Der Politik- und Gesellschafts-Thread (Teil 1)

Auch bei den Landesteilen gab es große Unterschiede. Schottland z.B. war der Landesteil, der sich am deutlichsten zur EU bekannte. Insgesamt waren es fast 2/3 (62%). Gerade in den Städten Glasgow und Edinburgh fiel die Abstimmung extrem deutlich pro EU aus. In der Hauptstadt Edinburgh waren es fast 3/4. (ähnlich wie in der City of London). Die Hochburgen waren im Süden und Osten Englands und da vor allem in den Gebieten, denen es wirtschaftlich nicht gerade rosig ging.
Man könnte nachträglich auch sagen, dass im Falle eines erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendums von Schottland 2014 wahrscheinlich auch der Brexit 2016 eine deutlichere Zustimmung gefunden hätte, da dann ja der Landesteil mit der höchsten Zustimmungsrate nicht mehr abstimmen hätte dürfen.
Beim Unabhängigkeitsreferendum war das Ergebnis für einen Verbleib Schottlands im UK zwar deutlicher (ca. 55 - 45) aber da rechneten in Schottland wahrscheinlich auch deutlich weniger Leute damit, dass es 2 Jahre später eine Mehrheit für den Brexit geben würde. Sonst hätten sich mMn bestimmt die nötigen 6% für die Umkehr des Ergebnisses bestimmt schon 2014 gefunden.
Ich stimme dir zu, dass es bei solchen Fällen sehr schwer ist, dem Volk die Entscheidung zu lassen, weil einfach so viele Faktoren eine Rolle spielen. Allerdings haben Volksabstimmungen über die Unabhängigkeit bzw. Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Land gerade in Europa eine lange Tradition. Es gab sie auch nicht nur unter diktatorischen Regimes (NS-Deutschland und Österreich; Russland und die Krim) sondern auch sonst (z.B. nach dem 1. Weltkrieg).

Es gab mEn nur zwei Referenden in der UK Geschichte. Beide über den Verbleib in der EU, beide Male initiiert von der royalen Klasse der Tories.
Das eigentliche Problem war doch, dass die nach Blair Labours das Land an die Wand gefahren hatten, und in der Opposition noch weiter nach links gerutscht waren (Milliband).
Die latente „Gefahr“ dieser Politik hat den gemäßigten Tories den Boden entzogen bzw. haben die sich den Boden entziehen lassen. Cameron hätte in diesem Klima niemals dieses Referendum zulassen dürfen bzw. sehr intensiver klar machen müssen was auf dem Spiel stand. Oder Osbourne das Ruder überlassen müssen. Will sagen, in einer Phase einer derartigen Polarisierung darf es keine Instrumentalisierung von Volksentscheiden geben, schon garnicht in gesettleten repräsentativen Demokratien.

Ps als jemand der über 20 Jahre in der City gearbeitet hat, muss ich leider darauf hinweisen, dass London und City of London zwei unterschiedliche „Dinge“ sind.

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Danke für deine interessanten Ausführungen.
Was ich allerdings nicht ganz verstehe, ist der Volksentscheid 1998 gegen die Rechtschreibreform. So etwas ist auf Landesebene mMn unsinnig, da es wenn dann für die gesamte Bundesrepublik bindend sein sollte. Einziges verständliches Motiv wäre wohl, dass man im hohen Norden glaubte, evtl. der Vorreiter für die anderen Bundesländer zu sein und diese zu ähnlichen Schritten zu bewegen und somit die Rechtschreibreform zu kippen. Bei einer bundesweiten Möglichkeit der Volksabstimmung müsste man das allerdings nicht machen.
Was mMn auf Landesebene ginge, wären z.B. Reformen im Bereich des Schulwesens, also z.B. achtjähriges oder neunjähriges Gymnasium etc.
Als in Bayern die Landesregierung die sechsstufige Realschule einführen wollte, gab es von Seiten der Hauptschulen großen Protest und ein Volksbegehren wurde initiiert, das aber die nötige Anzahl an Unterschriften, die für einen Volksentscheid nötig gewesen wären, verpasste. Somit wurde auf jeden Fall erreicht, dass die Maßnahme der Staatsregierung eine größere Akzeptanz im Volk hatte, als es sonst womöglich der Fall gewesen wäre, denn es hätte ja für die Wahlberechtigten die Chance gegeben, die Entscheidung der Politiker relativ einfach (eine Unterschrift im Rathaus und ein paar Wochen später ein Kreuz in einem Wahllokal machen) zu revidieren.
Ich sehe es als eine Chance an, die natürlich auch Gefahren mit sich bringt. Auf der einen Seite würde es womöglich helfen, dem Narrativ von „die da oben machen was sie wollen“ entgegenzutreten, auf der anderen Seite kann es bei besonders brisanten Themen natürlich auch die Spaltung und Polarisierung verstärken.
Ich würde es trotzdem wagen und zwar deswegen, weil es so aussieht, als ob es auf absehbare Zeit zu viele Parteien gibt, die sich im Bereich 15 - 25% der Stimmen bewegen und entsprechend dann immer wieder der Eindruck erweckt wird, dass eine Minderheit einer Mehrheit die Meinung aufzwängt.
Von daher würde mir das Modell Minderheitsregierung in Kombination mit mehr Volksentscheiden ganz gut gefallen.
PS: Wir haben unsere Allianz Arena im Übrigen auch einem Bürgerentscheid zu verdanken.

