4:2 in Wolfsburg, erster Bundesligasieg für die Bayern im neuen Jahr

@solari: Davon gehe ich ganz stark aus. Und das ist im Prinzip ja auch vernünftig. Wenn das Ziel ist, so viele Spiele wie möglich zu gewinnen, ist der Logik, den eigenen Spielansatz hinsichtlich größtmöglicher Gewinnwahrscheinlichkeit zu optimieren, rational ja nur schlecht zu widersprechen.

Nagelsmann ist in meinen Augen durch und durch ein „Fußball-Wissenschaftler“ und ich bin mir sicher, dass das statistische Denken, das Denken in Wahrscheinlichkeiten, das Denken in Modellen und Optimierungsproblemen genau sein Zugang zum Spiel ist.

Ich halte diesen Ansatz, wie gesagt, für hoch vernünftig, wenn man denn in seinen (Gedanken-)modellen, die einem das Spiel strukturell und prozessual abbilden, alle relevanten Parameter erfasst hat, so dass man sie sinnvoll auf eine Maximierung der Gewinnwahrscheinlichkeit hin optimieren kann.

Bei Modellen eines bestimmten weltlichen Sachverhalts besteht immer ein trade-off zwischen Detaillierungsgrad und Facettenreichtum auf der einen und Praktikabilität in der Anwendung und Allgemeingültigkeit der Aussagen auf der anderen Seite.

Ich glaube, auf einem ganz abstrakten high-level-Niveau kommt Nagelsmanns modellierte Idealvorstellung von einem Fußballspiel dem, was wir hier bereits seit Wochen unter dem Label „Zentrumsfokus“ diskutieren, schon ziemlich nahe. Der Zentrumsfokus bietet einen ziemlich guten Kompromiss aus Energieeffizienz, Raumabdeckung und Spielkontrolle in jeder Phase des Spiels. (Warum ich das glaube, Details mit Grafiken hier.) Wenn man ihn gewissenhaft und ideengetreu umsetzt, dürfte er dem theoretischen Ideal eines gewinnwahrscheinlichkeitsmaximalen Spielansatzes schon ziemlich nahe kommen und ich glaube, dass Nagelsmann genau in solchen Kategorien denkt und dass dies der Grund dafür ist, warum er das Spiel grundsätzlich vom Zentrum her denkt und plant.

Ich kann Eure Einwände, die Ihr mir gerade gedanklich entgegenschleudert, quasi schon von meinem geistigen Auge lesen und natürlich kann der Zentrumsfokus als abstraktes, handlungsleitendes Prinzip nur die Ausgangsbasis für die konkrete Spielplanung in der Spieltagswoche sein, in der Nagelsmann selbstverständlich noch eine ganze Reihe weiterer, tagesaktueller Parameter wie z. B. die körperlichen Fitness seiner Spieler, die ja täglich mit diversen Trackern und Metriken auf einer ganzen Bandbreite von Parametern im Training erfasst wird, in seine Überlegungen einbezieht.

Bei diesem stets neu vorzunehmenden Verfeinerungs- und Adaptionsprozess den bestmöglichen Kompromiss zu finden zwischen Prinzipientreue (Zentrumsfokus), gar nicht mal so sehr aus ideologischer Starrköpfigkeit heraus, sondern aus Gründen zwingender statistischer Plausibilität, und situationsgebotener Anpassung an tagesaktuelle Umstände wie Spielerverfügbarkeit, Formkurve, Fitness, Gegner, Spieltagskalender usw., erkennend, in welchem Maße sie seine Modellannahmen und Wahrscheinlichkeiten wie beeinflussen, ist die große Kunst, die Nagelsmann vollbringen muss.

Ich glaube, rein auf der taktischen Ebene dürfte Nagelsmann sich bei diesem wöchentlichen Anpassungsprozess nicht vor unüberwindbare Probleme gestellt sehen. Ich glaube, das schüttelt er aus der Hand, er hat ein taktisches Verständnis, dass das der meisten anderen Trainer übertreffen dürfte. Ich glaube, in welchem Bereich Nagelsmann momentan für seine Verhältnisse noch vergleichsweise viel Verbesserungspotential hat, ist in der Beherrschung der „soften“ Faktoren des Trainerdaseins auf der Beziehungs- und Kommunikationsebene, wie etwa einem intuitiven Verständnis für den richtigen Umgang mit einem Spieler in einer bestimmten Situation, dem Gespür dafür, was man als Trainer wann wo zu wem wie sagt, welche Zeichen und Symbole man setzt und dergleichen mehr. Diese Faktoren kann man nicht so schön modellieren und auf einer Skala abtragen wie Fitnesswerte oder die Zahl der intensiven Läufe, aber sie beeinflussen die tagesaktuelle Leistung der Spieler ebenfalls und wären damit prinzipiell für Nagelsmann planungsrelevant. Außerdem hätte er hier die Chance, durch klugen Umgang mit seinen Spielern neben den 90% Leistung durch physische Fitness im Training auch noch die letzten 10% durch „psychische Fitness“ infolge zufriedener Spieler mit guter Stimmung freizusetzen.

