Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 3)

In der Tat. Da kann er sich u.a. bei Angela Merkel bedanken. Aber ob ihm das bewusst ist? Da habe ich meine Zweifel.

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Der bringt doch recht wenig, da die Ampelparteien ein ähnliches Abstimmungsmuster vor dem Bruch hatten.
Die Tauruslieferung ist da wahrscheinlich der Einzige Unterschied zwischen SPD und FDP/Grüne.
Die Parteien haben aber Innerhalb der Koalition sich definitiv unterschiedlich eingebracht und Schwerpunkte gesetzt.

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Wenn Du das als Sternstunde wahrnimmst, liegt das denke ich daran, dass wir es von unterschiedlichen Standpunkten aus beobachten.
Ich kann Deinen Ansatz nachvollziehen, aber Du beurteilst einfach das, was Du siehst und wahrnimmst, während ich den Fokus auf die (Folge-)Wirkung lege - das heißt, wenn die öffentliche Konsequenz des ganzen Theaters die ist, dass die AfD Zulauf bekommt, weil sich die Parteien der Mitte so gebärden, wie es berichtet und gezeigt wird, dann kann ich persönlich das nicht als Sternstunde wahrnehmen, selbst wenn es das gewesen wäre. Ich beurteile es also vom Ergebnis her, Du hingegen bist als Fan leidenschaftlicher Debatten erfreut, zumal sich, da hast Du sicher Recht, unterschiedliche Standpunkte klar zeigten.
Ob die vorgetragenen Argumente nun besonders clever, tiefsinnig, rational oder qualitativ hochstehend waren (von allen Seiten), möchte ich Dir überlassen. Für mich waren sie das mehrheitlich nicht, obgleich ich gerne zugebe, dass ich nicht den ganzen Tag auf Phoenix sehen konnte (und wollte. Leider musste ich einerseits arbeiten, andererseits bedrückt mich das Thema zu sehr, um es mir quasi andauernd reinzuziehen.) Letztlich muss klar sein, dass jenseits der Argumente Wörter wie Lüge oder Kindergarten in den Köpfen der meisten Menschen hängenbleiben.

Mit Unionsplan bezog ich mich (als hilflosen Überbegriff) auf die übergeordnete Linie der Unionsparteien, die sich spätestens mit dem 5-Punkte-Plan und den zusammenhängenden Äußerungen klar erkennen lässt. Und wenn ich es eine faktische Aussetzung des Asylrechts nenne, ist das keine juristisch feinsinnige Analyse, sondern der realen Welt geschuldet. In einer solchen ist einem Flüchtling, der ohne Papiere und unter Androhung von Gefängnis, Folter oder gar Lebensgefahr nach Deutschland gelangen will, dieser Weg FAKTISCH versperrt. Er ist illegal unterwegs, er durchläuft Länder, die ihn bereits aufnehmen hätten können, er bekommt an der deutschen Grenze kein Asylverfahren mehr ermöglicht. Das ist jetzt die klare Linie der Union.
Teile davon waren bisher schon in (theoretischer) Kraft, aber in realiter wurden sie, wie wir alle wissen, nicht komplett durchgesetzt. Und ich gehöre zu jenen offenbar völlig durchgeknallten Typen, denen die Sicherheit des deutschen Volkes wurscht ist und die Gruppenvergewaltigungen aus der Asylsuchenden-Szene für akzeptabel halten (offizieller Merz-Sprech). Das heißt, ich komme bereits mit den längst bestehenden Verschärfungen des Asylrechts nicht besonders gut klar. So zu tun, als hätte Aschaffenburg eine völlig neue Situation geschaffen und würde die Verkündung einer nationalen Notlage rechtfertigen, wie es die Union zu tun beabsichtigt, um es wenigstens halbwegs juristisch gegen Europarecht in Stellung zu bringen, ist meines Erachtens perfide, nicht zielführend und menschenverachtend.

Genau so ist es. Und das war sicher von Anfang an Teil des Plans. Ich finde diese Art der Politikführung angesichts des Preises, den man zweifellos zahlt, nämlich dem weiteren Erstarken der AfD, zum Kotzen (verzeih die Ausdrucksweise, aber hier ist sie angebracht). Und wenn man diese Taktik konsequent weiterdenkt, ist eine schwarz-blaue (oder vielmehr blau-schwarze) Koalition nur noch eine Frage der Zeit. Denn wenn der aktuelle Vorgang die Vorstellungen der Union von Kompromissbereitschaft zeigt, ist eine Zusammenarbeit mit SPD oder den Grünen für die nähere Zukunft vollkommen ausgeschlossen. (Mir ist vollkommen klar, dass es verblendete Menschen gibt, die es genau umgekehrt sehen. Verblendet sage ich, weil es derselbigen bedarf, um nicht zu erkennen, wie weit bereits das bestehende Asylrecht sich von der Basis und den Wurzeln der Grünen entfernt hat.)

