Auch sehr sehr schöne Rede (und bei Obama natürlich eine von sehr vielen sehr guten) - auch wieder nur 2 Minuten.
Schöner Kontrast zur 3 Minuten Rede von letztens über die (eher rechten) „idiots“, die Rede hier sollten sich viele mit gar zu linkem Anstrich anhören und zu Herzen nehmen…
Ne goldene Mitte - die wär’s halt.
Praktisch aber alles andere als leicht zu treffen. Toleranz Paradoxon und Co lassen grüßen…
Du wirst bemerkt haben, dass ich den Begriff „strukturellen Rasissmus“ in Anführungszeichen setze, weil dieser Begriff ein Phantombegriff, eine Art diskursiver Feenstaub ist. Ich hoffe, ich kann es baldmöglichst näher erklären.
Spoiler: Er wird immer dann verwendet, wenn keine Argumente mehr zur Verfügung stehen.
Erstmal Dankeschön für deine ausführliche Antwort.
Das Zauberwort heißt tatsächlich „wenn“. Wie du weißt, ist meine Vermutung ja die, dass keine Regierung es in Zahlen recht viel besser hinkriegen würde. Es gibt so viele Ursachen für schleppende oder nicht funktionierende Abschiebungen, und keineswegs alle liegen im Einflussbereich einer Bundesregierung. Vielleicht lassen sich die Zahlen ein wenig nach oben treiben, viel wird’s nicht sein. Zumindest wenn wir davon ausgehen dürfen, dass die lieben Worte von Merz und Söder nach Solingen nur der übliche Theaterdonner sind, um die Ampel anzupinkeln, und auch eine Unions-geführte Regierung noch ein Recht auf Asyl kennt sowie internationale Regeln und Verträge.
Aber kann auch sein, dass das gar nicht so wichtig ist. Ich bezweifle, dass eine relevante Gruppe überhaupt die aktuellen Zahlen kennt. Wäre das so, müsste man ja auch wissen, dass wir auf dem Papier längst ein verschärftes Asylrecht haben, dass es jedoch an der Umsetzung mangelt. Vielleicht ist die Wirklichkeit gar nicht mehr relevant, und es geht nur um das Narrativ. Und wenn dereinst endlich die Union wieder regiert, hören die Medien auf, das Narrativ zu bedienen. Dann hätte sich faktisch nicht viel geändert, aber die Leute reden nicht mehr dauernd drüber, als gäbe es keine anderen Probleme.
Übrigens überzeugen mich deine Erklärungsversuche durchaus. Schließlich lebst du auf dem Land, und wenn du diese Äußerungen und Denkweisen so schilderst, warum sollte ich das nicht glauben?
Ich habe ja selbst schon lange die These vertreten, dass die Trennlinien der modernen Gesellschaft weniger nach Links-Rechts-Schemata verlaufen, sondern eher ein Stadt-Land-Gefälle darstellen. Wobei ich mich selbst nicht getraut hätte, der Landbevölkerung solche Sätze unterzujubeln wie du es aber (leider) bestätigst. Natürlich empfindet das jeder anders, für mich sind solche Zitate, wie du sie aufführst, noch ein Grund mehr, warum ich es bevorzuge, im städtischen Umfeld zu leben. So ehrlich will ich schon sein:
Das ist in meinen Augen halt schon maximal borniert, kleingeistig, narzisstisch, und unzutreffend sowieso. Besonders letzteres schmerzt arg.
Was ich aber noch sagen will:
Wir haben uns jetzt so viele Gedanken gemacht, was einen zur AfD treibt, und was diese Leute zurück ins demokratische Spektrum holen könnte.
Ein wenig bin ich das leid, und ich habe das Gefühl, wir kümmern uns vielleicht allzu sehr um diese Klientel. Stattdessen würde ich als Mitglied der (noch) mehrheitlichen Menge, die nie auch nur auf den Gedanken kommen würde, eine solche Partei zu wählen, es begrüßen, wenn sich die Politik auch mal wieder mit Leuten wie mir beschäftigt. Also mit Leuten, die nicht ausschließlich an sich selbst denken, die sich informieren und den Krisen der Gegenwart und Zukunft ergebnisoffen und aufgeschlossen begegnen, ohne den Anspruch an die Politik, alles für mich zu regeln, nie Fehler zu machen, oder eine imaginäre Vergangenheit zu reaktivieren, die es so nie gab (und wenn, war sie schlimmer als vermutet).
