[Trainer] Thomas Tuchel (bis 30.06.2024) (Teil 1)

Man muss das natürlich im Kontext dessen betrachten, was auf dem Platz passiert: Seit der Länderspielpause setzt man viel weniger auf Positionsspiel und Dominanz im Ballbesitz, sondern viel mehr darauf, die vier offensiven irgendwie an den Ball zu bekommen.

Dazu passen auch wunderbar Tuchels Aussagen, dass man sich nicht so sehr auf die Schwäche in der Defensive konzentrieren, sondern lieber auf die Stärken in der Offensive fokussieren möchte.

Er sagt auch ziemlich klar, dass das nicht nur ein Thema bei den Abwehrspielern ist, sondern dass sich das durch den ganzen Kader zieht. MIt einem neuen Außenverteidiger und einem 6er alleine ist es demnach wohl auch nicht getan. Er hat schon klar betont, dass die Mannschaft im Gesamten defensiv nicht gut ist und nur nach vorne spielen will. Ich finde, da hat er seine Spieler schon ordentlich geroastet.

@Gut_Kick: Ich habe mal eine Frage an Dich: Ist die Offensive der Bayern nicht schlicht zu gut besetzt, um nicht mit einer massiven offensiven Schlagseite spielen zu lassen? Macht Tuchel mit seiner Betonung des Offensivspiels also nicht einfach nur etwas sehr Naheliegendes?

Und war diese massive offensive Schlagseite nicht auch schon ein wichtiges Movens in der Spielsystem-Wahl von Nagelsmann und Flick, deren Ansätze idealtypisch den Gegner niemals aus seiner eigenen Hälfte hätte herauskommen sehen?

Ich versuche gerade nur, die sehr offensive Spielweise der Bayern als ein logisch naheliegendes Ergebnis der Kaderstruktur, die seit den 2010er Jahren beabsichtigt zunehmend offensivbetont ist, zu interpretieren und damit gleichzeitig sozusagen als „strukturkdeterminiert“ zu rechtfertigen. Man könnte sagen: Die Trainer - einschließlich Tuchel - machen gerade das Passendste, was sie machen können. Liege ich falsch? Sehe ich das zu simplistisch?

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Denke er macht/will beides. Die Stärken nutzen und an den Schwächen arbeiten, es bleibt ja auch nichts anderes übrig, der Kader ist der Kader. Bezüglich Automatismen und den defensiven Schwächen war er ja ziemlich optimistisch, dass sich das in Laufe der Saison verbessern wird, man sei noch relativ früh in der Saison.

Tuchel spricht die Dinge nüchtern und sachlich an, er versucht sie nicht schön oder weg zu reden, was ja auch sowieso Blödsinn wäre, da für alle offensichtlich.

Er sagt ja selbst es gibt zwei Seiten der Medaille, eine viel zu hohe xG against und gleichzeitig sehr gute Ergebnisse, viele Tore und Chancen.

Work in progress würde ich das nennen.

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Als „Roast“ habe ich die Aussagen von Tuchel nicht wahrgenommen. Das war schlicht eine Bestandsaufnahme des Kaders. Bayern hat 5 Außenverteidiger (Davies, Guerreiro, Krätzig, Mazraoui und Sarr) im Kader. Jeder davon ist ein offensiver Spielertyp. Letztes Jahr hatte man mit Pavard und Stanisic zumindest noch zwei Außenverteidiger, die ihr Hauptaugenmerk auf die Defensive gelegt haben. Im Mittelfeld fehlt schon deutlich länger ein Spieler, der sich über seine Defensivstärke definiert.

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Die Fragen sind natürlich mit einem eindeutigen „Ja“ zu beantworten.

