Ich wollte Euch alle befragen, ob Ihr einen (womöglich auch etwas längeren) Moment oder ein einzelnes Erlebnis nennen könnt, wo Ihr Euch dachtet:
Verdammt, deswegen liebe ich Fußball.
Wir haben ja alle reichlich Erfahrung, Fußball zu schauen, ihn zu analysieren, zu bejubeln, zu betrauern, darüber zu diskutieren und so weiter. Daher kann der Moment auch abseits des Feldes geschehen, es kann eine menschliche Begegnung sein, die dir ohne Fußball nie passiert wäre, es kann natürlich mit deinem Fan-Dasein zu tun haben, also mit dem FC Bayern, muss aber nicht. Vielleicht ist es eine Kleinigkeit, an die sich niemand mehr erinnert, vielleicht etwas, was sich allen, die Fußball auch nur am Rande verfolgen, total eingebrannt hat.
Mich würde es interessieren, für welchen Moment Ihr Euch entscheidet - denn sicher gab es da reichlich Auswahl für Euch - und auch warum?
Ich beginne mit meiner persönlichen kleinen Epiphanie.
Ich hab schon mal darüber geschrieben, deswegen halte ich es kurz:
Mein allerliebster Fußball-Moment ist das erste Spiel von Xabi Alonso für den FC Bayern.
Sicher kennt jeder von Euch die Geschichte:
Der Mann schlägt quasi am Freitag in München auf, um durchaus überraschend als alternder Weltstar nochmal was Neues zu wagen und einen akuten Engpass unsererseits bewältigen zu helfen. Es folgt ein einziges Training mit seiner neuen Mannschaft. Tags darauf landet gefühlt jeder Pass eines Bayern-Spielers bei ihm. Ich weiß noch ganz genau, was er mit dem ersten Ball anstellte:
Etwa am Sechzehner angenommen (der Kopf oben, Spieler wie Xabi müssen nicht nach unten kucken), der erste gegnerische Pressing-Ochse hetzt auf ihn zu. Xabi sendet einen völlig selbstverständlichen Laser-Pass vertikal und überspielt gefühlt das gesamte Mittelfeld des Kontrahenten. Punktgenau kommt die Kugel an.
Dasselbe passiert quasi das gesamte Spiel. Am Ende sammelt er eine neue Rekordzahl an Ballkontakten. In seinem ersten Spiel, mit einer Mannschaft, deren Laufwege und Eigenarten er eigentlich nicht kennen kann.
Für mich war das echt das Geilste, was ich je gesehen hab’. Alles, was ich an Fußball besonders mag, verdichtet sich:
Zentrale Mittelfeldspieler
Strategische Fähigkeiten
Das Scannen des Spielfeldes
Individuelles Genie, das im Dienste eines Mannschaftssports steht
Das Ganze in unserem Trikot!
(Das war die Antwort auf die Frage „Warum?“)
Vielleicht habt Ihr Lust, ich würde mich über Antworten/Schilderungen freuen.
Ich mach dann ein Buch draus. Kleiner Scherz.
Es gibt so viele Momente… Aber mit einer der spektakulärsten war für mich die 5-Tore-Gala von Lewandowski 2015 gegen Wolfsburg. Da steht es 0:1 aus Bayernsicht nach 45 Minuten, und von Minute 51 bis 60 legt Lewandowski Wolfsburg fünf Eier ins Netz, besonders spektakulär das letzte Tor. Vier Einträge ins Guinness-Buch der Rekorde sprechen für sich - ich war schlicht sprachlos…
Letzter Spieltag Saison 85/86. Ich mit meinen zehn Jahren im Olympiastadion. Bayern vernichtet Gladbach mit 6:0. Dieter Hoeneß in der zweiten Halbzeit fast nur noch an der Seitenlinie am Koffer Radio. Bremen verliert zeitgleich in Stuttgart und wir sind aufgrund der Tordifferenz Meister. Der Wahnsinn.
Kutzop setzt Elfer gegen Pfaff an den Pfosten…unvergesslich.
Und natürlich Andersons Freistoss in Hamburg zum 1:1. Das war wahrscheinlich der krasseste Moment, den ich als Fan erlebt habe. Da bin ich so dermaßen eskaliert, das kann man mit Worten nicht beschreiben. Ich versuchs trotzdem: Wir waren damals mit unseren noch kleinen Kindern in Griechenland in einem Hotel in den Ferien. Natürlich alle Touris in dem Hotel Bayernhasser. Ausser mir natürlich. Alle in der Lobby feiern schon die Schalker. Nach dem Tor von Andersson brülle ich wie ein Verrückter und renne mit einem sliding Tackling über den Marmorboden durch die Halle. Alle schauen völlig entgeistert und hasserfüllt zu mir. Aber keiner hat sich getraut, mich blöd anzumachen. Ich war einfach in diesem Moment unangreifbar. Werde ich nie im Leben vergessen.