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Vorausgeschickt, dass ich kein Experte der deutschen Politik bin und vielleicht nicht alle Zusammenhänge kenne, möchte ich doch leise Kritik an der Einstellung gegenüber der AfD äußern.
Ich mag es nicht, wie despektierlich hier über die Partei und deren Wähler gesprochen wird. Wenn eine Partei die 5%-Hürde schafft, dann hat sie einen nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung hinter sich. Diese Gruppe als geistig minderbemittelt hinzustellen, empfinde ich als sehr gefährlich und ist von der Einstellung her vom Nationalsozialismus nicht weit entfernt.
Bitte nicht falsch verstehen, ich bin kein Fan der AfD aber diese teilweise arrogante Umgangsweise wird die Partei zusätzlich stärken und deren Politik noch extremer machen und genau davor habe ich Angst. Extreme sind immer schlecht, ganz gleich ob links oder rechts.

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Mit Kraftausdrücken und Beschimpfungen wird man schwerlich AfD-Wähler zurückgewinnen…

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Bist du dir da sicher?
Jede Art von Extremismus ist in meinen Augen eine Gefahr. Andere nur als Arschlöcher zu titulieren ohne eigene Argument zu haben, spricht nicht gerade für einen überragenden Intellekt.

Genau das wollte ich sagen, man erreicht das Gegenteil.

Braucht Deutschland eine neue „konservative Revolution der Bürger“, wie nicht nur CSU-Politiker Alexander Dobrindt fordert?
Bekanntlich hat es schon einmal eine „Konservative Revolution“ hierzulande gegeben. Sie trug kräftig zum Ende der ersten deutschen Demokratie von Weimar bei. Geschichte wiederholt sich nicht. Es scheint aber angeraten, an Protagonisten der Konservativen Revolution vor 1933 zu erinnern und sich ihrer Ideen und politischen Praxis zu vergewissern.

Wirklich sehr lesenswerter Artikel aus dem Jahre 2018,
er endet mit Zeilen denen ich mich nur anschließen kann.
„Nach allem, was die Deutschen im vergangenen Jahrhundert erfahren haben, fällt eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage nicht schwer:
Wir brauchen keine zweite konservative Revolution.“

Erschreckend auch welch Gefühl der Artikel hinterlässt, vermutlich war es zum damaligen Zeitpunkt schon 5 vor 12,
kaum etwas hätte seitdem schlechter laufen können und wie es um die Sache heute steht kann ja jeder mal sich selbst fragen.

Möge der Weg noch so hart sein und noch so viele umkippen,
Ich jedenfalls lasse mich nicht spalten und bleibe beim: sage Nein!

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Die Linken hätten gern noch eine Million Flüchtlinge mehr…

Hätte mich gestern jemand gefragt, wen ich hier eigentlich mal ganz gerne gelesen habe, wär vermutlich auch der Name Mitschnacker gefallen.
So ändern sich die Zeiten, schade. :pensive:

Ich stimme Dir in vielerlei Hinsicht zu. Aber auch an dem, was @Alex schreibt, ist einiges dran. Dabei fällt mir ein: es ist nur wenige Jahre her, dass es hieß, es sei Wasser auf die Mühlen der AfD, dass die anderen Parteien in ihren Programmen und aber vor allem im alltäglichen Sprechen und Handeln sich so wenig unterschieden. Alle könnten mit allen, alle wollten im Prinzip dasselbe; die AfD steche schon dadurch hervor, dass sie als einzige dezidiert andere Ziele verfolge. Lindner hat vielleicht als erster 2017 einen Kontrapunkt gesetzt mit der Feststellung, für die Kompromisse, die die Jamaika-Verhandlungen der FDP abverlangten, sei sie schließlich nicht gewählt worden; „besser als schlecht zu regieren ist es, nicht zu regieren“. Eine herrlich absurde These für eine Partei mit so überschaubarer Machtbasis, aber ein stimmiger Reflex auf die Sorge vor zu großer Ununterscheidbarkeit. Heute machen wir uns im Gegenteil Sorgen wegen einer zu geringen Kompromissfähigkeit bei den demokratischen Parteien, die auch wieder der AfD zugute kommen könnte.

