Analyse: Bayern spaziert in Unterzahl zum 3:1 gegen Fürth

Gegenfrage: Warum wird impliziert, dass man das nicht thematisieren darf? In meinem Artikel habe ich die Ballverluste sowie die Standards thematisiert. Das gehört dazu. Dennoch glaube ich, dass es Teil der Idee war, so stark ins Risiko zu gehen, weil man sich bewusst war, dass Fürth dieses Duell in der Form verlieren würde. That‘s all.

Dass aktuell noch nicht alles so klappt, wie es klappen sollte, ist vollkommen normal zum aktuellen Zeitpunkt.

Zum Thema Relevanz der Diskussion über die Nachhaltigkeit von Flicks Stil: ich halte diese Debatte für extrem relevant, weil das eine Frage ist, mit der sich ein Klub auseinandersetzen muss. Wenn Flick 16 Spieler der Güteklasse Thiago benötigt, um seinen Spielstil durchzusetzen und erfolgreich zu bleiben, dann ist die Frage nach Effizienz und Nachhaltigkeit durchaus berechtigt. Zumal ich mit keiner Silbe gesagt habe, dass sein Vermächtnis nicht beeindruckend ist. Es geht doch beides.

Ich stimme beispielsweise in folgenden Punkten zu:

  • Spektakulärer Offensivfußball ist sehr unterhaltsam. Ich hatte unter Flick so viel Spaß mit den Bayern wie lange nicht mehr.
  • Die Erfolge sind ein Marker dafür, wie sensationell die Arbeit von Flick war.
  • Die Erfolge haben sich die Bayern mit tollen Leistungen zu 100 Prozent verdient.

Gleichzeitig sage ich:

  • Die Kurve wäre mit Flick jetzt nach und nach nach unten gegangen, nicht mal von den Titeln her, wo es kaum eine andere Möglichkeit gibt als ein „Bergab“, sondern rein leistungstechnisch.
  • Ohne die Coronapause hätte Bayern große Probleme in der Endphase der Saison bekommen. Vielleicht hätten sie sie dennoch gemeistert, aber wenn nicht, wäre die Diskussion um die Intensität des Spiels riesig gewesen.
  • Flick hat die Breite des Kaders nicht nur deshalb nicht vollständig genutzt, weil da keine Qualität war (dem stimme ich nicht zu), sondern auch, weil er zu hohe Ansprüche gestellt hat und keinen Kompromiss fand, um Spieler wie Richards oder Stanisic zu integrieren. Selbst bei Choupo-Moting hat es ewig gedauert, bis er ihm vertraute.
  • Schon in der gern als rosarot beschriebenen ersten Saison gab es viele Diskussionen um die Anfälligkeit bei Kontern. Bayern hatte nur einerseits mehr Spielglück und andererseits griff das Pressing noch besser, als man fit war. Dieser Fitnesszustand ist in der Endphase einer normalen Saison aber Utopie. Ich erinnere gern an das Halbfinale gegen Lyon, wo man durchaus auch einiges an Glück hatte.

Das alles bedeutet doch aber keinesfalls, dass ich Flicks kurze Ära nicht wertschätze. Ich sage nochmal: Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit und was er in so kurzer Zeit aus einer am Boden liegenden Mannschaft gemacht hat, verdient allen Respekt.

Für die Weiterentwicklung und den nachhaltigen Erfolg traue ich Nagelsmann aber mehr zu als ihm. (Nein, nicht auf die Anzahl der Titel in einem Jahr bezogen, sondern schlicht insgesamt auf der Langstrecke.)

Edit: Noch etwas zu Guardiolas Stil:
Es ist immer noch eines der größten Missverständnisse, dass Guardiola den Ballbesitz zum Selbstzweck nutzt. Alex hat das gut ausgeführt. Damit wird zu aller erst mal sichergestellt, dass der Gegner sich viel bewegen muss, er müde wird und er keine Tore erzielen kann. Dass seine Mannschaften viele Tore erzielen, liegt eher daran, dass er Gegner mit seinem Stil einschnürt und die Wege beim Gegenpressing sehr kurz sind. Auch Guardiola ist mehr Gegenpressingtrainer, als ihm das zugeschrieben wird. Weil der Fokus bei der Betrachtung seines Fußballs oft auf dem Ballbesitz liegt.

