Schiedsrichter - Respekt, Fingerspitzengefühl & Regeln

Manchmal hat man den Eindruck, andere Ballsportarten haben dem Fußball etwas voraus.
Beim Handball ist es so, dass etwa bei Ballbesitzwechsel nach Schrittfehlern der Ball brav auf den Boden gelegt werden muss. Da hält sich auch jeder dran - weil’s ab der Jugend so gelehrt wird.

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Vielleicht entscheiden aber in anderen Ballsportarten nicht Nuancen über Sieg oder Niederlage?!
Handball Spiele gehen immer mit einer zweistelligen Anzahl an Toren aus… da hast du immer Möglichkeiten noch Tore zu erzielen. Ist halt null vergleichbar

Ich schaue jetzt nicht so viel Handball. Wenn doch, dann sehe ich ziemlich häufig Spiele, bei denen das Spiel in der 58. Minute noch immer nicht entschieden ist, und es somit dann doch wieder auf ein Tor hin oder her ankommt und gerade in der Schlussphase jede Entscheidung des Schiedsrichters spielentscheidend sein kann. Die Spieler haben sich trotzdem im Griff.

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In der Hinsicht hat der Fußball ein trauriges Alleinstellungsmerkmal. Mir fällt jedenfalls keine andere Sportart ein, bei der ein derartiges Verhalten an den Tag gelegt wird.

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Die Regeln beim Rugby, Handball, Hockey sind hier eindeutig und werden konsequent angewendet. Ich finde schon, dass man da viele Möglichkeiten hätte time wasting zu verhindern.

Machen ja auch viele Bundesligisten gegen uns.

Mir fällt noch was ein zu der Thematik. Es dürfte wohl kaum eine Sportart geben, bei der ein Freistoß (wenn nicht gerade im Bereich 30 Meter oder näher am eigenen Tor) so wenig Risiko birgt, dass der Gegner dadurch etwas Zählbares zustande bringt.
Ergo: Aufregung bei einem Elfmeter ist nachvollziehbar, für das Rumpelstilzchen oder den Ballgrapscher im Mittelfeld gibt es mMn (high oder low score game hin oder her) keine vernünftige Erklärung, sondern nur die Feststellung, dass Fußballprofis hier verglichen mit anderen Mannschaftssportarten die undiszipliniertesten Sportler sind. Das liegt wohl nur daran, dass man es ihnen durchgehen lässt.

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Ein kleiner, nicht abschließender Beitrag zum Thema VAR.

Vorab, ich bin ein großer Anhänger des VAR und möchte nicht, dass er abgeschafft wird. Er funktioniert nicht gut, aber er könnte gut funktionieren und ich bin ein fortschrittsgläubiger Mensch. Vor die Wahl gestellt, ob etwas, das nicht funktioniert, aber funktionieren könnte, abgeschafft werden oder zum Funktionieren gebracht werden sollte, wäre ich in erster Näherung so gut wie immer für letzteres. So auch beim VAR.

Zur Frage der Reduktion von Fehlentscheidungen um 80 oder 90 %, @cj76: Ich habe Zahlen in dieser Größenordnung auch gelesen und glaube schon, dass sie plausibel sind, aber zu ihrer Einordnung müsste man zwingend noch zwei weitere Zahlen wissen, nämlich erstens, wie viele Entscheidungen des Schiedsrichters vor dem VAR prozentual überhaupt falsch waren (denn nur die kommen ja überhaupt dafür in Frage, um 80 oder 90 % korrigiert zu werden). Wenn etwa (hypothetisch) 90 von 100 Schiedsrichterentscheidungen ohnehin schon immer richtig waren, dann könnte der VAR selbst bei 100% Genauigkeit natürlich auch nur maximal die zehn noch übriggebliebenen falschen korrigieren und so eingeordnet wirkt der Fortschritt in Sachen Fehlerfreiheit durch den VAR dann plötzlich gar nicht mehr so groß.

