Veröffentlicht unter: Kommentar zum Fall Boateng: So einfach kommt der FC Bayern nicht davon – Miasanrot.de
Der FC Bayern München sollte sich schämen. Genauer: Die Klubführung sollte sich schämen. Mittlerweile hat man sich offiziell gegen einen Wechsel von Jérôme Boateng positioniert. Der vermeintliche Grund: Eigentlich ist die Personalsituation ja jetzt doch wieder ganz in Ordnung. Der vermutlich wirkliche Grund: Das Anteasern der sich anbahnenden Vertragsunterschrift hat…
die Verantworlichen dieses Vereins widern mich erneut zutiefst an! man kann nur hoffen, dass dieses erneute abartige Verhalten auf der JHV um die Ohren fliegt… leider wird es keine Konsequenzen geben…
und vielen Dank an Justin für diese einwandfreie Positonierung!
Bin ich etwas anderer Meinung.
Wenn das so wäre, hätten sie Boateng einen Vertrag gegeben. Sportlich und finanziell wäre das ohne Risiko gewesen. Man hat aber nach einer Woche „nachdenken“ darauf verzichtet. Man hat sich also aufgrund des hängigen Verfahrens gegen die Verpflichtung entschieden.
Aus meiner Sicht ist es den Verantwortlichen darum ihre gesellschaftliche Verantwortung nicht egal. Dass man aus rein sportlichen Gründen mit den Gedanken gespielt hat Boateng zu verpflichten mag für den einen oder anderen moralisch verwerflich sein. Abwägen ist für mich jedoch nicht verwerflich.
wäre sie ihnen nicht egal, wären sie niemals auf diese abstruse Idee gekommen… da sind doch erfahrene Adults am Werk…
ach stimmt… alles Männer…
Die gesellschaftliche Verantwortung ist ihnen völlig egal. Die Dimension des shitstorms hat sie abgehalten.
Ich würde vermuten, dass sportliche Entscheidungen beim FC Bayern vor allem durch einen sportlichen Kompass beeinflusst werden…
Die moralische Ebene, auch die gesellschaftliche, nimmt in ihrer Bedeutung in dem Maße ab, wie die (vermeintliche) sportliche Not größer wird.
Die Frage ist jetzt nur:
Verwundert uns das?
Ist das nicht zu erwarten?
Bitte nicht falsch verstehen: ich bin letztlich sehr froh, dass man sich gegen Boateng entschieden hat, und hatte meine Haltung diesbezüglich bereits im entsprechenden Thread begründet.
Mein Punkt, und vielleicht auch eine Nachfrage an @justin wäre:
Gibt es auf der Welt eigentlich irgendein Millionen-Business, wo Moral wirklich eine Rolle spielt? Und warum erwarten die Leute das ausgerechnet beim Fußball, wo speziell die gesamte weltweite Funktionärs-Kaste zu großen Teilen aus ausgemachten Halunken besteht, die Verantwortlichen sämtlicher ambitionierter Vereine bereit sind, mit jeglichem Teufel zu paktieren, um sportlichen Erfolg zu generieren. Ist es so erstaunlich, dass die moralische Haltung und das gesellschaftliche Engagement so ein wenig unter „nice to have“ läuft, aber sobald eine sportliche Not herrscht, sehr weit in den Hintergrund rückt?
(Ob die sportliche Not so groß war, um Boateng zumindest zu erwägen; ist noch mal ein anderes Thema.)
Manchmal denke ich ganz selbstkritisch, ob meine kritische Haltung zur Vereinspolitik oder zum Fußball in seinem ganzen Irrsinn nicht ein wenig billig daherkommt - denn am Ende bewege ich mich hier in einem Fußball-Forum, rede gerne über Fußball, liebe das Spiel und den FC Bayern und bin stinkesauer oder traurig, wenn sie verlieren, oder juble, wenn sie gewinnen.
Müsste man bei all dem Wahnsinn sich nicht abwenden vom gesamten Profi-Bereich? Muss ich das Fan-Dasein beenden, sobald ein entsprechender Fall a la Boateng für den FCB spielen sollte? Wo ziehe ich die Grenze?
Ist es naiv zu hoffen, dass sich die Bayern-Führung aufgrund der durchaus zu erwartenden Verurteilung Boatengs gegen ihn entschieden hat, und nicht in einem Strategie-Spiel, wie es @justin andeutet?
Fragen über Fragen.
Für Orientierung wäre ich dankbar.
