Empirisch wird das in vielen Fällen so sein, ja. Aber theoretisch kann Trumps Zollpolitik funktionieren, wenn ihr Ziel darin besteht, die amerikanische Produktion bestimmter Güter anzukurbeln, bei denen Trump eine zu große Abhängigkeit Amerikas vom Rest der Welt sieht. (Victor Klemperer würde sich im Grab umdrehen: „Ankurbeln” ist ein Nazi-Wort, das er gehasst hat.)
Dein Beitrag und @Ibizas spätere Antwort betreffen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Fragestellungen, die analytisch am besten getrennt zu erörtern sind:
- Wer trägt die Kosten der amerikanischen Zölle? Sind es die Amerikaner selbst oder ist es der Rest der Welt?
- Ist das Mittel der Zölle geeignet, um die Produktion in bestimmten Industrien wieder nach Amerika zurück zu verlagern?
Frage 1 ist deutlich leichter zu beantworten als Frage 2, denn die Frage, wer die Zölle am Ende tatsächlich zahlt, hängt von den Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage der betrachteten Güter ab. Stellen wir uns ein Gut vor, das die Chinesen eigentlich nur für den amerikanischen Markt produzieren und für das sonst nirgends ein Bedarf besteht, nicht einmal in China selbst. Stellen wir uns weiterhin vor, dass Amerika dieses Gut zwar in großen Mengen aus China importiert, es aber zu nur unwesentlich schlechteren Preisen auch aus anderen Ländern, beispielsweise Chile oder Frankreich, importieren könnte. Wenn die US-Regierung nun einen Zoll auf dieses chinesische Gut erhebt und der chinesische Anbieter sein Geschäft mit diesem Gut nicht an Chile oder Frankreich verlieren will – und darüber möglicherweise pleitegeht, weil es für das Gut sonst nirgends einen Absatzmarkt gibt –, dann wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als den Preis seines Gutes ungefähr um die Höhe des Zolls zu reduzieren,
In diesem Fall ändert sich der Preis des Gutes aus Sicht des amerikanischen Konsumenten kaum, der chinesische Anbieter absorbiert den Zoll und der amerikanische Staat streicht für jede verkaufte Einheit einen Betrag in Höhe des Zolls ein. Amerika wird reicher (um die Höhe der Zolleinnahmen), China wird ärmer. Amerika gewinnt, China verliert.
(Dies ist natürlich ein empirisch eher unrealistisches Extrembeispiel, aber mir geht es um die theoretische Möglichkeit, dass Zölle das Land, das sie erhebt, tatsächlich reicher machen können und dass sogar die konkreten Konsumenten von den Auswirkungen des Zolls auf ihr konkretes importiertes Gut verschont bleiben können. In der Realität werden sich die betroffenen Länder die Zollkosten in den meisten Fällen teilen, wobei die Konsumenten/Abnehmer im zollerhebenden Land typischerweise einen größeren Anteil tragen müssen als die Produzenten/Anbieter im zollbetroffenen Land. Im Fall von Amerika gehen Fachleute davon aus, dass der amerikanische Konsument ungefähr 80 bis 90 Prozent der finanziellen Mehrbelastung durch die Trump-Zölle zu tragen hat, wenn ich ich mich richtig erinnere).
Auf Frage 2, ob es Amerika mittels der Zollpolitik gelingen kann, „ausgestorbene” Industrien, vor allem im produzierenden Gewerbe, auf das Trump und die konservativen und post-liberalen Wirtschaftspopulisten in seinem Umfeld so scharf sind, zurück ins Land zu holen, lautet die super kurze Express-Antwort: Es wird vielleicht für einzelne Branchen in einzelnen Regionen funktionieren*, aber für das Land als Ganzes gäbe es wesentlich besser geeignete Instrumente als Zölle, die dasselbe Ziel deutlich effizienter und mit weniger weltweiter Wohlstandsvernichtung erreichen würden (beispielsweise gezielte Subventionen für den Aufbau als kritisch erachteter Industrien).
*Wie? Die Kausalkette ist ganz einfach: Die amerikanische Stahlindustrie ist nicht wettbewerbsfähig. 2) Die US-Regierung erhebt Zölle auf ausländischen Stahl. 3) Die Produktionskosten der amerikanischen Stahlindustrie sind geringer als die Kosten für ausländischen Stahl inklusive Zoll. 4) Die amerikanische Stahlindustrie ist wieder wettbewerbsfähig.