Aber dabei bleibt es nicht, denn leider kann der VAR, zweitens, auch für neue, zusätzliche Fehlentscheidungen sorgen und damit theoretisch den Anteil der richtigen Entscheidungen sogar noch reduzieren, etwa weil Schiedsrichter inzwischen in schwierigen Situationen lieber abwarten und gar nicht mehr pfeifen (Nichtentscheidung als Fehlentscheidung) oder aber, im Gegenteil, je nach Typ, zu kleinteilig pfeifen, weil sie jeweils wissen, dass der VAR ihre Entscheidung anschließend schon geraderücken wird. Ein zweiter Weg für den VAR, zusätzliche Fehler zu verursachen, liegt darin, dass er durch ein falsches Eingreifen vormals eigentlich richtige Entscheidungen des Schiedsrichters in falsche umwandelt, wenn der Schiedsrichter sich von dem Eingriff beeindrucken lässt. Beide Fehlerquellen haben eine gewisse Plausibilität. Ich könnte mir gut vorstellen, dass heute nach Einführung des VAR sowohl mehr Fehlentscheidungen (auch im Sinne von korrekturwürdigen Nichtentscheidungen) des Schiedsrichters auf dem Feld getroffen werden als auch, in einem kleineren Umfang, eigentlich richtige Entscheidungen des Schiedsrichters durch ein falsches/unberechtigtes Eingreifen des VAR in falsche verwandelt werden. Ob oder wie nennenswert hoch diese Zahlen sind, weiß ich allerdings nicht.

Wie dem auch sei, die eigentlichen Probleme des VAR liegen meiner Meinung nach ohnehin nicht in der prozentualen oder auch absoluten Reduktion der Anzahl der Fehler. Was nützen 90 % weniger Fehler, wenn die letzten 10 % nicht korrigierte Fehler wirklich haarsträubende und oft sogar kritische Fehler sind; und was nützen sie, wenn der VAR sogar noch neue, zusätzliche Fehler in das System einspeist, die es ohne ihn gar nicht gegeben hätte.

Meine Hauptkritikpunkte am VAR sind folgende:

1. Mangelnde Konsistenz der Entscheidungen innerhalb eines Spiels: Es passiert zu häufig, dass zueinander ähnliche VAR-würdige Sachverhalte innerhalb eines Spiels vom Team aus Schiedsrichter(n) und dem VAR unterschiedlich bewertet werden. Fast die gleiche Situation, in der in der 20. Minute noch ein Handspiel gepfiffen wurde, führt beim zweiten Mal in der 50. schon nicht mehr dazu, oder umgekehrt. Fast das gleiche Foul, für das der VAR in der 34. Minute den Schiri noch angefunkt hat, läuft 10 Minuten später ohne Intervention ab, oder umgekehrt. Von solchen Fällen gibt es nach meinem Dafürhalten für die vermeintliche Exaktheit, die der VAR suggeriert, noch viel zu viele.

2. Mangelnde Konsistenz der Entscheidungen über mehrere Spiele hinweg: Das, was ich unter Punkt 1 für die Situation innerhalb eines Spiels beschrieben habe, passiert völlig strukturanalog genauso auch zwischen mehreren parallel laufenden Spielen und sogar spieltagsübergreifend. Was in Woche X noch als A gepfiffen wurde, wird in Woche Y als B oder C oder sogar gar nicht gepfiffen. Auch von solchen Fällen gibt es nach meinem Dafürhalten in Anbetracht dessen, was mit einem so mächtigen Tool wie dem VAR theoretisch möglich wäre, noch viel zu viele.

3. Technikgetriebene Verschlimmerung der Regeln: Seit Einführung des VAR haben sich meines Erachtens insbesondere die Handspiel-Regel und ihre Auslegung sukzessive immer weiter davon entfernt, was physiologisch aus Sicht der Motorik des Menschen und im Interesse des Fußballspiels sinnvoll wäre, und sich stattdessen dem angenähert, was aus Sicht der Technik als sinnvoll erscheint beziehungsweise was den Imperativen der Technik gehorcht. Statt etwa wie früher bei der Bewertung der Absicht primär auf die Intuition des (erfahrenen) Schiedsrichters zu setzen, arbeitet man sich heute häufig unter Vernachlässigung des Kontexts an äußerlichen Kriterien wie Ball-Hand-Kontakten und Position des Armes des straffällig gewordenen Spielers ab, nur weil (so scheint es mir) die Technik dies erlaubt. Vermeintlich objektiv feststellbare Kriterien dominieren den Entscheidungsprozess inzwischen so sehr zum Nachteil kontextsensitiver qualitativer Faktoren, dass so manche Handspielentscheidung heutzutage die Frage aufwirft, wie weit sich der Prozess des Schiedsrichtens inzwischen eigentlich vom Fußballspiel entfernt hat. Die Regeln passen sich der Technik an, anstatt dass die Technik der besseren Umsetzung der Regeln dient. Eine eindeutige Fehlentwicklung.