Ich behaupte einfach mal, dass wir zumindest in dieser Hinsicht die Lage nicht so sehr dramatisieren müssen. Das sind alles Politikprofis, die beides können: sich auseinandersetzen, dass die Fetzen fliegen, und da, wo es erforderlich ist, auch Kompromisse finden. Was der Ernst der Lage spätestens nach der Wahl auch erfordern wird. Aus dieser Perspektive kann ich auch Alex’ Position manches abgewinnen. Vielleicht ist „Sternstunde“ ein etwas zu hoher Ton. Aber aus Angst vor der AfD auf notwendige Kontroversen zu verzichten: das kann es ja auch nicht sein. Für deren Grundbefindlichkeit, die Häme, lässt sich noch aus fast jeder Konstellation Honig saugen. Darauf können alle anderen nicht ewig Rücksicht nehmen. Gegenwärtig kommt diese Haltung der AfD-Protagonisten zwar recht gut an. Ich bezweifle aber eine dauerhafte Faszination, schon wegen der unendlich öden Eindimensionalität dieser Mentalverfassung. Der größte Fehler dürfte sein, wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für das Migrationsthema. Durch die aktuelle Fixierung darauf bekommt es, bei allen zugegebenermaßen bestehenden Problemen, eine Dimension, die den täglichen echten Herausforderungen, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben, nicht gerecht wird.

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Man muss sie gar nicht „zurückgewinnen“. Lasst doch 20% für die AfD stimmen. Wichtig ist, dass niemand mit ihnen zusammen Politik macht!
Und wenn linke Politik mal konsequent umgesetzt würde, dann würden auch die AfD-Wähler erkennen, dass es ihnen besser geht. Bzw. mit mehr Bildung würde sich das Problem auch dadurch lösen können.

Und manchmal muss man eben die Dinge beim Namen nennen!
Jeder der AfD wählt steht auf der niedrigsten Stufe der Gesellschaft.

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Welche Argumente sollen denn gegen Nazis helfen? Sorry…Ich brauche keine Argumente für meine Beleidigungen! Wer Nazis wählt, wählt Gewalt und Tod gegen bestimmte Gruppen! Warum muss ich gegen sowas argumentieren und kann es nicht einfach als das betiteln, was es ist?!

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Ich will dir deine Bedenken nicht ausreden und Wachsamkeit ist tatsächlich immer gefordert.
Allerdings hakt die Übertragbarkeit dieses Artikels auf die Gegenwart mMn schon gewaltig.
Was wollten denn Konservative in der Weimarer Republik und auch die hier im Artikel zitierten Konservativen?
Sie wollten allesamt keine parlamentarische Demokratie. Da waren u.a. viele dabei, die am liebsten die Monarchie wieder eingeführt hätten. Einem Anhänger einer Monarchie kann man natürlich einen „starken Mann“ an der Spitze (auch wenn er nicht aus einer Adelsfamilie stammt) ziemlich gut vermitteln. Und das war auch der Grund hierfür, warum Hitler an die Macht kam.
Es gab während der Weimarer Republik keine starke Gruppe von konservativen Demokraten. Bei Zentrum und auch in der SPD und den Liberalen fand man zwar Politiker, die solche Einstellungen vertraten, aber eine starke, geschlossene konservative Partei gab es - anders als in den zu der Zeit schon viel etablierteren Demokratien wie in Frankreich oder dem Vereinigten Königreich - nicht.
Bei Union und FDP sehe ich ehrlich gesagt keine Tendenz, aus Sehnsucht nach einem starken Mann die eigenen demokratischen Prinzipien zu überwinden. Ehrlich gesagt habe ich da - natürlich neben immer mehr Abgeordneten der AfD - auch bei einigen Abgeordneten, die im Parlament links der Mitte sitzen, mehr Bedenken, ob ihnen die Prinzipien des Grundgesetzes so heilig sind.

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Ich würde Dir, auch über die zutreffende historische Einordnung hinaus, gerne uneingeschränkt zustimmen. Doch hat die jahrelang unverhüllt zur Schau gestellte Zuneigung der CSU-Spitze für Viktor Orban diesbezügliche Zweifel bei mir geweckt. Schon klar: es war natürlich sein rigider Kurs gegen Migranten, der diese Begeisterung vornehmlich befeuerte. Auch da kann man sich schon fragen, welche demokratische Haltung solchen Ehrbezeigungen zugrunde liegt. Es aber quasi als Petitesse beiseite zu lassen, dass dabei in Ungarn diverse für die Gewaltenteilung wesentliche Institutionen Schiffbruch erlitten, musste ehrlich gesagt schon erhebliches Befremden auslösen.