Kahn hält den entscheidenden Elfmeter im CL Finale gegen Valencia
Robben mit dem Tor zum 2:1 im CL Finale gegen den BVB
Super Momente hat auch Effenberg abgeliefert. Ich glaube es war das CL Viertelfinale 2001 gegen ManU.
Da gab es Szenen gegen Beckham und ich glaube gegen Keane, als er diesen gleich am Anfang über die Seitenlinie grätscht.
Die Hosen waren brasilianisch, mit gelben Streifen.
Meines Wissens erstmals in Kaiserslautern 1983 getragen (mit den dazu passenden gelben Trikots), aus Verzweiflung über die berühmte Sieglos-Serie dort. Als die tatsächlich den Bann brachen, kam das Kit ganz oder teilweise danach des öfteren zum Einsatz.
DEN einen Moment - das ist schwierig.
Einige sind schon genannt worden. Ich bringe mal zwei.
Circa 10 Leute stehen um mein Auto herum und hören mit mir die Bundesliga Konferenz im Auto. Schalker, Dortmunder, Kölner, Bayern. Und alle fiebern mit.
Und 13.05.2017.
Ein für den Ausgang der Saison unbedeutendes Spiel. In Leipzig. Wir sind schon Meister. Liegen 4:2 hinten. RB meint, sie müssten uns herspielen.
Und dann zieht Robben in der 95. den Turbo an, lässt alle stehen und lupft zum 5:4 für uns ein.
Und ein mir nicht bekannter, damals End 40-er steht allein vorm Fernseher und schreit:
Die Roma war zu diesem (frühen) Zeitpunkt erster in der Serie A und Top in Form. Wir mussten auswärst als Titelverteidiger antreten.
Leider hatte ich einen Geschäftstermin im Ausland und bin um 20:00 in einen Flieger gestiegen ohne Chance das Spiel zu sehen.
Der „Glücksmoment“ mit all den zugehörigen Hormonen, der sich bei Reaktivierung meines Handys und Kontrolle der abendlichen Ergebnisse eingestellt hat, war unbeschreiblich…
PS: Wir haben in Rom mit 7:1 gewonnen
Andersson 2001, Elfmeterschießen beim CL-Sieg 2001 und Robben 2013 waren natürlich absolute Wahnsinnsmomente.
Bei mir persönlich waren es aber folgende drei Momente, an die ich noch mit einer größeren Gänsehaut zurückblicke:
Saison 1995/96 gegen Stuttgart: Das 4:3 von Zickler. Nach einer 3:0 Führung glich der VFB innerhalb weniger Minuten zum 3:3 aus (u.a. durch 2 Tore von Giovane Elber). Kurz darauf machte Zickler das 4:3 für Bayern und der Jubel war unbeschreiblich. Endstand war dann 5:3. Vom Verlauf her eines der coolsten Spiele, auch wenn es keine große Bedeutung für den weiteren Saisonverlauf hatte.
Saison 1996/97 gegen 1860: Das 3:3 von Jancker. Mit seinem allerersten Bundesligator für Bayern verhinderte Jancker die erste Derby-Niederlage seit dem Wiederaufstieg der Blauen. Bayern kämpfte sich schon zuvor nach einem katastrophalen Start von 0:2 auf 2:2 zurück, ehe Ziege gelb-rot sah und Böhme für die erneute Führung der 60er sorgte. Als kurz darauf auch noch Matthäus mit der Ampelkarte flog und man nur noch mit 9 Spielern auf dem Feld war, kam Jancker, sah und rettete das Unentschieden, das sich wie ein Sieg anfühlte.
Saison 2000/01 gegen Kaiserslautern: 2:1 Zickler.