Punkt 3 ist anders gelagert, aber Punkte 1 und 2 sind vollständig auf Probleme mit den Regeln und der Anwendung des VAR zurückzuführen, die teilweise in sich widersprüchlich sind oder aber mindestens krass inkonsistent angewendet werden und zu völlig bizarren Situationen führen können. So sollte der VAR ursprünglich gemäß Regelwerk nur beim Vorliegen einer „klaren und offensichtlichen Fehlentscheidung“ des Schiedsrichters auf der Grundlage eines evidenten Bildes eingreifen. Bewertet der Schiedsrichter etwa ein Handspiel im Strafraum als nicht strafstoßwürdig, und war diese Entscheidung für den VAR auf Basis seiner Bilder „klar und offensichtlich“ falsch, darf er den Schiedsrichter darauf hinweisen und dieser darf dann seine Entscheidung korrigieren.

Allerdings darf der VAR seit einiger Zeit in gewissen Kontexten auch bei einem sogenannten „serious missed incident“ eingreifen, also wenn der Schiedsrichter seiner Meinung nach einen ernsthaften Vorfall übersehen hat, und darf den Schiedsrichter auf diesen hinweisen. In diesen Fällen muss vorher keine Entscheidung des Schiedsrichters vorgelegen haben, der VAR greift also von sich aus in das Geschehen ein.

Mit dieser Möglichkeit gibt es plötzlich einen ganz neuen „Confounder“ im Spiel, eine neue Quelle der Konfusion. Bisher gab es originär nur eine Fehlerquelle, den Schiedsrichter. Der VAR konnte ihn zwar korrigieren (und dabei selbst Fehler machen), aber dies geschah immer nur in Reaktion auf eine Entscheidung des Schiedsrichters. Unter der neuen Regel jedoch wird der VAR in bestimmten Situationen - und zwar gerade den besonders kritischen im Strafraum - de facto zu einem Zweitschiedsrichter, indem er von sich aus eingreifen und Entscheidungen zwar nicht final treffen, aber zumindest durch initiative Kontaktaufnahme zum Schiedsrichter einleiten kann, indem er ihn anfunkt und auf etwas seiner Meinung nach u. U. Strafwürdiges aufmerksam macht, was dieser übersehen hat.

Dies kann dann im Extremfall beispielsweise dazu führen, dass ein Spieler im Strafraum von einem Gegenspieler gleichzeitig an den Füßen und am Oberkörper bearbeitet wird, daraufhin fällt und der Schiedsrichter diesen Zweikampf aktiv als fair und regelkonform bewertet und dies durch eine Handbewegung deutlich macht, aber dann vom VAR angefunkt wird, weil dieser der Auffassung ist, er habe sich bei der Bewertung nur auf die Beinarbeit konzentriert, aber einen kritischen Stoß am Oberkörper übersehen. Daraufhin entsteht eine hochtheoretische Diskussion über vermeintliche Trefferbilder und Hebelwirkungen auf bewegte Körper unter Berücksichtigung der Gravitation und am Ende kommt vielleicht eine richtige Entscheidung zustande, aber auf jeden Fall eine, deren Ergebnis hochgradig von der individuellen Qualität der beteiligten Personen und verhältnismäßig wenig von einem definierten Bewertungsprotokoll oder sonstigen prozessual und materiell standardisierten Faktoren abhängt und die somit wenig bis kaum vorhersehbar, geschweige denn reproduzierbar ist.

Wie unschwer zu erkennen ist, birgt dieses Doppelspiel aus Schiedsrichter und VAR in hoher Abhängigkeit von ihrer jeweiligen individuellen Fähigkeit sowohl in der Entscheidungsanbahnung als auch der Entscheidungsfindung ein Einfallstor für Inkonsistenzen und Fehler aller Art und ist damit eine der wesentlichen Ursachen (zu Recht) für die allgemeine Unzufriedenheit über den VAR, weil selbst mit einem Maximum an gutem Willen eine klare und verlässliche Linie des Schiedsrichtens nicht mehr zu erkennen ist, weil sie schlicht nicht existiert. Die Menge der Entscheidungen bildet eine Menge von Singularitäten und kein homogenes, in sich konsistentes Gefüge mehr. (Was sie wahrscheinlich vorher auch schon nicht war, aber durch den mit der Einführung des VAR zu großen Teilen in der Öffentlichkeit stattfindenden Entscheidungsprozess und die durch die Verwendung vermeintlich genauer Technik entstandene Suggestion von Präzision fällt dies heutzutage ungleich stärker auf als noch in prä-VAR-Zeiten.)