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Bleibt es bei 20%?
Wenn weiterhin Gesetze, die eine Mehrheit der Bevölkerung rein inhaltlich befürworten würden (und das war beim Entwurf am Freitag der Fall), abgelehnt werden, dann wird sich diese Zahl wohl eher noch erhöhen.
Deinen Bildungsoptimismus teile ich auch nicht gerade. Durch guten Unterricht kann ich Schülerinnen und Schüler die Gefahren von Faschismus für die Gesellschaft vermitteln. Ich kann sie auch betroffen machen, indem sie sehen, wohin Ausgrenzung und Hass führen. Möglicherweise kann ich dadurch auch Einstellungen nachhaltig verändern. Was bleibt aber von meinen Geschichtsstunden noch übrig, wenn außerhalb des Schulgebäudes der Spießrutenlauf beginnt, dass man nicht wieder von irgendwelchen Migrantenbanden abgezogen wird, im Bus beleidigt wird oder man als Mädchen Angst haben muss, verbal oder tätlich sexuell belästigt zu werden? Viele Schüler in Deutschland erleben das täglich und noch mehr werden durch soziale Medien darüber informiert.
Und wenn man auf solche Sorgen nicht eingeht, dann wird die Zahl derer, die AfD wählen noch viel höher werden, denn viele Schüler von heute werden erst bei der Bundestagswahl 2029 wahlberechtigt sein. Und glaub mir aus eigenen Erfahrung: bei vielen Kindern (wenn sie nicht gerade aus einem stramm rechtsextremen Elternhaus stammen) ist kein pauschaler Hass gegenüber Ausländern vorhanden. Es ist eine Abneigung, gegenüber den Ausländern, die sich daneben benehmen und gegenüber denjenigen, die sich gar nicht integrieren wollen.
Und so stellen einem die Schüler dann auch mMn durchaus berechtigte Fragen, indem sie z.B. hinterfragen, ob der Wunsch nach mehr Abschiebungen von straffälligen Ausländern deshalb verpönt sein muss, weil es den Holocaust gab. Beim Holocaust wurden bestens integrierte Mitbüerger nur aufgrund ihrer Religion vernichtet. Deswegen darauf zu verzichten, dass man Menschen, die sich daneben benehmen und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, außer Landes zu verweisen, erscheint vielen nicht logisch und sie finden es auch nicht angebracht, dass man sich von Fehlern aus der Vergangenheit die Politik der Gegenwart diktieren lässt und somit ihr Leben und ihre Zukunft beeinflusst.
Die Tendenz, dass sich die Anzahl von Wählern mit genau dieser Einstellung im Laufe der Jahre noch vergrößert ist mMn sehr hoch und dann werden aus den 20%, die wahrscheinlich in 3 Wochen schon deutlich übertroffen werden, immer mehr und es wird immer schwerer, nicht mit ihnen zusammen Politik zu machen.

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Es hat viel zu lange gedauert, bis man sich - auch innerhalb der EVP - von Orban und seiner Partei distanziert hat. Aber es kam immerhin zu einer Distanzierung.
Und um mal etwas zynisch zu sein: wann erfolgte denn die Distanzierung von Teilen der SPD (Staatsoberhaupt eingeschlossen) gegenüber dem Mann, der etwas weiter östlich von Orban eine noch rigorosere Politik gegenüber Gewaltenteilung verfolgte? Es bedurfte für diese Distanzierung teilweise erst einen Angriffskrieg auf ein souveränes Land. Annexionen bzw. Geheimoperationen gegenüber der Ukraine und militärische Unterstützung von Diktatoren im Ausland reichte nicht aus.
Da schlug der moralische Kompass bei der CSU-Spitze gegenüber Orban dann doch noch etwas früher aus, wenngleich auch hier viel zu spät.

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Da gebe ich Dir recht. Nicht ohne allerdings anzumerken, dass es die von der Union angeführte GroKo war, die viel zu lange einen verständnisvollen Kurs gegenüber Putin fuhr. Zwischen 2009 und 2013 war auch die FDP involviert.

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@cheffe: Du hast Recht, ich mag leidenschaftliche Debatten. Guilty as charged. :slightly_smiling_face: Ich finde es aber auch aus grundsätzlichen Überlegungen heraus wichtig für eine repräsentative, parlamentarische Demokratie, dass ihre Parteien programmatisch unterscheidbar sind und ihre Repräsentanten als Persönlichkeiten mehr als nur graue, gesichtslose Vollstrecker eines Programms von Sachzwängen, die ihnen der rechtlich-institutionelle Rahmen, in dem sie sich bewegen, vorgibt.

