Leroy Sané: Ein Grenzfall zwischen Vernunft und Wahnsinn

Ja, unter Schmerzmitteln. Was dann z.B. zur Folge hat, dass man Schmerzen an anderen Stellen gar nicht erst spürt (so dass der Körper kein Warnsignal sendet und es schlimmer wird). Von den phsychologischen und sonstigen Folgen einer Dauermedikamentierung mal ganz abgesehen.

Der Handballspieler Steffen Kretschmer hat vor ca. 20 Jahren mal in einem Interview gesagt, „nun ja, inzwischen nehme er halt vor jedem Spiel ein Voltaren ein, weil es anders nicht mehr gehe“ (die Dosierung blieb offen, dürfte aber stärker gewesen sein als das, was Hinz und Kunz rezeptfrei in ihrer Apotheke bekommen). Ich hatte damals üble Bandscheibenprobleme (die heute zum Glück komplett weg sind), weshalb ich ab und zu auch mal Schmerzmittel brauchte. Damals dachte ich schon, „mein lieber Herr Gesangsverein“, das möchte ich für mich definitiv nicht.

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Wo kommt das denn her? In letzter Zeit mal Interviews von (zum Beispiel) Lindsey Vonn gelesen? Hat sich durch ihre Karriere ihren Körper ruiniert, jetzt täglich Schmerzen. Nimm die Diskussion um Shiffrin: Jeder (männliche Kommentator, den ich dazu gehört habe) hatte Verständnis, dass sie nach der schweren Verletzung ihres Freundes Kilde und einer eigenen Verletzung, sich auskuriert hat. Dann kommt eine Kollegin (Brignone) um die Ecke und kreidet ihr an, dass sie dem Wettkampf mit Gut-Behrami aus dem Weg gegangen sei…das sind alles Frauen, so viel ich weiß. Klar, kann jetzt der „aber Frauen, die in einer männlich geprägten, also bösen, Gesellschaft groß geworden und in einem männlich dominierten Sportsystem „funktionieren“ müssen“ Konter kommen. Ich finde es ja gut, wenn die Medizin endlich begreift, dass männliche und weibliche Körper unterschiedlich ticken etc. Aber muss man wirklich aus jedem Thema immer diese Geschlechterdebatte machen?

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Um zu verstehen, woher auch die von dir genannten Beispiele kommen: Ja. Dann muss man neben weiteren Aspekten auch darüber sprechen. Auch wenn sich Männer davon angegriffen fühlen. Warum auch immer.

Übrigens ist das keine Debatte um Geschlechter in der Hinsicht, dass Frauen sowas nie tun würden, sondern darüber wie Männer unsere Gesellschaft geprägt und Verhaltensweisen geschlechterübergreifend verankert haben. Nochmal: Ist wirklich gar nicht so steil die These, wenn Mann sich weniger angegriffen fühlt.

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Ich bleibe an dem Begriff „Vorbildfunktion“ hängen. Leistungssport ist eine boomende Unterhaltungsbranche, in der sehr viel Geld verdient wird. Dieser Umstand bringt Zwänge mit sich, die unvermeidbare Auswirkungen unterschiedlicher Art haben. Wer da mitmacht, weiß das und akzeptiert es grundsätzlich. Vor Jahren schilderte z.B. Per Mertesacker, wie schlecht es ihm häufig vor Spielbeginn ging. Umgehend wurde er scharf dafür kritisiert, z.B. weil er seiner Vorbildfunktion nicht gerecht werde als Nachwuchs-Chef bei Arsenal, der bedenken müsse, wie seine Worte auf die zukünftigen Profis wirken. Das Beispiel zeigt, wie problematisch der Vorbild-Begriff im Leistungssport ist. Einerseits als Alibi einer kritischen Gesellschaft gegenüber, andererseits als Druckmittel, um Korpsgeist einzufordern.

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Warum unterstellst du mir, dass ich mich davon angegriffen fühle? Ich bin nur, wie du, ein aufmerksamer Beobachter meiner Umwelt, der Gesellschaft. Und sehe Biases, Zirkelschlüsse und „in sich geschlossene Argumentationen“, die egal bei welcher Beobachtung immer zum gleichen Schluss kommen. Vielleicht greift mich das intellektuell an, wenn man andere Kausalitäten, andere Erklärungsmuster aus welchen Gründen auch immer ausblendet, aber es greift mich nicht „als Mann“ an.

