Letzteres ist zweifellos möglich, aber nur, wenn man bei einer Unmündigkeit „a priori“ stehenbliebe; aber ich beziehe mich lediglich auf die existenzialistische Prämisse, demzufolge die Existenz der Essenz vorausgeht. „Verdammt“ zur Freiheit sind wir doch deswegen, weil es simplifiziert gesagt Arbeit voraussetzt, oder philosophisch formuliert: der Mensch muss sich geschichtlich verwirklichen, sein Wesen erst „schaffen“, ohne dies je erreichen zu können. Quasi als work in progress. Woraus dann die Absurdität entsteht, die Camus anspricht.
Also:
Nein, ich halte den Menschen nicht a priori für unmündig, aber auch nicht a priori für mündig und aufgeklärt. Ich würde es mal ganz un-philosophisch so formulieren:
Am Anfang steht immer eine Entscheidung. Die wir aber verpflichtend treffen müssen, um den Weg zur Essenz zu beschreiten.
Ich war schon mal auf der Rennstrecke. Ehrlich gesagt, ging es mir da ähnlich wie Henry Ford II. im tollen Film „FORD v FERRARI“ (dt. LE MANS 66), als Shelby ihn dazu einlädt, mal eine Runde (mit Shelby am Steuer) im neuen Rennwagen zu drehen - am Ende ist der große Henry Ford II. ein wimmerndes Baby mit vermutlich voller Hose…
Aber mir geht es gar nicht um Extremsport. Den darf jeder gerne betreiben. Mir geht es um das Engagement eines sehr fragwürdigen Konzerns.
Weiß nicht? Bei so einer Ballonfahrt gibt man die Verantwortung an einen anderen. Wenn ein Snowboarder einen komplizierten Trick ausführt, dann weiß dieser genau, was er macht.
Lieber @cheffe, leider bleiben mir Deine Ausführungen so verschlossen, dass ich schon auf tapferes Vermuten zurückgreifen muss, um schemenhaft zu erahnen, was Du versuchen könntest, mir zu sagen.
„Am Anfang steht immer eine Entscheidung, die wir aber verpflichtend treffen müssen, um den Weg zur Essenz zu beschreiten.“
„Der Mensch muss […] sein Wesen erst „schaffen“, ohne dies je erreichen zu können.“
Verstehe dies bitte nicht als Kritik an Dir oder Deinen Ausführungen, ich sehe das Problem eher bei mir und meinem begrenzten Horizont (ernsthaft).
Lass uns das Ganze doch einmal zurück zu Red Bull und deren Engagement im Extremsport bringen. Was folgt denn nun aus Deinen grundsätzlichen Kontemplationen für diesen Fall? Sollte man Red Bull die Konzeption und Durchführung von Extremsport-Events untersagen? Sollte man die Athleten, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen, einem „Mündigkeitstest“ unterziehen? Oder sollte alles so bleiben, wie es ist, aber jedem teilnehmenden Athleten und Zuschauer wird vor jeder Veranstaltung eine schriftliche Warnung vor den Machenschaften des Konzerns ausgehändigt? Oder was schwebt Dir vor?
Meines Eindrucks nach sind nicht nur „Extrem“- sondern Individualsportler generell (Ausnahmen bestätigen die Regel) „mündiger“ als z.B. Fußballer. Das liegt mMn. daran, dass in fast allen anderen Sportarten massiv viel weniger Geld vorhanden ist und Förderung entsprechend weniger bis quasi nicht existent ist. Alleine dieser Umstand zwingt die Athleten zu sehr viel mehr Selbstständigkeit in allen Bereichen.
Das war nicht meine Absicht. (Wobei ich vermute, dass das fettgedruckte nichtversehentlich von dir reinschrieben wurde?)
Vielmehr würde ich vermuten, dass genau dieses gesteigerte Risiko einerseits Teil des Thrills ist, andererseits dafür sorgt, dass die Teilnehmer sehr bewusst mit ebendiesen Risiken umgehen. Wie du ja auch beschreibst.
