Weil in einem anderen Thread die Diskussion um „Schönwetterfans“ aufkam (ohne das hier vertiefen zu wollen, um Gottes Willen), fiel mir das Buch von Frank Goosen „Weil Samstag ist. Fußballgeschichten“ (2008) ein. Aus Sicht eines Fans des VfL Bochums werden hier zahllose Anekdoten rund um den Stadionbesuch zusammengetragen.
Die Frage „Warum geht ein Fan ins Stadion?“ hat natürlich die Antwort „Weil Samstag ist!“. Wer manchmal auf vielleicht eher „brachialen“ Ruhrgebietshumor (Frank Goosen und Jochen Malmsheimer, den ich auch sehr schätze, sind/waren ja das Duo „Tresenlesen“ ) steht, der wird vermutlich seinen Spaß haben. Und wer das Buch nicht lesen möchte: es gibt auf YT einen (wie ich finde) sehr kurzweiligen Mitschnitt einer Lesung eines Teil seines Buches (in München) :
Vor drei Jahren brachte spielverlagerung.de eine Reihe von Podcasts mit ihm heraus. Martin Rafelt und Tobias Escher diskutierten mit ihm in jeder Folge über die Bedeutung einer gängigen Fußballphrase unter der Überschrift „Die Phrasendrescher“, z.B. „optisches Übergewicht“ oder „100 %ige Chance“. Zu finden dort unter „Autoren → Tobias Escher“. Aufschlussreich und unterhaltsam.
Kein echter Buchtipp, weil es ein Interview mit Frank Goosen zu seinem Buch „Spiel ab!“ von Februar 2023 ist - aber wer etwa 30 Minuten seiner Lebenszeit „investieren“ möchte, dem kann ich nur wärmstens das folgende Interview empfehlen: (ich komme zwar nicht direkt aus dem Ruhrgebiet, aber quasi von „nebenan“ und kann sehr vieles nachvollziehen) :
Edit: sehe gerade, dass @cheffe schon etwas dazu geschrieben hat - kann ich nur zustimmen.
Tobi Escher hat ein neues Buch draußen, das ich nur empfehlen kann:
DIE WELTMEISTER VON BERN - Biografie einer Jahrhundertmannschaft
Erschienen bei Rowohlt.
Diesmal nicht nur für Taktik-Nerds, sondern fast ein Geschichtsbuch. Die Kapitel lauten:
Vor Spiez
Der Geist von Spiez
Nach Spiez
Das macht schon klar: hier geht es nicht nur um die WM '54, auch nicht nur um Sportliches, und ganz bestimmt nicht nur um Helmut Rahn, der aus dem Hintergrund schießen müsste.
Ich stelle hier mal eine Rezension rein, die ich vor 11 Jahren über Ronald Rengs „Spieltage - Die andere Geschichte der Bundesliga“ verfasste; das Buch behandelt die Geschichte von Heinz Höher. Als Spieler war er am Sensationserfolg des Regionalligisten (damals direkt unter der Bundesliga) VfL Bochum gegen die Bayern im Pokalhalbfinale 1968 beteiligt (im Video der Blonde mit der 9; Cajkovski extrem sympathisch. Der andere Interviewpartner war Kölns Stürmer Löhr). Später war er - und davon handelt das Buch hauptsächlich - Trainer in Bochum und Nürnberg.
Ein Buch, das die Tragik eines - wenn auch nicht herausragenden, so doch charakteristischen - Protagonisten der Traumfabrik „Fußball“ auf bewegende, weil nicht penetrante Weise aufscheinen lässt. Die bei der Lektüre aufkommende Trauer erinnert an ein anderes Buch zum gleichen Thema: den vor knapp 50 Jahren erschienenen Roman „Der Profi“ des britischen Autors Brian Glanville. Was dessen fiktive Hauptfigur Gerry Logan mit dem realen Heinz Höher bei Ronald Reng verbindet, ist die Mischung aus großem, wenngleich vielleicht nicht überragendem Talent und den Schwächen eines Menschen, der an den Versuchungen der Traumfabrik zu zerbrechen droht. Was die beiden trennt: der eine redet - darin manchem bekannten Heroen nicht unähnlich -
zu viel, der andere - Heinz Höher - des öfteren zu wenig. Beide Werke zeichnet eine große Sympathie des Autors für seinen „Helden“ aus, ohne ihn zu glorifizieren oder seine Schwächen zu kaschieren. Soweit man am Fußballgeschehen Anteil nimmt, kann einen schon nachdenklich machen, welche Last an Erwartungen die Akteure tragen.
Interessant ist auf jeden Fall der zeitliche Abstand zwischen beiden Veröffentlichungen. In England und Italien, den Schauplätzen des Romans, war die Entwicklung des Profifußballs eben derjenigen in Deutschland um Längen voraus. Glanville war übrigens derjenige, der sich bei der Europameisterschaft 1972 und der Weltmeisterschaft 1974 mit prononcierten Äußerungen zum DFB-Team hervortat. 1972 meinte er vor dem Finale gegen die UdSSR, eine Niederlage des deutschen Teams würde die Qualität des internationalen Fußballs für viele Jahre sehr negativ beeinflussen. Vor dem 74er Finale gegen die Niederlande wünschte er diesem Team den Sieg, allerdings - wenn ich mich recht entsinne - ohne für einen anderen Ausgang eine ähnlich düstere Prognose wie 2 Jahre zuvor zu stellen.
Neben den Musik-Faves hätte ich auch noch zwei Bücher in meiner Jahres-Empfehlung:
Belletristik
Miranda July AUF ALLEN VIEREN
Der Hype war mal berechtigt! Das Allround-Genie Miranda liefert den Roman des Jahres:
Extrem witzig, weise und lehrreich (zumindest ich verstehe Frauen jetzt noch besser als vorher schon. Nicht. )
Ohne Scherz: Lesen. Sofort.
Sachbuch
Wolfram Eilenberger GEISTER DER GEGENWART
Der dritte Teil der ganz speziellen Philosophie-Geschichte von Ex-Philomag-Chef Eilenberger. Hier nimmt er sich die Beschreibung einer neuen Aufklärung vor, die er anhand der vier Individuen Theodor Adorno, Susan Sontag, Michel Foucault und Paul Feyerabend aufkommen sieht.
Mitreißend geschrieben wie immer, und hinterher ist man doppelt so schlau wie vorher. Versprochen.