2 „Gefällt mir“

Hatte mich ja auch nur darauf bezogen:

Es hat ja auch, wenn ich richtig sehe, niemand impliziert, dass jedes Spiel glanzvoll mit 7:0 gewonnen werden muss. Dass der Kombinationsfluss mitunter etwas stockend war, haben ja einige angemerkt. Mir ging es da vor allem auch um die fehlende Einbindung von Lewy, was ebenfalls andere hier schon vorgebracht haben. Und das war nicht nur im letzten Spiel zu beobachten.

Es gibt auch hinsichtlich JN verschiedene Wahrnehmungen, die einen schnalzen bei jeder Subtilität mit der Zunge, die anderen sind da schon etwas skeptischer. Ich bin Nagelsmann durchaus wohlgesonnen, wenn auch nicht mehr ganz so begeistert von ihm wie noch vor ein paar Jahren. Natürlich braucht er Zeit, aber die Anlage des Forums bringt es auch halt mit sich, dass man von Spiel zu Spiel schaut und diskutiert, was gut war, wo es noch hapert.

3 „Gefällt mir“

Es ist mMn sehr wichtig, das alles zu thematisieren und differenziert zu diskutieren, wie Du und Alex das machen.
Schlussfolgerungen bzw Thesen/Theorien aufzustellen sind aber immer subjektiv und muss man nicht immer teilen oder übereinstimmen. Und wie Dinge gelaufen wären ohne Corona Unterbrechung, weiß nun einmal keiner, da kann jeder seine subjektive Schlussfolgerung ziehen. Aber es kann da so oder so keine Deutungshoheit geben. Richtig ist aber auch, das Flick letztlich für die Ergebnisse verantwortlich ist. ME ist es schon richtig festzustellen, das Flick sehr oft sehr spät gewechselt hat. Ob man ihm vorwerfen kann, das er zB nicht auf Roca mehr gesetzt hat, den Nagelsmann jetzt wiederholt aus dem Kader lässt,weiss ich nicht. Choupo hat er ja schon in der Hinrunde eingesetzt, nur waren mMn seine Leistungen erst ab der Club WM so gut, das er ihn vermehrt gebracht hat. Ob Stanisic schon letzte Saison so weit war? Man hatte auch etwas Pech mit den Zeitpunkten der Coronapausen einiger Spieler.
Auf jeden Fall war ein Knackpunkt aber der Verkauf von Thiago bzw. der nicht adäquate Ersatz Roca. Auch die Verpflichtung von Costa und Sarr war ein Reinfall.
Kimmich und Goretzka wurden vor den PSG Spielen bei der NM verheizt, Lewa hatte sich in Andorra verletzt. Gnabry war auch nicht dabei. Man sollte mMn dann schon alle Aspekte anführen und es nicht nur auf Flick reduzieren.
P.S.
Eine Beurteilung bzw Hochrechnung von Nagelsmann find ich noch etwas zu früh.

3 „Gefällt mir“

In einer aufgeklärten Welt steht und fällt die Überzeugungskraft eines Arguments mit der Qualität seiner Begründungen. Gute Begründungen zeichnen sich heutzutage dadurch aus, dass sie faktenbasiert, rational und vernünftig sind. Nur in vormodernen Welten hängen Überzeugungen vom Glauben ab. Im Fall von Flick und den Bayern beispielsweise kann ich sowohl die Sichtweise derjenigen nachvollziehen, die sagen, dass Flick nur deshalb insgesamt so wenige Spieler eingesetzt hat, weil er nur wenigen vertraut hat bzw. zugetraut hat, seine Spielidee effektiv umzusetzen, als auch diejenigen, die sagen (wie du, @918), dass er die meiste Zeit eigentlich gar keine richtig fitten und leistungsfähigen Alternativen zur Verfügung hatte, die er hätte einsetzen können. Beide Sichtweisen lassen sich vernünftig argumentieren und mit Fakten untermauern.

