Zukunft von und mit 50+1

@918: Du argumentierst ja bei deiner Argumentation gegen 50+1 und für das Potential von Investoren im Fußball immer rein wettbewerbsorientiert und ökonomisch, losgelöst davon, was ein solcher Schritt in anderen Hinsichten für die Vereine und die Liga bedeuten könnte (Tradition, Verankerung in der Gesellschaft, Akzeptanz bei den Fans usw.). Dein Argument ist ganz pointiert: Mehr Investoren → mehr Wettbewerb.

Aber selbst auf dieser Ebene hat deine Argumentation ein logisches Problem: Es kann niemals eine Bundesliga geben, in der gleichzeitig Investoren Geld verdienen können UND in der ein ausgeglichener Wettbewerb herrscht.

Das liegt daran, dass die Bundesliga immer genau 18 Startplätze hat. Das heißt, dass es selbst in einer Welt, in der jeder einzelne Verein über einen Investor Milliarden von Euro in Spieler und technische Anlagen investieren kann, am Ende der Saison immer drei Absteiger geben wird und 14 Vereine, die die Champions League nicht erreichen. Unter den folgenden vier sinnvollen Prämissen, dass

A) der sportliche Wettbewerb in der Bundesliga desto offener ist, je ähnlicher die finanziellen Möglichkeiten der beteiligten Vereine sind;

B) ein Investor mit seinem Investment am Ende immer eine positive Rendite erzielen möchte (im Unterschied etwa zu einem Mäzen oder Patron);

C) wirtschaftlicher Erfolg mittelbar (Markenstärke) und unmittelbar (CL-Platz, TV-Gelder …) über sportlichen Erfolg generiert wird; und

D) sportlicher Erfolg im Gegenzug mit der Höhe der Investitionen in den Kader und die sportlichen Rahmenbedingungen im Verein positiv korreliert,

mündet dies in letzter logischer Konsequenz in einen Zustand, in dem es zwar einen offenen Wettbewerb gibt, aber keinen Verein mehr, der Geld verdient.

Denn unter diesen Bedingungen ist es für jeden einzelnen Verein subjektiv rational, stets mindestens genauso viel Geld in seinen zukünftigen sportlichen Erfolg zu investieren wie der Verein, dessen Position er einnehmen möchte (Prämisse D). Beispielsweise muss jeder Verein, der nicht absteigen möchte, immer mindestens genauso viel in seinen sportlichen Erfolg zu investieren wie der erste Nichtabsteiger, um nicht kurz- bis mittelfristig selbst zu den Absteigern zu gehören. An der Tabellenspitze muss jeder Verein, der irgendwann einmal Meister werden möchte, immer mindestens genauso so viel investieren wie der gegenwärtige Meister, um eine realistische Chance zu haben, ihn kurz- bis mittelfristig von seiner Position zu verdrängen. Gleichzeitig ist es für jeden Verein, der seine aktuelle Position behaupten möchte, zB den Meister und den ersten Nichtabsteiger, seinerseits rational, stets mindestens genauso viel Geld in seinen zukünftigen sportlichen Erfolg zu investieren, wie er gerade noch so über den damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolg generieren kann (höhere TV-Einnahmen, höherer Absatz von Merchandise, CL-Platz, Nichtabstieg, …), um die Chance zu maximieren, seine aktuelle Position zu behaupten ohne dabei Geld zu verlieren (Prämisse B).

Das heißt also, dass jeder Verein mit seinen Ausgaben und Einnahmen stets bestenfalls bei einer schwarzen Null herauskommt, nur um seine aktuelle Position zu verteidigen. Wenn du nun noch die Bedingung einführst, dass die Bundesliga ein wirklich offener Wettbewerb sein soll, in dem theoretisch jeder Verein Meister werden - oder auch absteigen - kann (das ist ja dein erklärtes Ziel hinter der Abschaffung von 50+1; plus Prämissen A und C), heißt das in logischer Konsequenz, dass jeder Verein immer mindestens so viel Geld in seinen sportlichen Erfolg investieren muss wie der Ligaprimus (um ihn perspektivisch überholen zu können) und dieser immer so viel, wie er operativ gerade eben noch verdienen kann (um seine Spritzenposition zu behaupten ohne dabei Geld zu verlieren).

Selbst wenn man das Ziel eines offenen Wettbewerbs opferte, würde diese Logik in letzter Konsequenz dazu führen, dass sich kein Gleichgewicht einstellt, in dem es sich irgendein Verein leisten kann, weniger zu investieren als der aktuelle Ligaprimus, nur allein um die Liga zu halten. Denn der aktuell 18., 17. und 16. in der Tabelle müssen zukünftig mindestens genauso viel investieren wie der 15., um selber der 15. zu werden und nicht abzusteigen, während der 15., 14., und 13. wiederum die drei Vereine vor ihnen verdrängen müssen, um sicher zu sein, nicht zu den drei Vereinen zu gehören, die von den (gegenwärtigen) 18., 17. und 16. verdrängt werden usw. bis hinauf zum Tabellenersten.

Somit landet man in der Theorie in einem Gleichgewicht, in dem alle Vereine gleich viel Geld investieren, aber nur der sportlich erfolgreichste Verein gerade noch so eine schwarze Null schreibt, während alle anderen Geld verlieren. In der Praxis wird es aber mit Sicherheit so sein, dass auch der wirtschaftlich erfolgreichste Verein rote Zahlen schreibt, weil er in der Vergangenheit mehr in den sportlichen Erfolg investiert hat, als er in der Lage war darüber wieder einzunehmen, um überhaupt in diese Position zu kommen (sprich den theoretischen Schwarzen-Null-Meister der Vorsaison zu überholen). In der Ökonomie nennt man so eine Situation „Rattenrennen“ („rat race“). Alle Konkurrenten in einem Wettbewerb investieren unter dem Strich mehr, als sie in der Lage sind über diese Investitionen wieder einzunehmen, in dem verzweifelten Versuch sich den anderen gegenüber einen Vorteil zu verschaffen. Dieses Rattenrennen in der Bundesliga hängt zentral mit der Besonderheit dieses Formats zusammen, dass dort eine begrenzte Anzahl an Plätzen auf eine potentiell unbegrenzte Anzahl an Wettbewerbern um diese Plätze trifft.

Fazit: Selbst - bzw. gerade - in einer Welt, in der private Investoren unbegrenzt in die Bundesligavereine investieren dürfen, einer Welt ohne 50+1, gibt es langfristig keinen theoretisch denkbaren Zustand, in dem diese Investoren sowohl einen Profit erwirtschaften können, als auch ein offener sportlicher Wettbewerb mit gleichen Chancen für alle besteht.

So, das war jetzt eine rein logische Argumentation gegen die Abschaffung von 50+1, die sich ausschließlich in den von dir angeführten Kategorien bewegt, bei der ich bewusst alle außerökonomischen Aspekte wie Bedeutung für die Fans usw. außen vor gelassen habe. Ich hoffe, du kannst mir folgen und ich hoffe, du musst mir zustimmen.:wink: Ich freue mich schon auf deinen und euren Widerspruch.

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