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Es greift dich aber offensichtlich nicht intellektuell an, den Text auf diesen Satz zu reduzieren.

Wie käme man denn NICHT zu dem Schluss, dass diese Gesellschaft durch sehr viele männlich-geprägte Verhaltensweisen beeinflusst wurde und wird? In einer Welt, die Männer seit jeher dominiert haben, sind es natürlich männliche Verhaltensweisen, die sich in vielen Bereichen verankert haben. Was denn sonst? Und es ist auch ganz natürlich, dass Frauen diese Verhaltensweisen in manchen Bereichen adaptiert haben.

Es ist schön, dass viele dieser Verhaltensweisen hinterfragt werden. Es wäre schön, wenn das noch häufiger passiert. Gutes Beispiel ist da auch das Thema „krank auf Arbeit“. Machen auch Frauen. Psychologisch kommt das aber aus Zeiten, in denen es angemessen schien, Leute als „Weichei“ zu betiteln, die sich von einem Schnupfen aufhalten lassen. Oder gar als „weiblich“ zu betiteln, weil man damit Schwäche zeige. Auch hier gibt es Drucksituationen. Arbeitgeber, die Druck ausüben bspw. / finanziellen Druck. Themen, die es im Leistungssport auch gibt, siehe Text. Aber auch das hat wiederum noch weitere Hintergründe, die auch psychologische Aspekte beinhalten.

Abstrakte Argumentation, aber die Verknüpfung dessen ist echt nicht so weit hergeholt.

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Letztendlich behauptet Justin, dass Frauen von sich aus keinen Ehrgeiz haben und da sind wir uns wohl alle einig, dass das komplett falsch ist :smile:

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Weiß nicht ob man da jetzt gleich in den „Lesekompetenz“ Frontalangriff übergehen muss.

Wie gesagt - ich sehe weder bei Sané noch sonst hier bei MSR in der Kurve (dass dies gerade nicht der Fall hier und anderswo wohl irgendwelche Idioten sicherlich in diese archaischen Schemen weiter fallen - das kannste Dir durchaus auch als persönlichen Erfolg verbuchen!) diese Art von Heroisierung in irgendeiner Form egal welcher unserer Spieler.

Und ich habe das im selben Spirit, wie du überhaupt den Artikel als Diskussionsgrundlage geschrieben hast, halt mal als schönen Eröffnungspunkt gesehen wo man ansetzen kann - wo kein Dissens halt auch meistens keine interessante Diskussion…

Bzgl. dem typisch männlichen Heroisierungsakt - da denke ich genau an eine Szene:

Schweini im Finale WM 2014 - da war zur MSR Kurve in heutiger Form noch fast ne Dekade hin. Und eben keinerlei gefährliche Verletzung aber schön martialisch mit Blut optisch schön imposant. Und dann entgültig aus der „Cheffchen“ Rolle entwachsen…

Finde da dann aber auch null schlimm!

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Ich sehe es völlig pragmatisch:

Wenn Sane der Meinung ist dass er spielen kann und der Trainer ihn sportlich im Kader sieht, dann soll er spielen. Vorausgesetzt die medizinische Abteilung gibt ihr ok.

Diese Kriterien scheinen alle erfüllt zu sein, daher sehe ich hier keine große Sache bzw. kommt dies oftmals auch bei anderen Spielern vor.

Extra Mitleid oder dergleichen verspüre ich hier nicht. Das ist einfach part of the game.

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So habe ich das nicht gelesen. Selbstverständlich sind Frauen überhaupt nicht davor gefeit, in solchen Zielkonflikten - Ehrgeiz vs. physische und psychische Gesundheit - sich zu verfangen. Was etwa auch zu überraschend frühen - und gewöhnlich sehr kritisch kommentierten - Rückzügen aus dem Leistungssport führt, wie etwa bei Magdalena Neuner. Frauen haben auch großen Anteil an der Erziehung ihrer Söhne zu einer bestimmten Form von Männlichkeit, das steht außer Frage.