Vor allem Christoph Freund hat bei mir den ersten fetten Minuspunkt auf dem Konto mit dem unsäglichen Geschwätz von der Privatangelegenheit. Damit zeigt er, dass ihm das persönliche Format für höhere Aufgaben fehlt. Hoffentlich lernt er daraus.
Was ist denn die Alternative zum Kritisieren von Zuständen, die nicht in Ordnung sind, um es noch nett zu formulieren? Einfach schweigen, weil es nicht überraschend ist und das alles akzeptieren?
Ich halte auch wenig von dem Argument „wenn es alle tun, dann ist es doch okay, wenn ich das auch tue“. Ich fände es billig, sich darauf zu berufen, dass der FC Bayern mit dieser Haltung nicht allein ist.
Und die Fragen unten kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ich persönlich habe das für mich vor einiger Zeit getan. Ich finde Diskussionen aber wenig zielführend, in denen es nur 0 und 100 gibt. Natürlich kann man Fan sein und jubeln, sich aber gleichzeitig kritisch mit solchen Themen auseinandersetzen und seinen Klub dafür anzählen. Da sehe ich erstmal keinen Widerspruch. Problematisch finde ich es nur, wenn man die Abkapslung des Sports dafür nutzt, solche Missstände zu ignorieren oder sie gar positiv zu framen.
Du stellst jedenfalls die richtigen Fragen. Orientierung kann ich dir leider auch nicht bieten, denn ich stelle mir die selben. Aktuell liebe ich den Club und das Spiel mit allem was so dazugehört einfach zu sehr, um mir selbst diese Fragen zu beantworten. Aber die Mehrheit der Fans hat das richtige Gespür und hat die Entscheidung des Clubs sicher beeinflusst. Dass sich der Club von uns Fans überhaupt noch beeinflussen lässt, gibt mir dann doch noch etwas Hoffnung.
Dass ich, wie bekannt, schon seit längerem kein Fan mehr bin, hängt in erster Linie mit einer kompletten Illusionslosigkeit zusammen, was genau die relative Bedeutungslosigkeit eines solchen Wertekompasses in diesem Business betrifft. Fußball ist aber nach wie vor ein interessantes gesellschaftliches Phänomen, und dem FC Bayern stehe ich aus alter Verbundenheit weiterhin wohlwollend gegenüber. Und es stimmt ja auch, dass man fraglos unangreifbare Moralität fast nirgends antrifft. Was wiederum keineswegs freie Fahrt für Zynismus und Nihilismus bedeuten kann. Demzufolge weiß ich es zu schätzen, dass solche Diskussionen hier ernsthaft geführt werden. Enttäuscht bin ich allerdings nicht, weil ich keiner Täuschung über die Mechanismen des Geschäfts erlegen bin. Dennoch können einzelne immer auch konträre, positive Akzente setzen, und manchmal tut dies auch die Kraft der Masse an Kritikern. Was speziell Boateng betrifft, schrieb ich: wer sich vor Gericht verantworten müsse, könne keinen Künstler-Bonus (im Sinne der Trennung von Künstler und Werk) für sich beanspruchen. Gut, dass es dazu nun nicht kommt.
Ja. Patagonia ist ein prominentes Unternehmen, dem ich moralisches Handeln attestieren würde. Google („don’t be evil“) war es sicherlich mal. In der Berlin Start-up-Welt kenne ich einige Unternehmen, denen Themen wie Diversity und Female Empowerment und Kampf gegen Sexismus auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig sind.
Etc.
Weil Sport mehr ist als dein Duschgel-Hersteller, dein Softwareanbieter oder deine Pastamarke. Fußball und Vereine sind hochemotional. Unsere persönliche emotionale Bindung zu den Vereinen, zu unseren Vereinen, ist so viel größer als zu anderen Unternehmen. Und die Vereine laden das nochmal auf. Massiv. Mit Kampagnen, Slogans und einem ganzen Arsenal an Leitbildern, Slogans, Wertekatalogen und so weiter.
Dadurch ist die Fallhöhe hier so viel größer, wenn die Diskrepanz zwischen Marketing, zwischen unserer Projektion auf den Verein/die Marke und tatsächlichem Handeln so groß ist.
Au contraire. Man muss weiterhin lautstark dafür sorgen, dass es sich bessert. Oder nicht schlimmer wird. Das geht. In wenigen Wochen ist bereits die nächste Mitgliederversammlung.
Volle Zustimmung.
Letzteres liegt mir wirklich fern. Und nichts wünschte ich mir mehr, als dass mein Verein in seiner Haltung klare Positionen vertritt, mit denen ich mich identifizieren kann.