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Als die Union 2013 nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte, sprachen die Populisten alsbald von einer Merkeldiktatur, und nur wenige Monate nach der Wahl begannen sie mit ihren Pegida-Aufmärschen. Die Strategen, die schon seit langem unsere Demokratie und den sozialen Rechtsstaat verachten, finden immer einen Grund, bittere Klage zu führen. Und jede Krise bietet ihnen zumindest die Chance, damit in größeren Kreisen Resonanz zu erzielen.

Diesen Mechanismus kann man aktuell ganz gut daran erkennen, dass der Genderstern, gemessen am Erregungszustand der gesellschaftlichen Debatte, anscheinend ein größeres Problem ist als der Klimawandel. Süß eigentlich - wenn es denn nur so wäre …

Diese absurde Unwucht liegt gewiss nicht daran, dass die Menschen alle so dumm sind. Da sieht man vielmehr im Kleinen, was bei der Brexit-Kampagne im Großen zu sehen war: das durch die neuen Medien nochmal exponentiell gesteigerte Manipulationspotential.

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Alles paletti auf der Andrea Doria- wann wacht Habeck auf, oder wann bereitet Lindner diesem Elend ein Ende?

Merke : auf die Entscheider kommt es an, nicht auf die Schnacker!

Deshalb ist es auch so egal, was die Alleswisser hier im Forum meinen.

Sobald ihm Porsche was diktiert hat.

Die Wahlbeteiligung lag damals bei knapp 40%. Davon haben dann 65% mit Ja gestimmt. Wie viele sind das dann? 26 von 100?

Das ist das Originalzitat:

Ulrich Schumacher , unter anderem bis 2004 Chef des Halbleiter-Riesen Infineon, zieht gegenüber der „Bild“-Zeitung ein bitteres Fazit: „Seit mehr als 25 Jahren geht es mit dem Standort Deutschland kontinuierlich bergab. Die letzten Hoffnungsschimmer waren die Reformen unter Kanzler Schröder, danach wurden Land und Wohlstand nur noch verwaltet und aufgebraucht.“ Seine Bilanz: „Vom Wirtschaftswunderland ist nicht mehr viel geblieben.“

Dem würde ich zustimmen. Die unionsgeführten Regierungen seit 2005 haben wie schon in früheren Zeiten unter Helmut Kohl alles getan, um die vorhandene Industrien zu pampern, anstatt neue zu fördern, Infrastruktur zerbröseln lassen und energiepolitisch gebremst, wo es nur ging.
Wenn jetzt Habeck versucht, die Malaise aufzulösen und den Rückstand von 15 Jahren aufzuholen, wird er auch noch als der Schuldige an fehlendem Wachstum ausgemacht - kaum zu glauben …

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Das ist leider die Farce bei Volksentscheiden. Oftmals gehen hauptsächlich die Unterstützer zur Wahl und erzeugen dadurch die Illusion einer breiten Zustimmung.

Lese soeben Deinen Kommentar, hier zwei spontane Gründe:

  • Weil eine als Gender Mainstreaming mit beständigem scope creep auf Koks wahrgenommene Politik die longitudinal gesellschaftsstabilisierende Funktion gemeinsam geteilter gesellschaftlicher Normen, Werte und Einstellungen unterminiert (latent pattern maintenance function of culture, Parsons).