Wenn man berücksichtigt, wie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein junge Männer in staatlichen Kadettenanstalten zu schmerzunempfindlichen Kampfmaschinen ausschließlich von Männern abgerichtet wurden, lässt sich aber nicht gut bestreiten, dass diese Eigenschaften als spezifisch männlich bezeichnet werden können. Denn dies sind die lange nachwirkenden Rollenmodelle auch für heutige Sportheroen. Besonders wirksam, wenn kein Bewusstsein darüber besteht.

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Ein Wunder, dass viele Frauen mehr als ein Kind haben :grin:

Justin hat nicht mit einem Wort gesagt, dass Frauen weniger Ehrgeiz haben und es nicht einmal angedeutet. Tatsächlich scheint der Hinweis auf Lesekompetenz hier nötiger zu sein, als es zunächst schien.

Und das so manch typischer Verdächtiger hier auch wieder nur zum sinnbefreiten Pöbeln erschienen ist, wundert natürlich nicht.

In dem Moment, in dem das bewusste und gewollte Missverstehen einsetzt, ist mir mein Tag wertvoller als mich darüber aufzuregen. Vlt. schau ich am Abend nochmal rein, damit ich auch besonders ermüdet ins Bett gehen kann.

Danke für die Anregungen der anderen, also der Mehrheit hier. :slight_smile:

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Ein beliebtes Stilmittel :grinning:

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Dass Du über Stilmittel schreibst, ist schon bemerkenswert.

Dein Stilmittel ist eigentlich immer einfach null inhaltlichen Beitrag zu leisten, sondern einfach nur dann dazuzustoßen, sobald es die Möglichkeit gibt, mit geistlosen Einzeilern Stimmung zu machen.

Schade für alle anderen.

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Ich finde die Diskussion mega spannend, v.a. weil ich den Beitrag in der Nacht um 1.00 gelesen haben (konnte nicht schlafen) und ich dann noch wacher war, weil mich die gleiche Passage, die hier auch die meiste Diskussion hervorruft, die ganze Zeit im Kopf herumspukte.
Ich glaube zu verstehen, was Justin meint, aber ich glaube auch, dass meine Lesart etwas daraus macht, was er mit ziemlich großer Sicherheit nicht gemeint hat (Schulz von Thun!).

Als Beispiel ist mir gleich Ballett eingefallen, weil ohne Schmerzen hier ja bekanntlich gar nichts geht und es v.a. von Frau praktiziert wird.
Aber auch ohne Genderperspektive sind Kampfsportarten in allen Ausführungen teils sogar darauf ausgelegt, dass man mit Schmerz umgeht.

Wenn man sich zudem Profifußballer allgemein anschaut, sind sie nach der Profikarriere alle v.a. erst einmal körperlich völlig fertig. Ich bin mir sicher, dass es kaum Spieler gibt, die nach 90 Minuten keine Schmerzen haben. Vielleicht sogar über mehrere Tage.

Mit Sanés Verletzung kenne ich mich zu wenig aus und kann daher überhaupt nicht sagen, ob es Sinn macht, dass der Verein und er diese Vorgehensweise gewählt haben oder so kontraproduktiv, dass er riskiert, Sportinvalide zu werden. Gleichzeitig sehe ich es auch so, wie hier etliche User es geschrieben haben. Sané ist erwachsen und er wird die Entscheidung schon mitgetragen haben. Wenn er dazu gezwungen wurde, dann muss er sich hinterfragen, das ist keine Gesamtgesellschaftliche Debatte. Schließlich veranstalten wird keine Gladiatorenspiele. Ich würde auch wetten, dass 70% der User hier für das Gehalt von Sané die gleichen Schmerzen auf sich nehmen würden. Wobei dieser Aspekt dann nochmal eine ganz andere Richtung einschlägt, die eher völlig am Thema vorbeigeht :wink:

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Jede Woche nehmen auf den Amateurfussballplätzen dieser Republik Leute solche Schmerzen auf sich. Ohne einen Cent Gegenleistung. Weil sie es wollen.