Dieser Ansatz hat aber ein paar Haken, weil er zu einseitig ist: Man kann so zwar relativ einfach das durchschnittliche Bundesligaspiel gewinnen, weil man individuell besser ist, aber in den Top-Spielen in der CL haben die Gegner auch starke offensiv Spieler - manche sogar bessere. Real Madrid beeindruckt man nicht durch individuelle Qualität.
Außerdem führt dieser Ansatz bekanntermaßen gerne mal zu starken Leistungsschwankungen und spontanen Einbrüchen, wie wir sie unter Nagelsmann und Flick öfters mal sehen durften. Auch in dieser Saison gab es schon so ein paar Spiele, wenn auch nicht mehr in dem krassen Ausmaß wie vorher.
Des Weiteren hat man dadurch eine sehr große Achillessehne: Pressing des Gegners. Sobald der Gegner richtig aggressiv drauf geht, gerät die Mannschaft komplett ins schwimmen, weil kaum jemand da ist, der mal den Ball unter Druck ruhig halten kann (siehe Leipzig, Leverkusen, Galatasaray).

Die Hoffnung beim Trainerwechsel bestand bei vielen (auch bei mir) darin, dass sich genau diese extreme Einseitigkeit ändert, dass man wieder mehr Kontrolle und Ruhe hat, dass man Spiele auch mal über die Defensive gewinnen kann. Schaut man sich Tuchels Historie an, ist diese Hoffnung auch mehr als plausibel.
Jetzt ändert Tuchel aber nach einem halben Jahr sein Konzept und lässt die Mannschaft wieder deutlich mehr wie letztes Jahr spielen. Seit der Länderspielpause gibt es weniger Kontrolle, weniger defensive Stabilität, aber dafür sehr viele schnelle, lange Bälle nach vorne und dann gucken wir mal, was draus wird. Er setzt sich in die PK und sagt im Grunde, dass die Mannschaft es anders nicht kann.

Natürlich ist es aus Sicht Tuchels legitim, es dann auch so zu spielen, wenn das der optimale Weg für den aktuellen Kader ist. Aber dann hätte man halt auch bei Nagelsmann bleiben und sich das ganze Theater im Frühling komplett sparen können. Bis auf stabilere Ergebnisse gegen kleinere Bundesligateams ist durch den Wechsel bisher leider nicht viel bei rum gekommen.

Wenn man sich seine Aussagen anhört, muss man dann auch zur Schlussfolgerung kommen, dass sich das nicht einfach mit einem neuen 6er ändern wird, sondern dass der Kader ganz grundsätzlich nicht außerhalb dieses Extrems funktioniert. Wir haben nicht einen gescheiten Außenverteidiger, nur Schienenspieler. 2 der 3 IV verteidigen immer aggressiv nach vorne, können nicht mauern. Im Mittelfeld ist nicht ein pressingressistenter Spieler und die Offensiven sind sich für die Verteidigung auch meist zu Schade (letztere sollten sich vielleicht mal Generation Wembley anschauen).

Es geht hier auch gar nicht darum, dass der Kader zu offensiv eingestellt ist und ich sehe auch nicht, dass dies seit den 2010er Jahren so beabsichtigt sei. Ganz im Gegenteil: Man hat in den letzten ~10 Jahren enorme Summen in die Defensive gesteckt, weit mehr als in die Offensive. Das ist ja das durchaus paradoxe daran. Die Offensive ist sowohl in der Spitze, der Breite, als auch in der Altersstruktur sowie der Flexibilität sehr gut aufgestellt. Es gibt mit Kane und Sané aber nur zwei Spieler, die wirklich was gekostet haben. In der Innenverteidigung wird dagegen quasi jedes Jahr ein Innenverteidiger für dicke Summen gekauft, ohne dass sich wirklich etwas bessert. Statt aber zu analysieren, warum sich nichts bessert, wird einfach wieder der nächste IV gekauft.

Der Grund ist viel eher, dass man nach Uli Hoeneß’ „Back to the Roots“ nur noch auf kämpferische Läufer setzt und nicht mehr auf technisch hervorragende Fußballer. Das ist der Grund, wieso wir keinen Ball mehr halten können und wieso die Verteidiger versuchen, diesen so schnell wie möglich nach vorne zu bringen. Es ist der logische Schritt, um deren Schwächen zu kompensieren.

Es bleibt letztendlich dabei, dass unser Hauptproblem nicht der Trainer ist. Wenn wir daran nichts ändern, wird auch Tuchel hier nicht lange bleiben. Sein aktuelles Konzept ist zwar für den Moment und den Kader legitim, aber in der CL wird man damit wieder baden gehen und national ist der letzte Sieg in einem Top-Spiel auf den Tag genau 5 Monate her.