Für eine produktive Diskussion muss man sich zumindest über die gemeinsamen Prämissen verständigen können - idealerweise sind das objektiverbare Fakten -, dann kann man seine Sicht der Dinge plausibel argumentieren und am Ende trotzdem immer noch unterschiedlicher Meinung sein (die Welt gehorcht leider nicht immer vollkommen denselben logischen Gesetzen wie die Sprache).

3 „Gefällt mir“

Selbst Musiala hat er nicht wirklich oft reinrotiert. Da hatte er mächtig Potential nach oben. Es gab eine Phase, da war Hernández(!) komplett außen vor. Chouponhat auch deshalb nicht so gut gespielt, weil er eben keine Chancen bekam bzw. immer nur reinrotiert wurde, wenn die ganze Aufstellung durchgewürfelt wurde. Ich habe nicht viele Kritikpunkte an Flick, aber die Rotation ist einer. Stanisic mag jetzt weiter sein, hat bei seinem Einsatz gegen Union aber einen guten Job gemacht. Und war danach wieder raus. Flick war irgendwo zwischen Konsequenz und Sturheit gefangen und das tat der Rotation nicht gut. Dass zwischen Kaderposition 14 und 15 ein Loch von ca. 20 Minuten pro Spiel klafft, ist schon einzigartig.

Rückschlüsse auf die Kaderplanung sind nicht unangemessen. Bayern war in der Breite schon mal besser aufgestellt. Von einem Trainer des FCB erwarte ich aber, dass er auch mit diesen Spielern umgehen kann. Denn obwohl der Kader so scharf kritisiert wurde und wird, war und ist er immer noch mit Abstand das Beste, was die Bundesliga zu bieten hat. Fast immer wenn Flick etwas mehr rotierte, führte das zu recht offensichtlichen Problemen. Er war nicht in der Lage, seine Idee entsprechend anzupassen. Von Nagelsmann erwarte ich das. Die ersten Auftritte von Stanisic, der von seiner individuellen Qualität mMn von vielen überschätzt wird, stimmen mich dahingehend positiv.

3 „Gefällt mir“

Möchte noch ergänzen, das wir beim CL Sieg auch oft Spielglück hatten. gerade gegen PSG, aber auch Barca, da hatten wir auch richtig Glück in manchen Situationen und das hohe Stehen der Verteidiger hätte anders ausgehen können

Zum Thema Zufallstore hat sich Nagelsmann übrigens bei DAZN geäußert: Es gehe darum, viele Spieler am und im gegnerischen Strafraum zu haben, um …

… eine natürliche Torgefahr zu erzeugen.
… gut aufgestellt fürs Gegenpressing zu sein, wenn der Ball nicht gut kommt.
… Bereit für zweite Bälle und Abpraller zu sein. Also den Zufall quasi zu erzwingen, indem man gut gestaffelt ist.

Ich halte das für ganz wichtige Punkte. Nagelsmann setzt auf ein sehr kompaktes Zentrum und das ist auch der Schlüssel zur aktuell guten Balance aus offensiver Power und defensiver Stabilität bei Kontern. Mit vielen Spielern hast du auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, die Abpraller zu bekommen. Oder Ballverluste zu pressen. Insofern: Zufall? Immer dabei. Aber diesen für sich zu beeinflussen ist Teil der Strategie.

Immer Glück ist können :wink:

1 „Gefällt mir“

Übrigens sehr sehenswert
Decoded auf DAZN
Endlich mal ein Format mit Tiefgang
Rangnick und Nagelsmann!

2 „Gefällt mir“

Fand’s in Teilen leider sehr oberflächlich. Um jedes „Puzzleteil“ ausreichend präsentieren zu können hätten die die Sendungszeit für jedes Teil nehmen sollen.

Auf jeden Fall aber ein schönes Format. Was jetzt die Bayern betrifft, gab es nicht so viele neue Erkenntnisse. Freue mich dabei aber auch auf andere Vereine.

Auch die von Justin angesprochen Aussagen durch Nagelsmann waren sehr spannend.

1 „Gefällt mir“

Finde es dennoch interessant wenn Nagelsmann die Dinge mit eigenen Worten benennt. Er ist ja auch manchmal sehr ausführlich und detailliert in seinen Ausführungen in den PKs. Leider gibt es zu wenige Journalisten die mit ihm dann mal in einen Diskurs gehen oder detaillierter nachfragen.

