenn Pia Sundhage dazu neigt - was mittlerweile durch den Fortgang der Dinge bestätigt ist -, die Spielerin zu nominieren, obwohl der ganze Social-Media-Hype für sie irrelevant ist und obwohl die sportliche Performance der Aktrice zuletzt von recht überschaubarer Klasse war und obwohl sie (Sundhage) schon aufgrund ihrer Vita sich gewiss keine sachfremden Entscheidungen aufzwingen zu lassen bereit ist: welche offenkundig rein sportlichen Gründe geben da denn nun den Ausschlag? Oder - da die Entscheidung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch ausstand - könnten es tun. Und ich finde, auch und gerade dem Kicker mit seiner fachlichen Ausrichtung hätte es gut zu Gesicht gestanden, sich auch dieser Frage mit Interesse zuzuwenden. Selbst dann, wenn @Alex von MSR mit dem faktisch Dargebotenen bereits voll und ganz zufrieden ist. :sweat_smile:

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Nein, ich finde wirklich, dass der Kicker-Artikel die journalistischen Anforderungen an einen „seriösen Fachartikel” gut erfüllt. Er diskutiert ein Entscheidungsproblem, mit dem ich vorher nicht vertraut war, so, dass ich verstehe, worum es geht, wer was zu entscheiden hat und welche Aspekte dabei gegeneinander abzuwägen sind. Dabei werden die Personen und Aspekte, die in die Entscheidung einfließen, gut herausgearbeitet. Die Darstellung ist durchgehend sachlich und objektiv und beleuchtet das Problem aus verschiedenen Perspektiven.

Es ist jetzt kein Artikel, den ich in einem Journalismusseminar als Paradebeispiel für gelungene Berichterstattung verteilen oder ausschneiden und mir übers Bett hängen würde. Aber darum geht es hier ja auch nicht. Hier steht auf einem viel grundlegenderen Niveau infrage, ob es sich bei dem Text überhaupt um einen seriösen journalistischen Artikel handelt. Das tut es meines Erachtens. Der Text wäre mir in der gedruckten Ausgabe des Kicker niemals negativ aufgefallen, wenn ich ihn gelesen hätte.

Na gut, death by a thousand cuts. Ein wenig mehr sportliche Informationen über Frau Lehmann hätten den Artikel jedenfalls nicht verschlechtert. Mich hätte z. B. noch etwas mehr interessiert, was Frau Sundhage über Frau Lehmann denkt und wie sie sie sportlich einschätzt. Aber immerhin haben wir die Einschätzung von einer ihrer Nationalmannschaftskolleginnen, aus der hervorgeht, dass Frau Lehmann genauso hart trainiert wie alle anderen und ihren Job ernst nimmt. Das ist für mich funktional ungefähr gleichwertig (Insider-Einschätzung) und eine akzeptable Alternative zu Frau Sundhages Meinung.

Ich habe mal die Welt am Sonntag verteidigt? :sweat_smile:

Ach so, Du meinst Musk…:bulb:(Übrigens, interessantes post mortem: Besonders bewegt hat die Intervention die Nadel der AfD ja nicht gerade… In dieser Hinsicht lag ich mit meinem Appell für mehr Gelassenheit gar nicht falsch.)

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Doch! Jeder, der meint, etwas Wichtiges beizutragen zu haben, ist jederzeit willkommen, sich in eine Diskussion einzubringen. Ich freue mich immer.

Nein, dieses Problem hatte ich schon ausgeräumt. @Gratschifters Kritik an dem Artikel steht unabhängig von den Kommentaren, die er nach sich gezogen hat. Anfangs bezog er sich noch vornehmlich auf die Kommentare (siehe sein erster Beitrag ganz oben, der den Thread eröffnet). Danach jedoch wanderte der Fokus seiner Kritik immer mehr in Richtung des Artikels selbst.

Mir wahrscheinlich auch nicht (abgesehen davon, dass ich ihn ohnehin nicht zur Kenntnis genommen hätte, weii ich den Kicker, wie auch die WamS, nicht lese). Das muss allerdings nicht zwingend den Ausschlag geben für mein Urteil. @Gratschifter hat da schon einen bedenkenswerten Aspekt beobachtet und ist übrigens im Nachgang, was seinen Furor in Richtung Kicker anbelangt, ein Stück zurückgerudert, indem er auf dessen Podcast zur Geschichte des Frauenfußballs hingewiesen hat. Insofern kommt Deine Intervention, wie auch von Dir selbst eingangs bemerkt, reichlich spät, denn die Debatte war im Grunde längst beendet. Es ist auch Ausdruck des Respekts für die Mühe, die Du Dir mit Deinem Plädoyer gemacht hast, dass ich darauf so ausführlich eingegangen bin.