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https://www.youtube.com/live/W1vpH8hokWs?feature=shared

Ich wäre sehr vorsichtig damit anhand von nur drei Spielen, wovon eines nach 4 Minuten mit 10 Mann bestritten werden musste, von einem Kurswechsel unter Tuchel zu sprechen. Erst mal abwarten, wie die kommenden Spiele angegangen werden. Glaube weiterhin, dass Tuchel seinen Stil durchsetzen will.

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Wenn das so wäre, wären Deine Kritikpunkte natürlich völlig gerechtfertigt.
Ich habe das aber ehrlich gesagt anders wahrgenommen. Tuchel will schon gerne weiterhin mehr Kontrolle und Stabilität im Spiel entwickeln; es ist nur so, dass die Gegner (ja, die stehen auch noch mit auf dem Platz :wink: ) die aktuellen Schwächen im Ballbesitzspiel sehr genau analysiert haben und mit Vorliebe sehr hoch pressen - Extrembeispiel Galatasaray - und damit Fehler provozieren, die zu vielen Chancen gegen uns führen.
Die Mannschaft behilft sich dann - von Tuchel mutmaßlich „erlaubt“ - mit Umgehung des Mittelfeldes entweder durch lange Bälle oder Vorstöße der AV, im Vertrauen auf die Stärke der Offensive.

Tuchel geht halt pragmatisch vor: wenn sein Team Ballbesitzspiel nicht durchbringt, dann versucht er es nicht auf Teufel komm raus durchzudrücken (was zu Niederlagen führen dürfte), sondern versucht durch Setzen auf die (offensiven) Stärken, Spiele zu gewinnen. Auch wenn die bis auf Weiteres einigermaßen wild verlaufen.

Bei FC Bayern zählt halt noch mehr als anderswo in erster Linie der Erfolg.
Und wenn die notgedrungen gewählte Spielweise dann gegen Real Madrid nicht zum Erfolg ausreicht, hat Tuche nur ein Argument mehr für seine Transferwünsche … :innocent:

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Ich denke Tuchel versucht aktuell einfach das bestmögliche rauszuholen. Durch die am Ende doch eher maue Transferperiode ist der Kader nicht der von Tuchel gewünschte. Im Winter kann man natürlich etwas machen, aber eine wirkliche Integration kann in die Mannschaft erst ab Sommer passieren. Daher bleibt nur die Hoffnung, dass man sich bis zum Ende der Saison durchschlägt und dann wirklich den Kader verbessert.

Das kannst du nicht machen. Nicht in einem Jahr in dem du allein für Harry Kane 50 Millionen abschreibst. Das würde den sicher auch verprellen.

Man wird im Winter für eine Truppe planen die trotz Afrika und Asien Cup bis Mai in drei Wettbewerben ist. Alles andere wäre fahrlässig und nachhaltig schädigender als die entsprechenden Ausgaben.

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Man wird es natürlich versuchen, aber ich würde nicht davon ausgehen, dass man im Winter Spieler bekommt, die das Niveau der Mannschaft signifikant erhöhen und dass man diese Spieler dann auch schnell genug integriert bekommt. Es werden eher Notlösungen kommen

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Das ist doch der entscheidende Punkt. Die erste und wichtigste Aufgabe eines Trainers kann doch nur sein, aus den vorhandenen Spielern das bestmögliche herauszuholen. Frühestens an zweiter Stelle kann es um die Spielphilosophie des Trainers gehen. Die muss im Vordergrund stehen, wenn es um neue Verpflichtungen bzw. Vertragsverlängerungen geht.

Mir ist der aktuelle Tuchelsche Pragmatismus lieber als der Nagelsmannsche Dogmatismus. Da kommt sicher auch der größere Erfahrungsschatz von Tuchel zum Tragen, er hat nicht das erste Mal mit einem wenig ausgewogenen Kader zu tun.

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Da hat Nagelsmann eben die Erfahrung gefehlt, um sowas managen zu können.

Klasse Artikel und Interview von Hoenigstein

Das ist wohl der interessanteste Teil

Under Tuchel at Mainz, he was promoted to the coaching staff as video analyst/assistant coach and then followed him to Dortmund, PSG and Chelsea.