Nichtsdestotrotz halte ich all diese Probleme nicht für unüberwindbare, dem Konzept VAR grundsätzlich inhärente Schwächen, die ihn damit gleichsam zwingend und für alle Zeit unrettbar kaputt machen würden. Die von mir beschriebenen Probleme sind Probleme, die prinzipiell mit besserer Ausbildung des involvierten Personals und besserer, saubererer Definition der Prozesse, Strukturen, Regeln und Pflichten der einzelnen Parteien in dem Prozess überwindbar sein sollten, nein, überwindbar sind. Das IFAB, die FIFA, die UEFA und die nationalen Fußballverbände sind zwar nicht gerade für ihre blitzartigen Entscheidungsprozesse und ihren progressiven Pragmatismus bekannt, aber man darf hoffen, dass der VAR auf seinem langen Weg der kontinuierlichen Verschlimmbesserungen irgendwann an einem Punkt angekommen sein wird, an dem die meisten Fans auf ihn angesprochen mit „gefällt mir gut, bin froh, dass es ihn gibt“ reagieren werden.

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Vorab, weil Du es ja grundsätzlich besprichst und einfach weil das ein Thema ist, welches sicher weiter diskutiert werden möchte: sollte das nicht besser in den Schiedsrichter-Thread verschoben werden, damit der Faden dort wieder aufgenommen werden kann?

Dieser Punkt stört mich von den genannten auch am allermeisten. Damit hat der VAR einen so fetten Impact auf das Spiel (und zwar auf das Spiel selber und nicht nur auf die verhinderten bzw. gebremsten Emotionen beim Torjubel), der so nicht gewollt sein kann. Mir kommt es manchmal so vor, als würde der einzelne, konkrete VAR-Schiedsrichter (vielleicht auch unbewusst) den VAR als Institution zu rechtfertigen versuchen, indem er zeigt, was sich alles Schönes finden lässt an Regelverstössen.

Mit den Punkten 1 und 2 könnte ich ehrlich gesagt sogar leben, denn das war ja vorher auch nicht anders. Der eine Schiedsrichter legte die Handspielregel strenger aus als der andere, und auch innerhalb eines Spiels ist eine Berührung mit der Hand im Ermessensspielraum des Schiedsrichters doch einen Tick weiter am unerlaubten Handspiel als eine ähnliche Situation im gleichen Spiel. Nicht ideal, aber ganz normal, würde ich sagen.

Für mich wurde mit Einführung des VAR die Büchse der Pandora geöffnet.
Ich kann mich an diverse Diskussionen mit Freunden erinnern, wo wir vor der Zeitlupe verschiedener Meinung waren (Ich: niemals Foul. Freund: Foul!). Nach Betrachten von diversen Zeitlupen sage ich dann: Ok, war wohl doch ein Foul. Und mein Kumpel dann: Nee, das war gar nichts!

Und so ähnlich geht es nach meiner Wahrnehmung auch zu, wenn Experten, Journalisten, Profis, Trainer sich zu einer Situation äussern: die Meinungen gehen sowohl mit als auch ohne Zeitlupe in alle Richtungen auseinander. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass uns der Videobeweis zuverlässig der „Wahrheit“ näher bringt. Zumindest nicht so oft, dass die Nachteile dafür einfach so in Kauf genommen werden könnten.

Auch wenn er sicherlich nicht nur Nachteile mit sich bringt, hätte ich den VAR nicht gebraucht. An eine Abschaffung ist aber jetzt schon nicht mehr zu denken. Und nur deshalb bin ich auch an einer Verbesserung interessiert :wink:

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Mit der Erfahrung von mittlerweile fast 53 Lebensjahren behaupte ich, dass es Schiedrichterdiskussionen im Fußball immer geben wird - egal ob mit oder ohne VAR. Was mich momentan persönlich dabei stört, ist die Beliebigkeit, mit der der Schiri auf den VAR zugreift oder nicht. Die technischen Probleme, die es dabei durchaus auch geben kann, mal außen vorgelassen (ein Spieler rennt mit 33 km/h in Richtung Tor, die Verteidiger rücken auf, fps usw., ihr versteht.)