Was meines Erachtens halt auch nicht sein kann:
Dass die zunehmende Radikalisierung dadurch bekämpft wird, dass sich die politischen Maßnahmen radikalisieren. Daher widerstrebt es mir so sehr, dass wir die Narrative der Rechtspopulisten so willig übernehmen, die Themen ebenso wie die Art und Weise, miteinander umzugehen. Wenn ich genau nachdenke, sind es - man höre und staune - am ehesten die Grünen, die jede noch so klare Vorlage nicht nutzen, um ihre Gegner an die Wand zu nageln. Michelle Obama würde Beifall klatschen, aber es sieht nicht so aus, als hätte man in Deutschland damit Erfolg.
Ansonsten würde ich der Landbevölkerung (zumindest dem Anteil, den du versucht hast zu beschreiben) noch Viscontis Leopard ans Herz legen: Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.
EDIT:
Mir fällt gerade auf, dass das Zitat, das ich weiter oben aus deinem Post kopiert habe, so rüberkommen könnte, als hättest DU es gesagt - für alle nicht ganz so aufmerksamen Leser: @willythegreat beschreibt hier nur, was er von manchen Menschen gehört hat…!
Leider nicht unerwartet, dennoch in den Ausmaßen erschreckend: maßgebliche rechte Kreise arbeiten energisch am Ziel, die NS-Erinnerungskultur zu beseitigen, und versprechen, wenn die politischen Kräfteverhältnisse es zulassen, grundsätzlich „Abhilfe“ zu schaffen. Trauriger Spitzenreiter: Thüringen.
Für mich völlig unverständlich, wie man nicht all diesen Forderungen/Aussagen vorbehaltlos zustimmen kann! Und nein, das ist nicht links, sondern logisch! (Props an Moritz Neumeier)
Tja, die Kürzungen bei Dublin Fällen klingen auf einmal schon recht drastisch.
Da könnte man schon meinen - warum ist das erst jetzt auf einmal möglich…
Denn daß es da bisher starke Fehlanreize gab (man reist weiter bis ins Land wo man am meisten Kohle bekommt - Söders „Asyltourismus“ war natürlich schwer daneben aber auch nicht völlig wider der Realität bis auf den Begriff Tourismus) dürfte außer Frage stehen…
Tja, das Ganze basiert natürlich auch auf Dublin-Regeln, die für Deutschland wie gemalt sind. Wann sind wir denn schon mal sicheres Drittland? Nö, lass die sich doch auf Lampedusa, Lesbos oder sonstwo mit dem Problem herumschlagen, wir machen uns da einen schlanken Fuß. So jedenfalls offenbar die Idee, ursprünglich. Funktioniert natürlich nicht, weil die Zustände in den überforderten Erstaufnahmeländern nicht gerade zum Verweilen einladen. Und weil die Länder mit Außengrenzen „ihre“ abhanden gekommenen Flüchtlinge nicht fristgerecht (sind es immer noch 6 Monate?) zurücknehmen. Insofern wirkt der Vorschlag der Union, Flüchtende, die Asylantrag stellen wollen, an der Grenze unter Verweis auf den seitens der Erstaufnahmeländer nicht eingehaltenen Dublin-Vertrag abzuweisen und damit EU-Recht außer Kraft zu setzen, populistisch.
Die fehlende Bereitschaft von Ländern wie Ungarn, an einer gemeinsamen Lösung konstruktiv mitzuarbeiten, ist das eine. Das Beharren auf einer hauptsächlich für Deutschland komfortablen Regelung das andere. So ehrlich sollten wir sein.