The most important lesson he learned about scouting opponents, he says, was to get a feel for their game plan. “You can analyse them 10 times, and 10 times they will play one way. But the 11th one, against you, you need to anticipate them playing differently. The bigger your team is, the more they will adjust to you. How? You first analyse your own game and then try to imagine what the opponent will do.”

One example of such reverse-engineering was the Champions League semi-final with PSG against Julian Nagelsmann’s RB Leipzig in 2020. Tuchel’s staff knew that the Germans would try to press them hard and came up with a simple, effective solution: they told their players to play many short passes in their own half with a maximum of two touches to deny Leipzig obvious pressing triggers. PSG won 3-0.

Interestingly, however, Weber thinks that football has become a little too obsessed with systems and formations recently. Tuchel was the first German coach to frequently change his setups between and during games while at Mainz (2009-2014) setting a trend for hyper-interventionist coaching in the Bundesliga that Weber considers counter-productive.

“For a while, things got quite wild because everyone thought everything could be solved by adjusting the system, all the time,” Weber says. “Now, I get the sense the best managers are taking a step back and sticking to one clear idea of playing. Coaches should never underestimate the fact that, by changing the system, they give players an excuse. You can blame the wrong formation for things not working out in the first half. But you can also tell your players, ‘If you had taken the extra step here and closed the gap there, things would have been better’.

“For the big managers, what matters less is what you do than how you do it. In Germany, we’ve had too many players relying on systems over the last few years. We should encourage them to have their own identity and convictions, to be characters who breathe life into tactics, instead of clinging to a coach or a system to do that for them.”

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Brügelmann vergibt in seinem Kommentar das „Deppen- Double“ an Tuchel:

Na die deppen sind bei uns vor allem die, die sich die Fußball schuhe schnüren…

Meisterschaften haben sie genug, ja. Dafür 2 wm‘s versaubeutelt, eine EM noch dazu ( die zweite kommt dann im Sommer). Dazu noch jahrelang in der CL der Musik hinterhergelaufen. So wird es natürlich schwer, bei FIFA aufs Cover zu kommen- Oder was auch immer die sich so wünschen.

0 Mitleid.

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11 Feinde…
Erinnert mich wieder daran, weshalb ich das Abo längst gekündigt habe.

was ist nun das Problem? das sie einen Beitrag aus dem Netz teilen der halt voll ins Schwarze trifft?

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Puh. Ich bin fern davon Thomas Tuchel heilig zu sprechen. Aber ich hoffe inständig, dass der Verein an seinem Coach festhält, selbst wenn es dieses Jahr eine titellose Übergangssaison geben sollte. Der Einzige, den das wohl nachhaltig nerven würde ist Freund Harry. Aber so ist es halt.

Was mich aktuell nervt - aber gut, so ist das halt wenn die Bayern verlieren - sind die ganzen Gestalten, die jetzt aus den Löchern kommen und Feuerchen legen. Sei es die Medien, die olle Kamellen aufwärmen (Spox: So nervte Tuchel die BVB-Profis) oder die lieben Experten, die es alle besser wissen.

Natürlich hätte man das locker gewonnen, wenn man 60 Minuten mit voller Kapelle gespielt hätte und erst danach auf „Jugend forscht“ gewechselt wäre. Soso. Und wieso hatte z.B. Dortmund bei Beginn Bynoe-Gittens und Moukoko auf dem Feld und Malen, Nmecha und Sabitzer erst spät gebracht, trotz BuLi-Gegner? Und wieso standen bei Leverkusen zu Beginn Hlozek, Tella, Palacios und Amiri auf dem Platz und kamen Wirtz, Grimaldo und Xhaka erst von der Bank. Hell, selbst Stanisic, den wir blöderweise verliehen haben durfte von Beginn an ran. Will sagen 2 direkte Mitbewerber sind ihre Spiele nicht anders angegangen, haben aber halt die entscheidenden Buden noch gemacht bzw. keinen selbst reinbekommen. Sich dann hinzustellen und zu behaupten, nur andersrum hätte es Sinn gemacht ist ja wohl Polemik der Güteklasse A.

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Ergänzung: Füllkrug und Hummels wurden sogar komplett geschont und saßen 90 Minuten auf der Bank.

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