  • Weil eine beschleunigte Umsetzung von Klimaziel-Policies wie das GEG, das wie mit dem Presslufthammer vorangetrieben wahrgenommen wird, weit mehr an gesellschaftlichem goodwill zerstört als sie (die Umsetzung) in Sachen Klimarettung objektiv leisten kann. (Wenn Du mich hier persönlich fragen würdest: Ich persönlich stehe dem Generationenprojekt der sog. „grünen Transformation“ Deutschlands positiv gegenüber (siehe auch meine anderen Beiträge), aber wenn ich etwas dagegen hätte, dann nur aus der rein rationalen Erkenntnis, dass es für den globalen Klimaschutz so gut wie keine Bedeutung hat, was wir hier in Deutschland tun und lassen. Das Spiel wird in China und perspektivisch Indien entschieden, nicht hier. Deutschland könnte heute am Tag im Meer versinken oder, alternativ, seinen CO2-Ausstoß pro Kopf verdoppeln, das hätte auf die Chancen der Menschheit, noch rechtzeitig „das Klima zu retten“, so gut wie keinen Einfluss (es wäre ökonomisch sogar deutlich sinnvoller, die deutschen Euro nicht hier zu investieren, sondern direkt in China und Indien, dort wäre der Klima-Return-on-Investment pro investiertem Euro deutlich höher als hier, in technisch hochentwickelten und bereits relativ klimaeffizienten Gesellschaften wie Deutschland, z. B. mit Maßnahmen wie einem gesellschaftsweiten Heizungstausch zu erreichen ist - aber dann liefen wir schnurstracks in Probleme wie Vorwürfe des „Klima-Kolonialismus“ o. ä., weshalb sich solche Gedankenspiele von vornherein verbieten, egal wie technisch und ökonomisch sinnvoll sie auch sein mögen. Ende der Abschweifung). Ethisch wäre es allerdings schwierig, von anderen etwas zu verlangen, was man selbst nicht zu leisten bereit ist, deshalb halte ich zwar die deutsche Klimapolitik in Hinblick auf ihre Relation von potenziellem Nutzen (Beitrag zur Rettung des Weltklimas) zu potenziellen Kosten (Schädigungspotenzial für die deutsche Wirtschaft, Schädigungspotential für den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft) und das Ziel, den relativen Nutzen pro Euro global zu maximieren, für schlecht vernünftig begründbar, aber dennoch geboten - aber dies ist ein rein ethisch-moralischer Schluss, in dem das ethische Kalkül wichtiger wiegt als das ökonomische.)

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Die sogenannten „Reformen“ haben Hartz IV und einen gigantischen Niedriglohnsektor geschaffen - aus dem u.a. die AfD heute ihren Honig saugt.

Ich hoffe du nimmst mir es nicht übel, zu deiner Abschweifung ein paar Dinge zu kommentieren:
China erweitert seine Kapazitäten für erneuerbare Energien wie Windkraft, Solar und Wasserkraft schneller als Indien, die USA und Europa zusammen!
Forscher gehen davon aus, dass China den Höhepunkt seiner CO2-Emissionen im Jahr 2025 - oder kurz danach - erreichen wird.
Dabei lassen wir am besten außen vor, dass unser Wohlstand hauptsächlich auf einem ungebremsten CO2 Ausstoß in den letzten 100 Jahren basiert. D. h. am aktuellen Zustand tragen wir eine deutlich größere Mitschuld als viele andere Nationen. Und auch das Thema CO2 beim Thema Import bzw. Export, sollten wir um als Nation besser dazu stehen, auch lieber unter den Tisch fallen lassen.
Es gibt also genügend Gründe, selbst was zu tun und nicht nach China mit erhobenem Zeigefinger zu schauen…

Deutschland könnte heute am Tag im Meer versinken oder, alternativ, seinen CO2-Ausstoß pro Kopf verdoppeln, das hätte auf die Chancen der Menschheit, noch rechtzeitig „das Klima zu retten“, so gut wie keinen Einfluss

Damit sind wir der Typ mit dickem Bauch, der sich seit 2 Stunden am Buffet den Bauch vollgeschlagen hat, das Essen langsam zu Neige geht, weil immer mehr Gäste kommen und der dann der Meinung ist, ob er jetzt weiter isst oder nicht, macht auch keinen Unterschied mehr, oder?

Wir spielen immer noch ganz weit oben mit bei den Pro-Kopf-Emissionen und machen nicht so richtig viel, das zu ändern.