Ich denke vielmehr, das war damals schon ein schwer hinnehmbarer Affront, der nur deswegen ein halbes Jahr später in der Wahrnehmung seiner Bedeutung deutlich schrumpft, weil danach noch so viel mehr und weit Dramatischeres geschehen ist.

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Das enttäuscht mich tatsächlich und das hätte ich daher auch nicht gewollt. Ich wünschte, Du hättest darauf verzichtet – und wirst zukünftig darauf verzichten –, auf meine Beiträge einzugehen, wenn Du es nur aus Mitleid oder als Dokumentation der Anerkennung meiner Mühe gemacht hast bzw. zu machen vorhast. Denn je stärker Deine Antwort durch Mitleid oder das Bemühen, Anerkennung auszudrücken, motiviert ist, desto schwächer sie durch den Reiz des Inhalts des Beitrags motiviert, auf den Du eingehst – und ich hätte es natürlich lieber, Reaktionen auf meine Beiträge wären inhaltlich motiviert. Auf Mitleid oder eine Belohnung für meine Mühe hingegen kann ich verzichten (ich empfinde das als entwertend und entwürdigend).

Das sehe ich immer noch anders. Die WamS ist ein privatrechtliches Medium, das keiner staatlichen Neutralitätspflicht unterliegt. Was Musk geschrieben hat, war rechtlich nicht zu beanstanden. Wahlempfehlungen bzw. -aufrufe in privatrechtlichen Medien sind erlaubt. Warum sollte die WamS keine Wahlempfehlung abdrucken dürfen, wenn diese rechtlich nicht zu beanstanden ist?

Solange man sich nicht auf den Standpunkt stellt, dass politische Medien, ggf. ab einer bestimmten Größe, grundsätzlich politisch neutral zu sein haben (wobei „Neutralität“ noch näher zu bestimmen wäre), kann ich in der Veröffentlichung eines rechtlich unauffälligen Wahlaufrufs durch eine große privatrechtliche Tageszeitung kein Problem erkennen.

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Lieber Alex, es tut mir leid, dass meine Bemerkung bei Dir diese Wirkung erzielt, die ich keineswegs beabsichtigt habe. Und die für mich auch nicht diese Konnotationen von Mitleid und Belohnung hatte. Ich finde, die Motive, auf Kommentare einzugehen, können sehr vielschichtig sein. Sie haben durchaus nicht immer nur damit zu tun, dass man (vielleicht sollte ich besser sagen: ich) einen Sachverhalt richtigstellen, ein Argument entkräften, ein anderes in den Vordergrund rücken oder das alles zusammen will. Häufig spielt für mich auch die Überlegung mit hinein: hat dieser Kommentar schon die Resonanz bekommen, die er verdient? Ist vielleicht auch gerade von mir persönlich eine Reaktion angebracht, die nicht mit einem Like beiläufig zu erbringen ist? Das hat erstmal gar nichts speziell mit Dir zu tun, sondern ist meine persönliche Macke, wenn man so will.

Im konkreten Fall fand ich zunächst in der Tat, dass Du sehr, ja vielleicht zu spät in die Debatte „Kicker“ einsteigst, die wir mit nennenswertem Engagement geführt und einigermaßen erfolgreich, will heißen: verträglich abgeschlossen hatten. Jetzt kommst Du um die Ecke und willst belegen, dass es der ganzen Kritik an Substanz fehlt. Besonders komfortabel hat sich das spontan nicht für mich angefühlt: im Ton freundlich wie von Dir gewohnt, aber in der Sache durchaus konfrontativ machst Du nochmal ein richtiges Fass auf; unsichtbarer Subtext (für mich): ihr spinnt ja wohl komplett. Aber es war ja zunächst nicht mein Ding, sondern ein Dialog zwischen @Gratschifter und Dir. Dann hab ich gesehen: Du lässt nicht locker. Dass ich mich dann eingeschaltet habe, hatte genau drei Gründe: ich fand es fair, @Gratschifter nicht alleine zu lassen in der Auseinandersetzung mit der Wucht Deiner Argumente. Ich hatte selbst etwas Eigenes beizutragen, da ich eine weniger radikale Position zum Thema habe. Und ich fand es Dir gegenüber fair, Dich mit Deiner Energie nicht ins Leere laufen zu lassen, was mir ein Leichtes gewesen wäre unter der Überschrift: sorry, case closed. Das war es, was ich mit meiner Bemerkung ausdrücken wollte: Respekt für Dich als sehr geschätzten Kollegen und für das, was Du da gerade in die Waagschale wirfst, auch wenn ich es nicht gerade herbeigesehnt habe. In meiner Gegenrede habe ich versucht, ernsthaft auf Deine Argumentation einzugehen. Dass es mir nicht gelungen ist, das - den Respekt und die Ernsthaftigkeit - so auszudrücken, dass es Dich nicht kränkt, dafür bitte ich Dich um Entschuldigung.