Und mit RB hat das gar nichts zu tun bis zu dem Punkt, wo der Konzern als Sponsor oder Initiator einsteigt. Ich formuliere es einfach andersrum:
Meine kritische Haltung zu RB hat prinzipiell nichts mit Extremsport zu tun, zumal mich Extremsport überhaupt nicht sehr interessiert. Was mich interessiert, ist der Einfluss, den der Konzern über welche Kanäle auch immer ausübt, und den schaue ich mir an. Nichts weiter.
Verzeihung, der Philosoph geht manchmal mit mir durch…
Also, konkret nochmal zu Red Bull:
Was schwebt mir vor?
Vereinfacht gesagt, existiert zwischen einem Grundvertrauen auf die Mündigkeit jedes Menschen sowie den von Dir scherzhaft „Mündigkeitstests“ genannten Startbedingungen ein große graue Zone, die man füllen kann mit Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Und das geschieht ja auch, aber da geht immer noch mehr, nicht wahr? Und es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen, unter welchen Rahmenbedingungen man Tätigkeiten ausübt, möglichst bevor man sich ins Hamsterrad begibt und sich abhängig macht.
Konkret auf RB bezogen, heißt das, dass ich mich über den Konzern schlau mache, bevor ich mich entscheide, Geld oder Know-How anzunehmen. So wie es Schalke damals bei Gazprom hätte machen sollen. OderOderOder…
Ich will weder naiv noch über-moralisch erscheinen. Aber wenn ich schon eine Tätigkeit anstrebe, die das Extrem im Namen trägt, sollte man auch alle möglichen informativen Parameter einbeziehen (können), die mir die Tätigkeit erst ermöglichen. Ansonsten bleibt die angenommene Mündigkeit und Aufgeklärtheit auch nur bloße Behauptung und Theorie.
Ich freue mich über philosophische Anwandlungen, aber ich mag sie noch lieber, wenn sie so formuliert sind, dass ich sie ohne dabei umfangreiche Vermutungen über das möglicherweise Gemeinte anstellen zu müssen, verstehen kann und wenn ich zudem einen echten Beitrag zur Klärung des diskutierten Sachverhalts erkennen kann.
Ich habe natürlich eine Vorstellung davon, was Du gemeint haben könntest, aber es gab mir zu viele Freiheitsgrade bei der Interpretation.
Nach allem, was Du hier über Red Bull geschrieben hast, nochmal zurück zu meiner ursprünglichen Frage: Findest Du, dass Red Bull sich im Umgang mit den Athleten, die auf deren Extremsportveranstaltungen antreten, moralisch schuldig macht? Geht Red Bull mit seinen Athleten nicht sauber um?
„Moralisch schuldig“, nein, das würde ich so nicht sagen können oder wollen. Ich bin dafür auch viel zu wenig Kenner des Extremsports und seiner Protagonisten, das würde ich mir nie anmaßen, da moralisch Urteile zu fällen.
Ob RB mit seinen Athleten nicht „sauber umgeht“, kann ich deshalb nicht sagen.
Ich mache mir nur keine großen Illusionen über die Hintergründe des jeweiligen Engagements des Konzerns. Beim Fußball kann ich es halt am ehesten auch fachlich einordnen, weil ich mich da bezüglich der Funktionsweisen auskenne (Vereinsstrukturen, sportliche Performance etc.).
Beim Radsport, um den es ja in diesem Thread geht, habe ich ohnehin eine sehr ambivalente Haltung, Stichwort Doping.
Dass RB bei seinem Engagement rein fachlich gute Arbeit leistet oder leisten kann, steht ja gar nicht zur Debatte. Es ging bei @justin’s Anmerkungen um die Hintergründe des Konzerns, politischer und gesellschaftlicher Art, und da wiederum würde ich schon sagen, leiste ich mir eine sehr kritische Haltung zu dem, was RB tut und wie sie das tun.