Dieser Moment war für mich der krasseste Bayern-Moment überhaupt. Die Konstellation war wie folgt: Bayern und Schalke waren 2 Spieltage vor Schluss punktgleich, allerdings hatte Schalke die deutlich bessere Tordifferenz und somit alles in eigenen Hand. Es war eigentlich klar, dass Bayern wohl an diesem Spieltag vorbeiziehen muss, wenn es noch eine Chance auf den Titel geben soll. Am letzten Spieltag spielte Schalke nämlich daheim gegen die abstiegsgefährdeten Unterhachinger und der Optimismus, dass diese uns erneut zum Meister machen könnten, war eher gering. Ein Schalker Punktverlust in Stuttgart schien da schon wahrscheinlicher. Natürlich musste auch Bayern seine „Hausaufgaben“ machen und Lautern schlagen, wonach es zur Halbzeit gar nicht aussah (0:1). Nach Janckers Ausgleich verstrich Minute um Minute und es sah so aus, als würden das Spiel in München 1:1 und das Spiel von Schalke in Stuttgart 0:0 enden und Schalke somit vorne bleiben. Dann kam die 90. Minute. Zickler kam bei einem letzten Angriff eigentlich nicht durch und sein Schuss wurde abgeblockt. Den Abpraller nahm er volley und nagelte ihn ins Tor zum 2:1 Siegtreffer. Zicklers Traum-Volley gegen Kaiserslautern - Saison 2000/01 (youtube.com)
Mitten in den kollektiven Jubel hinein kam auf der Anzeigentafel noch die Nachricht, dass Balakov für Stuttgart zur gleichen Zeit das 1:0 gegen Schalke geschossen hat. Innerhalb einer Minute hatte Bayern jetzt 3 Punkte Vorsprung und war nicht mehr Zweiter sondern Tabellenführer und brauchte noch einen Punkt (aber wie der zustande kam, war ja dann auch nicht gerade was für schwache Nerven. )
Da gab‘s wirklich viele tolle Momente. Meine Highlights wären:
Katsche‘s Hammer gegen Atlético
Andersson‘s Freistoß in Hamburg (bin wie irre durch den Garten gerannt und war tagelang heiser)
Die Meisterschaft 1997 durch das 4:2 gegen Stuttgart. Mein Sprint rund um den Pool auf Menorca, den FCB-Schal wirbelnd. Genugtuung gegenüber all den BVB-Fans, die ein paar Tage zuvor sauer auf mich waren, da ich als Einziger beim CL-Finale für Juventus gebrüllt hatte.
Arjen 2013, klar.
Dann noch Mai 1982, der Tag meiner Hochzeit. Die Kaffeegesellschaft war schon versammelt, nur der Bräutigam unauffindbar. Nach langer Suche entdeckten sie mich im Auto, „Heute im Stadion“ lauschend. Niemand verstand meine Verwunderung, wieso keiner auf die naheliegendste Lösung gekommen war. Dass Bayern 0:3 in Gladbach verlor war an dem Tag dann doch nachrangig.
Damit verbinde ich auch einen besonderen Moment. Irgendwie hatten es die Ordnungskräfte nicht so auf dem Schirm, dass Bayern schon an diesem 33. Spieltag Meister werden könnte, da man ja „nur“ einen Punkt vor Leverkusen lag. Dass Toni Polster Leverkusen 3 Tore einschenkt und Köln mit 4:0 gewinnt war auch nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Nach dem Schlusspfiff und der feststehenden Meisterschaft war auf jeden Fall niemand da, der die Fans im Bereich Nordkurve vom Klettern über den Zaun abgehalten hätte. Später wurden dann die Tore geöffnet. Wir haben uns angeschlossen und waren plötzlich auf dem Rasen. Einen „Platzsturm“ in München gab es seitdem meines Wissens nie wieder, oder?
Beim Weg nach draußen wurden wir durch die Katakomben geleitet und da stand plötzlich die Werbetonne, die Klinsmann ein paar Wochen vorher nach seiner Auswechslung gegen Freiburg mit einem Tritt beschädigt hat. Wir haben uns dann noch einen kleinen Teil rausgebrochen und als Souvenir mitgenommen.
Es gab viele große Momente, von denen auch schon einige erwähnt wurden, aber mein spektakulärster war das ganze wilde Spiel, das hinter meinem Nickname steht.
Nach einem müden 1:1 zuhause gegen den madrilenischen Vorstadtclub entwickelten sich auswärts 120 Minuten pure Dramatik. Kein schönes Spiel, kein gutes Spiel, der Platz ein Kartoffelacker, aber zwei Stunden ultimatives Kräftemessen in Mentalität auf beiden Seiten, der pure Wille zu gewinnen, alle Spieler auf dem Platz permanent mit Messer zwischen den Zähnen, die Spanier über fast das ganze Spiel nur zu zehnt, was gar nicht zu spüren war. Und am Ende in der allerletzten Minute der Verlängerung trifft Luca Toni für uns per Kopf und wir „gewinnen“ 3:3 dank Auswärtstorregel. Es ist erst vorbei, wenn wir sagen, dass es vorbei ist, kein Spiel hat das so symbolisiert wie dieses und da lagen 34 Jahre Fan-Dasein schon hinter mir.