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Eine pragmatische lösungsorientierte Regierung kann so etwas schaffen

so Recht Du mit dieser Aussage hast (die ja nicht Deine persönliche Meinung ist, habe ich verstanden), so sehr wird dieses „Argument“ leider zu Unrecht von allen Bremsern und Klimaleugnern strapaziert.

Das reale Problem haben wir doch infolge des Ukraine-Krieges gesehen: wir sind in der Lage, von jetzt auf gleich ein Zig-Milliarden Paket für Strom- und Gaspreisbremse aufzulegen; hätten wir nur einen Teil davon seit 15 Jahren in einen vom Staat gefördeten Auf- und Ausbau von Erzeugung, Speicherung und Verteilung regenerativer (= Sonnen-) Energie gesteckt, wären wir von Putin unabhängig gewesen und nicht über Energie erpessbar. Ebenso müssten wir jetzt nicht darüber diskutieren, ob das GEG zu viel will und wie die Kosten des Umsitegs am besten umverteilt wären - wir wären längst über die Phase der Energiewende hinweg, die zunächst mehr kostet und könnten bereits die wirtschaftlichen Früchte ernten.

Es geht nicht primär um Klimaschutz, sondern darum, dass wir die Chance ergreifen, uns energetisch unabhängig zu machen und die damit verbundene Wertschöpfung im Land zu halten. Da haben leider 16 Jahre Angela Merkel viel zerstört, was jetzt wahrscheinlich kaum noch zu reparieren ist (Solarindustrie sterben lassen, Windkraft-Firmen fast auch, keine Unterstützung, damit Speichertechnologie auf Wirtschaftlichkeit hochskaliet werden kann etc. …).

Klar können wir die Welt nicht retten, wenn China nicht mitspielt - aber wir können uns selbst konkurrenzfähig halten, das ist der Kernpunkt!

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Das ist mMn aber kein Argument gegen die Bürgerentscheide. Kann man es den Gewinnern verdenken, ihren Triumph zu feiern, auch wenn eine Mehrheit zu bequem war, ihre Meinung überhaupt kundzutun? Ist die Entscheidung dadurch weniger repräsentativ? Es wäre wohl nirgendwo so leicht, seine Meinung zu vertreten, wie bei Volksentscheiden.
Übrigens: Bei Volksentscheiden pro/ contra Olympischer Spiele, schafften es z.B. in München und den umliegenden Landkreisen, die ebenfalls Disziplinen ausgerichtet hätten, die Gegner der Spiele, mehr Leute zu mobilisieren als die Initiatoren der Bürgerentscheide.
Natürlich ist wie im Fall der Allianz Arena eine Zweidrittelmehrheit bei einer Wahlbeteiligung von 40% (genau gesagt waren es 65,6% bei 37,5% Beteiligung und damit eine Rekordbeteiligung bei Bürgerentscheiden in München) auf alle Wahlberechtigten hochgerechnet eine relativ geringe Zahl und weit entfernt von einer Mehrheit aller potentiellen Wähler.
Andererseits könnte man mit so einer Begründung ja schon fast die gesamte Regierungsform einer repräsentativen Demokratie in Frage stellen, oder? Nur mal ein mMn krudes Rechenbeispiel, das wohl jeder Verschwörungsideologe bejahen würde:
Die Grünen haben 2021 14,8% der Stimmen geholt und die Wahlbeteiligung lag bei 76,6%. Insgesamt hätten 61,18 Millionen Menschen ihre Stimme abgeben dürfen. Ca. 15 Millionen haben darauf verzichtet. Die Grünen erhielten 6,85 Millionen Zweitstimmen, also haben etwas mehr als 10% aller wahlberechtigten Deutschen sie gewählt. Das ist doch dann auch nicht unbedingt eine Zahl, aus der sich ein klarer Regierungsauftrag ableiten würde, oder? Wenn man denn möchte könnte man daraus auch ableiten, dass fast 90% aller Deutschen (also auch die miteingerechnet, die am Wahltag ihr Recht zur Wahl nicht wahrnehmen wollten/ konnten), die Grünen nicht in der Regierung wollten. Das zu behaupten, wäre natürlich in meinen Augen Humbug, denn erstens weiß niemand, wie viele der 15 Millionen Nichtwähler im Falle einer Wahl vielleicht doch die Grünen gewählt hätten und zweitens sieht unser System eben die Möglichkeit der Koalition von 2 oder mehr Parteien vor.
Was ich damit sagen will: bei sehr vielen Entscheidungen in unserer Demokratie (inklusive Regierungsbildung) kann man nicht mit Gewissheit davon ausgehen, dass sie von einer Mehrheit des Volkes gewünscht wurden. Es mag durchaus sein, dass von den 5,3 Millionen Wählern der FDP eine sechs- oder sogar siebenstellige Zahl ihr Kreuz bei der Zweitstimme anders gesetzt hätte, wenn sie gewusst hätten, dass auch mit ihrer Stimme die Ampelkoalition entstand. Wir tun also gut daran, jede demokratische Entscheidung zu akzeptieren, auch wenn sie vielleicht nicht unserer Wunschvorstellung entspricht oder wenn die Beteiligung nur gering war.
Es ist nun mal so, dass es keine Mindestwahlbeteiligung gibt, weder auf Bundes- noch auf Landes- und auch nicht auf Kommunalebene. Ich kann mir derzeit auch nicht vorstellen, dass wir in den nächsten Jahren einmal erleben werden, dass auf Bundesebene eine Partei alleine die Mehrheit im Bundestag erlangen wird. Deshalb wird aber (vorausgesetzt die Wahlen und Auszählungen laufen korrekt ab) trotzdem jede Regierung der nächsten Jahre demokratisch legitimiert sein.