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Moin, @Alex. Moin auch @jep.
Folge Euch beiden mit Spannung, seitdem Alex gestern morgen den Leichnam dieses Threads wiederbelebt hat - mit gewohnter Verve, Präzision und seinem bemerkenswerten Talent, selbst in einem inzwischen langweiligen Heuhaufen doch noch eine Nadel zu finden. Die allerdings wird dank Deiner Ausführungen, @Alex, spitzer, als es der Thread je hätte sein können.
Du weißt ja, @alex. Auf den Advocatus diaboli reagier ich allzu gern mit populistischer Überspitzung.
Also vorab zum Thema „Qualitätsjournalismus“ dieser Monitor-Clip - wie immer völlig wertfrei und ohne jeden kausalen Nexus zum Inhalt Deiner Posts. Betrachten wir ihn als kulturelles Rahmenprogramm - so wie der Auftritt von Hazel Brugger beim European Song Contest: Der wurde auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.

Die Spiele seien eröffnet…

PS: Nein. Tilo Jung hat beileibe nicht das Format von Hazel Bruger.

Aber: Der deutsche Journalismus ist nicht mehr der Geburtshelfer, sondern der Totengräber der freien Presse is schon ein Pfund, oder nicht?
„Qualitätsmedien auf dem deutschen Markt - Spiegel, FAZ, Süddeutsche, name it, ÖRR (Kicker, Anm. des @Gratschifter s) - würdest Du sagen, der Zustand ist schlechter als vor zehn oder zwanzig Jahren?“
„Aber NATÜRLICH.“

Ich möchte dem Jung so gern widersprechen. Kriegs aber irgendwie nicht wirklich hin…

Zweiter Einwurf:

Da happich schwer gezuckt. Ernsthaft. Und kann Dich gut verstehen. Du reißt Dir tatsächlich den Allerwertesten auf, um Deinen Standpunkt gründlichst zu überprüfen, hinterfragen, begründen und erläutern. Selten so was erlebt! Chapeau und größten Respekt schon für deinen Modus operandi (inhaltlich komme ich in meinem dritten Einwurf auf Dich zurück!).
Wenn mir lediglich aus Mitleid oder in Wertschätzung Deiner Mühe geantwortet würde, würde ich auch empfindlich reagieren.

Allerdings möchte ich (obwohl ihr Euch viel länger kennt als ich Zaungast bin) Euch beiden -@jep
und @Alex- unterstellen, daß ihr von entwertendem Mitleid oder Dünkel komplett frei seid - BEIDE!
Und ganz leise frage ich, ob Du das bei @jep nicht eigentlich besser wissen müsstest.

Manchmal @Alex will das gedruckte Wort tatsächlich nur sagen, was dort steht: RESPEKT!
Und den Respekt eines anderen auf entwürdigendes Mitleid zu reduzieren - nun, das wäre nicht weniger entwürdigend oder entwertend.

Du reißt @jeps „Mühe-Zitat“ aus einem Kontext von vielen Stellungnahmen, in denen er dezidiert auf dein Plädoyer eingeht, um es dann allein darauf herunterzubrechen. Rhetorisch kann man das machen - aber menschlich hat @jep das nicht verdient. Das müsstest Du besser wissen als ich.
Komm zurück an Bord!

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Vielen Dank, lieber @Gratschifter, für Deine Empathie! Für mich ist alles gut. @Alex hat mir superfreundlich privat geantwortet und muss das selbstverständlich nicht nochmal öffentlich wiederholen.