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Genau so wird es bei Sané wohl weiter gehen:

Du hast die Dilemmas in diesem Kontext gut zusammengefasst: Es ist nicht nur der Verein, der Druck auf die Spieler ausübt. Die meisten Topathleten wollen auf den Platz: Jungs wie Lewy immer, Andere wenigstens in den Top-Partien.

Die Thematik betrifft den gesamten Spitzensport: Man sehe sich die Verletztenwelle in der letzten Ski Alpin-Saison an: Shiffrin, Kilde, Vlhova, Goggia, Schwarz, Pinturault, Holdener - 80% der Topfahrer lagen phasenweise flach.

Ich denke auch nicht, dass Heroisierung da der richtige Weg ist. Das sehe ich aber nur in wenigen Fällen: Jeremies und Schweini wurden schon genannt. Da ging es eben um die ganz großen Titel. Ansonsten erlebe ich eine solche Heroisierung glücklicherweise nur selten.

In diesem Kontext hätte mich eine Analyse seitens msr zur langjährigen Verletzungsthematik in unserem Kader interessiert. Wir führen die Rankings an Verletzungstagen ja praktisch immer an, unabhängig vom jeweiligen Trainer. Was läuft da nur falsch?

22/23:

23/24 Hinrunde:

Woran liegts? Könnte auch in der Sache Sané helfen.

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Eine Ergänzung noch, weil ich sie wichtig finde. Dann bin ich erstmal raus: Heroisierung muss nicht immer im großen Stil stattfinden. Wer mal Teil einer Fußballkabine war, weiß, dass es gewisse Gruppendynamiken gibt. Bei allen positiven Aspekten waren diese ein Grund von mehreren, warum ich vor einigen Jahren aufhörte, selbst Fußball zu spielen. Ich war froh, aus diesem Kreis rauszukommen und blicke dennoch auf eine schöne Zeit zurück. Geht beides. Zurück zum Kern:

Heroisierung kann auch von einem Mitspieler oder einer Gruppe von Mitspielern ausgehen – oder vom Trainer. Kriegt man öffentlich dann nicht mit.

Heroisierung kann auch falscher Antrieb einer Motivation sein. „Wenn ich jetzt trotzdem spiele, werde ich belohnt dafür.“

Heroisierung kann auch nur im Kopf stattfinden.

Heroisierung kann auch nur in Teilen der Öffentlichkeit stattfinden. Auch mal nur in kleinen Teilen.

Wofür der Begriff in meinem Text steht: Für die Gedankengänge, oder zumindest einige davon, die hinter so einer Entscheidung stehen und stehen können.

Man könnte im Kontext Sané sogar noch weitere gesellschaftliche Themen aufmachen, aber ich denke, wir sollten bei dem einen bleiben. Heroisierung muss mMn nicht zwingend der ganz große Feuerwerksknall am nächsten Morgen sein. Damit gehen so viele Ebenen einher.

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Danke für den interessanten Artikel Justin. Etwas überraschend (wie naiv ich wohl bin) und irgendwie etwas schade das der darauffolgenden diskussions Fokus fast ausschließlich auf die ‚Genderdebatte‘ gerichtet ist.

Ich finde es ist ein sehr interessantes und wichtiges Thema wie mit Verletzungen im Profisport umgegangen wird. Obwohl die meisten hier wohl Realisten sind, ist es natürlich generell so das es ein Thema ist welches vom System Profisport eher unter den Teppich gekehrt wird, da es für alle beteiligten um viel zu viel Geld geht.

Auch interessant wie viele den Schwerpunkt auf persönliche Verantwortung legen (er hat ja die Wahl) was mir etwas zu kurz kommt. Klar, kann man so sehen (verdienen genug, wissen worauf sie sich einlassen etc) aber beschäftigt sich ja weniger mit der Frage ob wir als Gesellschaft das so gutheißen bzw ob wir uns genug Gedanken machen ob und wo man Grenzen ziehen sollte/koennte.

Haben Vereine speziell und die Gesellschaft generell gar keine Fürsorge Pflicht? Kann ein Individuum immer im eigenen besten Interesse entscheiden im System Profisport? Muss sich immer alles dem Geld und Erfolg unterordnen?

Ich finde man kann schon sagen dass es ein komplexes Thema ist, welches durchaus Diskussion verdient.

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