Zusammenfassend: es sind Menschen, die entscheiden, und die machen nun mal Fehler. Man stelle sich vor, es gäbe den perfekten Schiri, keine Diskussion mehr nach dem Spiel - eine Katastrophe :thinking:

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@AchWas: Vielen Dank für Deine anregende Antwort! Die Idee, dass Thema zu verschieben, fand ich gut und habe ich umgesetzt.

Ja, aber:

1. Seit der Einführung des VAR unterliegt der Entscheidungsprozess des Schiedsrichter-Teams einer ganz neuen Dimension von Öffentlichkeit, der die zweifelsohne auch schon vorher existierenden Inkonsistenzen der Entscheidungen in einem dramatische Umfang stärker ins Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit gezogen hat und damit in ihrer subjektiv wahrgenommenen Bedeutung noch einmal dramatisch stärker betont. Man kann es ja an der Aufbereitung der medialen Nachberichterstattung an jedem Spieltag sehen. Welcher Anteil der Redezeit der Experten und Diskutanten - auch bei uns im Forum übrigens - wird auf strittige Elfmeter-Entscheidungen, Handspiele im Kontext des VAR verwendet? Eine ganze Menge, und das liegt nicht einzig und allein daran, dass solche Szenen sich naturgemäß für die Diskussion besser eignen als unterbrechungsfreie Spielzüge, die in sich viel weniger klar konturiert sind und damit viel weniger klare Ansatzpunkte für Argumente bieten. Ganz oft bieten die Situationen, in denen der VAR involviert ist, auch echten, zum Haare raufenden Gesprächsstoff.

2. Mit dem VAR wäre theoretisch so viel mehr möglich, und deswegen ist im Kontrast dazu die allgemeine Enttäuschung auch so unglaublich groß.

In absoluten Zahlen oder nackten Korrektheitsanteilen gemessen, tut er das bestimmt, aber wie ich oben schon dargelegt habe, öffnet er leider gerade in vielen kritischen Situationen neuartigen Fehlern und Entscheidungspathologien Tür und Tor, die es ohne ihn gar nicht gegeben hätte. Unheilbar sind diese Probleme meiner Meinung nach aber nicht, allerdings nur allein mit Zeit ist es nicht getan, es braucht bessere Regeln, bessere Ausbildung, besseres Personal.

@Lukenwolf1970: Ja, ich stimme Dir vollkommen zu, Menschen machen Fehler. Aber es ist die Diskrepanz zwischen dem, was ist, und dem, was theoretisch möglich wäre, die mich beim Thema VAR am meisten stört. Mit dem VAR wäre so viel mehr Genauigkeit, so viel mehr Fehlerfreiheit möglich! Da befriedigt mich die lapidare Aussage, „Menschen machen nun mal Fehler“, wenig. Nicht, wenn sie und das ganze System sich so grandios unter ihren Möglichkeiten schlagen.

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Ich würde bei der ganzen Diskussion noch einen Schritt fundamentaler argumentieren wollen: der VAR stellt inzwischen nur besonders pointiert heraus, dass die Grundlage der Entscheidungen, das Regelwerk, in vielen Fällen überhaupt keine 100% richtigen oder falschen Entscheidungen zulässt.

Machen wir es konkret:

  1. Handspiel: es gibt die eindeutigen Fälle - (ja:) Arm zuckt zum Ball und lenkt ihn ab; (nein:) Arm liegt am Körper an, der Ball wird aus 2m an den Ellbogen geschossen; aber alles dazwischen bedarf einer Ermessensentscheidung eines Menschen - hat der Spieler alles Menschenmögliche getan, um den Ballkontakt am Arm zu vermeiden oder hat er diesen mindestens fahrlässig in Kauf genommen?
  2. Foul: ich grätsche rein, treffe fast gleichzeitig Ball und Gegner - Foul oder nicht? Kommt unter anderem drauf an, wie ich in den Zweikampf gehe - wieder ein Fall für die (subjektive) Ermessensentscheidung, lässt sich in einer Regel nie für alle Einzelfälle perfekt definieren.
  3. Abseits: abgesehen davon, dass man es messtechnisch mit 50 fps nicht genau genug erfassen kann … hat der Stürmer bei 5 cm Knievorsprung wirklich einen „ungerechten“ Vorteil? Wann ist einer passiv oder aktiv im Abseits, wenn er den Ball nicht bekommt? …etc.