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So watt Ähnliches hatt ich mir schon gedacht.
Aber manchmal ist es für mich wichtig, das auszusprechen.
Sonst hätte ich meinen Beitrag an @Alex ebenfalls gePNnt. :thinking: :wink:

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Ich will mich hier gar nicht dazwischen drängen in die Thematik, aber der Thread-Titel lässt mir fast keine Wahl…
Heute morgen konnte ich leider nicht widerstehen und musste kurz in den Online-KICKER-Kommentar zum FC Bayern reinlesen, den der verehrte G. Holzner in erwartbarer Weise nach dem gestrigen Tag abgesondert hat.

Dass sich der KICKER bei Leverkusen den Hofberichterstatter S. Nocks leistet, während er zum FC Bayern den boulevardesken Draufhauer Holzner schickt, damit müssen wir wohl leben.
Mit der journalistischen „Qualität“ des Dargebotenen jedoch, finde ich, nicht.

In Kurzfassung:
Holzner ist also der Meinung, dass sich der FC Bayern seit Monaten reichlich blamiert, weil er gegen keine europäischen Schwergewichte mehr gewinnt. Die Einzelfallbetrachtung ist Holzners Sache nicht, die genauere Analyse auch nicht, was folgt, ist lediglich das phrasenhafte Raushauen einer wohlklingenden Schlagzeile:
Es muss eine AUFARBEITUNG stattfinden!
Wie die aussehen soll, bleibt unerwähnt ebenso wie die Möglichkeit, dass man intern eine genau solche immer vollzieht, nach jedem Spiel, nach jedem Turnier. Weil der Holznerschorsch aber von internen Vorgängen nichts weiß, haut er halt mal oberflächlich drauf (irgendeinen Richtigen wird’s schon treffen) und unterstellt (in schönem Einklang mit gewissen sympathischen MSR-Kurvenmitgliedern gestern) ein Dauer-Schönreden.
Selbstverständlich folgt daraus keine tiefergehende sportliche Analyse des Fußball-Fachmagazins KICKER mit einer ausgewogenen Handlungsempfehlung. Das wäre ja geschäftsschädigend, denn das Bashing des FC Bayern generiert derart viele Klicks, davon kann man Jahre leben. Jeder Optimismus, jede Anerkennung einer erbrachten Leistung, jede komplexe Darstellung einer komplizierten Wettbewerbs-Situation ist in diesem Sinne automatisch ein Schönreden, weil es die Dinge unnötig, eben: verkompliziert. Und wir wollen dem Publikum doch keine allzu schwierigen Aufgaben stellen, die Welt ist schwer genug.

Und genau das ist das einstige spröde, fachorientierte, immer sachliche Magazin KICKER heute. Wie so vieles, wie so viele heute in der Medienlandschaft. Während qualitativ anspruchsvolle und leidenschaftliche Artikel etwa von MSR um Aufmerksamkeit ringen, bedient man im Kicker die eher schlichten Impulse und die schnelle Aufmerksamkeit. Dies ist im Fall Lehmann so (davon kann ich persönlich leider nicht abrücken, sorry, @Alex, nur will ich all die genannten Argumente nicht mehr wiederholen), dies ist im Falle FC Bayern so.

Ich persönlich habe an Dinge, die mir etwas bedeuten, lieber einen etwas zu hohen als einen zu niedrigen Anspruch.
Der Sportjournalismus gehört dazu.

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Danke dafür!

Ich hätte nur eine kleine Anmerkung: Ewartbar war vielleicht, dass er einen raushaut, aber dass er allen ernstes (im Video, im Artikel glaube ich nicht mehr explizit) von einem „Prestige“ Verlust spricht, hat mich doch überrascht. Einerseits sind reihenweise Europäer vorher rausgeflogen, andererseits war das gegen den CL Sieger beileibe keine blamable Leistung - ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das VF Aus ein „Prestige“ Verlust (bei den relevanten Fuball-bezogenen Menschen) darstellt. Das postulieren witzigerweise immer die, da davor monatelang eh schon alles bei Bayern Sch… fanden. Also das „Prestige“ eh absprechen.

Und dennoch muss man sich natürlich zum Ziel setzen, die Mannschaft so aufzustellen, solche Spiele zu gewinnen. Und was es dazu brauchen könnte, wird hier regelmäßig in Artikeln und in den Diskussionen elaboriert, aber, wie du schreibst, die Mühe macht sich der Kicker nicht.

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Perfekt auf den Punkt gebracht.
Was müsste man da über ManCity schreiben?