Ich glaube allerdings nicht, dass diese „soften“ Defizite Nagelsmanns unheilbar sind. Für manche davon, wie vielleicht einen möglichen Standing-Nachteil in der Kabine wegen fehlender Erfahrung und Titel, kann er schlicht nichts, andere lassen sich mit der Zeit erwerben und perfektionieren. Auch gute Kommunikation mit Spielern und über Spieler (z. B. gegenüber der Presse) ist keine Frage der Persönlichkeit, die Fähigkeit dazu ist nicht vererbt oder gottgegeben und Nagelsmann hätte nicht genug davon abbekommen, sondern sie ist eine erworbene Fähigkeit und ihre Perfektion eine Frage der Übung.

Das dürfte Nagelsmann sehr entgegenkommen. Denn er ist ja ein sehr schneller und begieriger Lerner. Seine Neugier, seine Wissbegier, seine Offenheit für Neues, seine Experimentierfreudigkeit sind vielleicht seine größten natürlichen Assets, die ihn von vielen anderen Trainern, die mit weniger zufrieden sind oder Nagelsmanns natürlichen Drive nicht mitbringen, absetzen. Auf vielen Ebenen, zuvorderst der taktisch-technischen, ist Nagelsmann Trainern wie Ancelotti, Mourinho, wahrscheinlich 90% aller Trainer überhaupt schon jetzt um einiges voraus, der Rest kommt mit Übung, Erfahrung und Alter. Nagelsmann hat definitiv das Potential, in 20 Jahren der dann beste aktive Trainer im europäischen Profifußball zu sein, vielleicht dann sogar gerade während seiner zweiten Amtszeit bei den Bayern. :slightly_smiling_face:

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Damit reihst Du Dich in die Riege derer ein, die stillschweigend unterstellen, der „Chaos-Fußball“ sei die Wunschvorstellung von Nagelsmann.
Das trifft aber doch nicht zu. Seine berühmten „Prinzipien“ beinhalten Ballkontrolle in allen Situationen, auch schon bei der Balleroberung; Ballbesitzspiel ist ein zentrales Element, aber nicht als Selbstzweck, sondern ganz im Sinne Guardiolas als Mittel, den Gegner aus seiner Ordnung zu locken, um dann schnell und direkt in die gefährliche Zone vor dem Tor vorzustoßen.

Dass das im Moment nicht so klappt wie gewünscht und mal ins „U des Todes“ (Ballbesitz ohne Chancen zu kreieren), mal ins Chaotische (Spiel wogt hin und her mit vielen Chancen auf beiden Seiten) abkippt, ist mir auch klar. Aber das sind doch nicht jeweils exakte Vorgaben des Trainers, die die Mannschaft dann 1:1 umsetzt, sondern sie kriegen es halt nicht so auf den Platz wie gewünscht.
Es fallen ja auch ständig wieder Spieler aus, die sich gerade so im System eingespielt und für eine gewisse Stabilität gesorgt haben, und es kommen Neue (wie zuletzt Cancelo) hinzu.
Dazu die Verunsicherung durch die WM-Blamage, der Bohei um Neuer - es wäre ja geradezu ein Wunder, wenn da aktuell irgendwelche Spielabläufe perfekt funktionieren würden.

Um auf die Ausgangsfrage von @cheffe zurückzukommen: Klar versucht Nagelsmann, die konkrete Taktikvorgabe für ein Spiel auf den zur Verfügung stehenden Kader und den jeweiligen Gegner anzupassen - aber es ist doch ein Irrglaube, dass die Mannschaft dann 90 Minuten sklavisch die Vorgaben umsetzt (was der Gegner ja auch noch zu verhindern sucht).
Auch ein Guardiola will ja nur den individuellen Eingebungen der Spieler den optimalen Rahmen geben. Die Augenblicksentscheidungen der Spieler sind letztlich spielentscheidend. Siehe Cancelos Flanke vor dem 1:0 in Mainz.
Da kannst Du als Trainer mit Engelszungen reden, wenn die Spieler sich das gerade nicht zutrauen und lieber den Rückpass spielen (siehe Frankfurt-Spiel), kommt halt das „U des Todes“ heraus.

