Vincent Kompany vs. Thomas Tuchel: Was hat der Trainerwechsel dem FC Bayern gebracht?

Ich möchte noch ein paar persönliche Anmerkungen zur Tuchel vs. Kompany-Frage anfügen:
Mit @BayernExpat gesprochen:

Ich mag einfach seine Art, sich nie (!) dazu verleiten zu lassen, einzelne Spieler oder Mannschaftsteile anzugreifen. In meiner Wahrnehmung stellt er sich wie ein riesiger Brummbär vor die geifernde Meute und lässt alles Negative einfach abperlen. Und dabei beschützt er SEIN Team wie eine Löwin ihre Jungen. Bei Kompany bleibt alles in der Kabine: „Erste Regel in meiner Kabine - man redet nicht über meine Kabine.“ DAS ist in meinen Augen ganz großes Kino. Und ein Riesen-Unterschied zu so manchem Vorgänger. Es ist kein Wunder, dass Spieler wie Kimmich oder Upa unter ihm stabil wurden und aufblühten.

Dann hat der Kerl immer eine Aura, als ob man mit ihm bei Omma auffen Käffchen sitzt. Unmöglich, den unangenehm zu finden. Ich mag diese Energie einfach 1000mal mehr als den Blick eines Herrn Tuchel, den mit stechend zu beschreiben schon fast höflich wäre ( siehe @BayernExpat „eher Diktator“).
Und ich glaube stark, dass diese Energie sich auf SEIN Team überträgt.
Er lässt sich nie verleiten, auch nur eine Spur von Ratlosigkeit oder Pessimismus zu zeigen: egal, wie heftig die Einschläge kommen. „Das nächste Spiel ist das einzige, was zählt. Darauf ist unser ganzer Fokus. Und das werden wir mit unserem Kader optimal angehen.“ Und aus die Nörgel-Maus.

Bei Kompany ist nie der Schiri schuld, nicht der Platz, der Ball, das Wetter, das Flutlicht.
Der Kerl liebt Fußball und findet alles, was damit zu tun hat, großartig.

Was war das Fazit von VK unmittelbar nach San Siro: „Wir wollen in einem Monat die deutsche Meisterschaft gewinnen. Wir wollen in zwei Monaten zur Klub-WM und gewinnen. Und wir haben in vier Monaten schon wieder das erste Champions-League-Spiel und dann wollen wir die Champions League gewinnen.“
Geht’s besser, geht’s großartiger?

Und bei all dem wirkt der Kerl null anmaßend, null selbstverliebt, null narzisstisch. Ein bescheidener, höflicher, freundlicher, dabei aufmerksamer und glasklarer Mensch. Und dem nimmt man das auch ab.

Ich mag einfach das, was das neue Triumphirat Kompany, Eberl und Freund als neues Bayern-Image transportiert. Die Zeiten von Pöbel-Bayern sind Vergangenheit (solange wir die drei nicht rausschmeissen). Die drei brauchen keine Schwanzvergleiche mit Leverkusen oder Dortmund - und lassen sich auch nie dazu verleiten. „Wir konzentrieren uns darauf, unser Spiel zu machen.“ Das ist das Credo.
Und das ist gelebtes MiaSanMia - nicht gepredigtes. Die drei strahlen das gemeinsam aus. Die haben’s nicht nötig, das ständig allen unter die Nase zu reiben. Wenn die drei vor die Mikros treten, happich keine Angst mehr, was jetzt schon wieder schlimmes passiert…

Naja. Der Rest ist simpel.
Seitdem Kompany coacht, macht mir FCB-kucken wieder Spaß. Das ist -wenn die meisten an Bord sind- spannender, zumeist herzerfrischender und actionreicher Sport. Da ist wieder Musik inner Kiste.
Kaum wurde Alonso den Leistungsabfall vorgeworfen, als Wirtz verletzt war.
Aber Bayern ohne Upa, Musiala, Pavlovic, Davies - da hat sich Kompany vercoacht.

Ich bin ein erklärter Anhänger des hohen und aggressiven (Gegen)Pressings, gar nicht so sehr ein Verfechter von 80% Ballbesitz - Peps Tiki-Taka war nett anzusehen, aber bisweilen fast Selbstzweck. Kompany tritt bisweilen in diese Fußstapfen - und immer dann verliert die Dampflok Bayern an Dynamik und Durchschlagkraft. Wenn Bayern den Handball-Kreisel eröffnet, dann wird’s oft etwas phantasie- resp. ratlos.
Verbesserungswürdig finde ich das Umschaltspiel aus der Abwehr heraus, das geht mir oft zu langsam, zu behäbig. Kontergefährlicher zu werden, halte ich für ein wichtiges Topic.

Na, und der VK-Stab muss sich was in puncto „kühlen Kopf bewahren“ überlegen.
Aber bittebitte nicht den erfrischenden Offensiv-Hurra-Fussball auf dem Altar vermeintlicher Defensiv-Absicherung opfern.
Jupp-Derwall-Spiele hatte ich genug in meinem Leben.

Andere Trainertypen? Mourinho? Diego Simeone? Und Co? Sind urige Typen, sicher unterhaltsam - und vor allem völlig anders.
„Entscheidend is auf‘m Platz!“
Ich finds klasse, dass wir einen gefunden haben, der Offensivfußball ohne großes Geschrei coacht.
Und bin sicher, dass er damit in seinem ersten.Jahr in München bereits Deutscher Meister wird.
Mögen diesem Jahr noch viele folgen!

PS: was Mailand unter Inzaghi stark gemacht hat, ist eine jahrelange kontinuierliche Entwicklung. Ancelotti hat mit Real 3x die CL geholt (okay, irgendwann is auch die längste Erfolgsserie am Ende - so wie in München in der letzten Saison!)
Kontinuität, Leute - damit kommt man an die Spitze in Europa.

20 „Gefällt mir“