@cheffe: Danke für die Erklärung. Ich sehe das anders.
Ich würde eine politische Strategie gegen die AfD rein unter Nützlichkeitsgesichtspunkten bewerten: Führt sie die AfD weiter von der Macht weg?
Ich fürchte, dass eine Strategie, die auf verstärkte und offensiv vorgetragene Kommunikation gesellschaftspolitischer Positionen setzt, gerade den gegenteiligen Effekt hätte, insbesondere, wenn wie eine offensive Positionierung der CDU beinhaltet.
Denn wenn die CDU sich gesellschaftspolitisch offensiv positioniert und diese Position ist in der Nähe der AfD, warum dann nicht gleich das Original wählen? Und wenn sie sich gesellschaftspolitisch offensiv positioniert und diese Position ist näher zur Mitte als zur AfD (etwa wie es bei einer aktiven Umarmung der Regenbogenflagge der Fall wäre, wie Du sie vorschlägst), dann droht sie noch mehr konservative Wähler zu vergraulen und an die AfD zu verlieren, als sie es in den letzten Jahren ohnehin schon getan hat, denn wo ist dann noch die Unterscheidbarkeit von den Grünen und ggf. der FDP?
Auch jenseits der CDU haben die etablierten Parteien beim Kampf gegen die AfD durch ein betontes, offensives Messaging auf der gesellschaftspolitischen Ebene von Politik nicht viel zu gewinnen. Denn die AfD hat dort in vielen Fragen ein Alleinstellungsmerkmal:
- Gendern: dagegen
- Gleichstellung von was auch immer: dagegen
- Migration: dagegen
- Integration, Inklusion: dagegen
- Gesellschaftliche Liberalisierung in welcher Form auch immer: dagegen
- Offenheit für Neues: dagegen
Dagegen, dagegen, dagegen. Die AfD hat den politstrategischen Vorteil, dass sie bei allen gesellschaftspolitischen Fragen fast immer als einzige Partei dagegen ist, oder zumindest substantiell anders als die anderen Parteien.
Wenn man daher als die etablierten Parteien in der politischen Kommunikation in Richtung der Bevölkerung eine Schwerpunkt auf gesellschaftspolitischer Aspekte legt und dabei insbesondere die eigene Progressivität immer wieder hervorhebt (wie Du Dir das wünschst) – sei es durch Regenbogenflaggen auf dem Reichstag, durch demonstratives Gendern, durch die Unterstützung von CSD-Paraden absichtlich in rechten Brennpunkten, durch Priorisierung von Transgender- und Cannabis-Politik und Ähnliches mehr –, treibt das nur noch mehr Wähler in die Arme der AfD, die bei so etwas wie Gendern, Geschlechterwechsel auf Antrag oder offenen Grenzen für alle einfach nicht mitmachen wollen und auch keinen Bock haben, durch progressive gesellschaftspolitische Kommunikation in their face sich ihre damit implizierte Rückständigkeit den ganzen Tag lang unter die Nase reiben zu lassen („dann eben AfD. Die einzige Möglichkeit, wie ich mich gegen den Wahnsinn noch verteidigen kann“).
Nein, die kommunikative Betonung der gesellschaftspolitischen Dimension im Kampf gegen die AfD ist eine Verliererstrategie, die die AfD stärken statt schwächen wird.
Ich bin nach wie vor im Team „gute Politik“: Mieten und Wohnen, Lohnnebenkosten, auskömmliche Löhne, effektive soziale und technische Infrastruktur, Bildung, vor allem in sozialen Brennpunkten, Wirtschaftswachstum, funktionierende Kommunen, …
Wenn die Menschen morgens aus dem Haus gehen können und sich keine Sorgen machen müssen,
- ob das Kind in der Schule etwas lernen kann, weil alle Klassenkameraden Deutsch sprechen,
- ob sie mit ihrem Einkommen die nächste Mieterhöhung überstehen,
- ob die Bewilligung des Antrags auf Pflegegeld für die Mutter länger als drei Monate dauert,
- ob der Termin beim Augenarzt fünf Monate Vorlaufzeit hat,
- ob sie von Ihrer Rente einmal werden leben können,
- ob das Dach ihrer Sporthalle, in der sie Dienstagsabends Fußball spielen, schnell repariert wird,
- ob jetzt auch noch das Grillen im Park verboten wird,
…dann wird auch die AfD schon bald wieder deutlich schwächer werden.