All das sind Entscheidungen in der Grauzone, die nie wirklich richtig oder falsch sind. Aber es braucht eine schnelle Entscheidung, die vor dem VAR ein Schiri dank der Erfindung der Tatsachenentscheidung schnell und souverän treffen konnte. Da wurde der alte Spruch „Foul ist, wenn der Schiri pfeift“ zur normativen Kraft.
Inzwischen schaut man sich in einigen Fällen die Szene nochmal minutenlang in verschiedenen Zeitlupen an und trifft dann doch - zwangsweise - eine Ermessensentscheidung. Die ist dann oft pseudo-gerecht, aber eigentlich schlechter als die Live-Entscheidung, da sie die Dynamik der Siutatino falsch wiedergibt und den Gesamtzusammenhang im Spiel - den der Schiri live immer mit bewertet - außen vor lässt.

Insgesamt will ich sagen: der VAR kann prinzipiell nur dann mehr „Gerechtigkeit“ schaffen, wenn er sich weise auf Fälle beschränkt, in denen eine klare Entscheidung möglich ist. Alle Grenzfälle - also z.B. Elfmeter, wo man erst in der dritten Zeitlupe sieht, dass einer dem Gegner kurz auf den Fuß tritt oder im Ausschwingen nach der Klärung noch die Wade der Gegner trifft - müssen in der Live-Ermessensentscheidung bleiben.

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Stimme ich prinzipiell absolut zu, nur beim Abseits nicht: ein Graubereich bei Abseits könnte nur technisch begründet werdet (Messungenauigkeit), dieser wird durch den technischen Fortschritt aber immer minimaler. Ein Ermessungsspielraum darüber hinaus durch den Schiedsrichter würde den ganzen VAR-Gedanken (das Spiel gerechter zu machen) vollkommen widersprechen. So was wie: eine Fehlentscheidung bis x cm Zentimenter lass ich laufen aber ab x+1 cm greift der VAR ein geht einfach nicht. Wenn es klar ist, dass es eine Fehleinscheidung ist, und Abseits ist im Prinzip eine klare ja/nein-Situation, dann muss die Entscheidung auch dementsprechend gefällt werden.

Passives Abseits ist natürlich Interpretationssache und da gibt es den Ernessungsspielraum. Mein Argument bezieht sich auf die 5cm des Knies und da sage ich: wenn die Messung eindeutig Abseits anzeigt, dann ist es egal ob es 5, 10 oder 50 cm waren.

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Der Einführung des VAR ging eine Phase voraus, in der viele Stadionbesucher auf ihren Smartphones in Sekundenschnelle eine gravierende Fehlentscheidung registrieren konnten. Zur Rettung der Tatsachenentscheidung wurde einzig dem Schiedsrichter diese Erkenntnis zwanghaft vorenthalten. So durfte die Szene auch keinesfalls auf der Videowall gezeigt werden; geschah es gelegentlich doch, durfte der SR dort nicht hinschauen. Tat er es doch, durfte er das Gesehene nicht in seine Entscheidung miteinbeziehen. Angesichts solcher Absurditäten war es klar, dass der Videobeweis in absehbarer Zeit zwingend eingeführt werden musste, und selbstredend kann diese Entwicklung nicht mehr revidiert werden.

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Aber auch nur im Prinzip.
Ein Bild hin oder her ist Abseits oder auch nicht. Und welches Bild er benutzt liegt wieder im Ermessen des VAR.

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Wir sollten stets dankbar sein, dass es den VAR 2010 noch nicht gab. Was hätten wir höchstwahrscheinlich nicht alles verpasst (z.B. Robbens phänomenales 2:3 bei ManU) ohne Kloses späten Siegtreffer gegen die Fiorentina! Ein glasklares Abseitstor, damals unabweisbar regulär dank Tatsachenentscheidung. Es hätte auch kein CL-Finale 2013 gegen den BVB gegeben, der schon im VF gegen Malaga definitiv ausgeschieden wäre, wenn der SR nicht mehrere Spieler übersehen hätte, die beim Siegtor in letzter Sekunde im Abseits standen.

