Lieber @Johan, willkommen hier im Forum. Wir freuen uns immer über neue Kommentatoren. Du stellst eine gute Frage, auf die ich auch keine konkrete Antwort habe, zu der ich aber sozusagen offiziell als Vertreter des MSR-Blogs auch meinen Senf geben möchte.
Zunächst möchte ich aber ein Missverständnis aufklären: Wie @anon54756526 schreibt, benötigt man für manche Aktionen, wie etwa eine Satzungsänderung, laut Gesetz sowohl bei Vereinen als auch Aktiengesellschaften standardmäßig eine Dreiviertelmehrheit. Für Vereine ist dies in § 33 BGB geregelt, für Aktiengesellschaften in § 179 AktG.
Allerdings bezieht sich zum einen dieses Dreiviertel-Erfordernis in der gesetzlichen Standardfassung auf drei Viertel der bei der MV/JHV anwesenden Mitglieder/Aktionäre und nicht aller Mitglieder bzw. Aktionäre insgesamt; und zum zweiten kann sowohl beim Verein als auch der Aktiengesellschaft satzungsmäßig sowohl von dem Dreiviertel-Erfordernis als auch der Bestimmung des Quorums abgewichen werden. Man kann also beispielsweise in der Satzung festlegen, dass eine Satzungsänderung nur mit der Zustimmung von zwei Drittel (oder der Hälfte oder, oder) der anwesenden (oder aller Mitglieder) erfolgen kann.
@anon54756526 und Du gehen, wahrscheinlich versehentlich, fälschlicherweise davon aus, dass es bei den 5% Veräußerungsspielraum um Anteile am e. V. geht. Dies ist nicht der Fall. Die Satzung des FC Bayern München e. V. sieht vor, dass eine Änderung der Vereinssatzung mit Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder durchgeführt werden kann. Es ist hier also vollkommen unerheblich, welche Anteile in wessen Besitz sind. Solange drei Viertel der auf der MV anwesenden Vereinsmitglieder für eine Satzungsänderung stimmen, kann diese auch beschlossen werden.
Worum es hier aber geht, sind 5 % der Anteile des Vereins an der AG. Denn sofern die Satzung der AG, die mir leider nicht vorliegt, kein anderes Quorum bestimmt, bedarf eine Satzungsänderung dieser AG-Satzung der Zustimmung von mindestens drei Vierteln der auf der JHV der AG vertretenen Kapitalanteile. Wenn der e. V. nun weniger als 75% dieser Anteile an der AG hält, kann er nicht mehr eigenmächtig ohne der Zustimmung weiterer Kapitalanteile zu bedürfen bei der JHV Satzungsänderungen an der Satzung der AG beschießen. Dieses Szenario ist genau das, was die Katar-Antragsteller mit ihrem Satzungsänderungsantrag (dem Ergänzungsantrag) verhindern wollten.
Ich hoffe, ich konnte damit die offenkundig hier bei manchen entstandene Konfusion zwischen Anteilen an der AG und Anteilen am e. V. und was das mit den 75% zu tun hat etwas aufklären.
Nun zu deiner eigentlichen Frage: Ein wirklich dringender und wichtiger Grund, warum die Offiziellen des FC Bayern auf der MV so stark und nachdringlich dafür geworben haben, ihnen doch bitte den Spielraum der Veräußerung von weiteren 5% Anteilen an der AG zu lassen - ich teile deinen Eindruck diesbezüglich vollkommen - fällt mir leider auch nicht ein. Der FC Bayern hat keinerlei langfristige Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten (vulgo Schulden) und auch trotz der Pandemie eine immer noch relativ gute gefüllte Kasse. Sollte es dennoch einmal finanziell eng werden, könnte sich der FC Bayern völlig problemlos jederzeit von einer Bank seiner Wahl 100 oder 200 oder auch 300 Millionen Euro leihen, jede Bank dieser Welt würde ihm dies in Anbetracht des wegen des Vereinsvermögens und der gesunden Geschäftsstruktur quasi nicht existenten Kreditrisikos jederzeit ohne mit der Wimper zu zucken bewilligen. Liquiditätsprobleme hat der Club also keine.
Laut der Vereinsbewertung von Forbes hat der FC Bayern aktuell einen Marktwert von ca. vier Milliarden Euro. 5% der Anteile an der AG entsprächen demnach also ungefähr 200 Millionen Euro. Das ist selbst für Fußballvereine eine Menge Geld, mit der der FC Bayern seinen Geschäftsbetrieb auch unter Berücksichtigung der pandemiebedingten Einnahmenverluste noch eine ganze Weile aufrechterhalten könnte. Ich könnte mir also vorstellen, dass sich der FC Bayern die Möglichkeit, diesen Puffer zu aktivieren, sozusagen als Notnagel für eine Zeit bewahren möchte, in der es wirklich hart auf hart kommt, die Pandemie länger dauert als erwartet oder sonstige plötzliche Umstände die Verfügbarkeit schnellen Geldes notwendig machen, ohne in diesem Fall dann gleich zu einer Bank rennen und einen Kredit aufnehmen zu müssen und damit das seit jeher so hochgehaltene und stolze Prinzip der absoluten Schuldenfreiheit ein für alle Mal über Bord werfen zu müssen.