Wenn man mittels der Abschaffung von 50+1 erreichen will, dass die Bundesligavereine im Durchschnitt besser gemanagt werden, ist es meines Erachtens ein untaugliches Mittel bzw. wäre niemals meine erste Wahl. Es gibt in Frankreich, England Italien, Belgien und anderen Ligen genügend Beispiele für Vereine, die komplett investoren- bzw. gönnerfinanziert sind und trotzdem enorm schlecht gemanagt. Und es gibt in Deutschland genügend Beispiele für Vereine, die 50+1 gehorchen und trotzdem gut gemanagt sind.
Allerdings gilt auch, dass, wenn ein Verein gut gemanagt ist und zeitgleich Zugriff auf unbegrenzte Ressourcen hat, er sich dann vielleicht einen signifikanten Wettbewerbsvorteil erarbeiten kann. (Auch wenn man unter Geltung gewisser Prämissen zeigen kann, dass, wenn man die Bundesliga als rationales Spiel konzeptionalisiert, in dem alle Vereine gut gemanagt sind und gewinnorientiert arbeiten und theoretisch Zugriff auf unbegrenzt viel finanzielle Mittel haben, zwar am Ende ein offener Wettbewerb entstehen kann, in dem jeder Verein jedes Jahr theoretisch Meister werden könnte (und übrigens auch absteigen), aber kein Verein mehr Gewinn abwerfen würde - was gewinnorientierte Investoren von vornherein abschrecken würde…)
Aber das ist kalte Theorie, in der Praxis wird es natürlich nicht dazu kommen, dass alle 18 Bundesligavereine gleichzeitig auf einen Schlag von je einem Investor mit unbegrenzten Ressourcen übernommen werden, der als erste Amtshandlung ein perfektes Management bei sich installiert. Also kann es in der Praxis schon dazu kommen, dass sich, etwa wie in England, nach der Abschaffung von 50+1 zumindest eine kleine Gruppe von erfolgreichen Vereinen herausbildet, die untereinander hinreichend ausgeglichen stark sind, um sich mit dem Gewinn der Meisterschaft häufiger abzuwechseln. (Es ist übrigens kein Zufall, dass dies in England immer knapp sechs Vereine sind und nicht mehr, denn diese ernsthaften Meisterschaftsaspiranten sind auf häufige Champions-League-Teilnahmen angewiesen, um das Ausgabeverhalten, dass es ihnen ermöglicht, jedes Jahr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Meister zu werden, finanzieren zu können. Die Einnahmenmöglichkeiten ermöglichen also strukturell nicht mehr als vier oder fünf ernsthafte Meisterschaftskandidaten parallel.)
Wenn man die Situation in England der in Deutschland vorzieht, dann wäre (in einer nicht-theoretischen, wirklichen Welt ) die Abschaffung von 50+1 tatsächlich eine Möglichkeit, zumindest den Meisterschaftskampf etwas aufzulockern und den Aufwuchs schlagkräftiger Konkurrenz für die Bayern zu befördern.
Aber das eigentliche Problem bei der Abschaffung von 50+1 ist ja ein ganz anderes. In jedem Verein gibt es zahlreiche Anspruchsgruppen, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Konkret mit Blick auf 50+1 gibt es einen fundamentalen Zielkonflikt zwischen einem Investor, für den der Verein ein Vehikel ist, um damit Geld zu verdienen - oder im Falle eines vanity investors, um sich in seinem sportlichen Erfolg zu sonnen -, und den Fans bzw. in Deutschland in nochmal verstärktem Maße den Mitgliedern. Es gibt ganz viele traditionelle Fans wie @folkfriend, für die der Verein mehr ist als nur ein fetter, schwarzer Profit im Jahresabschluss oder ein Instrument zur Generierung von Sozialkapital für einen Mäzen. Diese Fans leben und atmen für ihren Verein, verbinden teilweise ganze Familiengeschichten mit ihm, gehen in einem seiner Abteilungen selbst zum Sport, haben sich schon als Kind Poster von Spielern an die Wand geheftet, verehren seine Heroen, und sind wochenlang zu Tode betrübt, wenn der Verein das wichtigste Derby der Saison verloren hat. Für diese Fans ist die Bewahrung von 50+1 auch eine Bewahrung ihrer eigenen Identität und der Sicherheit, ein wichtiges identitätsstiftendes Definiens ihres Lebens nicht zu verlieren.
Die Herkunft der Bundesligavereine in Deutschland als - ja - Vereine mit echten Mitgliedern und tiefen Wurzeln in der deutschen Vereinskultur, langer individueller Historie und all dem sozialen Gepäck, das damit zusammenhängt, ist ein elementares konstitutives Merkmal dieser Bundesligavereine.
Ich glaube, viele, die wie du @918 beim Gedanken an die Abschaffung von 50+1 primär an besseres Management und bessere Chancen für die Bayern in Europa sowie möglicherweise eine etwas offenere und international attraktivere Bundesliga denken, tendieren dazu, diesen Aspekt zu übersehen oder in seiner Bedeutung für ganz viele andere Fans unterzubewerten. Das sollte man aber wahrscheinlich nicht. Fußballvereine sind keine gewöhnlichen, anonymen, gewinnorientierten Unternehmen an irgendeinem x-beliebigen Markt, sie sind mit viel identitätsstiftender Bedeutung aufgeladene soziale Konstrukte mit langer Historie und viel sozialem Ballast. Ich kann zumindest nachvollziehen, dass viele ihrer Mitglieder der Vorstellung, durch die Abschaffung von 50+1 symbolisch quasi endgültig das Sagen im eigenen Haus unter den Füßen weggezogen zu bekommen und einer zahlengetriebenen, unsicheren, kalten Zukunft entgegenzusehen, kritisch bis robust ablehnend gegenüberstehen.
Diese Fans würden sich vielleicht kaufen lassen, wenn die Abschaffung von 50+1 die Garantie für gutes Management, gute Leistungen, spektakuläre Spieler und permanenten sportlichen Erfolg wäre, aber das ist sie nicht. Deshalb werden sie sich auch durch noch so viele Argumente von besserem Management und mehr Wettbewerb nicht vom Gegenteil überzeugen lassen. Deine Mühen sind, so fürchte ich, zum Scheitern verurteilt.