Ich kann in Alex Kommentar nicht erkennen, dass er China als reformunwillig in Bezug auf erneuerbare Energien abgestempelt hätte.
Aber: selbst wenn China es schafft, einen Quote von erneuerbaren Energien zu schaffen, die alle anderen Industrieländer 2025 vor Neid erblassen lässt, werden die CO2-Emissionen Chinas immer noch gigantisch sein und alles was wir einsparen dazu wie Peanuts erscheinen lassen.
Übrigens: China hat auch etwas andere Voraussetzungen in Sachen regenerativer Energien, sowohl geographisch als auch politisch. Da wird bestimmt keine Rücksicht genommen auf irgendwelche Menschen oder gefährdete Tierarten, wenn es darum geht, einen Staudamm für ein Wasserkraftwerk zu errichten oder wenn man großflächig Windparks baut. Es würde mich nicht wundern, wenn es in China zig Fälle gibt, wie den derzeit in Brandenburg heiß diskutierten Solarpark bei Hohensaaten.
Auf Konversionsfläche in Brandenburg: Kahlschlag für Sonnenenergie - taz.de
Somit hat Alex mMn völlig recht, wenn er sagt, dass es bei uns eher um ethisch-moralische Gründe geht, wenn wir uns dafür entscheiden, im Klimaschutz aktiver zu werden als um wirklich messbare Ergebnisse.
PS: Liste der Länder nach CO2-Emission pro Kopf – Wikipedia
Ich sehe Deutschland hier hinter China zumindest im Jahr 2020 um 0,5 Tonnen pro Kopf. Da China „dummerweise“ auch noch 17,7 mal so viele Einwohner hat wie die BRD, ist hier wirklich ein entscheidendes Spielfeld für die Rettung des Klimas.

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@Alex,

Danke für deine ausführliche Antwort. Ich war ja im Gespräch mit @willythegreat und am gegenseitigen Zitieren, daher war die Frage an ihn gerichtet, aber er hat (noch) nicht direkt darauf geantwortet, daher freue ich mich umso mehr über deine Expertise.

Ein paar Anmerkungen und Nachfragen.

