Noch lange nicht. 
Mein Walnussbaum war ein Pflaumenbaum und stand in Oedinghausen im Sauerland. Da betrieb der Bruder meines Großvaters, der Onkel Paul, den Familienhof. Mein Großvater Wilhelm war der erste in einer langen Reihe von Bauern, der studierte und Lehrer wurde.
Wir fuhren in jeden Herbstferien mit der janzen Famillich dorthin, blieben drei Tage und halfen in der Obsternte. Meine Besessenheit beim Plaumen-Plücken happich von Onkel Paul. Sein Obstgarten war sein janzer Stolz - gemeinsam mit seinen Bienen (nix BVB, datt kannte der jarnich) und seinem Wäldchen.
Datt war noch ein Rundum-Bauernhof: Forstwirtschaft, Viehwirtschaft, Hühner, Gänse, Bienen, Obst - und ein riesiger Nutzgarten.
Paul hatte zwei Frauen im Haus, seine Linde und ihre Schwester, die unverheiratet geblieben war. Angestellte gabs nicht, der Sohn Jürgen und seine Dietlinde wohnten nebenan und betrieben Milchwirtschaft. Es gab Gerüchte über einen Soldaten bei der Weltmacht…
Paul trug ne Prinz-Wilhelm-Mütze (außer beim Essen), hatte einen kleinen Trecka, rauchte immer Pfeife (außer beim Essen) -und las vor und nach dem Essen aus der Bibel vor. Und saß abends mit seinem Bruder auffer Bank vorm Haus. Den Otto’schen Daumen hat meine Mutter von ihm geerbt - und ich bin ihr. Und datt war nicht datt einzige.
Die janze Famillich heißt übrigens die kompletten Familien meiner Mutter und ihrer beiden Brüder. Datt waren 6 Erwachsene und 8 Kinners - Sternfahrt von Bonn und Mettmann ins Sauerland.
Warum?
Et wurde jedes Jahr ne Kuh geschlachtet und auf die drei Familien aufgeteilt - das Fleisch transportierten wir in Plastikwannen zurück in die Heimat. Dazu Körbe mit Äppeln, Pluhm un Kirschen.
Das waren die Überreste der Hamsterfahrer-Generation sowie des tief verwurzelten Bäurischen aus dem 19. Jahrhundert. Meine Mutter war die letzte, die in den 80er einsah, dass es Quatsch ist, Fleisch 200 km entfernt mit dem Auto abzuholen. A propos Auto: Auf der Rückfahrt hing die Kiste völlig unten in den Federn - Bodenwellen gingen gar nicht, so überladen schlichen wir im BMW 2000 mit 50 km/h heimwärts.
Paul ist 1987 gestorben, sein Bruder Wilhelm, mein Opi, drei Jahre zuvor.
Pauls Sohn, der wie mein Vater Jürgen hieß, übernahm den Hof und übergab ihn nach seinem Tod an den Sohn Martin.
Dieser konnte ihn um die Jahrtausendwende nicht mehr halten.
Es gibt nichts mehr von damals.
Der Obstgarten, wo wir mit 10 Kinners auf dem Buckelacker täglich Fußball geknörzt haben, ist planiert; die Pflaumen- und Obstbäume gefällt. Keine Bienenstöcke mehr.
Dort ist jetzt ein Golfplatz.
Soweit meine Ahnenkunde. Für heute… 