Und was ich auch nervig finde:
Diese Art Journalismus ist der erste, der sich bei einem europäischen Titelgewinn im Glanze der Überlegenheit des deutschen Fußballs sonnt.
Ist natürlich auch bequem: wenn’s nicht gut läuft, müssen einzelne Personen oder Vereine Scheiße gebaut haben, denn die grundsätzliche Leistungsfähigkeit der deutschen Maschine kann nicht angezweifelt werden.

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Dritter Einwurf:
(der eigentlich der erste hätte sein müssen und der wichtigste ist - weil inhaltlich)

Vom Ausgangspunkt vor drei Tagen:

Nirgendwo. Punkt.
Bei dieser Antwort hätt ichs belassen sollen.
Das hätte Dir und @jep viel Mühe gespart. (Uuuups: Du willst ja nich auf Deine Mühe reduziert werden.
„Sehr geehrte Geschworene, streichen Sie diesen Satz aus dem Protokoll und Ihrem Gedächtnis!“ Der mit Abstand sinnentleerteste Satz, den Amerika zur Rechtsgeschichte je beigetragen hat! Vergessen auf richterliche Anordnung: Wenn das funktionieren würde, bräuchte die Welt keine Psychotherapeuten mehr… :wink:)

Aber ich hab geantwortet. Nochmal dezidiert versucht klarzumachen, daß es mir nicht um den Artikel, sondern die Art seiner Vermarktung ging.
@umut hat das erkannt und auf den Punkt gebracht

Aber da war der Hulk schon geweckt. Du bist so n bisschen wie ein Jagdhund @Alex - einmal Lunte gerochen, läßt Du die Fährte nicht mehr los. Ich bin fassungslos, wieviele richtige Argumente Du für Deine These („Der Kicker-Artikel selbst ist weder sexistisch noch sportjournalistisch unbefriedigend“) gefunden hast.
Bloß: Gegen Deine These hatte hier niemand was. Du hast Recht.

Der Artikel selbst liefert „expressis verbis“ null Anhaltspunkt für direkten Sexismus. Hatte ich aber auch nie behauptet.

Meine These war: Der Autor reitet (vermutlich ohne das selbst jemals begreifen zu können) auf einer Welle von strukturellem Sexismus.
(Ich hab übrigens heute morgen endlich -nach drei Wochen- rausgefunden, wer diese ominöse Flachpfeife „pab“ ist. Paul Bartmuß (pab) heißt er, der Bademeister.
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Ein Bösewicht, wer diesem Milchbubi sexistisch Böses zutrauen könnte!)

Unser kommunikatives Problem ist und bleibt, daß Du den Artikel untersuchst. Und ich das Umfeld.

Lassen wir das mit dem Sexismus mal beiseite: Ich denke, ich habe nun oft genug bestätigt, daß der Artikel selbst keinerlei sexistische Formulierung beinhaltet.
Watt taugt der Paul als Sportjournalist? Darauf is @cheffe eben schon eingegangen.

Und bezogen auf unseren Bartmuß-Artikel komme ich nach reiflicher Überlegung und Prüfung aller Argumente zu einem „ausreichend“. Wird mit leichten Zweifeln und gebremster Begeisterung dennoch versetzt. Aber im Ernst @Alex:
Wenn dieser Artikel der MSR-Redaktion eingereicht würde, was wäre die vermutliche Reaktion von @justin oder @Andreas oder @fruemmele ?
Begeistertes Schulterklopfen und „Sofort online stellen“ wohl eher nicht. Ich vermute, ein leicht gequältes „Hmmm“ würde auf Nachfrage gefolgt von einem „Vielleicht versuchts Du s mal bei der BILD. Oder beim Kicker. Die drucken sowas manchmal als Lückenfüller.“

Anders gefragt, @Alex

Wenn es um den Fußball in seinem gesellschaftlichen Umfeld geht, dann reicht dir das als Hirnfutter?
Das glaub ich dir nicht!
Das ist so dermaßen intellektuelles und journalistisches Vorschulniveau - das kannst Du nicht ernst meinen, daß dieser Artikel Deine Anforderungen erfüllt.
Normalerweise bewegst Du Dich drei bis acht intellektuelle Hemisphären darüber. Völlig unmöglich, daß Du Dich mit sowas zufrieden geben würdest.

Wenn s um Fußball im Spannungsfeld seines politischen und gesellschaftlichen Umfeldes geht, dann bevorzuge ich doch die Lektüre von @justin und @Georg ProContra-ClubWM. Das ist unser Niveau, @Alex . Alles darunter ist Verschwendung von Aufmerksamkeit, Zeit und Talent.

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