  • Natürlich ist mir die stabilisierende Funktion von geteilten Normen für eine Gesellschaft bekannt. Dagegen ist theoretisch auch gar nichts zu sagen. Nur scheint mir die soziologische Einigkeit bezüglich der heutigen Gesellschaft und ihrer Aufteilung, sagen wir: äußerst unscharf. Demzufolge würde ich in Frage stellen: welche gemeinsam geteilten Normen wären das, die angeblich so stabilisierend wirken? Das heißt, wir müssten doch wieder ins Detail gehen und spezifisch die jeweilige Norm betrachten. Gibt es diese wirklich bei der Sprache? Zweifellos, würde ich sagen. Bei den heutigen Kulturkämpfen jedoch, die sich umfassend um sicherlich Dutzende Begriffe drehen, die man noch oder nicht oder nicht mehr oder wenn doch, dann anders benutzen solle/dürfe, fällt es zumindest mir persönlich schwer, noch eine Norm zu entdecken, die tatsächlich weite Teile der Gesellschaft stabilisiert - was ich übrigens, progressiver In-Frage-Steller, der ich bin, schon ganz eigentlich wieder als konservatives Argument wahrnehme (ohne Wertung).
    Und wie du ganz richtig betonst, handelt es sich um „wahrgenommene“ Politik. Aber von wem? Doch vermutlich von Ebenjenen, die sich, um es etwas polemisch auszudrücken, jeder (auch) natürlichen gesellschaftlichen Entwicklung solange verweigern wie es nur irgend geht, dreht es sich nun um Sprache oder Lebensentwürfe oder ein Geschlechterbild. Und was, wenn diese Wahrnehmung nun fragwürdig, von keinerlei Fakten gestützt, gar falsch wäre? Dann würde die kritisierte Unterminierung doch auf einem sehr wackligen, subjektiven Fundament stehen.

  • Bezüglich deiner Zeilen zum Klimaschutz fiel mir eine Analogie zum Fußball ein, weil du meintest, das Spiel wird in China und perspektivisch Indien entschieden, nicht hier. Das mag sein. Sagen wir, am Ende eines Fußballspiels zwischen zwei Welt-Auswahlen schießt ein Stürmer aus China in der 80. Minute das entscheidende Tor. Es konnte jedoch nur fallen, weil in den Minuten zuvor Spieler aus Deutschland und, egal, Dänemark wichtige Zweikämpfe gewannen, Laufarbeit leisteten, um den chinesischen Stürmer überhaupt in diese Position zu bringen.
    Was ich damit sagen will: sämtliche mathematischen, prozentualen Anteile Deutschlands an einer Klimapolitik, die der Menschheit hilft, die Probleme zu überwinden oder auch nur kleiner zu machen, sind nicht der Punkt, denke ich. Es geht nicht um den Anteil Deutschlands an irgendwas, sondern darum, ein auch ökonomisches Erfolgsmodell zu installieren, das sich im Idealfalle viele zum Vorbild nehmen können und wollen (ganz freiwillig, denn wer will nicht ökonomisch profitieren?). Dass das zeitliche Fenster, um bestimmte Kipppunkte noch halbwegs in den Griff zu kriegen, schrumpft, dürfte keiner mehr anzweifeln, es geht ja auch hier gar nicht darum, ein ohnehin willkürliches Prozent-Ziel zu erreichen, und sobald das nicht mehr möglich ist, könnten wir es dann ganz lassen - jedes Zehntel-Grad, um die wir die Erderwärmung stoppen, bedeutet ganz konkret weniger Tote, weniger vernichtete Existenzen.
    Deswegen würde ich deine Formulierung bezüglich des „gesellschaftlichem goodwill“ anzweifeln. Aus oben genannten Gründen bin ich mir des „goodwills“ äußerst ungewiss, und was wir in Sachen Klimarettung „objektiv“ zu leisten vermögen, ist ein weit in die Zukunft gerichtetes Projekt und somit sehr schwer in Zahlen zu fassen oder in konkrete Studien zu übersetzen. Fehlen da nicht „objektive“ Parameter?

Und jetzt kommt der ironische Punkt des Ganzen, nachdem wir uns unsere Kommentare um die Ohren gehauen haben :wink:
Jenseits von geschliffener Rhetorik und stringenter Argumentation war ich eigentlich auf eine wirklich streng subjektive, ja sogar gefühlsbetonte Antwort auf meine obige Frage warum eigentlich? aus… einfach aus Interesse. Der Witz ist ja, dass wir beide uns um Objektivität bemühen und uns vermeintliche Gründe des gesellschaftlichen Stress-Zustandes ausdenken, aber (wie du ja auch schreibst) persönlich gar nichts groß gegen die grüne Transformation haben. Und funktioniert Politik nicht oft mehr über die Emotion denn über die Ratio?

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Wenn man hier die Bundeswehr als Besatzungsmacht bezeichnen kann, dann ist eh Tür und Tor offen….

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Das nicht und das wollte ich auch gar nicht gerade rücken. Man liest nur verdammt oft das Argument, aber China… und stellt damit alle Maßnahmen hier in Deutschland in Frage. Und das verkennt, wie ich bereits geschrieben habe, etwas unsere Historie.

??? Hab ich das gemacht???
Ich glaub ich steh grad am Schlauch.