Mal was Grundsätzliches.
Fast alle so-called Experten, die man so in den Medien rumgurken sieht/hört, haben es nach ihrer aktiven Karriere selbst zuerst als Trainer versucht. Und fast alle sind entweder grandios gescheitert oder haben zumindest nur sehr spärliche Meriten erlangt.
Es sollte eine Binse sein, aber Fußball zu spielen oder ihn zu zu lehren, sind zwei Dinge, die tatsächlich Überschneidungen haben, aber letztlich komplett unterschiedliche Fähigkeiten verlangen. Es gibt ja das Narrativ, nach dem ehemalige Profis schon auf dem Spielfeld den zukünftigen Coach vermuten/erkennen lassen. Solche Fälle gibt es (aktuell etwa Xabi Alonso), aber es gehört halt soviel mehr dazu, um die Umsetzung zu gewährleisten:
Menschenführung, Didaktik, Rhetorik, …
Das große Missverständnis liegt meines Erachtens darin, dass man Exemplare von Ex-Profis kennt, die ihre Könnerschaft zu aktiven Zeiten mehr oder weniger rein instinktiv ausgeübt haben. Das schließt nicht aus, dass sie sich im Laufe ihrer Karriere auch mir Trainingsmethodik beschäftigten oder sich jene angeeignet haben, aber es ist keine hinreichende Garantie für die Expertise, wenn es um Vermittlung geht.
Ein interessantes Beispiel ist Zidane. Der Mann hat auch als Coach die CL gewonnen. Allerdings mit einer gnadenlos gut besetzten Elf. Wenn man zu seiner Zeit Real spielen sah, war es selbst unter der Lupe fast unmöglich, auch nur irgendeine Handschrift des Trainers zu erkennen - alles wurde über individuelle Klasse geregelt. Vielmehr hatte man am Bildschirm das Gefühl, sogar schlichte handwerkliche Fehler zu identifizieren, die allerdings im low-scoring game Fußball nicht die negativen Folgen hatten, weil sie durch das überlegene individuelle Talent der Spieler aufgefangen wurden. (Interessanterweise hatte Zidane seine Erfolge eher in dem Pokal-Wettbewerb CL und weniger in der Liga.)
Im Klartext:
Meiner Ansicht nach ist es durchaus möglich, dass die Ex-Profis unter den Experten (und ich formuliere das jetzt bewusst polemisch und überspitzt) keinen blassen Schimmer haben, wie Fußball auf dem Platz funktioniert.
Das, was sie während der aktiven Zeit hatten - Aura, Begabung, Instinkt - garantiert noch keine Expertise.
Das berühmte Wort KHR’s zu Hitzfeld, Fußball sei keine Mathematik, hat diesbezüglich für viel Schaden gesorgt. Denn natürlich ist Fußball zu einem großen Teil durchaus Mathematik. Wie anders sollte man denn sonst Analysen durchführen können, warum gewisse Räume auf dem Spielfeld entstehen (oder eben nicht), wenn sich Spieler oder Mannschaftsgefüge in bestimmter Weise auf dem Feld bewegen? Nahezu alle modernen Systeme fußen auf mathematischen Prinzipien. Wenn man das als „Experte“ aber nicht kapiert oder nicht rhetorisch auflösen kann, greift man halt zu schlichteren, griffigeren Erklärungen, warum ein Trainer es hinkriegt oder eben nicht, als da wären Populismen wie „Führungsspieler“, „Einstellung“ oder ähnliches.
Ich will damit natürlich nicht sagen, dass solche Faktoren, die man schlichter reinwerfen kann, gar keine Rolle spielen. Das tun sie zweifellos, und natürlich kann man das Spiel auch zu sehr verkopfen, oder man kann ein theoretischer Meister sein, aber praktisch nicht imstande, zur Mannschaft durchzudringen. Ein Xabi Alonso (oder unser aller geliebter Pep eben) scheinen beides zu beherrschen, und dazu haben sie noch die Aura des ehemaligen Weltklasse-Fußballers. A perfect match.
Was ich jetzt gar nicht bewertet habe, ist die charakterliche Frage, die auffällig viele Experten-Fuzzis dazu bringt, grade ihren Ex-Verein anzupinkeln. Als müssten sie beweisen, dass sie geistig unabhängig sind; und übersehen dabei, dass sie der öffentlichen Gier nach schlichtem Streit und einfachsten Antworten wieder nur als Abhängiger dienen, auf der Jagd nach Schlagzeilen und Clickbait.
Ich finde das alles sehr ermüdend. Mein Ideal ist eher auf der Prämisse eines ständigen Bildungsfernsehens aufgebaut, heißt:
Ich will, dass mir Dinge erklärt werden oder gesagt werden, die ich noch nicht weiß oder die ich noch nicht verstanden habe, und nicht, dass mein äußerst schlichtes Weltbild von irgendwelchen Hetzern bestätigt wird, damit ich mich noch geiler finde.
Unsere aktuelle Trainer-Diskussion, egal wo sie geführt wird, ob hier im Forum oder medial mit Wortmeldungen von Didi oder Loddar, zeigt mir in Form der Alternativ-Vorschläge wieder, welches Niveau sich ad hoc durchgesetzt hat. Dass (sofern nicht ironisch) Namen wie Magath kursieren oder überhaupt fast nur über „weiche“ emotionale Faktoren gesprochen wird, während man noch einer Mehrheit überhaupt erstmal den Namen De Zerbi bekannt machen muss, der unzweifelhaft momentan einer der innovativsten Fußball-Lehrer im Geschäft ist, sollte so eigentlich nicht sein.
Wenn die „Experten“ ihren Job nur passend ausfüllen würden.
EDIT:
Möglicherweise nehme ich den Fußball natürlich auch nur zu ernst. Zum it’s just entertainment-Zyniker hat’s bei mir noch nicht gereicht. Ich bin da eher bei Bill Shankly…