1 „Gefällt mir“

Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: [England, Premier League] Rund um die Liga

Darf man natürlich, dafür gibts ja das Forum. :ok_hand:

Ich sag halt auch meine Meinung und die geht dahin, dass Galas und totale Dominanz im Fußball keine Selbstverständlichkeiten darstellen.

Das 3:1 war sicher nichts Tolles, aber für heftige Kritik sehe ich keinen Grund.

1 „Gefällt mir“

Zum Thema Ballbesitz hat schon der legendäre Johan Cruyff alles gesagt: „Wenn wir den Ball haben, kann der Gegner nicht treffen.“

Den Ball zu spielen macht außerdem weniger müde, als ihm hinterher zu hecheln. :slight_smile:

Die Kunst von Barca / Spanien bestand darin, sich den Gegner zusätzlich noch zurecht zu legen, das ist aber nicht systemimmanent.

Ich fand es sehenswert. Insbesondere, da hier im Forum von Einzelnen die „erzwungene“ vs rausgespielten Tore kritisiert wurden und Nagelsmann, das, wie von Justin zusammengefasst, als Teil des Plans rausgearbeitet hat. Die Taktikeinblicke von Nagelsmann finde ich immer sehr gut.

Oberflächlich war es bei Nachwuchsarbeit - weil sie da viel zu sehr über die generelle Situation und nicht wirklich über Bayern-Spezifika geredet haben. Und etwas nervig war, dass beim Thema „Kadermanagement“ gefühlt 75% über Haaland gesprochen wurde. Beim Thema „Fans“ natürlich auch kein Super-Tiefgang, aber doch der Versuch, etwas zu differenzieren.

2 „Gefällt mir“

Sehenswertes ist es auch. Für mich suggeriert der Name"Decoded" aber auch eine gewisse Tiefe in den Themen. Und hier wurde mir häufig nicht tief genug in die jeweiligen Themen geblickt.

@918: Auf die Coronapausen bin ich gar nicht eingegangen, aber wenn du mich fragst, bin aber auch eher auf der Seite derjenigen, die sagen, dass sie geholfen haben.

Deine Hypothese, die hohe Zahl der Gegentore in Flicks zweiter Saison mit einem überspielten und unterbesetzten ZM zu erklären, wäre eine genauere Untersuchung wert. Der Erfolg von Flicks Art des Gegenpressings hängt ja maßgeblich von dem Vermögen aller Spieler in allen Mannschaftsteilen ab, sich jederzeit untereinander in perfekter Koordination zu befinden. Meiner Beobachtung nach haben dabei in der zweiten Saison hin und wieder auch die Verteidiger geschlampt, Boateng zum Beispiel. Ob das nur eine Folgewirkung der Versäumnisse weiter vorne im ZM war, kann ich nicht beurteilen, dazu müsste ich mir das Material noch einmal genauer ansehen. Völlig abwegig finde ich deine These aber auf den ersten Blick nicht.

Bist du sicher, dass deine Torstatistiken stimmen? 25:16 Tore bei Kovačs Ende und immer noch 16 Gegentore nach dem Ende der ersten Saison unter Flick? Das kann doch nicht stimmen, die Bayern haben doch mindestens bei den Niederlagen gegen Gladbach und Leverkusen Gegentore bekommen.

@Alex
Die Gesamtsaison 19/20 lautet
100:32 Tore 82 Punkte
Das Team hat in 24 Spielen unter Flick genauso viele Gegentore bekommen wie in 10 Spielen unter Kovac.
Nur kann man ja mMn nur die Periode Flick 19/20 mit der Saison 20/21 vergleichen und nicht die gesamte Saison.

@918: Danke, ich habe dich einfach missverstanden.

1 „Gefällt mir“

Ich fand es enttäuschend. Von 90 Minuten waren vielleicht 5 davon interessant. Vielleicht geht es nur dem Bayernfan so, der sich sowieso über sein Team auf dem laufenden hält und für den wenig neues dabei war.
Aber zum Beispiel Leipzig in der Art aufbereitet würde ich mir nie über 90 Minuten geben.