Nur läuft das „0 oder 100“-Problem auch in die andere Richtung. Der FC Bayern zieht eminente Aufmerksamkeit auf sich und erntet oftmals Kritik, die man woanders auch mal unterlässt. Selbstverständlich ist das kein Argument zum Stillschweigen oder Relativieren, aber mir geht es um das Ausmaß und die Verhältnismäßigkeit der Kritik, zumal sie sich letztlich auf den Gesamtverein richtet, obwohl es Einzelpersonen sind, die die Entscheidungen treffen.
Auch du, @justin, titelst deinen Artikel mit „so einfach kommt der FC Bayern nicht davon“. Als Rummenigge seinen unerträglichen Kommentar zum Fall Rubiales äußerte, war der FC Bayern im Fokus, auch bei vielen Kommentaren hier im Forum wird verallgemeinert, was das Zeug hält.
Ich würde es zumindest für legitim halten, im Falle Boateng nicht zynisch oder desillusioniert davon auszugehen, dass alle Führungskräfte des Vereins misogyne Ignoranten sind, sondern bevorzuge die Perspektive, die @Hibbs anspricht:
Vielleicht haben sich die Herren aufgrund des öffentlichen Widerhalls ihrer Pläne einfach besonnen und nochmal drüber nachgedacht. Damit könnte man vermuten, dass es doch nicht komplett wurscht ist, was wir Fans denken. Zu naiv?
Naja, das ist mir eigentlich schon klar. Meine Frage zielte genau darauf ab, dass ich diesen Automatismus implizit in Frage stellen möchte.
Ich muss gestehen, dass ich „Marketing“ grundsätzlich nicht ernst nehme - eben weil es „Marketing“ ist und a priori etwas suggeriert, was wahrscheinlich nicht ganz der Wirklichkeit entspricht.
Ich bin Bayern-Fan von Geburt an, ich liebe das Spiel wirklich, und es macht einfach noch mehr Spaß es zu verfolgen, wenn man mit jemandem mitfiebern kann, der das Spiel auch noch außerordentlich beherrscht.
Es geht mir auch ganz bestimmt nicht um Whataboutism, aber ich kann doch nicht völlig ignorieren, in welchem Umfeld sich die Profis bewegen (hat jetzt nichts mit Boateng zu tun). Es dürfte doch klar sein, dass meine persönlichen moralischen, gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen im Business Profi-Sport nicht gerade häufig vorkommen, bisweilen dem Erfolg sogar zuwiderlaufen. Man erinnere sich an die hilflosen Versuche der Nationalspieler, in Katar Stellung zu beziehen zu Frauenrechten etc.: vorher klatschten viele Beifall, danach stellte man sie an den Pranger von wegen, die hätten sich mal auf Fußball konzentrieren sollen.
Mein Eindruck wäre also:
Wir Fans können uns die kritische Haltung schon auch gut erlauben, da wir nicht in der Verantwortung stehen. Dann sollten wir aber auch registrieren, wenn eine Haltung ausnahmsweise mal existiert, und nicht bei jedem sportlichen Misserfolg mit Verve draufhauen. Und hier komme ich wieder zu Boateng: Ich bin sehr glücklich, dass er nicht verpflichtet wird. Aber ich werde die nächsten paar Wochen auch nicht damit verbringen, die fehlenden IV anzusprechen. Das Transfer-Fenster ist zu, Alternativen kaum auf dem Markt. Man hatte eine - saudumme - Idee und hat sie wieder verworfen. Für mich kein Grund zu einer moralischen Bankrott-Erklärung eines gesamten Vereins.

Auch du, @justin, titelst deinen Artikel mit „so einfach kommt der FC Bayern nicht davon“. Als Rummenigge seinen unerträglichen Kommentar zum Fall Rubiales äußerte, war der FC Bayern im Fokus
Ich würde auch gern auf den Rest eingehen, mir fehlt gerade aber etwas die Zeit dazu. Nur kurz dazu: Das liegt natürlich auch daran, dass der FC Bayern sich selbst gern als Vorreiter in Deutschland und Europa inszeniert und diese Rolle auch einnehmen möchte. Andererseits ist es so, dass der FC Bayern stets unser Aufhänger als Blog ist, der sich maßgeblich mit ihnen auseinandersetzt. In dem Fall mag es also nicht der FC Bayern sein, der allein so handelt. Aber er ist stellvertretend für viele.
Misogynie ist ein großes Wort und allen Führungskräften unterstelle ich diese sicher nicht. Aber ich unterstelle zumindest, dass sie damit nichts dafür tun, dass sich in der Gesellschaft etwas verändert und eher noch die Argumentation jener stärken, die das eben als kleine „private Sache“ abtun.
Mich würde einfach mal die Meinung derjenigen, die eine mögliche Verpflichtung von Boateng als absolutes NoGo sahen, zu folgender Fragestellung interessieren:
Ist Boateng nicht für den FCB tragbar, weil er:
- Gewalt gegenüber seiner Partnerin ausgeübt hat?
- weil er das Urteil nicht akzeptieren will und bislang auch nicht unbedingt glaubhaft Reue gezeigt hat?
- oder weil beides zusammentrifft?
Oder andersrum gefragt: Wäre Boateng eher vermittelbar, wenn das Urteil bereits rechtskräftig wäre und er auch offiziell Reue gezeigt hätte?
Weiter gedacht: Muss oder sollte man künftig bei Straftaten von Angestellten oder solchen, die es möglicherweise noch werden könnten, allgemein eine rigorose Linie fahren und sagen: wer Ärger mit der Justiz hatte, darf beim FCB nicht arbeiten. Oder sollte man eine Unvereinbarkeitsliste erstellen mit Vergehen, die absolut inakzeptabel sind und eine Beschäftigung beim FCB unmöglich machen. Wenn ja, was steht dann darauf, und was fällt unter die Kategorie „illegal, aber akzeptabel“?
Nette weiterführende Gedanken. Ich fände es sehr gut, würde der FC Bayern sich damit auseinandersetzen und das Thema ernst nehmen. Es ist in solchen Themen aber immer schwierig eine klare Linie zu ziehen und diese einzuhalten. Schon deshalb, weil jeder Fall individuell ist. Ich finde, bei Boateng kommt alles zusammen. Erdrückende Beweislage, das Ausspielen der eigenen Machtposition (genau genommen unterstützt man ihn ja noch dadurch, dass man bereit war, ihn wieder aufzunehmen), die Vorwürfe an sich, die zweimalige Verurteilung, die jeweils wieder rückgängig gemacht wurde, aber wo ja dennoch vieles darauf hindeutet, dass es auch beim dritten Mal nicht viel besser laufen wird für ihn – und dann eben dieses ganze System, das dahinter steht (siehe auch die SZ-Recherche damals). Dass er selbst keine Reue zeigt und kein Interesse daran zeigt, den Fall aufklären zu wollen, spielt sicher auch eine Rolle. Wie gesagt: Hier kommt einfach alles zusammen.
Also ich denke wir können uns wahrscheinlich darauf einigen, dass der FC Bayern und seine Verantwortlichen nicht die weissen Ritter sind die vielleicht viele gerne hätten. Oder wie sie denken wie die zu handeln haben.
Im Fußball gibt’s keine weißen Ritter.
Aber je mehr sich die Gesellschaft wandelt desto mehr wird sich der Fußball diesen Werten anpassen.

Weiter gedacht: Muss oder sollte man künftig bei Straftaten von Angestellten oder solchen, die es möglicherweise noch werden könnten, allgemein eine rigorose Linie fahren und sagen: wer Ärger mit der Justiz hatte, darf beim FCB nicht arbeiten. Oder sollte man eine Unvereinbarkeitsliste erstellen mit Vergehen, die absolut inakzeptabel sind und eine Beschäftigung beim FCB unmöglich machen. Wenn ja, was steht dann darauf, und was fällt unter die Kategorie „illegal, aber akzeptabel“?
Die Antwort darauf könnte lauten: Offizialdelikte (also solche, die von Amts wegen verfolgt werden müssen) sind ein Ausschlusskriterium. Zumindest für exponierte Tätigkeiten.

Also ich denke wir können uns wahrscheinlich darauf einigen, dass der FC Bayern und seine Verantwortlichen nicht die weissen Ritter sind die vielleicht viele gerne hätten. Oder wie sie denken wie die zu handeln haben.
Im Fußball gibt’s keine weißen Ritter.
Aber je mehr sich die Gesellschaft wandelt desto mehr wird sich der Fußball diesen Werten anpassen.
#…Netter(…Nive…Relativierungs-)Versuch_oderMüssenSieDannAberSogleichSchwarzeSein?!?
„Aktuell liebe ich den Club und das Spiel mit allem was so dazugehört einfach zu sehr, um mir selbst diese Fragen zu beantworten.“ - @Hibbs (#9)