Du sprichst es ja selbst an mit den Potenzialwerten. Paul Wanner als absolutes Toptalent der letzten 10 Jahre (Musiala mal ausgenommen) hat ein Potenzialbereich zwischen 70 und 90. Die goldene Mitte also 80, bei normaler Entwicklung. Reicht bei Bayern aber eine Stärke von 80? Eher nicht. Maximal als Bankspieler ohne größere Zukunft. Bei Bayern sollte nahezu jeder Spieler (Kaderplatz 1-16) ein Level von 82+ haben, sonst reicht es nicht für den internationalen Anspruch des FC Bayern. Zumal Wanner die 80 ja dann erreichen würde, wenn er in seinem besten Alter ist und damit dann auch kein Talent mehr.
Jetzt müsste man deklarieren, wie viele Campus-Talente in den letzten Jahren wirklich ein Potenzial von 80+ hatten? Nur weil man zu den nationalen Toptalenten in seinem Alter gehört, bedeutet das eben noch lange nicht ein so hohes Potenzial. Denn Jugendfußball und Erwachsenenfußball sind dann zu unterschiedlich. Ein begnadeter Fußballer in der Jugend zu sein, bringt alleine recht wenig für die Zukunft. Gerade die Physis und Einstellung sind dann mindestens genauso wichtig. Genau aus diesem Grund haben es Pavlovic und Stanisic ja auch geschafft.
Ich war in den letzten zehn Jahren immer wieder mal am Campus und habe ein paar Jugendspiele gesehen. Das Paket aus wirklich spannender Physis, hoher fußballerischer Qualität und professioneller Einstellung habe ich nicht so extrem oft gesehen. An irgendeinem der Punkte fehlt es dann fast immer. Zum Beispiel Yll Gashi. Laut meinem Insider hat der Transfer (als damals 14-Jähriger) im Gesamtpaket über eine halbe Million gekostet. Und ja, seine Trefferquote in der Jugend war und ist extrem stark. Er war auch der einzige 08er, der bereits vorletzte Saison in der U17 gespielt hat, anders als Lennart Karl oder Wisdom Mike. Und er hat auch direkt überdurchschnittlich gescort. Spricht rein auf dem Papier nun alles nach krassem Talent mit Potenzial im Best Case an die 90, oder? Für mich (zugegeben ich bin Laie und kein Scout) absolut nicht. Körperlich wirkte er schon in der U15 schon fast „fertig“. Er war den anderen überlegen, aber man konnte seiner Statur ansehen, dass da vermutlich nicht mehr viel kommen wird. Ich gebe ihm maximal ein Potenzial von 78 (nach deiner Skala), also ein Spieler, der selbst bei bester Entwicklung keine Option für den FC Bayern sein wird.
Und von dieser Art Spieler gibt es am Campus viele. Viele gute Jugendspieler, bei denen es aber häufig an physischem Potenzial oder Mentalität fehlt. Viele der Toptalente stolzieren laut meiner Quelle über den Campus, als wären sie schon für den Ballon D’Or nominiert worden. Diese Spieler haben völlig falsche Wahrnehmungen, weil man ihnen schon früh Honig ums Maul schmiert und sie zum Teil für absurde Zahlungen als Kinder bzw. Jugendliche verpflichtet wurden. Das muss man dem Verein dann aber definitiv ankreiden, weil man es nicht schafft diese Spieler auf den Boden zu holen. So kommt es dann zustande, dass plötzlich 16- oder 17-Jährige Spieler hohe Ansprüche an den Verein stellen ohne sonst zu verlängern. Und das ist der falsche Weg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das zum Beispiel in Freiburg der Fall ist. Wer das dort macht (z.B. Noah Darvich) soll dann halt gehen. Wer konstant und bodenständig seinen Weg geht ohne direkt zwei Hürden überspringen zu wollen, der wird es dann bei entsprechendem Paket schaffen.
Bei Bayern kommt noch dazu, dass junge Spieler viel schneller eine hohe Qualität vorweisen müssen als bei anderen nationalen Vereinen. Wer hier eine „Videospiel-Qualität“ von unter 75 hat, kann in dem Kader eigentlich kaum eine Rolle spielen. Du kannst halt nicht sagen, dass man die Jungspieler national ständig reinwerfen soll, aber zeitgleich müssen es dann im CL-Viertelfinale die erfahrenen Spieler, die davor deutlich weniger Spielzeit aufgrund der Youngsters bekommen haben, richten.
Es wurde jetzt hier konsequent behauptet, dass der Campus gute Arbeit leistet und die Qualität der Spieler stimmt. Aber was ist denn dann der richtige Plan? Wie würde der Autor denn vorgehen, wenn er das sagen hätte? Kritisieren ist leicht, aber was kann man denn besser machen?
Was sich der Verein definitiv vorwerfen lassen muss, sind die fehlende Spielphilosophie und der Umgang am Campus mit den Talenten. Eine klare Spielphilosophie würde extrem helfen, um die Integration in den Erwachsenenfußball zu erleichtern. Beim Umgang muss man es wieder schaffen, selbst am längeren Hebel zu sitzen. Man darf sich von den Talenten und Eltern nicht erpressen lassen und muss dafür sorgen, dass die Spieler nicht schon bei der Verpflichtung „satt“ sind oder es „geschafft“ haben. Zudem glaube ich auch (Eindruck von außen bei Jugendspielen), dass die Qualität der Trainer am Campus auch nicht extrem hoch ist und dadurch sicher auch vieles an Spielerentwicklung verloren geht.