Seit etwa meinem 12. Lebensjahr lese ich durchgängig den KICKER und fand ihn eigentlich fast immer gleichermaßen informativ wie seriös.
Mittlerweile teile ich jedoch die Ansicht, die hier jüngst schon von mehreren Foristen vertreten würde: dass sich nämlich der KICKER von seriösem Sportjournalismus entfernt hat und immer tendenziöser, polemischer und „populistischer“ wird.
So finde ich z.B. das gestrige Titelbild eine glatte Unverschämtheit, da es von einem Woltemade-Foto dominiert und daneben direkt ein Preisschild von „100 Millionen?“ platziert wird.
Total ätzend und natürlich verheerend für unsere Transferpolitik!
Mir tut dabei nicht nur Eberl leid, sondern v.a. auch Woltemade selbst.
Der steht noch am Anfang seiner Karriere und hat gerade mal ein paar Monate in BL und U21 gut performt sowie in der NM debütiert.
Dass er sich über das Interesse eines großen Clubs wie dem FCB freut und aufgrund seiner Gespräche mit Eberl und Kompany gerne zu uns wechseln würde (speziell, wo ihm der VfB als verbessertes Gehalt anscheinend „nur“ 2,5 Millionen pro Jahr anbietet), ist ja nur verständlich.
Doch innerhalb weniger Wochen wird er - eben von Medien wie dem KICKER - weit überverhältnismäßig „gehypt“ und zu DEM „sensationellen“ Gesprächsthema des ganzen Sommer instrumentalisiert.
Wie soll ein ja noch sehr junger talentierter Spieler damit umgehen?
Die vom KICKER und anderen aufgerufene „Mondsumme“ von 100 Millionen (als wäre er schon „ein zweiter Kane“) tut ihm sicher nicht gut und hilft ihm bestimmt nicht dabei, ein ADÄQUATES Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Der kann sich ja kaum noch irgendwo sehen lassen, ohne von irgendwelchen Idioten auf diese aberwitzigen „100 Millionen“ angesprochen zu werden - wahrscheinlich meist auch noch mit spöttischem Unterton und einem Grinsen im Gesicht.
Dass diese groteske Unsumme den VfB nur „gierig“ machen kann und die Verhandlungsposition des FCB (zu dem der Spieler selbst ja gerne wechseln möchte) enorm schwächt, ist das Eine.
Dass sie aber einem ebenso talentierten wie bescheidenen jungen Mann, der sein tatsächliches Potential höchstwahrscheinlich selber noch gar nicht einschätzen kann, „den Kopf verdreht“ und ihn verunsichert - und gleichzeitig urplötzlich zu einem enormen Hindernis beim möglichen Wechsel zu dem von ihm selbst favorisierten Klub wird - finde ich NOCH schlimmer!
Vermutlich dämmert ihm schon, dass er hier von mächtigen Interessensgruppen instrumentalisiert und zum Spielball diverser „Alphatiere“ gemacht wird, die auf seinem Rücken alte Rechnungen begleichen (wie z.B. Matthäus und Hoeneß) wollen.
Das ist absolut geschmacklos. Der Junge will einfach nur Fußball spielen und sich in Ruhe weiterentwickeln - und das, was ja nur verständlich ist - bei dem Verein namens FCB, der ihn wirklich haben will und ihm sehr gute Rahmenbedingungen bietet.
Ich bin sicher, dass dieses „100 Millionen“-Etikett, dass ihm nun auch noch der KICKER um den Hals hängt, schon jetzt nicht nur zentner-, sondern tonnenschwer auf seinen Schultern lastet. Der Junge tut mir wirklich leid, und der jahrzehntelang von mir gelesene KICKER wird von Monat zu Monat immer unseriöser.
Berechtigt finde ich allerdings die Frage, warum der FCB mit all seinen logistischen Möglichkeiten von wegen Scouting-Abteilung, „Schattenteam“ usw. nicht schon vor einem Vierteljahr diskret an den Spieler und seine Berateragentur herangetreten ist, so dass sich der jetzt entstandene Hype hätte vermeiden und die potentielle Ablösesumme sich in deutlich niedrigeren Regionen hätte halten können.
Ich befürchte daher sehr, dass dieser Transfer eines hochtalentierten jungen deutschen Nationalspielers, der erstens dezidiert zu uns will, und der zweitens (speziell jetzt auch angesichts der langen Verletzungspause von Musiala) hervorragend zu uns passen würde, wegen dieser ganzen „100 Millionen-Scheiße“ gar nicht erst zustande kommen wird.
Auch der VfB Stuttgart würde wegen des „populistischen“ und ja fast schon demagogischen medialen Hypes mittlerweile ja fast schon „das Gesicht verlieren“, wenn man Woltemade für die Hälfte dieser Summe ziehen lassen würde. Wahrscheinlich haben die Medien und gewisse TV-Fußballexperten dem Spieler damit den Karriereweg verbaut, den er selber gerne einschlagen würde.
Und wenn das ganze Theater dazu führt, dass bald womöglich bald ein potenter Mitbieter aus der Premier League eine Summe auf dem Tisch liegt, die der FCB seriöser Weise nicht bezahlen kann, hätten KICKER und Konsorten es geschafft, wieder mal einen hochtalentierten deutschen Nationalspieler aus der BL und ins Ausland zu vertreiben.