EDIT: Vor Jahren hat meine Kirchengemeinde einer knapp 60jährigen Eritreerin mit einer tragischen Verfolgungsgeschichte Kirchenasyl geboten, also bis sie berechtigt war, Asyl zu beantragen. Sie war aus Norwegen gekommen. Warum? Die hiesige Anwältin berichtete aus Gesprächen mit norwegischen Berufskollegen: Norwegen lehne praktisch jeden Antrag ab. Zu den Hintergründen wollten die sich nicht äußern. - Dass es sich stets um die Flucht in unser auskömmliches Sozialsystem handle, ist eine der vielen Vereinfachungen in dieser komplexen Materie.
Ja, solange in der EU solche Sachen nur einstimmig und nicht auf dem Mehrheitsprinzip entschieden werden können kann man das alles vergessen.
Und solange das Prinzip nur einstimmig geändert werden kann ist auch dieser einzige Umweg blockiert.
Man müsste solchen Ländern, die nur abkassieren wollen bei Agrarsubventionen, aber sich für alle Neuerungen sperren, die auch nur n’en Funken eigenen Beitrag erfordern, wohl ein Einlenken bei der Einstimmigkeitsfrage „abkaufen“. Nachdem die meisten Regierenden eh nur bis zur nächsten Wahl denken wäre das eventuell gar nicht so teuer
EDIT: Und wer bei gar nix kooperieren will, dem muss wohl auf irgendeine andere Art „die Tür“ gezeigt werden: Dass ein Austritt kein Ding der Unmöglichkeit und die Welt weder für den Austretenden noch den Rest untergeht, haben die Briten immerhin schön vorgemacht…
Wenn man das Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden 2005/6 sowie das mühsame Zustandekommen des Lissabon-Vertrags incl. der antideutschen Aufwallungen in Polen unter der Ägide der Kaczynskis verfolgt hat, kann man angesichts des seither noch deutlich verschärften Nationalismus’ allerorten in dieser Frage kaum Optimismus entwickeln.
Zum Beispiel das Thema Elektromobilität habe ich heute früh in der Zeitung gelesen:
Für seine Ideen in der Elektromobilität und ein System zum schnelleren Laden von Elektroautos wird der Nürtinger Unternehmer Thomas Speidel in diesem Jahr mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.
„Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir die Elektrifizierung wollen und ob Photovoltaik oder Wind wichtige Beiträge zur Energieversorgung leisten können“, sagte er. „Diese Grundsatzfrage ist ebenso geklärt wie die Frage nach dem künftigen Antrieb. Dieser ist elektrisch.“
Politische Konsensbildung und Lobbyisten bremsten oft die Einführung von Innovationen. Viele Vorstellungen seien ähnlich eines „Barbie-Wunschlands“ und nicht per Vorgabe mit der realen Welt kompatibel.
Kleiner Einwurf von mir:
ich lese gerade aus Zeitgründen mehr mit als das ich poste. Und ärgere mich oft darüber, dass ich in dieser konstruktiven Debatte nicht mehr beitrage. Der Thread hat sich in den letzten Tagen/Woche wunderbar entwickelt und ich danke allen Beteiligten, (auch denen, denen ich inhaltlich nicht zustimme) für das Lesevergnügen. Denen, denen ich zustimme, habe ich natürlich ein Herzchen dagelassen.
Das finde ich wirklich interessant: In Skandinavien ist es ja schon lange vorbei mit „Hygge“, aber kritisiert wird aus dem Ausland nicht viel, wenn ich mir die internationale Presse anschaue.
Aha, wer in Sachen Menschenrechte Nachholbedarf hat, darf sich auch nicht zum Schutz der Demokratie äußern? Klar, wäre es toll EDEKA würde auch bei Menschenrechten weltweit besser agieren. Aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Whatsboutism vom Feinsten.
Edit: trotzdem Danke für den Hinweis. War mir nicht bewusst dass die Unterschiede so krass sind.
Das war Insiderwissen, zu dem die Anwälte sich nicht weiter äußern wollten. Also erst recht nicht offizielle Politik. Wo ist da der Hebel für internationale Kritik? Das Asylrecht unterscheidet sich ja von Land zu Land.