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Woher nimmst Du dieses Wissen über JNs Zugang / Philosophie denn? Ich würde ihn, nachdem was ich weiß, näher am alten Kloppo, bzw. an Rangnick verorten, als an Pep.

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Das ist eine, sagen wir mal, interessante Sichtweise. Sein Ingame-Coaching spricht nicht dafür, dass er besonderes taktisches Verständnis hätte. Und das Auftreten der Mannschaft in der Bundesliga auch nicht.

Bis jetzt ist Nagelsmann beim FCB jeden Beweis seiner vielleicht vorhandenen Klasse schuldig geblieben. Ich sehe absolut nichts, was nicht auch ziemlich viele andere Trainer mit diesem Kader hinbekommen hätten. Es gibt nicht einen einzigen Spieler, der sich unter ihm verbessert hat, ganz im Gegenteil. Da finde ich die Arbeit von Mikel Arteta bei Arsenal oder Erik ten Hag bei Manchester United sehr viel beeindruckender.

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Hier

(wurde kürzlich schon mal von einem anderen Forumsmitglied verlikt ) steht ein bisschen was; ich hatte vor längerer Zeit aber auch schon mal eine ausführlichere Darstellung gefunden, falls ich die wiederfinde, sag ich Bescheid wo.

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Wie oft passt man dann die Statistik wie Tore fallen, an? Über welchen Zeitraum führt man diese Statistik? Und ab wann ändert man die Herangehensweise?
Gegen Mainz und gegen Wolfsburg fielen mehr als 50% unserer Tore nach hohen Hereingaben von außen. Also müsste die Herangehensweise doch jetzt sein: Ball nach außen und dann hoch nach innen?

Da würde ich ja einfach mal den Namen Musiala in den Raum werfen.
Oder Upamecano.

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Ist Musiala unter Nagelsmann besser als unter Flick? Würde ich bezweifeln.

Und Upamecano ist nach wie vor eine sichere Bank für Fehlpässe und grobe Schnitzer, leider. Die hatte Boateng im ersten Jahr bei den Bayern auch, aber aus dem hat ein passender Trainer Weltklasse gemacht.

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Im Vergleich zu den Spielern die unter Nagelsmann gravierend schlechter spielen sind die marginalen Verbesserungen bei den beiden zu vernachlässigen.
Musiala wäre auch besser geworden wenn einer von uns beiden Trainer wäre.

Dann schau dir mal die Leistungsdaten an.

Upamecano galt als der beste Verteidiger der WM.
Das lag bestimmt nicht an den paar Trainingseinheiten mit der N11.

Diese Kaffeesatzleserei passt so gar nicht zu dir.

Eine mehr als interessante Sichtweise :grinning:
Wichtig ist auf dem Platz und da sehe ich nicht viel vom Nagelsmannschen Taktikgenie.
Vorher schlau reden, auf dem Platz nichts zeigen und hinterher genau wissen woran es gescheitert ist. Hört sich nach Kreisliga an :rofl::rofl::rofl:

Upamecano war letzte Saison aber teilweise auch so schlecht, dass man sich fragen konnte, ob da überhaupt der richtige Spieler aus Leipzig gekommen ist. Mittlerweile sehe ich ihn wieder auf dem Niveau, aufgrund dessen man ihn verpflichtet hat. Aber nicht grundsätzlich verbessert.

Musiala entwickelt sich erfreulicherweise sehr gut, das kann man von mir aus gerne Nagelsmann zuschreiben. Hängt aber sicherlich auch ein wenig mit dem Alter zusammen.

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Find ich schon.
Was der bei der WM abgeliefert hat, war eine deutliche Steigerung.

Wenn du meinst :man_shrugging:
Musialas Aufstieg kann keiner stoppen, nicht mal Nagelsmann :grinning::grinning:

Leider ist von der WM-Form wenig geblieben, aus welchen Gründen auch immer. Und bester Verteidiger der WM? Praktisch kein Sportjournalist hatte ihn in seinem All Star Team.

Nicht dein Stil.
An Dingen die schlecht laufen, ist Nagelsmann schuld.
Für Dinge die gut laufen, kann er nichts.

Das ist 918-Niveau, von dem du dich normalerweise angenehm abhebst.

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Ich habe immer noch Hoffnung dass das mit Nagelsmann was wird, aber solche Lobeshymnen für das was er bisher hier abgeliefert hat.
Puuuuuuuhhhhh.
Entweder man ist blind vor Liebe für ihn oder man wird dafür bezahlt.

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Ändert nichts daran, dass Upamecano einer der Spieler ist, der deine These widerlegt.

Du hast die smileys übersehen. Ich hätte einen zwinkern lassen sollen :wink::grinning: