Vielleicht bin ich der Einzige, aber mir kam Hoeneß in der Sendung nicht wie ein leicht seniler alter Mann vor, der mit jeder zweiter seiner Äußerungen wieder irgendetwas zerstört. Meiner Meinung nach haben wir dort einen überaus intelligenten, geistig wachen, schlagfertigen und zudem sehr charismatischen Mann gesehen. Es wundert mich nicht im Geringsten, dass dieser Mann die Geschicke des FC Bayern über 40 Jahre erfolgreich führen konnte und ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass der Verein heute dort steht, wo er steht, und dass er mit seinem Witz, seinem Scharfsinn und seinen – ja, sorry – oft auch wirklich zutreffenden Äußerungen zu allen möglichen Fußballthemen die gesamte deutsche Fußballöffentlichkeit über Jahrzehnte in seinen Bann gezogen hat und immer noch zieht.
Zum Thema FC Bayern in der Sendung beispielsweise: Uli Hoeneß hat ein konservatives und risikoaverses Verständnis davon, was es heißt, ein Unternehmen wirtschaftlich verantwortungsvoll zu führen. Moderne Manager hätten beispielsweise sicher einen pragmatischeren Blick auf Bankverbindlichkeiten. Dies jedoch in Rechnung gestellt, sind all seine Aussagen zum real existierenden Transfergeschehen von heute und wie sich der FC Bayern darin verhalten solle und müsse absolut nachvollziehbar und vernünftig. Das Risiko, wie Barça zu enden, die Möglichkeitendifferenz zu den Schleichclubs, seine Erklärung, warum Newcastle in der Lage war, für Woltemade 90 oder auch 100 Millionen Euro zu zahlen und warum diese Tatsache Matthäus’ Kommentar in diese Richtung nicht nachträglich klug macht – nichts davon ist falsch. (Am lustigsten in der ganzen Sendung fand ich die Stelle, deren Witzigkeit in dem hervorragenden Liveticker von Justin leider nur unzureichend zur Geltung kommt, als Hoeneß gefragt wird, ob es zwischen ihm und Matthäus seit der Aussage von Hoeneß über ihn (Matthäus), er habe „nicht alle Tassen im Schrank“, schon wieder einen Austausch gegeben habe, antwortet, ja, man habe sich getroffen und die Hand geschüttelt, aber viel zu sagen habe man sich nach wie vor nicht, „ich habe nämlich festgestellt, dass er noch keine neue Tasse gefunden hat.“
Aua.)
(Der Kommentar zu den 40 Startelfeinsätzen von Jackson war aus meiner Sicht offensichtlich eine Dokumentation von Fakten und kein Versuch, den Spieler herabzusetzen. Natürlich weiß Hoeneß, wie viele Spiele der FC Bayern pro Saison zu bestreiten hat und dass 40 Startelfeinsätze für Jackson praktisch nicht zu erreichen sind.)
Auch Hoeneß’ Kommentare über Max Eberl fand ich nicht so vernichtend wie viele hier.
- Er verteidigt Eberls Transfers: „Es gibt keinen Max-Eberl-Transfer, es gibt keinen Uli-Hoeneß-Transfer, es gibt nur FC-Bayern-Transfers. Und wenn einer davon schlecht war, dann waren wir alle schlecht, nicht nur ein Einzelner.”
- Er nimmt Eberl gegen die BILD-Zeitung und den Transferjournalismus in Schutz.
- Er sagt, dass der Aufsichtsrat gut mit Eberl zusammenarbeite und dieser seine Sache insgesamt „gut” mache.
EDIT: Nach nochmaligem Anschauen des Teils der Sendung, in dem es um Eberl ging, muss ich anerkennen, dass Hoeneß ganz offensichtlich damit nicht gut zurechtkommt, dass Eberl die Autonomie und Kompetenz, die ihm sein Amt (Vorstand Sport) formal verleiht, auch wirklich nutzen und ohne Hoeneß’ ständige Einmischung auf dem Transfermarkt agieren können möchte. Dies führt zu einer Einstellung von Hoeneß gegenüber Eberl, die man mit gutem Willen als väterlich wohlwollend bezeichnen kann, wie er in der Sendung mit vielen, kleinen Kommentaren dokumentiert, in denenner der erfahrene Vater ist und „der Max“ noch etwas lernen muss. Hoeneß’ mit einem Erziehungsimpetus gesegnete Kritik an Eberl sagt jedoch mehr über ihn selbst als über Eberl aus, und Eberl wird sie hoffentlich dementsprechend einzuordnen wissen.
Alles in allem fand ich Hoeneß unterhaltsam, scharfsinnig, intelligent, wohlwollend und in seinen Aussagen nachvollziehbar. Mir hat der Auftritt gefallen, aber ich mag die öffentliche Person Hoeneß auch unheimlich gern. Solche Leute braucht der deutsche Fußball als Unterhaltungsbranche, und der FC Bayern hat in den letzten Jahrzehnten enorm von Hoeneß dem Manager profitiert. I’m a fan.