Ich verstehe diese Passage als den Gipfel Deines Versuchs, der tiefen Verbitterung und Enttäuschung, die aus Deinem Beitrag spricht, rhetorische Wucht zu verleihen, und ich glaube auch nicht wirklich, dass Du Vergewaltigungen im Dienste einer größeren politischen Sache für ein akzeptables Übel hältst, genauso wenig wie Du Anschläge auf Asylbewerberheime im Dienste einer größeren Sache für ein akzeptables Übel halten würdest. Da ich aber per PN eine Beschwerde über diese Passage erhalten habe, möchte ich Dich fragen, ob Du Dich in Zukunft vielleicht etwas weniger provokant ausdrücken möchtest?

Was mich wirklich interessieren würde: Wie stellst Du Dir eine gute Asylpolitik vor? Vor allem: Gibt es für Dich Grenzen der Zuwanderung nach Deutschland von Personen, die Deutschland sich nicht selbst ausgesucht hat? Oder kann im Prinzip jeder kommen, der will? Und wenn es Grenzen gibt, wie würdest Du die Einhaltung dieser Grenzen zu gewährleisten versuchen? Du musst natürlich keinen ausgefeilten Entwurf einer umfassenden Asylpolitik formulieren, aber Deine grundsätzliche Sicht der Dinge würde mich interessieren.

Ich möchte Euren Dialog nicht stören, sondern lediglich darauf hinweisen, dass ich vorgestern eine Analyse des 5-Punkte-Plans verlinkt habe. Verfasser ist der Migrationsforscher Hannes Schammann, der - was gut zu den von Dir aufgeworfenen Fragen passt - unter anderem feststellt:

"Wir müssen uns eingestehen, dass einer Handvoll bewachter Grenzübergänge fast 4000 Kilometer grüne Grenze gegenüberstehen. Die Ozeane Australiens können wir nicht importieren, eine Mauer nach US-amerikanischem Vorbild kostet mehr als sie nützt. Und selbst wenn doch etwas weniger Menschen nach Deutschland kämen, droht ein Anstieg der irregulär Aufhältigen im Land. Warum? Statistisch wird Migration bereits als irregulär bezeichnet, wenn eine Person direkt nach dem Grenzübertritt einen Asylantrag stellt. Dann ist sie aber immerhin registriert, legalisiert, kann versorgt und gegebenenfalls auch wieder abgeschoben werden.

Die vorgeschlagene Abweisung aller ohne gültige Einreisedokumente könnte dazu führen, dass Menschen über zunehmende Schleuserkriminalität irregulär nach Deutschland einreisen, sich dann aber nicht bei den Behörden melden. Damit wird Irregularität zum Dauerzustand, Schattenwirtschaft floriert, Staatsversagen droht in zahlreichen Bereichen – vom Arbeitsmarkt über das Bildungs- bis zum Sozialsystem. Steuerungswahn führt dann zu Steuerungsverlust.

Um dem die Spitze zu nehmen, müssten in den geplanten Vorhaben legale Zugangswege mitgedacht werden, als eine Art Ventil für Migrationsdruck und Humanität. Selbst Australien macht das so. Und die haben ja zwei Ozeane. Mit Weißen Haien.

Nächster Punkt: Wie steht es mit dem Vorhaben, täglich Abschiebungen durchzuführen – in enger Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen? In der Kluft zwischen Ausreisepflichtigen und den tatsächlich Ausgereisten sehen viele das Problem. Ende des Jahres 2023 waren rund 240 000 Menschen ausreisepflichtig. Ende 2024 nur noch rund 220 000, obwohl ja immer auch neue Menschen dazu kommen. Lag das an der Abschiebungsoffensive der Ampel? Nur eingeschränkt. Zwar konnten die Abschiebungen um rund 20 Prozent auf wohl etwa 19 000 Personen gesteigert werden. Aber den größten Beitrag zur Absenkung der Zahlen leistete das sogenannte Chancenaufenthaltsrecht: 50 000 Personen konnten nachweisen, dass sie das Zeug dazu haben, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und wurden mit einem befristeten Aufenthaltstitel ausgestattet. Den Chancenaufenthalt will die Union nun abschaffen, damit sich Menschen ihrer Ausreisepflicht nicht entziehen. Kann man machen."

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