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Hierzu ein interessantes Statement eines Richters nach der WM 2010 und - unter anderen strittigen Szenen - Lampards nicht gegebenem Ausgleich, als Neuer den Ball gedankenschnell aus dem Tor fischte. Aufschlussreich am Schluss sein beruflich geprägtes Unbehagen bei der Vorstellung, die Stadionregie könne bewusst eine Szene nicht zeigen, die nach ihrer Überzeugung vom SR falsch entschieden worden sei. (Damals wurden meist Tore, regulär erzielt oder nicht, als Beispiel gewählt.) Schlussfolgerung: dringender Regelungsbedarf, wenn der Spaß am Fußball erhalten bleiben sollte. Kommt einem irgendwie bekannt vor. :wink:

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Kloses Abseitstor fiel im Hinspiel. Ob wir mit einem 1:1 daheim auch zwangsläufig mit 2:3 in Florenz verloren hätten, ist nur eine Vermutung.
Der BVB kassierte 2013 gegen Malaga beim Stand von 1:1 ein klares Abseitstor. Mit VAR wäre es beim 1:1 geblieben und die Dortmunder hätten noch über 10 Minuten Zeit für ein eigenes Tor zum nötigen Sieg gehabt.

Den VAR sollte man stark zurückfahren. Bei jedem Spiel schaut 1 DFL-Hansi zu und teilt dem Schiri nur den groben Unfug mit. Torerzielung mir der Hand, Tätlichkeiten im Rücken des Schiris.

Abseits, Ball im Aus komplett durch KI und Chip im Ball entscheiden lassen. Dann hätten die Assis auch die Ruhe, den Schiri bei seinen Entscheidungen im Team zu unterstützen.

Hast Du nicht verstanden, warum ich das geschrieben habe? Das ganze Gejammere über den VAR und über die angebliche Benachteiligung der Bayern ist doch völlig sinnbefreit. Klar gab und gibt es das im Einzelfall, vor und mit dem VAR. Hätte der nach Upamecanos Kopfballtreffer interveniert, wäre es jedenfalls kein Skandal gewesen. Auf mittlere und erst recht lange Sicht gleichen sich Bevorzugungen und Nachteile doch immer aus.

Und genau darauf wollte ich mit meinen Beispielen hinaus: wir wurden schon auch gelegentlich vom Glück bzw. Schiedsrichter begünstigt. Dann kommst Du aber mit Deiner Gegenrede daher, die was beweist? Außer dass Du es wie immer besser weißt? Ja sicher, ändert man in einer rückwirkenden Betrachtung ein variables Detail wie die Anerkennung von Kloses Abseitstor, ist es denkbar, dass alle anderen Variablen - also auch der Verlauf des Rückspiels - sich verändert hätten. Demgemäß braucht man hier auch keine glückhafte Begünstigung zu sehen, stimmt’s? Denn unsere Jungs hätten sich in Florenz einfach nur ein bisschen mehr reinhängen müssen und damit bestimmt das Viertelfinale gesichert. Das Abseitstor war so gesehen also für den weiteren Saisonverlauf praktisch bedeutungslos. Beim BVB-Beispiel das Gleiche. Keine Spur von Rettung in letzter Sekunde. Denn das Glück, das Malaga zuvor hatte, muss natürlich gegengerechnet werden.

Denkt man das konsequent weiter, verbietet sich allerdings jede atomisierende Betrachtung einzelner SR- bzw. VAR-Entscheidungen von selbst. Denn jedem Vorwurf, diese hätten den Spielverlauf maßgeblich beeinflusst (vielleicht gar zu unseren Ungunsten), wäre entgegenzuhalten, dass wir ja gar nicht wissen, wie sich die vorgestellt richtige Entscheidung letztlich ausgewirkt hätte. Damit entfiele folglich jeder Anlass für eine nachträgliche Beschwerde. Wir finden womöglich ein Haar in der Suppe bei der späten Elferentscheidung? „Gemach, Freunde, denkt an das irreguläre 1:0“. Stielers Entscheidungen waren keine groben Fehler, weswegen der VAR gar nicht hätte eingreifen dürfen? „Bedenkt, wie ihr eleganter hättet Nagelsmann loswerden können!“ Upamecanos Rote Karte in Gladbach war viel zu hart und leitete die Niederlage auf unzulässige Weise ein? „Gerade Upas früher Ausschluss eröffnete beste Chancen, wenn man an seine Performance beim 0:5 im Pokal denkt.“ :wink: Und so weiter. Nix für ungut!

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Warum so aggressiv und beleidigend?