Persönlich kann ich weder übertriebene Lobeshymnen noch krasse Kritik an Hainer so recht nachvollziehen. Ich würde aber vermeiden wollen, zu sehr in Schubladen zu denken, besonders wenn du die „Medien- und BWL“-Leute ansprichst.
Ich glaube, alle Fans bevorzugen es, altgediente Identifikations-Figuren in Führungspositionen zu sehen. Der Grundgedanke, dass man bei diesen Leuten von einer starken Identifikation mit dem FC Bayern ausgehen kann, ist ja auch gar nicht verkehrt, und hat über Jahrzehnte sehr gut funktioniert, wenn man sieht, wie der Klub dasteht. Letztlich hängt’s aber dann doch an den einzelnen Charakteren: Uli, Kalle, Franz haben einfach über weite Strecken einen super Job gemacht und offensichtliche Fähigkeiten besessen, die dem Erfolg sehr zuträglich waren (damit möchte ich einzelne Ausfälle und Fehler nicht schönreden, auch da kam in vielen Jahren sicher was zusammen).
Nun kann man weder die Menschen klonen noch die fortschreitende Entwicklung eines Klubs ignorieren, die uns zum mitgliederstärksten Verein der Welt gemacht hat. Die Zufuhr gewisser wirtschaftlicher Expertise (wovon man bei einem ehemaligen Adidas-CEO gern ausgehen darf) ist also sicher notwendig und kaum zu kritisieren. Die Frage ist halt, wo und in welcher Form sich die Leute einbringen. Dass Herbert Hainer nun als Präsident agiert, ist vielleicht Ausdruck des Problems, dass verschiedene Leute unterschiedliche Dinge von ihm erwarten. So klar definiert und abgesteckt ist der Aufgabenbereich ja nicht. Eigentlich ist alles, was wir von außen beurteilen können, genau das: seine (und damit die des FC Bayern) Außen-Darstellung.
Summa summarum würde ich da sagen, es ist okay. Ich erwarte von einem Präsidenten nicht wirklich, dass er ständig in Sack und Asche geht und sich selbst beschimpft oder der Welt erklärt, was alles beim FCB falsch läuft. Den Job übernehmen genügend andere. Ich finde ihn persönlich nicht unsympathisch, hätte ihm ab und an mehr Souveränität gewünscht, verstehe aber auch, dass man so eine politisch und öffentlich exponierte Position nicht von heute auf morgen perfekt ausübt.
Was nun aber die Schubladen betrifft:
Wenn man den Berichten Glauben schenken darf, dann hat Olli Kahn in den letzten Jahren am ehesten dafür gesorgt, dass bei uns gewisse Werte, die den FCB zumindest nach außen immer verkörpert haben, zugunsten einer gewissen „McKinsey-Haftigkeit“ (polemisch gesagt) zurückgestellt wurden. Also eine Spieler-Ikone. Während der neue Boss Dreesen, ein alter Banker, ein ausnehmend gutes Gespür für genau diese „herkömmlichen“ Werte zu haben scheint, die den Klub als große Familie mit sozialer Ader und sportlichem Fokus sieht.
Mein Eindruck ist: Hainer sucht in diesem Spannungsfeld noch ein wenig seine Rolle. Aber das finde ich auch okay, und das letzte Halbjahr hat sicherlich viel Lernstoff zur Verfügung gestellt.